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Mitbürger! Wir bitten, daß sich überall im Lande, in jedem Bezirke, ohne Rücksicht auf die Parteistellung, Männer zusammenfinden, welche die Sache in die Hand nehmen, einen Ausschuß bilden, die Sammlungen organisieren. Jede, auch die kleinste Gabe, ist willkommen: es ist vom höchsten Werte, daß alle Klassen des Volkes, und nicht zum mindesten diejenigen, welche dem Kanzler so viele Sorge für ihr Wohl danken, unter den Gebern in großer Zahl vertreten sind.
Die Gaben sollten in Einer Summe zusammenstießen, um als der Anteil unserer schwäbischen Heimat dem nationalen Ehrengeschenk von ganz Deutschland eingereiht zu werden. Wir bitten, die Gelder seiner Zeit an unseren Schatzmeister, Kommerzienrat Heinrich Widenmannin Stuttgart, einsenden zu wollen.
— Die Zolltarifnovelle, wie sie jetzt vom Bundesrat an den Reichstag gelangt ist, verlangt für Getreide und andere Erzeugnisse des Landbaues: s. Weizen 3 vtL (bisher 1 ^Z, d. Roggen, Haber, Buchweizen und Hülsenfrüchte, sowie nicht besonders genannte Getreidearten 2 ^ (bisher 1 -/ti), Gerste 1 50 L, (bisher 50 A , der Entwurf wollte Erhöhung
auf 2 ^L), e. Reps und Rübsat 1 ZL (bisher 30 LZ, 6. Mais 50 L, (wie bisher) , e. Malz 3 olL (bisher 1 20 LZ, i'. Anis, Koriander,
Fenchel, Kümmel 4 ^ (bisher 3 -^Z, g-. Weinbeeren, frische, 15 ZL für 100 k§. Holz rc. e. 1. Bau- und Nutzholz, roh, 30 L, (bisher 10 LZ, 2. mit der Axt bewaldrechtet 40 L,, 3. gesägt rc. 1 (bisher 25 LZ, 4. nicht gehobelte Bretter, Kanthölzer rc. 2 ^ Branntwein aller Art 80 (bisher 48 ---L), Schaumweine 80 ZL (bisher 48 ^,), Fische (Häringe ausgenommen) mit Essig und Oel oder Gewürzen zubereitet 12 ^ (bisher 3 ZL), hermetisch verschlossen 60 ^ (bisher 3 ^), Honig 20 (bisher 3 -^Z, gebrannter Kakao 45 (bisher 35 ^L), Kakaomasse, Choko- lade rc. 80 ^ bisher 60 , Mühlenfabrikate rc. 6 (bisher
3 -^) der Entwurf wollte Erhöhung auf nur 5 ^L).
Gcrges-WeurgkeiLen.
Calw, 5. Februar. Der heutige Staatsanzeiger enthält folgende Korrespondenz aus Kirchheim u./T.: „Dem Hausierunwesen ist hier durch ein einfaches Mittel ein jähes Ende bereitet worden. Auf Anregung des hiesigen Gewerbevereins sind die meisten hiesigen Wohnungen mit Plakaten versehen, welche den Hausierern den Eintritt verbieten. Gegen Uebertreten dieses Verbots (§ 60o. Abs. 2 der Reichs-Gewerbe-Ordnung) wird von Seiten der Polizei mit Strenge vorgegangen. Seit dies in den diesen Kreisen bekannt ist, vergehen oft mehrere Wochen, bis ein Hausierer sich hier zeigt." Es dürfte sich nützlich erweisen, wenn die beteiligten Kreise in Calw, sich für Durchführung dieser Maßregel bemühen und die Hausbesitzer ihre gewerbetreibenden Mitglieder hierin unterstützen wollten.
Cannstatt, 3. Febr. Niemand vermutete hier einen Eisgang; unmerklich, wie man seither wahrgenommen, glaubte man, daß die Eismafsen sich entfernen würden. Doch gegen 3 Uhr sah man die auf dem Wasser dahertreibenden Eisschollen sich mehren und eine Viertelstunde später war schon das ganze ^lußbett in solcher Dichtigkeit mit Eis angesüllt, daß die sußdicken Schollen, über und nebeneinander sich drängend, nichts von der Wasserfläche des Flusses mehr wahrnehmen ließen und da und dort von dem überbürdeten Neckar ans Ufer geworfen wurden. Inmitten der Eismassen trieben mit reißender Geschwindigkeit die Trümmer der niedergerissenen Kiesbrücke daher, deren mannsdicke Balken gleich Zündhölzern geknickt waren. Gegen 5 Uhr wurde es lichter auf dem Flusse und jetzt erblickt man nur da und dort noch einige einzeln daherschwimmende Eisschollen. Wir sind der Ueberzeugung, daß heute ein wesentlicher Teil des Neckarkreises den Fluß passiert hat, glauben aber, daß etwa noch nachfolgendes sicherlich von dem nun etwas stärker gewordenen Neckar ohne Schaden vorübergesührt werden wird.
Rottweil, 2. Febr. Die milde Witterung lockte heute viele Spaziergänger ins Freie. Tie gerade unter uns im Thals zerstreut liegende
stücke sind bis auf Null gefallen, sämtliche Papiere entwertet. Sie müssen Geduld haben, Herr Kreuzer. Ich weiß für jetzt keinen Rat!"
„Kann Ihnen nicht helfen, liebe Frau Reimer", antwortete der Besucher, indem er die hohe Schulter ein wenig höher hinaufzog und dadurch noch gnomenhafter erschien, „ich habe schon über den Termin hinaus gewartet und brauche mein Geld auch. Es sind baar dreihundert Thaler, die Sie mir schulden. Und kurz und gut, ich warte nicht länger. Morgen leite ich das gerichtliche Verfahren ein. Das Haus kommt zum öffentlichen Verkauf." . _ ^
„Und Sie nehmen es für ein Butterbrot und werfen mich und mern armes Kind auf die Straße."
Wieder zog der kleine häßliche Mann die mißgestaltete Schulter in die Höhe und ein tückisches Lächeln verbreitete sich über seine Züge. „Das zu verhindern, steht in Ihrer Macht, meine liebe Frau Reimer. Sie kennen meine Wünsche in Betreff Fräulein Almas!"
„Niemals, niemals!" rief die Witwe mit allen Zeichen der Entrüstung. „Eher will ich den schmählichen Tod erleiden, als mein armes Kind in den Händen eines solchen Vampyrs wissen!"
„Nun, wie Sie wollen, meine gute Frau Reimer. Jeder Mensch muß wissen, was er zu thun hat. Vielleicht ist der Hunger ein sanfterer Vampyr, als ich. Aber das sage ich Ihnen, kommen Sie mir nicht, wenn Ihren das Messer an der Kehle sitzt. Ich habe lang genug Geduld gehabt, Fräulein Alma's willen, weil ich hoffte, das spröde Töchterlein würde ihren durch nichts gerechtfertigten Starrsinn endlich ablegen. Nun ist's vorbei damit. Morgen gehe ich auf's Gericht. Das Haus wird versteigert und damit ist diese Sache erledigt."
„O, es ist himmelschreiend!" rief die Witwe unter einem hervorbrechenden Thränenstrom, „das alte ehrwürdige, vom Vater auf den Sohn vererbte Haus, unter dem Auktionhammer! Ich überlebe es nicht!"
Pulverfabrik mahnte an das vor 8 Tagen vorgefallene schwere Unglück, welchem 5 Menschenleben zum Opfer fielen und das ein weiteres jetzt noch bedroht. Es war etwa 2»Z nachm. Plötzlich ertönten zwei dumpfe Schläge und alsbald stieg Pulverdampf aus dem Laboratorium auf, das in kurzem in Hellen Flammen stand. Nun folgte ein länger anhaltendes Geknatter einer Menge explodierender, dort in Arbeit befindlicher Jagdpatronen, das ganze aus Holz- und Fachwerk erstellte Gebäude mit der darin befindlichen Patronen- und der daran angebauten Dampfmaschine wurde nebst verschiedenen in unmittelbarer Nähe stehenden Holzbeugen ein Raub der Flammen. Es wurde heute, weil Festtag, nicht gearbeitet, nur ein junger, etwa 20 Jahre alter Arbeiter, der aufsichtshalber anwesend war, hatte die Heizung des Lokals behufs Trocknung einzelner vom Chemiker der Fabrik hergestellter Pulversorten zu besorgen. Dieser junge Mann mit Namen Schneider von Zimmern o. R. wurde an beiden Armen und im Gesicht verbrannt, doch sind seine Verletzungen nur leichte. Die Entstehungsursache ist bis jetzt unbekannt. Die hiesige Feuerwehr mußte ausgeboten werden, um größeres Unglück zu verhüten, das Dank der Windstille und den Bemühungen der schleunigst herbeigeeilten Beamten und Bediensteten der Fabrik mit den ihnen augenblicklich zu Gebot stehenden und aus der Stadt herbeigeschafften Feuerspritzen abgewendet wurde.
Ebingen, 3. Febr. Die gestern hier im Nebengebäude des Gast" Hauses z. Kronprinzen veranstaltete Hunde-Ausstellung war stark beschickt. Mehr als 100 Tiere der verschiedensten Rassen, darunter mehrere Prachtexemplare, waren ausgestellt und wurden auch ziemlich viele derselben verkauft.
Ulm, 3. Febr. In Ay, oberhalb des Fabrikwehrs, hat sich in der Iller ein mächtiger Eisstoß gebildet mit 40 cm starkem Obereis und 2 m dickem Grundeis. Im Fall rasch eintretenden Tauwetters konnte diese Eismasse dem Wehr großen Schaden verursachen. Auf Ansuchen der Fabrikdirektion kam deshalb gestern Mittag ein Kommando Pioniere von Ulm hinaus, die das Eis mit Schießbaumwolle sprengten. Die Patronen wurden teils oberflächlich auf das Eis, teils in eingehauene Rinnen gelegt, oder auch an einer Stange unter das Eis hinunter gebracht. Namentlich im letzteren Fall war die Wirkung der Explosion eine ganz außerordentliche und die Eisbänke wurden vollständig zeriffen. Der Knall wurde bis hierher gehört.
Köngen, 4. Febr. Ein großartiges Schauspiel bot gestern der Eisgang auf dem Neckar dar. Die ersten größeren Eismaffen kamen vormittags 10 Uhr und setzten sich an der Brücke und am hiesigen Mühlwehr fest, so daß der Fluß auf einer Strecke von 1 Km Länge ein großes Eisfeld bildete. Alles fürchtete, der in seinem Lauf aufgehaltene Neckar werde den Weg über die Wiesen nehmen. Da kamen nach 1 Uhr wieder kolossale Eismassen. Auf ihren gewaltigen Anprall hin setzte sich das Eis in Bewegung und ging mit mächtigem Tosen und Krachen thalabwärts. Hunderte von Menschen hatten sich auf der Brücke angesammelt, um das imposante Schauspiel mit anzusehen. Soviel sich jetzt beurteilen läßt, hat der Eisgang keinen bedeutenderen Schaden verursacht.
Linz, 3. Febr. Sonntag nachmittags löste sich auf der Donau eine große Eisscholle los, auf welcher 150 Personen sich befanden und schwamm fort. Einige darauf befindliche Männer sprangen ans Land, die andern wurden durch Schiffe gerettet, so daß niemand verunglückt ist.
— In Wien wurde beim Hellen Tage an einem belebten Teil der Stadt eine wohlhabende Frau — Pauline Chomiak — von 2 Raubgesellen ermordet und beraubt. Des einen wurde man habhaft, der andere entkam, doch soll der Name des Letzteren in Erfahrung gebracht worden sein.
WevrnrfcHLes.
— Prinz August von Württemberg besaß eine der schönsten und reichsten aller Geweih-Sammlungen in Deutschland. Dieselbe ist im
„Dann lassen Sie sich ein Haus vom Tischler zimmern" , versetzte Kreuzer gefühllos.
„Sie sollten sich schämen, Sie roher Mensch!" rief Alma entrüstet. „Und jetzt verlassen Sie im Augenblick unser Haus. Noch sind Sie nicht Herr desselben, und wir haben das Recht, uns Ihre Beleidigungen zu verbitten."
Alma war von ihrem Sitze aufgesprungen und deutete mit einer gebieterischen Bewegung auf die Thür.
„Gut, gut, ich gehe ja schon!" rief der Kaufmann, dessen Stimme vor Aerger einen krähenden Klang angenommen hatte, „aber ich komme wieder, so gewiß ich Kreuzer heiße. Wir sprechen uns noch!"
Er stürzte in voller Wut zum Zimmer hinaus und rannte heftig gegen einen jungen Kriegsmann an, der mit einem Zettel in der Hand eintrat.
„Teufel! ist das ein ungeschickter Tölpel," indem er dem Abgehenden einen zornsprühenden Blick nachsandte. „Pardon, meine Damen. Hoffentlich störe ich nicht? Es ist eben Kriegszeit. Feldwebwebel Humbert von den Vierundzwanzigern!"
„Treten Sie näher, mein Herr!" sagte Frau Reimer freundlich, indem sie das Einquartierungsbillet aus der Hand des jungen Soldaten entgegennahm. „Ihr Logis wird sogleich in Stand gesetzt werden. Nehmen Sie gefälligst Platz!"
Das Auge des jungen Mannes hing mit einem leuchtenden Ausdruck an den Zügen der Jungfrau, welche sich jetzt entfernte, um die nötigen Vorbereitungen für Unterbringung des Gastes zu treffen. Er schnallte den Degen los und lehnte ihn in die Ecke, dann nahm er den Czako ab und streckte sich wie in leichter Ermüdung auf einem Sessel aus.
(Fortsetzung folgt.)