Theilnahme an einer dieser Andachten statt eines fünfmaligen Pcivat-Besuches der vorgeschriebenen vier Kirchen gelten soll.
Fürth am Wald, 18. Juni. Eine Frauensperson in dem von hier 1'/, Stunden entfernt liegenden Marktflecken Eschlkam wurde im Herbst vorigen Jahres von von einem Hunde gebissen. Ohne an weitere Folgen zu denken, blieb sie gesund bis gestern Nachmittags, wo auf einmal bei derselben die Tollwuth und zwar heftig austrai, daß sie innerhalb zwölf Stunden dieser schrecklichen Krankest erlag. In welch' unheimlicher Lage zwei weitere zu gleicher Zeit vom nämlichen Hunde, wohl nicht so stark ge- bisse Personen sich befinden!
Berlin. 23. Juni. Die „Prov.-Corr." schreibt aus Veranlassung der bevorstehenden kurzen Begegnung des Kaisers von Rußland und des Kaisers von Oesterreich, daß sowohl der Besuch des Erzherzogs Albrecht bei dem Kaiser Alexander und dem Kaiser Wilhelm, wie die bevorstehende Zusammenkunft des Er- steren mit dem Kaiser Franz Joseph, der bald eine Begegnung des Kaisers von Oesterreich mir dem deutschen Kaiser folgen werde, als eine neue Bewährung und Bestätigung der freundschaftlichen Beziehung der drei Kaiserreiche gelten dürften, welche seit 1872 die feste Grundlage des europäischen Friedens gebildet hätten. Die ausdrückliche Entschiedenheit, womit auch Seitens Oesterreichs in den letzten Wochen das unveränderte Festhalten an der vertrauensvollen Gemeinschaft und an einer ernsten Friedens-Politik ans jede Weife bekundet worden sei, habe die letzten Besorgnisse vollends verscheucht, welche eine kurze Zeit an die europäische Lage geknüpft worden seien.
Berlin, 24. Juni. Der „Staats-Anzeiger" veröffentlicht eine Bekanntmachung, durch welche das gesummte Staats-Papiergeld Preußens zur Einlösung einbernfen wird. Die Einlösung erfolgt für alle Sorten, ausgenommen für die Cassenanweisungen vom Datum des 2. November 1851, des 15. Decembsr 1856 und drs 13. Februar 186l, bis zum 3!. December 1875. Alsdann tritt die Ungültigkeit ein. Die Bestimmung des Zeitpunktes der Ungültigkeit für die oben bezeichnten Cassenanweisungen bleibt Vorbehalten.
Wie man der „Frkf. Ztg." aus Berlin telegraphier, will Rechtsanwalt Munkel gegen das Urtheil des Kammergerichts beim Obertribnnal Nichtigkeitsbeschwerde einlegen.
Der Ackerwirth W. in Zendemo in Westpreußen war ein religiöser Fanatiker, dem besonders der Teufel immer im Kopfe herummarschirte. Am 18. Juni geht er zur Beichte, kehrt Abends spät zurück und weckt seine 6 Kinder, die bereits schliefen. Er wetzt fein Brodmesser und schildert seinen Kindern die Schrecken der Hölle und des Fegfeners. Der älteste 12jährize Knabe spürt Unrath und springt durch das Fenster in die Nacht hinaus, die fünf jüngeren packt der halb wahnsinnige Vater und schlitzt ihnen mit dem Messer die Leiber auf, um sic vor dem Teufel zu retten. Dann ruft er- seine im Nebenzimmer schlafende Frau herein, zwingt sie auf die Kniee nieder, damit sie betet und schneidet ihr den Hals durch. Der älteste Knabe macht Lärm im Ort, man will herzu, aber ehe man den Wahnsinnigen packen konnte, hat er sich die Kehle durchschnitten. 7 Leichen bedecken den Boden. (Die arme erstochene Frau hatte der Mann auf das Bett gelegt, ihr den Bauch aufgeschlitzt und sie mit Kreuz und Rosenkranz bedeckt.)
Alle Feinde des deutschen Reichs wünschen den Ultramou- ranen bei den bevorstehenden Wahlen in Bayern den Sieg. Die französischen Zeitungen aller Farben besprechen die bayerischen Wahlen und Hoffnungen so lebhaft, als handle es sich um Frankreich, sie wünschen denjenigen Sieg, welche die Gegner des deutschen Reichs, also ihre Freunde sind.
Die Saat der römischen Fanatiker und Finsterlinge scheint leider in Deutschland aufzugehen. Aus einem Städtchen in Westfalen berichtet der Redacteur einer liberalen Zeitung, die dort „Freimaurer-Zeituug" geschimpft wird: Ich kann kaum noch wagen, mich auf der Straße sehen zu lassen, die Kaufleute weigern sich, mir die Maaren abzulassen, ich kann kaum Milch bekommen für einen Säugling. Kein einheimisches Mädchen tritt in den Dienst des Ketzers, ich habe mir ein Mädchen aus Magdeburg verschreiben müssen; bezahlen muß ich doch alles 2—3 mal so hoch als andere.
Die Ernteaussichten in Elsaß-Lothringen werden als die denkbar besten geschildert. Neben den Kornfrüchten verspricht der Obstbau und ebenso der Weinbau eine Fülle des Erträgnisses, wie sie seit Menschengedenken nicht dagewesen sein soll, so daß nach menschlicher Vorausberechnung zu hoffen ist, es werde sich dem guten Weinjahre 1874 das Jahr 1875 als ein ausgezeichnetes Wein- und Fruchtjahr anschließen.
Die Nachrichten aus Prag stellen ein schmerzloses, aber baldiges Einschlummern des greisen Kaisers Ferdinand in Aussicht. Er ist jetzt so schwach, daß er nicht mehr im Stande war, seine nahe Sommerresidenz zu beziehen.
Paris, den 24. Juni. Nach neueren Nachrichten sind die Ueberschwemmungen in den Thälern der Garonne und des Adour besonders groß und haben ungeheure Verheerungen daselbst angerichtet. In Toulouse sind alle Brücken weggerissen und zahlreiche Häuser eingestürzt. Auch sind mehrere Menschenleben zu
beklagen. Aehnliche Verwüstungen werden aus Tarbes, Auch, Albi und Montauban berichtet. Gegenwärtig sind die Gewässer in langsamer Abnahme begriffen, obwohl der Regen anhält.
Toulouse, 24. Juni. Die Ueberschwemmung hat viel größere Verheerungen angerichtet, als man glaubte. Man schätzt die Zahl der eingestürzten Häuser auf 200—300. Das von den Arbeitern der Tabaks-Manufactur bewohnte Viertel liegt fast ganz in Trümmern. Mehrere Arbeiter werden vermißt. — Montaubau, 24. Juni. Der Wasserstand der Garonne ist einen Meter höher, als der höchste Wasserstand dieses Jahrhunderts (1835.) Fast alle Meiereien sind zerstört und die Landleute um ihre ganze Habe gebracht. — Vom 25. Juni wird ans Toulouse berichtet: Drei Dörfer in der Nähe sind fast ganz dem Boden gleich gemacht, in einem vierten sind von 400 Häusern zehn stehen geblieben. In Toulouse selbst sind fünf große Brücken fortgerissen und bis gestern Abend 300 Häuser eingestürzt.
Paris, 25. Juni. Bis jetzt sind in und bei Toulouse 215 bei der Ueberschwemmung ertrunkene Personen aufgefunden worden. Zeichnungen zu Gunsten der Beschädigten werden vorbereitet.
Für die Herzogin Helene v. Orleans, die Protestantin war und als solche starb, wird ein katholischer Trauer- Gottesdienst in der Kapelle zu Sablonville bei Paris abgehalte» wedeu. Es scheint, die Kirche ist für die Großen nachsichtig; sonst werden doch Ketzer, nicht an katholischen Altären beräuchert.
lieber einen seines Motivs wegen eigenthümlichen Selbstmord schreibt man der „Sil." aus Teichen: I» Gorditsch hat sich am 17. ein Grundbesitzer erhängt, weil er befürchtete, daß dieses Jahr sehr fruchtbar sein werde, und daß wegen der Meng« der Früchte diese im Preise auffallend werden sinken müssen.
Der Ring der Muttter. (Fortsetzung.)
„Auch das noch!" sagte Leonie, den Blick stier auf die Thüre gerichtet. „Ich werde ihr diesen Triumph nicht gönnen!"
„Madame, ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt," sagte Joseph, der aus dem Kabinet eintrat, „der Ring ist Ihr Eigenthum."
„Aber darf ich ihn nach der Erklärung der gnädige» Frau nehmen? Glaubt Ihr, ich werde ihr Gelegenheit geben, ihre Drohung auszuführen?"
Der alte Mann schüttelte den Kopf, er wagte nicht, hier seine Ansicht zu äußern und einen Rath zu ertheilen.
Der Abend dämmerte schon, als Leonie einen Fensterladen öffnete und hinansblickte.
Wie manche Erinnerung rief dieser Blick in den herbstlichen Garten in ihrer Seele wachl
Sic gedachte der Zeit, in der sie als Kind unter diesen Bäumen spielte, manch' farbenfrisches Bild tauchte vor ihrem Auge auf, ein tiefer Seufzer entrang sich ihrem beklommenen Busen.
„Wißt Ihr noch, Joseph, als in jener Laube mein Geburtsfest gefeiert wurde?" fragte sie nach einer langen Pause. „Ihr wäret ja damals schon in unserem Hause, Ihr habt manch' liebes Mal mich auf den Armen getragen!"
Der alte Mann nickte.
„Ja, damals waren noch schöne Zeiten," sagte er wehmüthig, „damals herrschten noch Friede, Liebe und Freude in diesen Räumen! Ach, so könnte es auch jetzt sein, wenn sie hier schalteten und-aber geschehene Dinge lassen sich nicht ändern."
„Ja, es waren schöne Zeiten," wiederholte Leonie sinnend, „und daß meine Kindheit so schön war, werde ich nimmer meinen
guten Eltern vergessen. Später kam es freilich anders, aber-
Joseph, nicht wahr, er war ein lieber, guter Herr, mein Vater!"
„Gewiß ein Ehrenmann durch und durch!"
„Und er hatte ein Herz voll Liebe, aber seine Liebe wurde vergiftet, und dafür kann ihn nie ein Vorwurf treffen," sagte Leonie, während sie mir ihrer schmalen, feinen Hand über das Antlitz des Todten strich. „Er war ein guter, edler Mann, er wurde getäuscht und betrogen!"
„Und dennoch möchte ich ihm zürnen, daß er sie verstoßen konnte!" sagte Joseph, während er leise eine Prise nahm. „Er mußte doch mit. der Zeit einsehen, welche Schlange er an seinem Busen nährte, und er hat ja damals auch eine Bürgerliche ge- heirathet, also darf er Ihnen keine Mesalliance vorwerfen."
„Es hat Jeder seine eigenen Ansichten."
„Ich lasse sie gelten, aber der Groll darf so lange nicht warten, eine Brücke über die Kluft zu bauen, man muß vergeben und vergessen können."
„Er würde es gethan haben, wenn meine Briefe in seine Hände gekommen wären!"
„Wer weiß!"
„Doch, diesen Glauben lasse ich mir nicht rauben."
„Trotzdem er sie enterbt hat?"
„Hat er es aus eigenem Antrieb gethan?" Er ist gezwungen worden, ich zürne ihm nicht deßhalb."
Ein Diener bat Leonie, zum Souper in den Eßsaal zu kommen, sie lehnte es ab.
„Gehen Sie nur." sagte Joseph leise, „ich wache."
Leonie schüttelte ablehnend das Haupt, bald daraus brachte der Diener Wein und kalte Speisen.
Joseph bat so lange, bis sie sich hin setzte und etwas genoß