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Joss, kommt mit wiederholten Bitten zum Admiral Knorr, um Verzeih­ung zu erlangen. In kurzer Zeit wird auch diese Angelegenheit erledigt sein. S. M. S.O l g a" ist nach dem Togo-Gebiet beordert. S. M. TenderAdler" ist nach Gaboon versegelt und wird nach der Rückkehr von dort wohl bald seine Heimreise antreten. S. M. S.M ö w e" liegt hier im Flug und S. M. S.Bismarck" an der Barre, beide Schiffe warten auf Ablösung.

R u sz l a u d.

DieTimes" bringt ein Telegramm aus Paris, welches besagt, daß den in Paris weilenden russischen Prinzen auf kaiserlichen Be­fehl eine Depesche zugegangen ist, worin die bestimmte Hoffnung des Kaisers ausgedrückt wird, daß der Friede zwischen England und Rußland durch gegen­seitige Konzessionen erhalten bleiben werde.

Auch die russische Presse bewahrt nicht durchweg diemäßige Hal­tung", welche das Journal de St. Petersburg von ihren Kolleginnen gegen­über den englischen Journalen rühmt. DerSwet" und andere kriegerisch gestimmte Organe verlangen jetzt, da England sich so nachgiebig zeige und die Besetzung Pendschdehs (die provisorische Negierung in Pendschdeh besteht übrigens nicht aus Russen, sondern aus Eingeborenen) so ruhig hinnehme, so solle Rußland lieber jetzt gleich Herat wegnehmen, denn derjenige, welcher mit Besetzung Herats dem andern zuvorkomme, werde dauernd im Vorteil sein. Einen Grund habe Rußland in dem Vorgehen Englands, das Port Hamilton besetzt und damit die maritime Stellung Rußlands bei Wladiwostock schwer geschädigt habe.

Hlcrges-WeuigkeiLerr.

* Calw. Letzten Sonntag wurden wir wieder durch eine gelungene Aufführung des bei uns rühmlichst bekannten Pforzheimer Zither­klubs erfreut. Leider war der Konzert-Besuch, welcher des edlen und un­eigennützigen Zweckes halber hätte viel zahlreicher sein dürfen, ein sehr mäßiger, wohl nur infolge der Konfirmation und des schönen Frühlingstages. Sämt­liche Stücke wurden mit gewohnter Präzision, überhaupt in jeder Beziehung aufs tadelloseste vorgetragen, wie der einmütige Beifall der Anwesenden stets bei jedem Stück deutlich kundgab. Hoffen wir, der schwache Besuch werde die bei uns so gerne gesehenen Herren, welche für ihre Opferwilligkeit herz­licher Dank gebührt, nicht abhalten, uns einmal zu günstigerer Zeit wieder mit einenr solchen Genuß zu erfreuen.

-j- Waiblingen, 20. April. Im Remsthal und in seinen Seiten- thälern hat sich die Kirschenblüte wunderbar rasch und in üppigster Fülle entwickelt. Selbst die kleinsten Bäumchen sind reich mit Blüten besät und ein Gang durch die Fluren gewährt einen hohen Genuß. Besonderer Reiz bietet der den Residenzbewohnern längst von vorteilhafter Seite bekannte Hügel zwischen Stetten und Strümpfelbach, weil sich hier nicht nur sehr ausgedehnte Kirschbaumanlagen befinden, sondern auch der Boden im saftigsten Grün prangt und sich dem Äuge zwischen den Bäumen hindurch immer wieder ein Ausblick von wunderbarer Schönheit darbietet. Wir möchten deshalb nicht versäumen. Freunde der Natur zu einem Besuch der Gegend einzuladen.

Bietigheim, 14. Upril. Ein rauher Nordostwind weht schon viele Tage über die Fluren und das Thermometer zeigte in den letzten Tagen morgens früh nur 35» k. über 0. Heute ist eine etwas höhere Temperatur bemerkbar, was der Entwicklung der Baumblüte sehr zu statten kommt. Be­reits haben Pfirsich-, Aprikosen- und Pflaumenbäumchen ihre glänzenden Blüten in reicher Fülle entfaltet; Kirsch- und Birnbäume werden in kurzer Zeit ihre Blüten erscheinen lasten. Die Obstbäume sind im Allgemeinen mit zahlreichen Blütenknospen bedeckt. Auch der Stand des Weinstocks berechtigt zu schönen Hoffnungen und verspricht bei normaler Entwicklung und günstiger Witterung einen reichen Ertrag. Bei einem Weinstock an einem hiesigen

Hause, der eine sonnige, geschützte Lage hat und bei Nacht bedeckt wurde, sind die Knospen aus der Wolle getreten und schon so weit entwickelt, daß Blättchen und Träubchen hervorschimmern.

Wolfegg, 19. April. Heute feiern Se. Durchlaucht Fürst Franz von Waldburg-Wolfegg-Waldfee und seine Gemahlin, geb. Gräfin von Arco-Zinneberg, ihre silberne Hochzeit. Schon einige Tage zuvor haben die fürstlichen Beamten und Bediensteten, die bürgerlichen Kollegien der Gemeinde Wolfegg, sowie eine Deputation der Stadt Waldsee mit Adressen und einer Gedenktafel ihre Glückwünsche dargebracht. Die Frauen und Jungfrauen von Wolfegg überreichen eine kostbare Stickerei in künstlerisch ausgeführtem Rahmen.

Rottweil, 20. April. Sonntag Nacht fandran auf den Straßen an Hausthüren und Bäumen aufgesteckt eine große Anzahl sozialdemokratischer Zeitungen und Flugschriften; die Zeitungen sind durchweg alte, aus dem Jahre 1884, ebenso sind die Flugschriften jene der längstbekannten auf­wiegelnden Art; die Sozialdemokratie genießt, wie die jüngste Reichstagswahl ergab, unter der hiesigen Arbeiterbevölkerung keine Sympathien, es dürfte daher wohl auch obige Thal nicht als eine ernstliche agitatorische Thätigkeit von Bedeutung zu betrachten sein.

Ulm, 18. April. Vor 8 Tagen fuhr der Schultheiß von W. nach­mittags nach Hause. Unterwegs an der Straße nach Wiblingen exerzierte eine Militärabteilung im Feuer und auf eine Salve wurde das Pferd des eben vorüberfahrenden Schultheißen scheu, ging durch und raste querfeldein. Dabei wurden drei vom Markt heimkehrende Frauen überfahren und eine derselben so schwer verletzt, daß sie vorgestern starb. Gestern Abend waren die Vorstände der Ortskrankenkassen zu einer Beratung auf dem Rathaus versammelt. Den Vorsitz führte Gemeinderat Wollinsky. Zur Beratung gelangte die Arztfrage, und es sind nun für Kassenmitglieder, die ihren Wohnsitz in Neu-Ulm haben,, die dortigen praktischen Aerzte zuge­lassen ; Militärärzte bleiben nach wie vor ausgeschloffen. Die Gehaltsrage der Verwaltung betreffend wurde der früher gefaßte Beschluß der nächsten Generalversammlung zur Genehmigung zugewiesen. Rach dem Kassenbericht sind vom 1. Dezember v. I. bis 31. März d. I. eingegangen als Beiträge der Mitglieder der 6 Ortskrankenkassen 14,724 40 H. Als Ueberschuß

verbleiben 4450 -M, wovon noch die Verwaltungskosten zu bestreiten sind. Dieses sehr günstige Ergebnis in den Monaten, in welchen die meisten Er­krankungen Vorkommen, berechtigt zu den besten Hoffnungen für den Bestand und das Gedeihe» der hiesigen Ortskrankenkaffen.

HZ e v rn i s t e s.

Haarduftpoesie. Im Berliner Ulk widmet Schmidt:» Cabanis für den wollenenJägerianer-Tag" zu Dresden einen Festlieder» kranz. Nach der MelodieIm tiefem Keller" heißt es imduftigen Trink­lied" :

In tiefster Wolle sitz' ich hier Vom Hut bis auf die Socken;

Ich trinke weder Wein noch Bier

Ich lutsch an meinen Locken!

Im Haarsaft quillt Champagnerschaum,

Wie schad', wenn er verpuffte!

Daraus saug' ich rosigen Himmelstraum Und dufte, dufte, dufte!"

UndBeim Abschied":

Doch soll uns im herben Trennungsweh Die Hoffnung nimmer verstechen:

Es mischt sich ins schmerzensreicheAde"

Ein frohesAuf Wiederriechen!"

sagen? Eine unwiderstehliche Macht zog mich in die Nähe dieses Hauses, hinter dessen verschlossener Thüre meine Ruhe, mein Glück sich verborgen hatte. Meine Hoffnungen, sie wiederzusehen, sah ich getäuscht, und entmutigt und niedergeschlagen fürchtete ich bereits, für immer meinen Frieden eingebüßt zu haben. Da ging ich am nächsten Sonntag zu der Kirche, an deren Thüre ich sie zum ersten 'Male gesehen; es war ein Fest in der Kirche, und eine Kollekte ward von den Damen während des Gottesdienstes abgehalten. Therese war eine der Sammlerinnen. Als sie mir die Silberplatte hinreichte und leise eine Bitte um ein Almosen sprach, fühlte ich mein Herz heftig hämmern, und meine Augen umschleierten sich: zitternd vor innerer Bewegung ließ ich ein Goldstück auf den Almosenteller fallen. Ich wurde durch ein Lächeln belohnt, das meine Verwirrung nur noch vermehrte. Ich weiß nicht, aber mir däuchte, daß in diesem Augenblick der geheimnisvolle Zug der Seelen Theresens Herz von den Gefühlen Kenntnis gab, die ich für sie hegte; denn als sie nach vollendeter Kollekte, um auf ihren Platz zurückzukehren an mir vorüber mußte, bemerkte ich in ihren Zügen den Ausdruck sichtlicher Verwirrung ; eine schnelle Nöte bedeckte ihr Gesicht, und mit niedergeschlagenen Blicken beschleunigte sie ihre Schritte. Äm andern Morgen sandte ich ihr einen Brief mit einem Ringe; der Brief blieb ohne Antwort; sie hat ihn sicherlich zerissen; den Ring vielleicht hat sie ihn verächtlich weggeworfen. Dieser Gedanke betrübte mich tief. Aber meine Leidenschaft gestattete mir nicht mehr, inne zu halten oder umzukehren; so verhängnisvoll der Weg war, den ich eingeschlagen, ich mußte ihn verfolgen. Ich faßte also einen Plan, den ich auch unverweilt ausführte: ich mietete mich hier iin Nachbarhause ein, dessen Fenster mir einen unbehinderten Ausblick auf Ihren Garten gestatten; ich konnte also Therese sehen und beobachten, wenn sie hier zwischen Ihren Blumen wandelte und denselben ihre Sorge und Pflege augedeihen ließ; o, ich war eifersüchtig auf diese glücklichen Blumen! Eines Tages gewahrte und erkannte sie mich, und verlegen und verwirrt wandte sie sich um und

floh vor meinen Blicken, in den Schatten dieser Laube. In der Befürchtung, daß ich sie habe beleidigen können, und ohne zu bedenken, daß ich die Belei­digung durch eine neue Kränkung schwerer machen würde, stürzte ich aus dem Hause, erkletterte die Mauer, die die beiden Gärten von einander trennt, und warf mich ihr zu Füßen, um sie um Vergebung wegen meiner Dreistig­keit zu bitten. Therese hätte mich mit Vorwürfen hinwegweisen können, denn ich war schuldig, und ich war mir dessen bewußt; ich hätte nicht das Recht, noch den Mut gehabt, mich darüber zu beklagen. Aber selbst in ihrer Ent­rüstung war sie großmütig gegen mich; sie straften mich mit einem vorwurfs­vollen Blick und eilte ins Haus, nachdem sie mich auf mein Ehrenwort hatte versprechen lassen, daß ich ihr nicht noch einmal durch einen derartigen lieber- fall Unruhe und Schrecken bereiten würde. Dieses Versprechen, ich habe es gehalten; einen vollen Monat hindurch habe ich alle Qualen einer sinnlosen Leidenschaft in Schwelgen ertragen; ich ertrug sie als Sühne für den Fehler, den ich gegen Therese begangen hatte. Ach, diese Zeit hindurch habe ich nur im Gedanken an Therese gelebt, deren Bild mich allerorten umschwebte. Aber niemals mehr, trotz der Martern meiner wahnsinnigen Liebe, habe ich durch einen Blick die Ruhe ihrer Seele und den Frieden ihres Asyls gestört. Erst heute Morgen, im Uebermaße meiner Leidenschaft, habe ich ein Briefchen an sie gerichtet, mit der Bitte, mir eine Begegnung zu gestatten. Ich bezeich­net ihr das Signal, das über mein Glück oder mein Unglück entscheiden sollte; es war das Zeichen, das Sie gehört, und auf welches Sie geantwortet haben. Ach, ich hatte geglaubt, in demselben den Beginn unaussprechlicher Seligkeit für mich zu finden; welches auch tue Strafe sein mag, die Sie mir nun auferlegen wollen, niemals wird sie die glückselige Freude aufwiegen können, die mir jener flüchtige Irrtum bereitet."

(Fortsetzung folgt.)