Jugenheim, 17, Juni. Die Kaiserin Augusta wird am 19. d. M. zum Besuche des Kaisers von Rußland hier eintreffen.

Einer recht hoffnungsvollen Tochter erfreut sich eine in Brünn wohnende Wittwe. Letztere machte die Emdeckung, daß ihr im Verlaufe der letzten fünf Wochen aus einem ver­schlossenen Koffer Werthpapiere im Betrage von 4340 fl. nebst circa 3b fl. in Silbergeld und zwei Stück Ducaten, ferner eine silberne Taschenuhr und sin Trauring gestohlen worden waren. Durch die Untersuchung wurde deren dreizehnjährige Tochter als Thäterin ermittelt. Dieselbe hatte von dem gestohlenen Gelde nicht nur luxuriöse Putzsachen, Kleiderstoffe, Spielwaaren und Nippgegenstände in reichlicher Menge angekauft, welche sie unter dem Vorgeben, dieselben von einer unbekannten Wohlthäterin erhalten zu haben, nach Hause brachte, sondern auch in Begiei- ^ tung ihrer Geschwister und einer Freundin eine Vergnügungsreise nach Pest gemacht, welche die bedeniende Summe von 800 fl. verschlungen hat; die junge Verschwenderirr halte während einer Fahrt mittelst eines Fiakers Silbergeld unter die Dorfjugend geworfen, und um die Wiedererlangung mehrerer ihr von einem Windstoße entführten Banknoten sich gar nicht gekümmert, so daß sie, um die Rückkehr antretcn zu können, die eingekauflen Pre­tiosen verschleudern mußte. Kaum in Brünn angekommen, unter­nahm sie eine Lustreise nach Boskowrtz, Oels, mit einem Aus­flug nach Pernstein, wo es nicht weniger verschwenderisch zuging, bis das ganze Geld durchgebracht war.

Aus Elsaß-Lothringen. Beim kaisecl. Friedensgerichte Weißenburg ist nachstehende Entschädigungsklage anhängig.

Herr Schreinermeister St.in Weißenburg erklärte bcim^

Biere im Scherz, er wolle sein Haus verkaufen, wenn ihm ein Käufer für die erste Fensterscheibe einen Centim gebe und für jede folgende Scheibe, deren das Haus 92 zähle, den Preis pro­gressiv verdopple. Ein anwesender Rentier israelitischen Bekennt­nisses schlägt trotz des spöttischen Gelächters aller Anwesenden ein, gibt Handschlag darauf und will sofort bei einem Notare

den Kauf machen lassen. St.erklärt ihm, daß er und

ganz Deutschland nicht Geld genug hätten, das Haus zu bezahlen, und stellte es ihm frei, durch Bezahlung der Zeche sein Wort und seinen Handschlag auszulösen. Hierdurch wird der etwas geld­stolze halbe Millionär M . . . . noch mehr gereizt und ruft die Anwesenden zu Zeugen auf, daß der Kauf im Ernste geschlossen sei und der Rücktretende Reugeld zu bezahlen habe. Wirklich kommen die Beiden zum Notar, der aber natürlich erklärt, daß er einen solchen närrischen Kauf nicht beurkunden könne. Durch den Eigensinn M . . . .'s gereizt, will nun St .... . durch­setzen, daß ihm M . . . . eine Rücktritts-Entschädigung von einigen Hundert Francs zahlen müsse, da letzterer ja trotz Er­mahnung und Belehrung den Kauf vor Zeugen als geschloffen bezeichnet und für den Rücktritt Reugeld bedungen ^habe. Hier sei nur noch bemerkt, daß zur Bezahlung der 40. Fensterscheibe allein die Kriegsentschädigung nicht gereicht hätte und M . . . . also trotz seiner halben Million nicht in der Lage war, das Haus zu bezahlen. Daß solche Fälle, welche durchaus nichts Neues enthalten, noch immer Vorkommen können, beweist, wie sehr eS noth thut, dergleichen Beispiele an die Oeffentlichkeit zu bringen, um jeden minder Aufgeklärten vor Käufen mit progressiver Stei­gerung des Kaufpreises zu warnen.

Wien, den 14. Juni. Der große Kampf zwischen Guß­stahl und Stahlbronze, zwischen dem Essener Krupp und dem einheimischen Uchatius, ist zur Entscheidung gelangtKrupp und der Gußstahl sind unterlegen. Die Geschütze für die österreichische Artillerie werden aus der vom General Uchatius komponirteu Stahlbronze hergestellt werden, und das Wiener Arsenal ha: bereits die Weisung, sich für fabrikmäßige Anfertigung der neuen Kanonen einzurichten.

Am 16. legte man in Paris den Grundstein der Herz- Jesu Kirche auf dem Montmartre. Diese Feier war nicht ohne eine Spitze gegen Deutschland. Man betrachtet in Frankreich das Herz Jesu als Symbol des Papstthums und als Banner zunächst in dem geistlichen, für später vielleicht in dem irdischen Kampfe gegen das Deutsche Reich. Prangte doch dieses Ab­zeichen auf dem Banner der päpstlichen Zuaven, als sie an der Loire gegen die Deutschen fochten. Den französischen Ultramon­tanen ist das blutende Herz das Symbol des Rachekrieges, des Glaubenskampfes, des Sieges der romanischen über die germa­nische Welt.

DieAgence Havas" meidet aus Athen: Alle Gerüchte von der Abdankung des Königs und der bevorstehenden Ankunft einer russischen und türkischen Flotte sind unbegründet. Die Ruhe ist nirgends gestört. ^

Noch ist die schreckliche Katastrophe des Dampfers Schil­lers frisch im Gedächtniß und schon wieder trifft die Nachricht ein, daß ein großer englischer Dampfer im atlantischen Ocean untergegangen ist und viele Menschen dabei das Leben verloren haben. Wie der Times aus Philadelphia vom 10. d. gemeldet wird, hat der in Newyork eingetroffene Dampfer State of Geor­gia am vergangenen Samstag ein Boot mit 5 Leuten von dem Dampfer der Dominronlinie Vicksburg, Kapt. Bennet in See

ausgenommen. Die Vicksburg verließ Quebec am 27. Mai mit einer Mannschaft von 60 Personen und 28 Passagieren, gerieth einige Tage darauf in das Eis und sank, vom Eise durchschnit­ten, am 1. Juni. Nach Aussage der 5 Geretteten wurden ihr Boot und zwei andere glücklich in's Wasser gebracht, in der Nacht aber von einander getrennt, so daß Hoffnung vorhanden ist, daß auch diese beide Böte von vorbeipasfirenden Schiffen an­getroffen worden sind. Kapitän Bennet und 40 Personen sind leider mit dem Dampfer untergegangen. Die Geretteten haben durch die Kälte schwer gelitten, befinden sich aber in der Bes­serung.

Auf den Fidschi-Inseln grassirt eine Masernepi­demie unter den Eingeborenen in furchtbarer Weise. Sie weigern sich gegenseitig Beistand zu leisten. Alle ersten Häuptlinge sind todt. Auf der Insel Ovabau allein sind 300 Eingeborene ge­storben und auf den anderen Inseln ist eine noch größere Anzahl der Krankheit unterlegen. Mehrere Eingeborenenstädte sind ent­völkert. In einer Stadt lagen die Leichen tagelang unbedeckt und wurden von Schweinen verstümmelt. Die Eingeborenen begraben dir Todteu nur einige Zoll tief unter dem Erdboden und die jüngsten Regengüsse haben den Boden weggewaschcn. Die demselben entsteigenden Miasmen sind unerträglich und man befürchtet das Schlimmste. Die Eingeborenen find zu sehr von Schrecken ergriffen und auch zu mißtrauisch, um den Anordnungen, welche die Regierung zur Unterdrückung der Krankheit erläßt, zu gehorchen. Nach einer Meldung sind der Epidemie bereits 50,0^0 Menschen erlegen.

Ein Stück Schwarzwald.

(Ein Reisebild.)

Schreiber dieses sucht jedes Jahr einmal (wenn es die häuslichen Umstände erlauben) den Stubenstaub von sich abzu­schütteln, um ihn mit dem Staub der Landstraßen zu vertauschen. So machte er sich denn auch dieses Jahr in der Frühe auf, um mit benachbarten Freunden nach Calw zu pilgern. Der Nagold­rücken wurde bei B. überstiegen, um dann auf einer ziemlich kahlen Hoch- und Waldfläche einige Stunden zu gehen und bei Teinach das ziemlich tief geschnittene (l208 P. F.) Teinachthal zu gewinnen, wo im Bade Teinach bekanntlich die dortigen Säuer­linge sowohl zum Trinken, wie auch zum Baden benützt werden. Schon auf diesem Wege, der meistens den rothen Sandstein, in der Nähe von Neubulach aber auch Schwerspath, Quarz, Kupfer- lassur zu Tage fördert, findet man neben dem rothen Fingerhut auch die Stechpalme. Nun gieng es stark bergan nach dem ro­mantisch gelegenen Zaoelstein mit seiner malerisch gelegene» Burgruine (1724'). Hier wie in Teinach begegneten uns viele Kurgäste. Freund M. in Z. gab ihnen den bezeichnenden Namen : Luftschnapper." Auf schattigen Waldwegen, die in der Nähe von Calw zu Berschönernngswegen fortschritte», gieng es mm nach Calw, der alten, sehrg ewerbsamen Stadt (1027'). lieber Calw, im besten Andenken bleibend, können wir hinwegeilen und ich und 4 Reisebrüder thaten das auch im wörtlichen Sinne, indem wir Abends 5 Uhr Calw den Rücken kehrten, um bergan, bergab in 3 Stunden Calmbach zu erreichen. Als interessante Episode möchte ich hier blos 2 Dinge berühren, die sich auch sonsten wiederholt haben: einmal die ungemeine Freundlichkeit und Auf­gewecktheit der Dorfjugend jener Gegend und sodann der mitunter derbe, aber immer schlagende Witz der Schwarzwälder Dorfwirihe. Es gibt in diesem letzteren Genre wirklich prächtige Originale. Hinsichtlich des elfteren Punktes machte es auf uns einen gar lieblichen Eindruck, als wir aus dem Weg von Ober-Reichenbach nach Calmbach einigen vom Leercnsammeln heimkehrenden Kindern begegneten, welche fröhlich und mit Hellen Stimmen mit einander sangen: Gott wills machen rc.

Calmbach selbst, am Zusammenfluß der kleinen und großen Enz gelegen (1203'), macht einen behäbigen Eindruck auf den Touristen; es ist hier ein Hauptstapclplatz der Enzholzflöherei wie des Handels mit Langholz überhaupt. Auf der Straße nach Wildbad tritt der grobkörnige Granit klar zu Tage und wird dort auch als Steinbeschläg verwendet. Der in H ainlen'sSchwarz­waldwanderungen" angeführteSilberbuckel" scheint als Opfer der Eisenstraßen gefallen zu sein, obwoh lnoch der Glimmerschiefer deutlich auftritt.

Wildbad (1276') mit seinen natürlichen und künstlichen Reizen zu beschreiben, liegt außerhalb unsrer Absicht, es scheint mir dort auch kein rechtes Terrain für Fußreisende zu sein, denn das dortige Leben ist schön, aber unverschämt theuer. Hier ver­ließen uns zwei Reise-Kollegen, dafür trat aber ein anderer ein und so pilgerten wir zu 4 fürbaß zum Dobel.

Unsre Unterländer waren ganz begeistert von der Masse von Himbeeren und Braunbecren, die hier Mutter Natur gratis feilbieiet, *) aber auch erfreut neben der schon berührten Stech­palme, den Ginster, den Wald-Gamander, das Heidekraut, Farren und Bärlappen zu sehen. Nach Ueberstcigung des Gebirgsrückens (von der Enz aus) geht es hinunter ins Thal der Eyach, vorbei

n Die Heidelbeere (deren Ernte ein Hauptnabrungszweig mancher Gegenden ist) war leider im Frühjahr erfroren.