60 . Jahrgang.
Hko. 48 .
Amts- unä IntekkigenMatt für äen jiezirlr.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L- Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.
Donnerstag, äen 23. Äprik 1885.
Abonnementspreis halbjährlich 1 -ck 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
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für Mai Nltd Juni ladet Jederulann in Stadt nvd Fand ftennd- lichst ein
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Amtliche Bekanntmachungen.
Calw.
An die Ortsschnlbehorden.
Die Ortsschulbehörden derjenigen Gemeinden, für deren Arbeitsschulen (Industrieschulen) nach ihren Verhältnissen im nächsten Jahr eine Staatsunterstützung als notwendig anzusehen ist, werden unter Hinweisung auf den Erlaß des K. evang. Konsistoriums vom 7. April 1865 Nro. 3944 (Konsi- storialamtsblatt Nro. 391 S. 3439) angewiesen, die Jahresberichte event. ihre Gesuche um erneuerte Staatsbeiträge pr. 1885/86 unter Benützung der Formulare, welche ihnen heute zugehen, unfehlbar bis 1. Juli d. I. der unterz. Stelle zu übergeben.
Den 20. April 1385. K. gemeinsch. Oberamt.
Flaxland. Berg.
'Apolitische Wachvichterr.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. April. Reichstag. Fortsetzung der Beratung der Zolltarifnovelle. Die Position Fleisch und Oel werden vorläufig zurückgestellt, die Position Thonwaren an die Kommission zurückverwiesen. Bei einer Abstimmung hierüber ergibt sich die Anwesenheit von 200 Mitgliedern, das Haus ist also mit knapper Not beschlußfähig. — Vieh zolle. Int.
Pferde bisher 10 Die freie Vereinigung beantragt 20 — v.
Schalscha: Der Zoll sei so nieder, daß er gegenüber dem Werte der importierten Pferde gar nicht in Betracht kommen könne, es werde nur dadurch die Einfuhr von wertlosem Material beschränkt. Dirichlet: Die Einfuhr billiger und minderwertiger Pferde sei ein Beweis, daß von den kleinen Grundbesitzern diese billigen Pferde gebraucht werden, da sie nicht die
Mittel hätten, sich wertvolle Pferde anzuschaffen. Die Zollerhöhung wird mit 126 gegen 94 Stimmen angenommen. Maultiere und Esel bleiben zollfrei. lut. 8—L. Stiere, Kühe, Ochsen, Jungvieh, Kälber. Für Stiere und Kühe beantragt die freie Vereinigung 9 ^ (bisher 6), für Ochsen 30 (bisher 20), Jungvieh 6 (bisher 4), Kälber 3 (bisher 2 -^L). Staatssekretär v. Burchard: Diese Erhöhungen seien zwar nicht in der Regierungsvorlage enthalten; die Regierung widerstrebe denselben aber nicht, sie werde ihre Stellung nehmen, sobald ein Beschluß des Reichstags vorliege. Bayerischer Regierungskommissar Schmidtkonz: Die bayerische Regierung habe noch nicht zu den neuen Zöllen bei dieser Position Stellung genommen. In Bayern habe sich bisher das Bedürfnis nach Viehzöllen nicht gezeigt. Rickert erblickt in den Anträgen eine Bevorzugung der Sonderinteressen der Großgrundbesitzer. Die deutsche Viehzucht prosperiere zur Zeit so, daß sie eines neuen Schutzzolles nicht bedürfe, v. Vollmar: Man wolle nirgends im Volke die Viehzölle. Die Viehzüchter mögen eine bessere Zucht einführen, davon werden sie mehr Nutzen haben als von Zöllen. Der Schluß der Debatte wird darauf mit 146 gegen 84 Stimmen votiert und darauf die Anträge der freien Vereinigung mit 122 gegen 111 Stimmen angenommen. (Die Zahl der anwesenden Reichstagsmitglieder stieg also im Lauf der Sitzung auf 233). Fortsetzung Dienstag.
— Der Kaiser hat an den Reichskanzler folgende Allerhöchste Ordre gerichtet:
Ich habe aus ihrem Berichte vo m d. M. zu Meiner Freude ersehen, daß von einem aus Deutschen aller*Mände besuchenden Konnte durch Sammlungen im ganzen Deutschen Reiche die Summe von 1,200,000 aufgebracht und aus Anlaß ihres 70jährigen Geburtstages am 1. April d. I. Ihnen an diesem Tage für öffentliche Zwecke zur freien Verfügung gestellt worden ist. Ihrem Anträge entsprechen!,, will ich Sie hierdurch gern ermächtigen, jene obige Summe, sowie die noch zu erwartenden, gegenwärtig noch ausstehenden weiteren Ergebnisse der Sammlung anzunehmen, und überlasse Ihnen, Mir seiner Zeit von Ihre: Absicht über die Verwendung der Spenden Mitteilung zu machen.
Berlin, den 9. April 1885. gez. Wilhelm.
ggez. v. Bötticher.
An den Reichskanzler Fürsten v. Bis m ar ck.
— Aus Kamerun vom 10. März erhalten die Hamb. Nachr. folgende Mitteilungen: Hier gestalten sich die Verhältnisse immer friedlicher. Die Bell-Leute sind mit den Hickory-Leuten versöhnt. Abo wird demnächst wieder aufgeschlossen, ebenso soll in einigen Tagen der Verkauf von gewöhnlichen Waffen und Pulver wieder erlaubt werden. Der Neaä-man, Elami
Feuilleton.
Im Abgrunde.
Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: „Ein Vampy r.")
Fortsetzung.
Dieser Herzensschrei voll Angst und Schrecken hielt Baltimore's Hand auf, er wandte sich nach seiner Tochter zu, und fragte in einem Tone, in dem Schmerz und Zorn durchklangen:
„Du liebst ihn also?"
Statt zu antworten warf sich Therese an seine Brust und verbarg dort den Thränenstrom, den sie nicht zurückzuhalten vermochte. Der junge Mann benutzte den günstigen Moment, um sich schnell vom Boden zu erheben, ruhig und regungslos stand er vor Baltimore, dessen glühenden Blick er gleichmütig erwiderte.
„Sie sind Theresens Vater" , sagte er, „das giebt Ihnen ein Recht über mein Leben und Sterben. Stoßen Sie zu, Herr, ich suche weder zu fliehen, noch mich zu verteidigen."
Baltimore gab Therese ein stummes Zeichen, daß sie ins Haus zurückkehren sollte, während er den jungen Mann, einer Beute gleich, nicht aus dem Blicke verlor. Das junge Mädchen schien zaudern zu wollen, aber eine befehlende Bewegung seiner Hand gab ihr zu verstehen, daß ihr nichts anderes, als Gehorsam übrig bleibe, wenn sie nicht die Lage verschlimmern wollte, und sie entfernte sich langsam, indem sie ihr Gesicht in den Händen verbarg. Als sie im Hause verschwunden war, bedeutete Baltimore dem Fremden mit einer Handbewegung, daß er ihm in die Laube folgen solle, und dort Hub er mit der kalten Würde eines unerbittlichen Richters an:
„Ich werde keine romanhaften Phrasen drechseln, und ich werde Ihnen
nicht sagen, daß meine Tochter meine einzige Freude, der einzige Gegenstand meiner Liebe in der Welt war, daß durch Ihre Schuld mir dieser Schatz heute verloren ging, diese Liebe geknickt wurde. Denn was thäten Ihnen meine Vorwürfe, der Sie mich nicht kennen, der Sie sich nicht gebunden glauben, Ihre Phantasien meinem Glück nachzusetzen? „Nein, ich werde klarer, bündiger mit Ihnen reden. Sie haben soeben selbst zugestanden, daß Ihr Leben mir gehört; ich werde, nachdem Sie gesprochen haben, sehen, ob ich von meinem Anrechte Gebrauch machen werde. Antworten Sie mir also und vergegenwärtigen Sie sich wohl, daß jedes Ihrer Worte ein Dolch für Ihr Herz werden kann. Wer sind Sie? Seit wann kennen Sie Therese? Was bezweckten Sie soeben, als Sie in meine Wohnung eindrangen?"
Der junge Mann antwortete mit einer Bescheidenheit und mit einem so aufrichtigen, wahren Tone, daß man unmöglich Mißtrauen in seine Worte hätte setzen können.
„Mein Name ist Leo von Villefleur. Ohne Zweifel habe ich es mehr meinem gräflichen Namen und dem Reichtum meines Vaters, als meinen: persönlichen Verdienste zuzuschreiben, daß ich ungewöhnlich schnell in meiner Laufbahn avancierte; ich bin der jüngste Rittmeister der Armee; mein Regiment liegt im Pyrenäen-Departement. Ein zweimonatlicher Urlaub führte mich nach Paris, wo meine Eltern wohnen. Am Tage nach meiner Ankunft hier sah ich zum ersten Male Therese; ich machte eben einen Spaziergang, als sie aus der Kirche kam. Ueberrascht von der blendenden Schönheit und der engelhaften Reinheit und Güte ihres Gesichts stand ich sofort von dem geplanten Spaziergange ab und folgte ihr, ohne daß sie es bemerkte, bis zu ihrer Hausthüre. Der Gedanke an das unbekannte, schöne Kind verließ mich nicht mehr, und selbst meine gewaltsamen Anstrengungen mich zu zerstreuen, vermochten nicht, das Bild Theresens aus meiner Seele zu bannen- dasselbe füllte selbst meine nächtlichen Träume. Was soll ich Ihnen weiter