Eine alte Jungfer.
(Schluß.)
Ich ging rasch fort und als ich nun so an dem schönen See entlang ging und das Wasser so hell und klar im Sonnenschein blitzte, da schien cs mir auf einmal, als ertönte eine Stimme aus dem tiefen See, ganz leise und vertraulich.
„Anna!" klang cs, „komm' herab in die stille Tiefe, hier unten wohnt keine Falschheit, keine Täuschung, hier brauchst Du nicht mehr zu weinen um verlorenes Glück. An den liebsten in Kopenhagen kannst Du nicht mehr denken, es ist zu lange her und der Brief ist verbrannt, auch würLe er für eine verlassene Braut sich schön bedanken, der reiche, stolze Großhändler. Kannst Dich vor den Leuten nun doch nicht mehr sehen lassen, Anna! komm herunter, hier ist es viel schöner, hier ist Ruhe und Frieden!"
O, wie verführerisch klang das — ich schaute in's klare Wasser bis auf den Grund, wo die kleinen Fische so vergnügt spielten.
Die Sonne schien hell und warm, für mich war es Nacht, schwarze Finfterniß, ich sah nichts weiter als den stillen Grund unten im See.
Hinunter, Himmler, dort ist Ruhe und Frieden; ich dachte nicht mehr an Gott und sein Wort, nicht mehr an meine alte, gute Mutter.
Da klangen auf einmal die Glocken über den See, langsam und traurig, und als ich erschreckt hiuschauke, konnte ich den Leichenzug erkennen, die schwarzen Träger mit dem Sarg — und — auch die stille Leiche kannte ich wohl, es war der alte Martin. Der Pastor aber schritt dicht hinter dem Sarge her.
Da rieselte ein kalter Schauer mir durch Mark und Bein
— der alte Marlin kam nicht ungerufen vor Gottes Thron, er hatte gewartet, bis der Herr ihn abrief.
Ich blickte starr und unverwandt hinüber nach der Leiche und zuletzt war es mir, als müsse es mein eigener Sarg sein und die Glocken läuteten mich selber in die Gruft.
Ach nein, ach nein, ich bekomme einen glatten Sarg — keine Glocke läutet an meiner Gruft, kein Prediger hält mir die Leichenrede, ich komme in die Armesünder-Ecke.
Und noch immer läuteten die Glocken so traurig — und hörten sie auf - der Sarg wurde in die Gruft hinabgelassen
— der Pastor hielt die Leichenrede — ich hörte in Gedanken 'Alles mit.
Ich fiel auf meine Knie und betete aus- tiefster Seele — das Vaterunser betete ich — — führe uns nicht in Versuchung I
Und nun konnte ich auch wieder weinen.
Seit jener Stunde am See ist meine Seele still und de- müthig geworden.
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Ich habe nicht viel mehr zu erzählen.
Daß ich dem Schäfer sei» Wort zurückzab, ist selbstverständlich.
Er verheirathele sich dalo mit der Haushälterin seines Gutsherrn, und bekam Geld und — Schande, auch viel Unglück mit ihr in's Haus.
Ich aber habe es ihm sicherlich nicht gewünscht.
Als ich immer älter im Dienste wurde und noch einige Freier abgewiesen hatte, weil ich mich nicht verheirathen wollte, da entschloß ich mich, mit einer kleinen Pension von meiner Herrschaft und meinen Ersparnissen zu meiner alten Mutter zu ziehen, da mein Vater schon längst zur Ruhe eingegangen war.
Bevor ich das jedoch anSsühren konnte, starb die alte, brave Frau, und nun schien der Tod auf einmal unersättlich zu werden, denn in kurzer Zeit starben alle meine Geschwister, bis ich allein znrnckblieb. Durch manches Menschenleben geht wirklich ein schwarzer Faden I
Nun bezog ich in meiner Heimoth mit dem alten Kaling, den meine Mutter großerzogen, eine kleine Wohnung und will allein bleiben bis an mein Ende.
Nachschrift. Die trockenen Blumen in der Bilderbibel möge die kleine Biene nicht wegwersen, am liebsten nehme ich sie mit in's Grab."
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Ich war zu Ende mit der Lebensgeschichte der alten Reislingen, und stumm saßen wir uns eine geraume Weile gegenüber, meine Mutttrr und ich.
Ich mochte nicht ausblicken, weil ich mich der Thränen schämte.
„Arme, alte Jungfer!" sagte die Mutter endlich leise, so wird Mancher im Leben ve> spottet und verhöhnt, der es wahrlich am wenigsten verdient. O, wie groß und ehrwürdig steht die alte Reislingen jetzt vor mir, ihr Kampf ist größer und schwerer gewesen, als der eines Generals in der Schlacht, sie hat den schlimmsten und gefährlichsten Feind, sich selbst und ihr eigenes verzweifelndes Herz überwunden. Gott schenke ihr da oben Freude und Seligkeit."
„Amen!" sagte ich und trocknete mir die Angen.
Die Bildervibel mit den trockenen Blumen halte ich als ein Heiligthum bis auf den heutigen Tag, und wie die Erinnes rung an die alle Reislingen mir manchen schweren Lebenskam pf
erleichtert hat, so gibt es mir auch einen Stich durch's Herz, wentz dis boshafte Welt sich lustig macht über eine alte Jungfer.
Allerlei.
— (Gebetsheilungen.) Im In- und Anslande gibt es Leute , welche (und zwar mit aller Konsequenz) in allen Krankheitsfällen es weder mit der Allopathie, noch der Homöopathie halten wollen, sondern unter irriger Auslegung betreffender Stellen der h. Schrift alle Krankheiten lediglich durch Gebet heilen zu können und zu sollen vermeiden. — So wurde uns aus London von einer Seele geschrieben, welche im Volksmund den Rainen: „Peculiar People", zu deutsch eiwa „seltsame Leute" führt. Diese Leute erwarten die Hilfe für Kranke niemals vom Arzte, sondern lediglich von der unmittelbaren Einwirkung des angerufenen Schöpfers. In Tower-Street nahe bei London» Fields haben sie unlängst ein stattliches Gebäude gemielhet und dasselbe zum Krankenhaus eingerichtet, über dessen Schwelle kein Arzt seinen Fuß setzen soll. Ein großer Schild am Hause ladet zur Benützung ein mit folgenden Worten: „Haus des Glaubens zur Aufnahme solcher Kranken, die für unheilbar gellen, damit sie durch gläubiges Gebet geheilt werden." Als begründende Schriftstellen sind angesügt: „Alles was ihr bittet im Gebet, — so ihr glaubet, so werdet ihr es empfahcn" (Ev. Matth. XXI. 22 V.) und ,,Jst Jemand krank, der rufe sich und die Nettesten von der Gemeinde, und lasse sie über sich beten und salben mit Del in dem Namen des Herrn. Und das Gebe! des Glaubens wird dem Kranken helfen." (Ep. Jakobi, V. 14, 15) u. s. w. — Als der Schild die Bedeutung des Hauses verrathen hatte, entstand unter der Nachbarschaft eine Bewegung, ein Protest um den andern lies bei der Behörde ein; denn Niemand wollte in der Nachbarschaft eines „Krankenhauses für Unheilbare" sein; und man sieht nun dem Ausgang des Prozesses mit Spannung entgegen. Noch ist zu bemerken, daß mehrere Anhänger der Seele, welche gefährlich Kranke ohne ärztliche Hilfe ließen, nun die gerichtliche Bestrafung und zwar wegen ,,Todt- schlags" zu gewartet, haben.
— (Die Nähmaschine vom Standpunkt der Hygi- eine aus betrachtet.) Immer mehr und mehr bürgert sich die Nähmaschine, dieses mächtige und nun zu so billigem Preise zu erwerbende Förderungsmittel der Nadelarbeit, mit Recht im Arbeitszimmer unserer emsigen Hausfrauen ein. Was speziell die Fuß-'Nähmaschine betrifft, so ist indeß vorzugsweise sie vom gesundheitlichen Standpunkt aus nicht ohne vielfache Anfechtung geblieben. Nach dem Ausspruch eines Sachverständigen, der hierüber ein Schriftchen geschrieben,'kann nemlich zwar die Nähmaschine von einer gesunden Arbeiterin 3—4 Stunden des Tags ohne Nachtheil, ja ohne Ermüdung benützt werden. Die Krankheiten aber, zu welchen dir Näh-, bez. insbesondere die Fuß- Nähmaschine empfänglich machen, sind folgende: 1) Verdaungs- Unregelmäßigkeiten, veranlaßt durch die ungesunde Luft im Arbeitsgemach, durch die sitzende Lebensweise und den Mangel an Bewegung im Freien: 2) Muskelschmezren in den Beinen und im Rumpf durch den unhaltenden Gebrauch einer und derselben Muskelpartie; 3) allgemeine Schwäche nach langer lleberarbei- tung. Außerdem treten ein: 4) Verschlimmerung spezieller Frauenleiden durch die stete Erschütterung der Beckenorgane, 5) in selteneren Fällen Fuß Neuralgien und Nervenleiden. — Aus gesundheitlichen Gründen wünscht der betr. Sachverständige die Ersetzung der Füße durch eine andere Triebkraft, bei besserer Ventilation der Arbeitsräume, zum Mindesten die Anwendung eines besseren Tritts an der Fuß-Nähmaschine. Wir glauben, daß diese Verbesserung nicht lange ausbleiben wird.
— (Verwendung de,S kohlensauren Natro ns in der H a u s w ir th sch a f t.) Um das Sauerwerden der Milch zu verhüten, setzt man derselben auf je ein Liter einen Theelöf- fel voll kohlensaures Natron zu. Sauer gewordene Gemüse und Fleischbrühen sind wieder genießbar zu machen, wenn man sie mit kohlensaurem Natron aufkocht. — Ranziger Butter wie auch ranzigen Fetten kann man den vollkommen frischen Geschmack dadurch zurückgeben, daß man die eine wie die anderen mehrmals in Wasser auswäscht, worin ein Eßlöffel voll kohleusaures Natron aufgelöst ist. Wollen Hülsenfrüchte, wie ja bisweilen vorkommt, trotz längeren Kochens nicht weich werden, so braucht man denselben wiederum nur ein wenig kohlensanres Natron zuzusetzen, damit die halsstarrigen Früchte sich nach einigen Minu» reu von ihren Hülsen lösen. — Schüttet man endlich kohlen - saures Natron in's Wasser, womit man Kaffee oder Thee bereitet, so werden beide Getränke stärker und besser. — In England bedient man sich des kohlensauren Natrons vielfach anstatt der häufig sehr unangenehm schmeckenden Hefe zum Bereiten von allerlei Backwerk.
— Das menschliche Auge. Die Wissenschaft gibt interessante Details darüber, was das menschliche Auge einmal gewesen, und was es noch werden-kann. Die Vedas der Inder — die ältesten schriftlichen Urkunden — bezeugen, daß man in ältester, aber schon historischer Zeit, nur zwei Farben gekannt hat, schwarz und roth. Es verging eine lange Zeit, bis das