und Sympathie Iverth, und nie wird mau dem Verfasser der „Vier Fragen" vergessen, welche Verdienste er durch diese seine erste politische Leistung um das preußische Bersassnngs Recht sich erworben hat.
Thor», 27. April. Das Schwurgericht hat heute den 26 Jahre alten Pfarrer Tetzlaff in Kaßczorek schuldig erkannt, seine Wirthschafterin Ottilie v. Lebinska, Hs) Jahre alt, wegen Vernachlässigung ihrer Arbeit mit einem Kailtschu derart geschlagen zu haben, daß sie zwei Tage danach au den erlittenen Kopfverletzungen gestorben ist. Der Gerichtshof verurtheilte ihn, da die Geschworenen mildernde Umstände zngslassen, zu anderthalb Jahren Gefängniß und ließ ihn sofort in Haft nehmen. Beim Verhör hatte Tetzlafs auf die Frage des Präsidenten, wozu er überhaupt einen Kontschu habe, geantwortet, er züchtige damit die Hunde und die Konfirmanden.
Bern, 3. Mai. Die Wahlen zum großen Rath im Lau- ton Graubünden sind liberal, die im Canton Luzern nltramonrau ausgefallen. Nur die Stadt Luzern wählte ganz liberal.
Paris, 1. Mai. Gestern starb der Maler und Schriftsteller Graf v. Waldeck in seinem llO. Jahre. Ungeachtet seines hohen Alters war er bis zu seinem Ende im Besitz aller seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten. Er hinterläßt eine noch ziemlich junge Frau und einen Sohn.
Rom, 29. April. Die „Opinione" schreibt über den Besuch des deutschen Kronprinzen: »Wir machen aufmerksam auf die große Spontaneität der Demonstrationen, mit denen man das Prinzenpaar überall empfing, obschon das italienische Volk den privaten Charakter des Auftretens der hohen Reisenden achtet. In dem Prinzen Friedrich Wilhelm begrüßen die Italiener den berühmten Fcldherrn und Sohn des Kaisers Wilhelm, des Freundes und Verbündeten des Königs von Italien. Der Kronprinz, welcher mit starker Willenskraft Sinn für schöne Künste verbindet und kultivirt, ist unserer Bevölkerung sympathisch. Seine Reise ist aber nicht nur eine Vergnügungsreise, der Prinz hatte eine politische Mission bei dem König zu erfüllen. In Neapel hat ihn Victor Emanuel mit Beweisen herzlichster und aufrichtigster Freundschaft empfangen. An den zwei langen Unterredungen des Prinzen mit dem König hat die Politik Antheil gehabt. Wenn unsere Nachrichten genau sind, so hatte die Unterhaltung das Gepräge völliger Uebereinstimmung und gegenseitigen Vertrauens. Der Kronprinz Deutschlands hat seinen Antheil an der Politik des Reiches, welches er eines Tages regieren wird, und der Autorität seines Rathes steht die Reife seines Geistes gleich-, seiner scharfsichtigen Beobachtung entging der wahre Stand der öffentlichen Meinung Italiens sicher nicht, ebensowenig die zarte Freundschaft für Deutschland von Seite Italiens, welches mit Freude einen so tapfern und wohlgebildeten Prinzen als Gast begrüßt."
Aufsehen macht in "Petersburg der Prozeß gegen den im Roschdestwensker Gefängniß uutcrgebrachten zchnsachen Millionär Ovsjanikoff. Er bezahlte zweien der berühmtesten Advokaten von Petersburg 30,000 Rubel dafür, daß sie sich bemühen, seinen Arrest im Polizeigefängnisse in Zimmerarrest in seinem Hause umzuwandeln. Die Bemühungen blieben umsonst; der Gerichtshof willigte nicht ein. Ovsjanikoff ist dem Arme des Gesetzes durch seine unermeßliche Geldgier verfallen. Bereits ein Greis, wollte er sein kolossales Vermögen noch vermehren, und ließ ihm gehörige Objekte (Mehldepots und Mühlen), die auf die Summe von 750,000 Rubel versichert waren, anzünden, um die Assekur- ranz-Gescllschaften zu Schaden zu bringen.
Prinz Lulu soll einen Stiefvater bekommen. Seine Frau Mama hat sich in einen steinreichen Engländer verliebt und soll große Lust haben, sich nächster Tage mit ihm zu verheirathen.
Christians, 1. Mai. Das Storthing verwarf mit Majorität sämmtliche Vorschläge zur Einführung der Civil-Ehe, sei es obligatorische, fakultative oder bei Glaubcnsverschiedenheit.
Der Ring der Mnttter.
Novelle von Edwald August König.
Der Zug hielt, eine dicht verschleierte Dame und einige Landlente stiegen an der unbedeutenden Zwischenstation aus. Die Thüren wurden wieder zugeschlagen. Die Glocke läutete, rasselnd und klappernd verschwand der letzte Waggon hinter den Bäumen des nahen Wäldchens. Die Dame stand aus dem Perron und blickte ihm lange nach, dann verließ sie langsam den Bahnhof.
Sie war einfach, aber mit einer gewissen Eleganz gekleidet, ihr Gang, ihr Wuchs und ihre Haltung verriethen, daß sie den höheren Ständen angehörte. Ein dichter Schleier verhüllte ihr Antlitz, aber so dicht dieser Schleier auch war, man sah doch die dunklen Augen hindurchblitzen.
Sie schlug den Weg zum Dorfe ein, unbekümmert um die neugierigefl Blicke der Landleute, an denen sie vorbeischritt.
Es war ein kleines Dorf, die solide Bauart der Häuser, Scheunen und Ställe, die großen Bauernhöfe und die sorgfältig bebauten Ackerfelder ließen auf di« Wohlhabenheit der Bewohner schließen.
Hinter dem Dorfe lag ein herrschaftliches Gut, eine breite Allee von Obstbäumen führte zu dem im gothischrn Style gebauten Schlößchen, welches inmitten eines Hlumengartens lag.
Die Blumen waren freilich verblüht und welkes'-Laub deckte die Wege, aber auch im falben Schein der Herbstsonne hatte die Landschaft noch ihre Reize.
Wenn man das Dorf durchschritten hatte, führte der Weg zur Allee an einem kleinen, freundlichen Hause vorbei und der Wanderer blieb gerne vor diesem Hause stehen, um den Blumenflor zu bewundern, der dasselbe umgab.
Die geschmackvolle Gruppirung und Anlage bekundete die geübte Hand eines erfahrenen Gärtners, und das kleine, mit Glas bedeckte Treibhaus konnte die Vermuthung, daß ein kennt- nißreicher Blumenfreund dieses Hänschen bewohne, nur bestätigen.
Auch die Dame war stehen geblieben, ihr Blick ruhte auf den Astern und Spätrosen, über die der rauhe Herbstwind schneidend hinwegfuhr.
Die Bewohner des Häuschens mußten sie bemerkt haben, ein alter Mann trat heraus und näherte sich zögernd dem Pfört- chcn, vor welchem die Dame eben stand.
Er hatte sie noch nicht erreicht, als er plötzlich stehen blieb, um gleich darauf mit sichtbaren Zeichen der Bestürzung seine Schritte zu beschleunige».
„Sind Sie es wirklich, Fräulein Leonie ?" fragte er, indem er rasch die Mütze abnahm.
»Ja, Meister Steffens, ich bin es," erwiderte die Dame mit gedämpfter Stimme, „und ich betrachte es als ein gutes Omen, daß der alte treue Diener meines Vaters der Erste ist, der mich bei meiner Heimkehr willkommen heißt."
Der alte Mann schüttelte seufzend sein ergrautes Haupt, ein Zug schmerzlicher Wehmuth glitt über sein welkes Antlitz.
„Ach, wie viel bester wäre es, wenn Sie früher gekommen wären," sagte er mit bebender Stimme, „nun ist es zu spät. —*
„Zu spät?" unterbrach Leonie ihn bestürzt. »Was ist vorgefallen? Mein Vater —
»Wenn ich Sie bitten darf, in meine bescheidene Hütte zu treten, Fräulein —"
„Fürchtet Ihr, sie sei mir fremd geworden? Die Erinnerungen meiner Kindheit sind so eng mit diesem traulichen Asyl verwoben, daß sie mir stets theuer bleiben wird."
Der alte Mann hatte das Psöctchen geöffnet, Leonie schritt an seiner Seite rasch aus das Häuschen zu.
Sie trat in eine kleine, traulich eingerichtete Stube und ließ sich in den Sessel nieder, den Meister Steffens ihr hiuschob. Dann schlug sie den Schleier zurück, und der alte Mann blickte lange mit inniger Theilnahme in das seine, blasse Antlitz, welches die Spuren eines tiefen Seelenlcidens trug.
»Ihr habt mir gesagt, es sei zu spät," nahm Leonie das Wort, ,o, sprecht, gebt mir Gewißheit!"
„So wissen Sie gar nichts von dem traurigen Ereigniß?"
„Nein, nein."
„Aber Sie müssen doch gehört haben, daß die furchtbare Krankheit, die Cholera —"
»Herr des Himmels!" rief Leonie, den stieren Blick auf den Greis gerichtet, „mein Vater ist rodi!"
Meister Steffens nickte und trat rasch an's Fenster, er konnte diesen Blick nicht ertragen.
„Er ist t»dt und sein Fluch ruht aus mir," sagte Leoni« verzweifelnd.
„Nein, Fräulein, glauben Sie das nicht," erwiderte der Greis rasch, „so vielen Kummer Sie ihm auch bereitet haben, er hat Ihnen nicht geflucht."
Leonie schüttelte schweigend das Köpfchen, aus ihren großen Augen rollten langsam die Thränen nieder.
„ES ist rasch gekommen," fuhr Meister Steffens nach einer Pause fort, „gestern Morgen war er noch munter und gesund -- hm, bei solchen Gemüthsbewegungen läßt es sich begreifen. Man sagt ja, Gemüthsbewegungen beförderten die Krankheit —"
„Wann starb er?"
„Gestern Abend "
„Gott sei Dank, so werde ich ihn vor der Beerdigung noch einmal sehen, ich kann an seinem Sarge beten und sein Geist wird mich umschweben und mir verzeihen."
»Ach, wie gerne hätte er ihnen vergeben, wenn Sie nur so freundlich gewesen wären, ihm zu schreiben. Er hat oft mit mir darüber gesprochen, er wußte, daß ich die einzige Seele war, welcher er vertrauen durste—"
„Hat er Euch denn nie gesagt, daß ich ihm geschrieben habe?" fiel Leonie ihm hastig in's Wort.
„Und doch Habs ich ihm geschrieben, mindestens sechsmal, seit dem Tage, an welchem ich ihn verließ. Meister Steffens, ich vermuthe, daß auch Ihr den Stab über mich gebrochen habt, und diese Vermuthung schmerzt mich. Seht, seit dem Tage, an welchem die Stiefmutter in das Haus kam. galt ich dem Vater nichts mehr, trotzdem daß ich die Ueüerzeugung hegen darf, daß er meine Mutter sehr geliebt hat. Und feine Gleichgültigkeit