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über die eigene Stärke hervorgegangen, erscheint er unter den gegebenen Verhältnissen. Es kann der Pforte nicht unbekannt sein, daß Italien seine Aktion am Roten Meere erst nach vorangegangener Verständigung mit Eng­land und Frankreich unternommen hat, daß es also auf seinem Wege in diesen Gegenden keiner europäischen Macht begegnet. Auf einen Wider­stand der Türkei konnte Italien schon aus dem Grunde keine volle Rücksicht nehmen, weil die Besitzrechte Egyptens, also mittelbar auch der Türkei, auf diesen Theil der Küste des Roten Meeres niemals ganz zweifel­los und von allen Mächten anerkannt gewesen waren. Die Türkei setzt sich also durch ihren Protest einer wahrscheinlichen Niederlage aus und vermehrt nur dadurch die Zahl der besonders in der letzten Zeit sich häufenden Fälle, in welchen sie ihre Rechte schroff hervorkehrte, um sie nach demüthigender Erkenntnis ihrer Ohnmacht wieder fallen zu lassen. Daß sich Italien durch den Protest der Pforte in seinem Vorgehen beirren lassen wird, daran ist nicht im entferntesten zu denken.

England.

(Die Explosionen in London.) Am Mittwoch besuchte Oberst Majendie die verwundeten Polizisten im Westminster-Hospital und hörte ihre Aussagen bezüglich der Explosion inWestminfter Hall". Cole sagt, daß er sich auf seinem Posten am Fuße der zur unterirdischen St. Stephanskapelle führenden Treppe befand, als eine junge Dame seine Aufmerksamkeit auf ein rauchendes Bündel oder Stück Teppich lenkte. Er hob es auf und fand dasselbe sehr schwer. Dies erweckte in ihm den Arg­wohn, daß er eine Höllenmaschine in der Hand halte, und er beschloß, die­selbe womöglich ins Freie zu tragen, um die Gefahr im Falle einer Ex­plosion so viel als möglich zu verringern. Der zweite Polizist Cox, welcher am Portale der Halle stand, war ebenfalls von einer Frau benachrichtigt worden, daß sie einen Brandgeruch in der Kapelle verspüre, und er hatte erade die obersten Stufen der Treppe erreicht, als er Cole mit dem Bündel egegnete. Cole sagte zu ihm:Das ist, glaube ich, Dynamit", und Cox antwortete:Es sieht so aus." Als Cole bei dem eisernen Portale ange­langt war, tropfte eine ölige Masse aus dem Packet und verbrannte seine Hand, so daß er es fallen ließ. Sowie es den Boden berührte, erfolgte die Explosion, und beide Polizisten fielen durch die Oeffnung, die in dem Boden entstanden war, in den Keller.

Afrika.

Der Berichterstatter der Köln. Z. aus Kamerun schreibt: Die 3 Häuptlinge von Hickory - Stadt (Lock Prisso, Bell old King und Green Joss, von denen letzterer der hervorragendste ist) befinden sich im Oberlauf des Kamerunflusses in Abo und sollen beabsichtigen, beim Admiral um Begnadigung einzukommen, die ihnen wahrscheinlich gewährt werden dürfte. Unser Verhältnis zu den Hickory-Leuten ist ein anderes, als das­jenige zu den Joss-Leuten; die ersten könnte man, sobald sie um Verzeihung bitten, ohne weiteres begnadigen, die letzteren aber nicht. Der Unterschied liegt darin, daß die Joss-Leute Treue gelobt hatten, während die Hickory- Leute, obwohl in ihrer Stadt die deutsche Flagge gehißt wurde, niemals einen Vertrag unterzeichnet haben. Die Hickory-Leute müßten demnach als Feinde. Die Joss-Leute aber als Aufrührer behandelt werden. Dazu kommt, daß die letzteren sich eines Mordes schuldig gemacht haben._

Hcrges-Weuigkeiten.

Altensteig, 2. Februar. Gestern hat sich hier ein Zweigverein des Württ. Schwarzwald-Vereins als Bezirksverein Altensteig in der Stärke von ca. 80 Mitgliedern konstituirt und steht der Beitritt von einer weiteren Anzahl in sicherer Aussicht.

JerriLleton.

Der Holderhof.

Eine Geschichte aus dem Volksleben von Au g u st B u t s ch e r.

(Unbefugter Nachdruck wird gerichtlich verfolgt.)

(Schluß.)

Jetzt erhob sich der Domänenrat und sagte mit würdevollem Lächeln, das ihm immer ungemein schlecht stand:

Weil Alles heute so fröhlich ist, bei einer übrigens nicht gerade freudigen Veranlassung, will ich auch noch wie die Witwe im Evangelium (ich bin übrigens ein Witwer) mein Scherflein zur allgemeinen Befriedigung beitragen. Es ist bekannt, daß ich seiner Zeit aus gewichtigen Gründen meine Tochter mit Herrn Ulrich Rathfelder verlobt habe. Diese übrigens ziemlich einseitige Verlobung hat sich aber aus Gründen, die Jedermann bekannt sind, gelöst. Ich bin nun in der glücklichen Lage, der Werbung des Herrn Oberförsters Heribert Rathfelder Folge zu geben, und habe dabei die vollste Zustimmung meiner Tochter. Diese Verlobung sei anmit pro- klamirt, doch unter der Einschränkung, daß die Vermählung erst nach meiner Erwählung zum Abgeordneten Statt haben kann!"

Damit setzte er sich majestätisch und ließ herablassend die mehr oder minder herzlichen Gratulationen über sich ergehen. Was bei diesem Vor­gänge Alles in den Herzen der beiden Brüder vom Holderhofe vorging, «er

vermöchte es zu schildern? . ^ . .

Das ist ein schlauer Patron, schmunzelte der alte Holderhofer, und seine Annemarie nickte zustimmend.Und fertig bringt er's," fuhr der alte Holderhofer fort;die Sache liegt jetzt glatt und eben vor ihm, und der Commissionär treibt ihm alle Hasen in's Garn. Nun meinetwegen; bei nur hat es eben einmal nicht sein sollen, und ich bin fast froh, denn um einen Landstand ist es eben doch eine schwere Sache."

Und ich kann es eben doch nicht verwinden," meinte etwas bitter die Holderhoferin,daß kein Holderhofer hineinkommt; aber es hat sich Alles so wunderlich gedreht, daß mir oft der Verstand still steht."

Ja, es hatte sich Alles wunderlich gedreht. Das sagte sich auch der

Tübingen, 1. Febr. In der letzten sehr zahlreich besuchten Ver­sammlung der deutschen Partei hielt Reallehrer Keßler einen mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag über Leibesübungen. In der Ein­leitung führte er aus, daß die Erkenntnis von der Notwendigkeit und Wichtig, keit der Leibesübungen für die Jugend, als Körper und Gemüt erfrischende Erholung für die Erwachsenen eine allgemeine sei. Von ihr hänge ab frischer Lebensmut, Schaffenslust, Ausführung der nationalen Aufgaben. Bei den Griechen gestalteten sich die Leibesübungen zuerst als künstliche, zweckbewußte und bildeten ein Stück des nationalen Lebens. Bei den Römern traten sie in den Dienst ihrer kriegerischen Zwecke, ebenso bei den alten Germanen, bei denen sie jedoch auch den Charakter des heiteren Spiels annahmen. Der Redner verbreitete sich nun über die Geschichte des Turnwesens bis auf unsere Zeit, in welcher die Erkenntnis von der Notwendigkeit des Turnens die Einführung des Schulturnens herbeiführte. Die Wirkungen können jedoch nur volle sein, wenn die Leibesübungen nicht auf 23 Stunden beschränkt, sondern täglich bis ins Mannesalter gepflegt werden. Der Redner wies hin auf den zunehmenden Prozentsatz der Kurzsichtigen, der zum Militär Untaug­lichen, auf die Zunahme der modernen Krankheiten, als Blutarmut, Lungen­schwindsucht u. s. w., auf den Niedergang des gemütlichen Volkslebens, die beklagenswerte Verweichlichung der Jugend. Bis eine gründliche Reorgani­sation unseres Schul- und Ecziehungswesens eintrete, soll das Schulturnen eine ausgiebige Ergänzung durch Turn- und Jugendspiele häufige Turnfahrten erhalten; die Turnplätze sollen in den freien Nachmittagen wieder zu Pfleg­stätten heiteren Jugendmuts und der ungetrübten Jugendfreude werden. Das Mädchenturnen, welches übertriebene Sittsamkeit und Sentimentalität nicht zur Pflege kommen lasse, soll in den höheren Schulen als obligates Fach eingeführt und dabei das kräftigende und schneidige Element der Körper­übung auch mit dem gefälligen und verschönernden verbunden wurden. Durch Beitritt und aktive Teilnahme der älteren Bürger sollen die Turnvereine neu belebt und gehoben, die Pflege der Körperübungen überhaupt nach allen Seiten als ein Stück der nationalen Erziehung von Behörden und patrio­tischen Vereinen gefördert werden. Dem höchst anregenden Vortrag folgte eine lebhafte Besprechung und Beistimmung.

Aalen. (I. Gauausstellung der Vogel- und Geflügelvereine Aalen, Geislingen, Gmünd, Göppingen und Heidenheim in Aalen vom 31. Januar bis 2. Febr.) Der etwa 700 Mitglieder zählende Verband hätte seine Erstlingsausstellung nicht besser aufstellen können, als in Aalen, das bewies der von allen Seiten herströmende Besuch der Ausstellung. Auch die Be­schickung kann eine sehr zahlreiche und gute genannt werden; denn mehr als 120 Hühner-, Gänse- und Entenställe und mehr als 150 Taubenkäfige sind von auserwählten Tieren angefüllt und an Ziervögeln ist auch kein Mangel. Dazu geben mehrere Käfigausstellungen Gelegenheit zur Ansicht und zum Einkauf moderner Vogelbehausungen. Auch dem Spaß ist durch Ausstellung vonKamerun- und Angra-Pequena-Tauben," in glänzenden Farben, vom hiesigen Vereinsvorstand Schönfärbereibesitzer Ferd. Enßlin gefärbt, Rechnung getragen. Gefärbte Sperlinge beleben alsexotische Vögel" den hübsch ge­schmückten Ausstellungsraum (Spritzenhaussaal). Kurz gesagt, Alles trug dazu bei, den Besucher zu befriedigen.

Friedrichshafen, 2. Febr. Schon seit letzten Freitag Nach­mittag hat der in die Gebirge vorgedrungene Föhn der ziemlich starken Kälte, welche über 3 Wochen anhielr und welche bei dem fortwährend an­haltendem Nebel um so angenehmer empfunden wurde, Halt geboten. Seit Sonntag früh zeigt sich der Föhn über dem See, seit heute Nachm. 5 aber steigerte er sich zum heftigen Sturm. Die Wärme hielt sich heute Abend 6 Uhr noch auf 9» K., und die Schweizer Vorberge haben über ihr Erwarten bald ihr winterliches Kleid verloren.

Commissionär, welcher ziemlich vernachlässigt am untern Tischende saß, denn sogar die alte Jul war von ihm weggerückt. Um sich bei den Holderhofern wieder in Gunst zu setzen, erhob er sich zu einer Rede, in der er unverblümt um Verzeihung bat und versprach, bis an das Ende feiner Tage ein treuer Freund des Holderhofes, dieseseinzigschönen" Heimwesens zu sein. Ulrichs Abschied" sei ihm die Veranlassung gewesen, das Wort zu ergreifen, denn eine solch' feierliche Gelegenheit sammle Freund und Feind um den Helden des Tages.Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler!"

Mit diesem verunglückten Citat sank er auf den Stuhl zurück.

Der nun folgende Abschied war kurz, aber thränenreich. Die Rappen vom Holderhof scharrten im Sande. Der Hellerwirt der sich diese Ehre ausbedungen hatte, saß schon als Fuhrmann hinter den Pferden.

Leb wohl! Auf Wiedersehen!"

Der Wagen rollte davon.

Als die Hollundertrauben blauschwarz niederhingen von den verwelkenden Büschen und die Holderhoferin davonGesälz" bereitete für den Winter, wie sie früherHolderküchlein" gebacken hatte von den duftenden Perlen­sträußen, da kehrte Uri in's väterliche Heim zurück. Die Aussagen seines Bruders hatten ihn gar sehr entlastet, Bertha hatte sich des Zeugnisses ent- schlagen, und überhauptwo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter" er war mit einigen Monaten Haft davongekommen.

Strahlend von Glück hatte ihn die Hellergreth empfangen, und auf fast Allen, die wir auf einer Strecke ihrer Lebensbahn begleitet haben in Freud und Leid, lag ein Abglanz dieses Glückes.

Und wie Alles sich wendete, mag uns das alte Verkündbuch von Mühlenthal sagen, aus dem im Mai des folgenden Jahres der Hr. Pfarrer folgende Merkwürdigkeiten der athemlos lauschenden Gemeinde vorlas:Zum heiligen Sakrament der Ehe haben sich versprochen:

Zum Ersten:

Seine Gestrengen, der hochgeachtete Herr Remigius Stengel, Wittwer, Rentamtmann und Domänenrat des hochgebornen Herrn Baron Arbogast von Windhag, dermalen Landtagsabgeordneter für den Bezirk Murrheim, und das hochgeborne Freifräulein Aurora von Dürrenstetten.