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Sinne ein Volksfest. Am Vorabend des Festtags brachte der trefflich ge­schulteL i e d e r k r a n z" dem Jubilar ein Ständchen, und am Morgen des­selben erklangen vor seiner Wohnung unter Leitung des II. Schullehrers die jugendlichen Stimmen der Konfirmanden in einem erhebendenLobe den Herren!" Liederkranz und Militärverein, dessen meiste Mitglieder dankbare Schüler des Gefeierten sind, überreichten demselben wertvolle Geschenke. Ebenso übergab Herr Schultheißenamtsverweser Paulus, der mit dem Herrn Ortsgeistlichen, an der Spitze der bürgerlichen Kollegien und desPfarr- gemeinderats in der Wohnung des Jubilars erschien, unter Glück- und Segenswünschen als Zeichen des Dankes ein Geschenk im Namen der Ge­meinde. Bei dem Festmahle im Gasthof zumHirsch", zu welchem sich viele Teilnehmer eingefunden hatten, feierte zunächst der Hr. Ortsgeistliche den Jubilar in herzlicher, gediegener Rede, indem er eine überraschende Parallele ausführte zwischen dem Jubilar des 1 . April als einen tüchtigen Volk er - schulmeister und dem Jubilar des 1 . Mai als einen wackeren Volksschul­meister. Der Nachmittag führte eine Menge Gäste zusammen. Nicht nur die Mehrzahl der Bürger des Orts war erschienen, sondern hauptsächlich auch Freunde und Kollegen aus nah und fern (es waren 20 Gemeinden vertreten) scharten sich freudig um Hrn. Heinz u. seine Familie. InSpruch (Hr. Schullehrer Glatzle, De üble, Streik) und Lied (Schullehrer Eiding, Stoß und Wolf) wurden auf treffliche Weise die Verdienste des Jubilars gezeichnet, und Hr. Dekan und Bezirksschulinsp. Berg sandte ein herzliches Gratulationsschreiben. Verschiedene Geschenke von Vorgesetzten und Gönnern trafen noch ein. So wurde der Tag für Gemeinde und Teil­nehmer im vollsten Sinne des Worts ein Festtag und die ganze Feier litt dem Wesen des Jubilars entsprechend nicht am geringsten Mißton. Ehre der Gemeinde und den Teilnehmern am Feste, die offenen Sinn und rechtes Herz haben, das Gute und Edle zu ehren, und es zu schätzen wissen, was in unserer Zeit nicht nur einguter Schulsack", sondern auch eine musterhafte Schulleitung wert ist. Die Gemeinde Deckenpfronn hat bewiesen, daß sie das Gute liebt und ehrt.

Dem vorstehenden Jubiläumsbericht lassen wir noch ein Gedicht Nach­folgen, das von einem früheren Schüler des Hrn. Schullehrers Heinz beim Festmahle vorgetragen und uns in freundlicher Weise zur Verfügung gestellt wurde:

1. Ein Hoch, ein donnernd Hoch dem treuen Lehrer Schickt heut vom Neckarstrande ein Verehrer,

Ein Schüler, der vor 25 Jahr als Bube

Zu ihm geführt ward in des Schulhaus' Stube.

2. Ja fünf und zwanzig Jahre sind zerronnen,

Seit anno Sechzig, da ich Hab begonnen

Das A-B-C, das Eins und eins zu treiben.

Den Stecken fühlte und auch lernte schreiben.

Z. Und glücklich schätz ich meine Heimgemcinde Daß sie der liebe Gott so lang vereinte Mit einem Meister, der so treu und bieder Der Jugend Lehrer war, der Tugend Hüter.

4. Mit ihm, der Strenge mit der Milde paarte,

Der Sprödes beugte, mild gepflanzt das Zarte,

Der Freud und Leid mit der Gemeinde teilte,

Am Grab durch Trost manch offne Wunde heilte.

5. Der frei und offen gegen Hoch und Nieder Sich zeigte wacker, herzlich, ehrlich, bieder,

Der in der Schule, Kirche und im Leben So, wie er ist, sich jedem hat gegeben!

Begleiter der Lächerlichkeit preisgeben wollte. Baltimore zog schon unmutig und ungeduldig die Stirn in Furchen, und Graf Villefleur nahm immer mehr eine würdevolle, strenge Miene an. Beunruhigt von diesen bedrohlichen Anzeichen, die seine Unentschlossenheit heraufbeschworen, machte Leo eine mäch­tige Anstrengung gegen seine Aengstlichkeit und sagte mit erregter Stimme:

Bis heute warst Du für mich der beste und gütigste aller Väter; ich habe mich weder um mein Glück, noch um meine Zukunft bisher zu kümmern gebraucht; das bequeme und angenehme Dasein. das Du mir schufst, ließ mich nicht einmal einen Wunsch aussprechen, weil jeder meiner Wünsche zum Voraus von Dir befriedigt war. Heute, lieber Vater, komme ich, um Dich zu bitten, das Werk Deiner Liebe und Sorge um mich vollkommen zu machen und das letzte Glück mir zu gewähren, das größte, das mir zu wünschen übrig bleiben kann."

Zur Sache, Leo!" unterbrach trockenen Tones der Graf seinen Sohn und sein unruhvoller Blick flog von Leo auf den Vater Theresens.

Zur Sache, Sie haben Recht!" rief dieser mit dem Ausdrucke höchster Ungeduld aus, und trat einen Schritt näher auf Graf Villefleur zu;ich mißtraue einer Rede, die einer solch' langschweisigen Einleitung bedarf. Die Sache ist kurz diese: Vor kaum einer Stunde drang Ihr Sohn in mein Haus ein, indem er meine Gartenmauer überkletterte. Als ich ihn zur Strafe dafür nachsichtslos niederzustoßen im Begriff stand, stürzte sich meine Tochter mir zu Füßen und flehte um Gnade für ihn. Eine Liebesintrigue also, wie Sie sehen. Ich willigte in den Pardon ein, aber nur unter einer Bedingung; und diese Bedingung ist, daß der junge Herr mir beweist, daß er kein Elen­der ist. und daß er Ihnen, seinem Vater ankündigen würde, daß er bereit sei, meiner Tochter sofortige und gänzliche Genugthuung zu gewähren."

Diese stolzen und herrischen Worte erregten im Herzen des Grafen Ville­fleur einen dumpfen Zorn; seine erste Regung war, den frechen Unbekannten, dessen Name ihm noch nicht einmal genannt worden war, durch seine Diener zum Hause Hinausweisen zu lasten; aber mehr, als sonst Jemand, fürchtete Graf Villefleur den Skandal und Aufsehen, und diese Furcht hielt ihn zurück, verächtlich wandte er sich nach seinem Sohn hin und fragte mit einem Tone, der noch die hochmütige Impertinenz seiner Frage verschärfte:

6. Drum naht mit Recht auch an dem heutgen Tage Sich die Gemeinde Dir und sieh, die Wage Der Dankbarkeit, sie senkt sich Dir zu Füßen:

Die Schale ist gefüllt von Dank und freudgem Grüßen.

7. Und Dir auch, Gattin, treue, *)friedensreiche Sei Dank am heutgen Tag; ich reiche

Im Geiste Dir die Hand am frohen Feste Und wünsche Dir als Lohn der Gaben beste.

8. Du wußtest, wenn des Tages Hitz ihn drückte,

Wenns scheinbar düster um ihn war, nichts ihn beglückte, Durch zarten Frauensinn ihm Mut zu fächeln,

Die finstre Stirne schwand, er mußte lächeln.

9. Und neu gestärkt trug er des Amtes Bürden

Und ward ein Erster von den Standes Zierden;

Und nah und fern darf Deckenpfronn sich zeigen;

Ein guterSch ul sack" ist den meisten eigen!

10. Ich kenn ein **)Bild, auf dem um unsern Meister Zwölf junge Männer stehn, zwar kleine Geister,

Doch sollen sie in Württemberg es künden:

Imobern Gän", da bleibt man nicht dahinten.

11. Wenn auch wir Lehrer alle müssens klagen

Nicht alle Samenkörner Früchte tragen:

Dir, Freund, ist viel erblüht, ist viel geglückt.

Denn Du warst treu und zu dem Werk geschickt.

12. Drum heute, an dem silbern' Ehrenfeste Ist unser Wunsch, daß Gott der Gaben beste Dir und den Deinen schenkt, und Euch noch lange Dem Dorf erhalt zum froh'n nnd ernsten Gange;

13. Dann, wenn die Locken silbern Dir sich bleichen,

Wenn Du des Amtes Stab magst einem andern reichen, Dann sei Dein Abend golden und verkläret Dadurch, wenn Du es fühlst, wie man Dich ehret!

*) heißt Friederike.

**) 12 Schüler des Hr. Heinz befinden sich im Schulstand. Eine Photographie zeigt diese, geschart um ihren Lehrer.

Wien, 1. Mai. Heute nachts kurz nach Mitternacht ist, wie schon gestern gemeldet, in Mederöstreich, Oberöstreich, Obersteiermark und Salz­burg ein Erdbeben wahrgenommen worden. Wie aus den der Presse heute von vielen Orten zugekommenen Tel. zu ersehen, war die Wirkung der Erdstöße in den Alpen eine ziemlich kräftige, wenn auch ganz kurze. Beob­achtet wurde das Erdbeben auch in Wien, und zwar um V 4 I Uhr durch ein ganz leichtes Zittern des Bodens. Wir teilen folgende Tel. der Presse mit:Mürzzuschlag, 1. Mai. Um 12 Uhr 10 Minuten nachts wur­den von Südost gegen Nordwest Erdstöße, wellenförmig, starke Schwingung, 8 bis 10 Sekunden andauernd, von donnerähnlichem Getöse begleitet, wahr­genommen. Zahlreiche Rauchfänge sind eingestürzt. Die Menschen flüchteten aus den Häusern. Dieselbe Erscheinung beobachtete man auf den Alpenhöhen. Graz, 1. Mai. In ganz Ober- und Mirtelsteiermark wurde heute nachts zwischen 12 und halb 1 Uhr ein heftiges Erdbeben mit fünf bis sechs Stößen, welchen Donnerrollen voranging, verspürt. Die Richtung desselben war teils von Nord nach Süd, teils von West nach Ost. Hier und in der nächsten Umgebung wurden um 12 Uhr 25 Minuten fünf Sekunden lang 5 heftige Stöße beobachtet, durch welche Uhren und Bilder von den Wänden geworfen wurden. DieBewohner eilten aus mehreren Häusern auf die Straße. Mitterdorf, 1. Mai. Um 12 Uhr 19 Minuten nachts wurde eine heftige Erdbewegung durch das ganze Mürzthal fühlbar. Die Richtung der­selben ging von West nach Ost, die Dauer betrug circa fünf Sekunden. Fast alle Häuser unseres Ortes wurden beschädigt.

Du kennst den Herrn?"

Der Herr ist der Vater derjenigen, die ich liebe" , antwortete Leo, und er bemühte sich, den spottenden Blick seines Vaters auszuhalten.

Ausgezeichnet!" bemerkte dieser mit sardonischem Lächeln;für einen Verliebten gilt dieser Titel an Stelle von Namen, Stand und Vermögen; aber Du wirst mir gestatten, daß ich, der ich nicht die Tochter des Herrn liebe, ein wenig anspruchsvoller auftrete."

Was hat mein Name, was mein Stand dabei zu schaffen?" brauste Baltimore auf, und seine Stimme wurde drohend;hat Ihr Sohn, als er den Versuch machte, meinem Hause Unehre zu bringen, danach gefragt? Hat er meinen Namen, meinen Stand zu kennen verlangt, als er meinen Pardon annahm, den ich die Thorheit beging, ihm zu gewähren?"

Ich redete mit meinem Sohne" , wandte sich mit halbem Gesichte und mit ganzer Verachtung der Graf an Baltimore. Ein Blitz sprühte in dessen Augen auf, und nur eine schnelle, flehende Geberde Leo's hielt einen heftigen Zornesausbruch Baltimore's zurück. Der junge Mann schöpfte dies­mal Mut aus der Festigkeit seines Begleiters und wandte sich mit entschlosse­nem Tone an seinen Vater.

Die Sache ist ernst und wichtig, Vater", sagte er;ich bestreite gar nicht die Berechtigung des Herrn, daß er vorhin mich tötete ; Du selbst, wärest Du sein Richter gewesen, hättest seine That nicht verurteilt. Zum Tausche gegen mein Leben gab ich mein Wort, und mein Wort muß ich halten. Was kann jetzt noch die Frage mich interessieren, ob er einen vornehmen Namen trägt oder nicht? Was liegt daran, ob er sein Vermögen ererbte, oder ob er selbst es mit seiner Arbeit, seiner Geschicklichkeit, seiner Intelligenz erwarb?"

Mein Freund", spottete der Graf,Rousseaux hat das viel schöner gesagt, und doch hat selbst seine Beredtsamkeit mich nicht überzeugt und be­kehrt, urteile danach, welchen Eindruck Deine Rede auf mich machen kann."

(Fortsetzung folgt.)