134

Schweiz.

Bern, 12. März. Von den hier festgenommenen Anarchisten sind noch vier in Hast, und zwar drei Schweizer und ein Ausländer.

Bern. Als eine Hauptursache für die Zunahme der Anarchisten in der Stadt Bern bezeichnet derN. B. B." die Thatsache, daß eine Masse Leute Herberge in Privathäusern finden, wo sie der Fremdenkontrolle nicht unterworfen sind. Hier können alle lichtscheuen Personen, die nicht gern mit der Polizei in Berührung kommen, Unterkunft finden. Die bernische Polizei konnte gegen dieses Unwesen bis jetzt nichts ausrichten, weil sich die Privat­leute, die sich aus der Beherbergung Durchreisender einen Verdienst machen, auf ein obergerichtliches Urteil stützen können. Daß dadurch die Bestimmungen des Wirtschaftsgesetzes, welche eine Fremdenkontrolle verlangen, verletzt und die Absichten des Gesetzgebers durchkreuzt werden, liegt auf der Hand.

England.

London, 11. März. In Betreff der angeblichen Beschimpfung der englischen Flagge in Kamerun, über welche übrigens noch keine zuverlässigen Nachrichten vorliegen, wird man den Erklärungen Lord Gran- ville's in der gestrigen Sitzung des Oberhauses beiftimmen können.Ich bin überzeugt, meinte der Minister, daß, was auch immer geschehen oder nicht geschehen ist, der Fall zu keiner unangenehmen Verwicklung führen wird. In ähnlicher Weise drückte sich auch Gladstone im Unlerhause aus. Dem Vernehmen nach hat das englische Kabinet bereits von der deutschen Negierung die zufriedenstellendsten Versicherungen in Bezug auf den Zwischen­fall in Ambas Bay erhalten. Fürst Bismarck, so heißt es, hat, während er jedwede Kenntnis von der angeblichen Beschimpfung der englischen Flagge in Viktoria in Abrede stellt, der englischen Regierung in unzweideutiger Sprache zu verstehen gegeben, daß er keinen Wunsch hege, die Giltigkeit der englischen Ansprüche auf jene Niederlassung zu bestreiten, und dieselbe that- sächlich bereits formell anerkannt habe. Sollte sich die Nachricht von dem Herabziehen der englischen Flagge bestätigen, werde die deutsche Regierung sofort das Vorgehen ihrer Agenten desavouiren, und diejenigen Schritte er­greifen, die zur Verhütung eines Wiedervorkommens eines solchen Mißver­ständnisses nötig sein dürften.

London, 13. März. (Unterhaus.) Gladstone erklärt: In de* Zuneigung zu Deutschland stehe er hinter Niemand zurück, hege aber nicht die Ansicht, daß es für England vergeblich wäre, seine Stellung in Europa und in der Welt ohne Deutschlands Freundschaft zu behaupten. Bezüglich der Kolonisationsprojekte Deutschlands wünsche die Regierung, daß die Kolo- niesierungen nicht einen nominellen illusorischen Charakter haben, sondern stouu ticitz erfolgen, daß Deutschland mit der gehörigen Rücksicht auf die Interessen der Eingeborenen verfahre, und daß den vernünftigen Forderungen der englischen Kolonien billige Gerechtigkeit gewährt werde. England dürfe nicht scheel auf Deutschlands Kolonisationsbestrebungen blicken, es müsse das­selbe vielmehr als Genossen bei der Verbreitung der Zivilisation freudig be­grüßen.

(Dos Ergebnis der Sendung des Grafen Herbert Bismarck.) Ein Berliner Telegr. macht in Londoner Blättern die Runde mit nachstehenden, ausführlicheren Angaben:Fürst Bismarck hat Alles erhalten, waser verlangte. Die von Lord Granville an den Westküsten Afrikas gemachten Zugeständnisse sind folgende: Se. Lordschast entsagt allen Ansprüchen auf die Gebiete vom rechten Ufer des Rio del Ney bis zur britischen Baptistenniederlassung von Viktoria in der Ambas Bar,, im Ganzen ungefähr 80 Meilen Küstenland. Hierin sind die beiden in den Rio del Rep mündenden Nebenflüsse und das fruchtbare Land an deren Ufern, der Rumbpfluß, die Distrikte Bamboko und und Bibandi und das Land zwischen Bibandi und Vota eingeschlossen. Vota ist thatsächlich gleichfalls an Deutschland abgetreten; es ist dies eine Besitzung von nicht geringem Werte, da der Hafen sich für Handelszwecke eignet. Der einzige von England zurückbeholtene Punkt längs der ganzen Küste ist die

kleine Niederlassung Viktoria, nur wenige Quadratmeilen groß, welche die britische Negierung vor einiger Zeit von der Baptistennnsfionsgesellschaft übernahm. Mit dieser kleinen Ausnahme hat Deutschland jetzt den ganzen Kamerundistrikt unter seinem Schutze. Lord Granville verpflichtet sich ferner, mit den eingeborenen Häuptlingen an der Küste oder im Inlands keine Ver­träge abzuschließen, noch sich in irgend einer Weise in die deutsche Entwick­lung einzumischen, oder in die Beziehungen zwischen Deutschland und den Eingeborenen in irgend einem Teile des Landes, welches zwischen dem rechten Ufer des Rio del Rep und der französischen Kolonie Gabusa liegt. Als Entgelt für diese Zugeständnisse verpflichtet sich Deutschland, sich nicht in das engl. Vorgehen mit Bezug auf das Land einzumischen, welches zwischen dem Rio del Rep und der englischen Kolonie Lagos liegt, sich der Abschließung von Verträgen mit den verschiedenen Häuptlingen längs dieses Distrikts, so­wohl an der Küste wie im Innern, zu enthalten und die englische Oberhoheit über das ganze zwischen den genannten Punkten liegende Gebiet anzuerkennen. Lord Granville konnte nicht ohne Schwierigkeit bewogen werden, seine An­sprüche auf das zwischen der Niederlassung Viktoria und dem Bambokogebiet liegende Gebiet fallen zu lassen, da Ihrer Maj. Regierung bereits mehrere Verträge mit den Häuptlingen, die jenes Land im Besitz haben, abgeschlossen hat. Schließlich aber erhielt Graf Bismarck Alles, was er wünschte. Wich­tige Unterhandlungen sind auch bezüglich der Niederlassung im Stillen Ozean gepflogen worden, aber die Einzelheiten darüber sind noch nicht bekannt. Die mündlichen Vereinbarungen zwischen Graf Herbert Bismarck und Lord Gran­werden binnen sehr Kurzem ratifizirt werden."

W, .

Gages-Weuigkeilen.

Calw, 10. März. Zu dem Nationalgeschenk an den deutschen Reichs­kanzler Fürsten Bismarck wurden im Bezirk Calw bis jetzt beigetragen: Stadt Calw 488 Geber: 773 -/A 85 H, Agenbach 43 G.: 6 85 L,

Aichhalden 37 G.: 9 30 Altbulach 34 G.: 6 -M. Altburg 50 G.:

Althengstett 61 G.: 12 »M 75 H, Bergorte 76 G.: 12 ^ 05 L, Breitenberg 44 G: 11 -4L 40 H, Dachtel 40 G.: 5 -^4 30 H, Decken- pfronn 183 G: 49 40 L, Dennjächt 9 G.: 2 70 H, Einberg 27

G.: 72L 60 Ernstmühl 1 G.: 1 Gechingen 103 G.: 33°^L60H, Hirsau 65 G.: 60 clL 65 Holzbronn 62 G.: 5 89 ^, Hornberg

32 G.: 5 c/kS 70 L, Liebelsberg 49 G.: 21 70 L, Liebenzell 30 G.:

31 30 L, Martinsmoos 31 G.: 7 05 H, Monakam 12 G.:

3 95 L, Möttlingen 50 G.: 13 85 H, Neubulach 25 G.:

7M80.H, Neuhengstett 10 G.: 4 20 «X, Neuweiler 56 G.: 15-A05H,

Oberhaugstett 33 G.: 13 °^. 10 H, Oberkollbach 40 G.: 7 75 H, Oberkollwangen 43 G.: 8 ^ 80 H, Oberreichenbach 30 G.: 6 H,

Ottenbronn 40 G.: 10 -M 90 H, Röthenbach 9 G.: 5 L, Schmieh

15 G.: 6 10 H, Simmozheim 3 G.: 80 H, Sommenhardt 36

G.: 7 20 L, Speßhardt 18 G.: 7°^ 80 H, Stammheim 161 G.:

51 90 H, Teinach 19 G.: 23 -M, 90 H, Unterhaugstett 31 G.:

7 75 L , Unterreichenbach G.:43 40 L , Würzbach 29 G. r

10 H, Zavelstein 3 G.: 2^- Zwerenberg 69 G.: 16^L58H.

Zusammen 2138 Gaben: 1349 »A. 17 H.

Bismarck spende. Ehr. Fuchs, Vadinhaber in Hirsau, sendet dem Reichskanzler ein Geburtstagspräsent, bestehend in einem schwarz und weiß bemalten, mit dem württembergischen und Hirsauer Wappen geschmückten Füßchen, dasselbe enthält eine besonders bereitete Qualität Schwarzwälder Kiefernadeldecoct (aufgelösten Extrakt), zu Bädern bestimmt. Die Spende ist bei Hrn. Louis Giebenrath hier am Mittwoch und Donnerstag zu sehen und wird Tags darauf nach Berlin abgehen.

Ein Hirsauer, Oekonom Schwizgäbele, holte am Sckms- tag von einer seiner Wiesen das erste Gras. Für Viele ist dieser Fall aller­dings nickt unbekannt. Im vorigen Jahre soll dies bereits um 8 Tage früher möglich gewesen sein.

Er ist es also", nickte Louise,er ist der Sohn jener Frau, die eben hier war. Und war er nicht nach Rußland gegangen?" fuhr sie fort.

Alma bejahte.

Die Königin verfiel in Nachdenken. Nach einer Pause sagte sie :

Ich bin der Vorsehung dankbar, daß sie mir die Mutter des unglück­seligen jungen Mannes noch vor unserer Abreise nach Petersburg zugeführt. Wir haben die Pflicht, das Kind wieder an das Herz seiner Mutter zu legen, Alma. Du wirst uns auf unserer Reise nach Petersburg begleiten und am russischen Hofe mich an den jungen Mann erinnern. Ich werde dann mit meinem Gemahl sprechen und dieser wird den Kaiser Alexander bitten, Nach­forschungen anzustellen."

Aber", wandte Alma in ängstlichem Tone ein,nach preußischen Gesetzen wird er dann als Deserteur bestraft."

O, wir sind nicht so grausam, mein Kind" . erwiderte die Königin lächelnd,wir leben nicht mehr in dem barbarischen Zeitalter des Spießruten­laufens. Wir bedürfen Alle der Gnade, und so wird auch mein Gemahl Gnade gewähren."

Sie strich dem Mädchen leicht über die blonden Locken, prophezeite ihr, daß noch Alles zum guten Ende kommen werde, und Alma verließ die Gebieterin mit den seligsten Empfindungen in der jungfräulichen Brust. Sie sah das müde Lächeln nicht, mit welchem die hohe Frau ihr nachschaute. Sie ahnte nicht, daß an dieser herrlichen Frauenblüte bereits der Wurm nagte, der ver­zehrende Gram über das Unglück des Vaterlandes.

Gleich nahmen ihre Züge einen wahrhaft heiteren, glückseligen Aus­druck an. Ein reizender Knabe von 12 oder 13 Jahren trat plötzlich in das Zimmer, eilte auf sie zu, umschlang sie mit beiden Armen und rief:

Meine teure Mama! Ich muß Sie um Etwas bitten!"

Es war der Kronprinz, der mit dem vollen Ausdruck herzlicher Kind­lichkeit diese Worte sprach, der nachmalige König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.

Was hast Du, mein Kind?" fragte die glückliche Mutter.

Ach Mama? Ich bin in großer Verlegenheit, und das kommt davon, weil ich und mein Wilhelm nicht bei Euch im Schlosse wohnen dürfen. Warum muß das sein, daß wir in einem Privathause wohnen?"

Unser Schloß ist zu klein, mein Kind", erwiderte die Königin freund» lich,auch ist der Kaufmann Argelander, in dessen Hause Ihr wohnt, ein vielseitig gebildeter, human denkender Mann und seine Gattin die liebens­würdigste Frau in ganz Memel."

Das ist es ja eben, Mama!" versetzte der Kronprinz in leichter Bekümmer­nis.Sieh', nun feiert diese liebenswürdige Frau heute ihren Geburtstag. Anstatt uns aber zu demselben einzuladen, verläßt die ganze Familie das Haus und begiebt sich zu einer andern befreundeten Familie, wo nun gesungen, gesichelt und getanzt wird . . . und "wir beide haben das Nachsehen."

Die Frau Arglander hat es nicht gewagt, Euch einzuladen", beruhigte die Mutter den lebhaften Knaben,sie hat wohl gefürchtet, Ihr würdet ab­lehnen , und eine Ablehnung hätte ihr sicher die ganze Geburtstagsfreude

verdorben."

Ja, so sagte auch der alte Commis Fritzborn, der Alles wiedererzählt, was in der Familie passiert. Aber deshalb brauchten sie doch nicht das Haus zu verlassen? Sie konnten ja in ihrer Wohnung so fröhlich sein, als sie immer wollten. Wir wären dann unaufgefordert bei ihnen eingetreten und

Uten unserer Wirtin gratuliert."

Du weißt, mein Sohn, daß der Respekt vor uns hier in Memel sehr coß ist", erwiderte die Mutter, indem sie freundlich die Wangen des Sohnes reichelte.Frau Argelander hat wohl auch gefürchtet, durch die geräusch- olle Fröhlichkeit Euch zu stören, welche ein solches Fest immer mrt sich zu ringen pflegt." < . . ..

Der Kronprinz schüttelte den Kopf. Er schien keineswegs befriedigt. :s mochte ihn bekümmern, daß er von den schlichten bäuerlichen Gebräuchen, welche im Hause seiner Wirtsleute herrschten, ausgeschloffen bleiben sollte.

(Fortsetzung folgt.)