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Bundesrats unfallversicherungspflichtig gewordenen Betriebe von den Unternehmern durch Vermittlung der Ortsvorsteher an die Oberämter zu erstatten sind.
Die Ortsvorsteher werden unter weiterer Hinweisung auf den Min.- Erl. vom 14. d. M. (Miv.-Amtsbl. Nr. 3), insbesondere dessen Abs. 1, 3—6 beauftragt, Vorstehendes ungesäumt auf ortsübliche Weise bekannt zu machen und die betreffenden Gewerbetreibenden zur Anmeldung ihrer versicherungspflichtigen Arbeiter u. s. w. innerhalb der vorgeschriebenen Frist aufzufordern.
Nach Ablauf des Dermins (2. März d. I.) haben die Ortsvorsteher sorgfältig zu prüfen, ob nicht nach ihrer Kenntniß der Verhältnisse einzelne Anmeldungen unterblieben sind und haben zutreffenden Falls die betreffenden Gewerbetreibenden noch besonders zur sofortigen Anmeldung aufzufordern. Sodann sind die sämtlichen Anmeldungen am 2. März d. I. an das Oberamt einzusenden, mit einem Bericht darüber, ob sämtliche zu den in der vorstehend abgedruckten Bekanntmachung aufgeführten Kategorien gehörige Gewerbetreibende ihrer Anmeldungspflicht nachgekommen sind, bezw. welche Anmeldungen unterblieben sind oder einer Berichtigung bedürfen.
Den 21. Febr. 1885. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
H'oLilifctze Werchrrichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. Februar. (Deutscher Reichstag.) Die Spezialberatung der Zolltarifnovelle wird bei Position Malz fortgesetzt. Die Vorlage setzt den Zoll auf 3 -M,fest. Die freie Vereinigung will »1L 2.40, Zeitz 2.25, Lenzmann 2. — Lenz mann: Ein zu hoher Malzzoll werde auf die Konsumenten abgewälzt, verteuere das Bier und steigere den Branntweinkonsum. Bundeskommissar Thiel bestreitet, daß der Zoll von 3 zu hoch sei, ein niederer Zoll würde die Malzproduktion nicht schützen, v. Kardorff bestreitet, daß der Malzzoll eine Verteuerung des Malzes bewirken könne. Richter (Hagen) entgegnet v. Kardorff und pflichtet Lenzmann bei. Uhden (Kons.) ist für den Zollsatz von -^> 2.40, ebenso Gagern (Zentr.). Hieraus wird der Antrag der freien Vereinigung auf 2.40 angenommen. — Es folgt die Beratung des Antrags Racke (Zentrumh, welcher den Bundesrat ermächtigen will, alle bisher beratenen Zollpositionen in Zeilen der Teuerung außer Hebung zu setzen. Racke motiviert den Antrag. Staatssekretär Burchard konstatiert, daß der Vundesrat einen ähnlichen Antrag bereits abgelehnt habe. In einer absehharen Zeit sei kein derartiger Notstand zu erwarten, der einen solchen' Antrag nötig mache, da das kolossale Angebot von Getreide rc. aus allen Weltteilen den Weltpreis, selbst bei einer lokalen Mißernte, auf gleicher Höhe halte. Die Regierung wünsche gar nicht, einseitig ohne einen Beschluß des Reichstags eine so große Verantwortung zu übernehmen, endlich werde auch, wenn eine solche Bestimmung im Gesetz stehe, die Spekulation sich der Sache' bemächtigen. Er bitte, den Antrag abzulehnen. Richter tritt für den Antrag Racke ein, der beruhigend wirken werde. Graf Stolberg erklärt denselben beim heutigen internationalen Verkehr für überflüssig. Nohland (freis.) verlangt den Antrag als einen Ausgleich für die Schädigung des Handels durch die Kornzölle. Buhl (nat.-lib.) beantragt Verweisung an eine Kommission. Windthorst ist ebenfalls für Kommissionsberatung, um die durch den Antrag dem Bundesrat erteilten Vollmachten zu beschränken.
— Der Antrag Racke wird der Kommission für Jndustriezölle überwiesen.
— Das Haus vertagt sich hierauf.
— Für die Erhöhung des Roggenzolls auf 3 cM stimmten geschlossen die Deutschkonservativen und die Polen; ferner die große Mehrheit der Reichspartei und des Zentrunis sowie die Minderheit der Nationalliberalen (v. Hölst, Kalle, Klumpp, Krämer, Leemann, v. Lenz, Noppel, Sander, Stöcker (Rothenburg) und v. Fischer); gegen denselben stimmten geschlossen die Freisinnigen, die Sozialdemokraten, die Volkspartei, die Welfen, die Mehrheit der Nationalliberalen, vom Zentrum die Abgg. Haanen, Moufang, Pfafferott, Nöckerath, v. Strombeck, Trimborn, Fritzen, Borowski,
war ein alter, von der Last von siebenzig Sommern gebeugter Mann. Schweigend stellte er die mit der dampfenden Morgensuppe gefüllte Zinn- schüfsel aus den Tisch und legte den Teller mit dem schwarzen Roggenbrote daneben. „Guten Morgen, Vater Krause!" redete sie den Alten an, „bringt Ihr mir gute Nachrichten?"
„Nein, Kind!" lautete die von einem schwermütigen Kopsschütteln begleitete Antwort, „sie haben den Mörder noch nicht!" Das Auge der Jungfrau leuchtete auf, allein sie unterdrückte die freudige Erregung, um das Geheimnis ihres Herzens nicht zu verraten. „Und unser König soll außer sich sein, daß so etwas in einem seiner tüchtigsten Regimenter und gleichsam unter seinen Augen passieren konnte. Er hat dem Franzosenkaiser jede Ge- nugthuung versprochen, die dieser verlangte. Ach, er mußte es schon des lieben Friedens willen thun."
Alma nickte traurig mit dem Kopfe.
„Daß Eure Sache so schlecht steht, als sie nur stehen kann, liegt auf der Hand," meinte der Alte, „der rachsüchtige Franzosenkaiser will allen den Kopf abschlagen lassen, wer bei der unglücklichen Geschichte beteiligt ist. So geht das Gerede in der Stadt!"
„Vater Krause," rief das Mädchen, indem sie die Hand des alten Mannes faßte, „Ihr kennt mich und die Mutter, so lange wir in Tilsit wohnen. Ihr habt auch meinen Vater gekannt, Ihr wißt, daß wir rechtschaffene und ehrliche Leute sind!"
Krause nickte bestätigend mit dem Kopfe.
„Ihr werdet also überzeugt sein, daß ich das Verbrechen nicht begangen haben kann, das man mir zur Last legt?"
„Kind, das ist keine Frage. Ganz Tilsit weiß, daß Du unschuldig bist, und ganz Tilsit ist entrüstet über die Schande, die man einer der bravsten
Bock (Aachen), Kochann (Ahrweiler), Stütze! und Windthorst; von der Reichspartei die Abgg. Merbach, Graf Behr-Behrenhoff, Delbrück und Gehlert.
— (Zur Bism ar cksp en d e.) Die N.Z. enthält eine Ausführung über die Bismarckspende, in welcher diese in Vergleich gestellt wird zur württemb. Iubilä umsstistung. Es heißt in dem Artikel: Württemberg feierte bekanntlich im Jahre 1841 ein großes Fest anläßlich der 25jährigen Regierung des höchstseligen Königs Wilhelm, des Königs der Landwirte, wie man ihn nannte. Auf vielen Rathäusern sind die Abbildungen jenes aus allen Bezirken des Landes beschickten imposanten Festzuges heute noch zu sehen, und Viele können sich des Zuges noch aus eigener Anschauung erinnern. Bei jenem Anlaß wurde auch, ähnlich wie heute, Geld gesammelt aus allen Gegenden des Landes und von allen Klassen seiner Bewohner, das dem Könige übergeben wurde mit der Bitte, zu bestimmen, was damit geschehen solle. Was ordnete der König an?: Das Geld solle in Zins gestellt, unter staatlicher Aufsicht als „I u b i l ä u m s st i st u n g" verwaltet werden und von den Zinsen sollen erhalten werden: 1) Die damals schon bestandene Ackerbauschule in Hohenheim. Früher mußte jeder Zögling dieser Anstalt 100 fl. bezahlen; nicht nur wurde infolge jener Zuweisung der Stiftungszinse dieses Lehrgeld aufgehoben und noch weitere Beiträge zu den Kosten der Anstalt verwilligt, sondern es wurden noch 400 fl. alljährlich zu Prämien für die Zöglinge ausgesetzt; 2) wurden von jenen Stiftungszinsen durch K. Verordnung die Mittel beschafft für eine verbesserte Einrichtung des Unterrichts in der Kunstgärtnerei und Obstkultur. Eine Folge dieser Bestimmung war die 1844 gegründete Gartenbauschule in Hohenheim, deren Zöglinge also gleichfalls kein Lehrgeld bezahlen; 3) wurden weiter durch K. Verordnung aus jenen Stiftungszinsen die Mittel zur Erhaltung zweier weiterer Ackerbauschulen, die eine für den Jagstkreis in Ellwangen, die zweite für den Donaukreis in Ochsenhausen ganz nach dem Muster der Hohenheimer Acker- und Gartenbauschule, also auch ohne Erhebung eines Lehrgeldes beschafft, und endlich sollten 4) aus jenen Stiftungszinsen Stipendien an würdige und zugleich bedürftige Zöglinge des Polytechnikums verliehen werden. Diese Mitteilungen dürften zeigen, von welch weittragender Bedeutung die Schaffung solcher Stiftungen ist und wie sehr es deshalb zu wünschen ist, sogar ganz abgesehen von der dem Reichskanzler zu erweisenden Ehre, daß alle Schichten der Bevölkerung sich an der im Gange befindlichen Sammlung beteiligen und sei es auch in der bescheidensten Weise. Darum der Ruf auch an das Landvolk: Auf zu den Sammelstellen und zeiget, daß ihr den großen Mann ehret und stolz seid auf das durch ihn geeinte, mächtig und angesehen gewordene Vaterland!
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des in der Rubrik „Landwirtschaftliches" im vorletzten Calwer Wochenblatt Nro. 22 kommenden anonymen Artikels.
In meinem in Calw bei der Generalversammlung des landwirtschaftlichen Bezirksvereins gehaltenen Vortrag „Ueber den Fortschritt in der Landwirtschaft" habe ich unter Anderem zu einer längeren Erörterung „über den Nutzen oder Schaden der Hauskatze" den Schlußsatz gebraucht: „darum weg mit den angestrebten Gerechtsamen des Jagdbeflissenen (ich meinte begreiflich das Katzenverschießen), sie sind einer der Schädlinge, die unsere Erzeugnisse bedrohen!" Ich erlaube mir den, wie es scheint, ganz und gar nicht sprachkundigen mir unbekannten Einsender darauf aufmerksam zu machen, daß man einen Schlußsatz, dem triftige Vordersätze oder Prämissen vorausgeschickt worden sind, nicht „Phrase" nennt. Auch widerstreitet es dem sprachlichen Gewissen, eine Verteidigung oder Inschutznahme nützlicher Tiere wie der Hauskatze, und das Ausrotten der Dornen und Hecken, oder die Beseitigung des biblischen Fluches: „Dornen und Disteln soll dir der Acker tragen", mit dem Wort „Barbarei" zubezeichnen.
Daß Dornhecken „zu Gottes schöner Natur gehören", und daß der-
Familien der Stadt anthut. Nur die Rücksicht auf unser Königspaar, das ohnehin unglücklich genug ist, hält die Bewohner vor offenen Kundgebungen ihres Unwillens zurück."
„Nun wohl, Vater Krause, und Ihr werdet auch nicht anders denken als Eure Mitbürger. So versagt mir denn Euren Beistand nicht. Ich habe einen Plan, von dem ich mir eine günstige Wendung unseres Geschickes verspreche. Um diesen Plan indessen auszuführen, ist es nötig, daß Ihr mich auf eine Stunde meiner Haft entlaßt."
„Was hast Du vor?" fragte der Alte im Tone der Besorgnis.
„Unsere Königin ist hier. Ihr, der edlen und hohen Frau, will ich unser trauriges Loos klagen. Wenn irgend Jemand auf der Welt uns helfen kann, ist sie es! Ihr begreift, Vater Krause, daß dies bald geschehen muß. Die Königin kann in jedem Augenblick Tilsit verlassen."
Der Greis nickte: „Der Plan ist gut, Kind, aber die Ausführung schwer. Wenn's herauskommt, daß ich Dir die Erlaubnis gegeben habe, verliere ich alter Mann meine Stelle, gleichviel, ob die Königin Deine Befreiung bewirkt oder nicht."
„Es ist nur auf eine Stunde, Vater Krause. Es soll mich Niemand sehen. Ihr bringt mir ein Tuch Eurer Frau. Das binde ich mir um den Kopf. Da kennt man mich nicht. Ich weiß das Haus, in welchem Königin Louise wohnt, und werde einen Weg wählen, auf dem mir Rie- mand begegnet."
Der alte Mann schüttelte den Kopf, gab aber doch den dringenden Bitten des jungen Mädchens endlich nach, und dieses verließ bald darauf aus einer entlegenen Seitenthür das Gefängnis, um den Gang zu ihrer hohen Schutzherrin anzutreten.
(Fortsetzung folgt.)