Beschlüssen des Abgeordneterhauses an. Die Pfarrer sind demnach von dem Vorsitz im Kirchenvorstand ausgeschlossen.
An der Berliner Börse war dieser Tage da- Gerücht verbreitet, Rußland werde 3 Kriegsschiffs in die griechischen Gewässer schicken, um die Königin Olga abzuholen, und gleichzeitig habe die in Odessa statio- nirts Rescrveslotte den Befehl erhalten, nach Len griechischen Küsten ab- zugehsn. Die Abreise der Königin Olga würde die baldige Thronentsagung des Königs Georg bedeuten. Das Erscheinen einer russischen Flotte im ägäischen Meere konnte auf die Absicht einer Intervention schließen lassen. Doch ist das alles bis jetzt nur Gerücht und zwar ein Börsengerücht, das wenig Glaubwürdigkeit verdient. Jedenfalls wäre ein Wiederaufwärmen dieses nicht sehr wichtigen Theüs der orientalischen Frage kein sür den europäischen Frieden Besorgniß erregendes Ereigniß.
Nach Berliner Nachrichten betragen die Zeichnungen auf Reichsbankantheile zusammen 298,850,000 Thlr., wonach ungefähr eine 15fache Uebezcichnung stattgefunden hat.
Eine Mörderin aus Mutterliebe hat das Berliner Stadt- schwurgericht am Montag zum Tode verurtheilt. Dieselbe heißt Elisabeth Kroh und ist am 29. April 1848 zu Arnsheim im Darmstädtischen geboren. Am 19. Juni v. I. kam dieselbe mit ihrem 1^« Jahre alten Töchterchen nach Berlin und stieg dort im „Rheinischen Hofe" ad. Nachdem sie dort zwei Tage logirt, machte sie in der zweiten Nacht den Versuch, sich und ihr Kind durch Holzkohlendunst zu ersticken, welcher jedoch nur an dem Kinde gelang; sie selbst versuchte sich noch zu stranguliren, machte sich aber auch nur bewußtlos, in welchem Zustande sie am Morgen vom Hotelpersonale gesunden und der Polizei überliefert wurde. Als Motiv für die Thal gab die unglückliche Person an, daß sie sich mit dem, was sie verdient und ihr der Vater des Kindes zur Unterstützung gegeben, nicht mehr habe durch das Leben bringen können, und aus die Frage des Präsidenten, weßhlb sie sich denn nicht allein das Leben genommen habe, antwortete sie, daß sie ihr Kind zu lieb gehabt habe, um es fremden Leuten anzuvertrauen. Der Vater des Kindes, Ingenieur Meisel, wohnte der Verhandlung bei. Nach der „Trib." ist es unzweifelhaft, daß sowohl die Geschworenen, als der Gerichtshof die kgl. Gnade für die Verurtheilte anrufen werden.
In dem Fürstenthum Reuß j. L- werden die Einthalerscheine bis zum 1. Januar 1876 eingelöst, später aber werden sie nicht angenommen und gelten nichts mehr.
Aus Westpreußen, 10. Juni. Wie bereits mitgetheilt, hat in einigen westpreußischen Dörfern das alberne Gerücht, daß Mohren die katholisch e n Kinder holen würden, tumultarische Scenen hervorgerufen. Bei Thorn in dem Dorfe Mocker, dessen Häuser zum Theil im Festungs-Rayon liegen, wurden die Lehrer gezwungen, den Unterricht abzubrechen und die Kinder mit den rasenden Weibern fortgehen zu lassen. Als Grund ihrer Aufregung und Angst erzählen Letztere eine ganz wahnwitzige Erfindung. Es sei ihnen gesagt worden, der König von Preußen habe an den türkischen Sultan im Kartenspiel 10,000 Kinder verloren, und der Sultan habe nun Mohren hergejchickt, welche die Kinder holen, sie namentlich bei der Rückkehr aus der Schule ergreifen sollten; die Lehrer begünstigten den Raub, denn ihnen würde für jedes Kind, welches sie den Mohren in die Hände lieferten, ein Preis von 5 Thalern gezahlt.
Birnbaum, 10. Juni. Fürstbischof Dr. Förster von Breslau ist heute vom hiesigen Kreisgerichte wegen Androhung und Verfügung der großen Exkommunication gegen den Propst Kick in Kähme zu '2000 ^ Geldbuße, eventuell 133 Tage Gefängniß verurtheilt.
EinGlaubensbekenntniß. Die „Norddeutsche Allg. Ztg." schreibt: In welcher Weife die Ultramontanen neuerdings die Prozessionen sür ihre Zwecke mißbrauchen, ist soeben wiederum bei der am Donnerstag in Würzburg abgehaltenen Fronleichnamsprozession konstatirt worden. Es wurden dabei aus gelbem Papier gedruckte Zettel nachfolgenden Inhalts vertheilt, der gleichmäßig eine Verhöhnung des Glaubensbekenntnisses wie der vaterländischen Institutionen darstellt, zugleich auf die so gern betonte Loyalität der Partei ein bezeichnendes Licht wirft. Das Machwerk lautet':
„Als Manuscript gedruckt und der Kuriosität wegen mitgetheilt:" „Glaubensbekenntniß eines AltkatholikenS verfaßt von einem U l t r a m o n t a n e n.
Ich glaube an den Deutschen Kaiser, den mächtigen Schöpfer des einigen Deutschen Reiches, und an den großen Kanzler, einen eingebornen Preußen, unfern Herrn, der uns richtet mit seinem Geists, den er ererbt von Vater und Mutter; Anno 1866 viel gelitten hat, von seinen heutigen Freunden geschmäht wurde und den viele derselben damals lieber gestorben und begraben gewußt hätten, herabgewünscht von seiner Höhe, nach vier Jahren aber hinaufgefahren, aufgesahren bis zur höchsten Stufe des Reiches und zum Fürsten erhoben, sitzet er zur Rechten des Kaisers, von dannen er Strafanträge stellt und richten läßt über die Schwarzen und Rothen. Ich glaube an den großen Geist der deutschen Wissenschaft, an eine altkatholische Staatskirche, Gemeinschaft der Freimaurer, Vermehrung der Steuern, Vertheurung des
Fleisches und ein ewiges Soldatenleben. Amen.
H. L. Brönner's Druckerei in Frankfurt a. M."
Wien, 9. Juni. Vor Gericht steht ein gewisser-Karl Reiff wegen Uebertretung des Vagabunden-Gesetzes. Reiff, absolvirter Oberrealschüler, dann barmherziger Bruder und später angehender Franziskaner, erklärte wörtlich: „Ich bin ohne Arbeit, lebe von Feldfrüchten und schlage mein Nachtquartier im Freien auf." Diese Erklärung gab Karl Reiff in einem Kostüme ab, das so adamisch war, daß eine im Zuhörcrraume anwesende junge Dame nach verschiedenen vergeblichen Versuchen, verschämt auszusehen, das Zimmer verließ. Angeklagter sagt, er sei dramatischer Schriftsteller. Richter: Sie wurden gestern Nachts im Prater schlafend aufgefriffen. Sie sind unterstandslos? — Angekl.: Ja, leider. Aber das Gesetz hat nicht danach zu fragen, wenn ich unter blauem Himmelszelt meine Wohnung ausschlage. Das Gesetz soll mir eine möblirte Wohnung geben. Richter: Sie haben erklärt, daß Sie von Feldfrüchlen leben, wie ist das zu verstehen? — Angekl.: Immer nicht. Ich wende mich auch an das Mitgefühl meiner Nebenmenfchen. Richter. Sie wollen wohl sagen: Sie betteln. - Angekl.: O, nein, so tief bin ich noch nicht gesunken. Ich gehe fechten. Richter: Also nennen wir es fechten. Sie werden zu fünf Tagen Arrests verurtheilt. Sind Sie mit dem Urtheile zufrieden ? — Angekl.: Ja. aber ich bitte um Papier, ich möchte während der Haft die letzte Hand an mein Lustspiel legen. Richter: Bewilligt. Und was werden Sie nach ausgestandener Haft beginnen? — Angekl.: Ich werde wieder in den Franziskaner-Oiden eintrcten.
Genf, 10. Juni. Der Große Rath von Genf hat gestern den von Georg Fazy Angebrachten Gesetzentwurf über die Trennung von Kirche und Staat mit 44 gegen 12 Stimmen verworfen.
Paris, 5. Juni. Die Notiz der „Agence Havas", daß Marschall Leboeuf zur Rechenschaft gezogen werden soll, weil unter dem Kaiserreiche fast 100,000 Mann mehr auf den Listen als in den Kadres geführt worden sind, hat unter den Bona- partisten großen Schrecken hervorgerufen.
Eine Stimme aus Frankreich. Ein jüngst von dem bekannten Schriftsteller Alphonse Karr an den Pariser „Figaro" gerichtetes Schreiben enthält Betrachtungen über das Verhältnis Frankreichs zu Deutschland, welche um so mehr Beachtung verdienen, weil Karr einer der geistreichsten und einsichtsvollste» französischen Publicisten ist, und sich deßhalb auch nicht scheut, seinen Landsleuten gelegentlich recht derb und nachdrücklich die Wahrheit zu sagen. Gerade sür uns ist dieser Brief vom größten Interesse, da in jüngster Zeit selbst in Deutschland unsinniger Weise Stimmen laut wurden, als ob das deutsche Reich über. Haupt den Wunsch hege, einen Krieg mit Frankreich zu beginnen. In Folgendem geben wir einen Auszug dieser bemerkenswerthen Kundgebung. Karr erörtert die Frage, ob Deutschland gesonnen sein könne, Frankreich in einen neuen Krieg zu verwickeln und forscht nach den Beggründen, welche die Gereiztheit Europa's gegen Frankreich stets geschürt. Um nicht weniger als in's vorige Jahrhundert zurückzugrcifen, finden wir, so führt der Autor ungefähr aus, daß Frankreich überall Krieg geführt und alle Völker in Unruhe versetzt hat. Wenn Frankreich aufspielt, muß ganz Europa tanzen, hieß es immer; schon Katharina II. war der Meinung, daß mau um Frankreich einen Sicherheitscordou ziehen müsse. Es gibt in Europa noch Viele, welche die Zerstörung Napolon's I. gesehen haben, welche Zeuge waren, wie derselbe Königreiche und Völker unter seine Brüder vertheilte. Wien, Berlin, Moskau, Rom, Neapel, Madrid, Mailand, Venedig, Amsterdam waren durch unsere siegreichen Truppen besetzt, die Museen und öffentlichen Plätze von Paris wurden durch die reiche Beute des Eroberers geschmückt. Die darauf folgenden 15 Jahre der Restauration und weitere 18 Jahre unter der Regierung Louis Philipps hatten die Welt wieder einigermaßen beruhigt, und Niemand dachte an einen Angriff auf Frankreich, welches in seinen afrikanischen Besitzungen hinreichend Gelegenheit fand, um seiner Kriegslust zu fröhnen und die Lorbeeren zu pflücken, deren der französische Ehrgeiz von Zeit zu Zeit bedarf. Als aber Dank der Napoleonischen Mythe, d. h. Dank dem Unheile, das der erste Napoleon in Europa angestistet, sein Neffe, der bis jetzt nur durch seine ausschweifende Lebensweise und Jntri- guen sich hervorgethan, den französischen Thron bestiegen hatte, da waren seine ersten Worte: „Das Kaiserreich ist der Friede." Man hatte aber nicht vergessen, daß die Vorläufer dieser Worts in Meineid und Gewaltthaten bestanden, und war auf der Hut. Weit entfernt von einem Gedanken an Frieden, stürzte sich Napoleon in die abenteuerlichsten Unternehmungen, welche eine Reihe ungerechter und hirnloser Kriege herbeiführten, so daß die Welt uns für unverbesserliche Friedensstörer erklärte und an allen unseren Grenzen das Losungswort jertönte: Seid wachsam! Wir haben viel weniger Ursache, Haß und Rache gegen die Deutschen zu nähren, als vielmehr gegen die Napoleoniden und ihre Rathgeber, welche den letzten Krieg ohne die geringste Aussicht auf Erfolg begonnen, und gegen Gambetta, welcher denselben beinahe mit der offenkundigen Unmöglichkeit eines günstigen Erfolgs fortgesetzt hat. Wir müssen anerkennen, daß die Deutschen Paris