Rottweil, 2. Februar. Heute Nachmittag um 3'/^ Uhr brach in dem chemischen Laboratorium der hiesigen Pulverfabrik Feuer aus, welches das Gebäude samt den in demselben befindlichen Maschinen vollständig zer­störte. Die Patronen, welche in dem Gebäude aufbewahrt waren, explo­dierten nach und nach, ohne jemand zu verletzen; ein Arbeiter, welcher beim Beginn des Brandes sich nur vorübergehend im Laboratorium befand, er­hielt eine unbedeutende Brandwunde im Gesicht. Um 5 Uhr war das Feuer gelöscht und jede Gefahr beseitigt. Hätte dasselbe die in der Nähe befind­lichen Holzbeugen ergriffen, so hätte der Brand sehr gefährlich werden können. Weder gestern noch heute wurde im Laboratorium gearbeitet. Wie das Feuer entstanden ist, konnte bis jetzt nicht ermittelt werden.

Von der Bottwar, 31. Jan. Gutsbesitzer Lederer vom Ab- stätterhof wollte am gestrigen Freitag einen Wagen an seine Dungstätte schieben. Durch das vor derselben befindliche Eis machte der vordere Wagen eine schnelle Wendung nach links und der in den besten Jahren stehende junge Mann wurde von der Wagendeichsel so unglücklich an den Kopf ge­troffen, daß er nach wenigen Stunden eine Leiche war.

Möckmühl, 2. Febr. In der vergangenen Nacht 1 Uhr zog von Südwest nach Nordost ein Gewitter mit Blitzen und starkem Donner, bei Hellem Himmel und -s- 6 » R. mit nachfolgendem ergiebigem warmem Regen­guß über unsere Stadt. Diesen Morgen V 28 Uhr haben wir -j- 5° R. Nach dem in voriger Woche auf unserer Jagst stattgefundenen obligaten Eis­fest hat nun auch das Schlittschuhlaufen sein Ende erreicht; denn schon seit einigen Tagen haben wir unter südlicher Windrichtung frühlingsmäßige Witterung, aber in deren Folge auch allgemein Schnupfen und Katarrh mit Kopfweh, namentlich unter den Kindern. Ueber dieselbe Naturerscheinung geht uns aus Wimpfen folgender Bericht zu: Am 2. Febr. Morgens zwischen halb 1 und 1 Uhr hatten wir Gelegenheit, die seltene Erscheinung, die sich uns genau gegen Norden am Horizont wie eine dunkle Glut in runder Form zeigte und 23 Sekunden anhielt, erkannten wir erst als einen Blitz, als kurz nachher ein nicht sehr starker, aber rollender und er­schütternder Donner folgte. Eine ganz ähnliche Erscheinung wiederholte sich nach einigen Minuten. Auch der dritte Blitz erschien wie eine dunkle, glühende Scheibe, aus deren Mitte jedoch hintereinander 2 hellere Blitze hervorstrahlten. Einige noch später folgende Blitze boten keine ungewöhn­liche Erscheinung.

Die letzten Gefangenen aus dem Kriege 1870/71 haben das Deutsche Reich verlassen. Am Dienstag passierten, von der Wesel kommend, den Kölner Zentral-Bahnhof diejenigen Turc 0 s , welche während ihrer Kriegsgefangenschaft einen Wächter ermordet haben und deshalb zu langjähriger Festungsstrafe verurteilt waren. Die Leute sahen recht gut aus; die fran­zösische Regierung hatte sie mit neuer Montierung versehen.

König Humbert ist seit mehreren Jahren Mitglied einer frommen Bruderschaft in Florenz, deren Hauptaufgabe es ist, arme Kranke selbst zu Pflegen oder denselben einen Wärter beizustellen und bei Leichenbegängnissen wieder als Sargträger oder Totengräber zu fungieren. Die Mitglieder dieser Bruderschaft tragen, während sie ihren humanen Pflichten obliegen, damit man sie nicht erkennen soll, einen langen schwarzen Mantel mit einer Kapuze, die sie dann über das Gesicht herabziehen. Vor einigen Tagen Hielt nun diese Bruderschaft ihre Generalversammlung ab, in der sie König Humbert zu ihrem Ober-Krankenwärter wählte. Diese Auszeichnung freute den König so sehr, daß er der Bruderschaft ein höchst kunstvoll gearbeitetes silbernes Ostentorium (Monstranze) als Geschenk übersendete.

Zum Andern:

Der ehr- und tugendsame Jüngling, Herr Heribert Rathfelder vom Holderhof, Oberförster des hochgebornen Herrn Barons Arbogast von Wind­hag rc., und die ehr- und tugendsame Jungfrau, Fräulein Maria Stengel, Tochter Seiner Gestrengen, des Herrn Domänenrats Stengel.

Zum Dritten:

Der ehr- und tugendsame Jüngling Ulrich Rathfelder vom Holderhof, und die ehrengeachtete und tugendsame Jungfrau Margaretha Blumenspiel, Tochter des Gastwirtes zumletzten Heller."

Zum Weitern:

Der ehr- und tugendsame Jüngling, Herr Dagobert Born, weiland Lehrer von Mühlenthal, dermalen Bauer auf dem Holderhof, und die ehren­geachtete, tugendsame Jungfrau Bertha Nachfelder vom Holderhof.

Zum Letzten:

Der ehr- und tugendsame Jüngling Johann Georg Altmann, benamset der Holderjörg, gebürtig von Eberschlucht, Gemeinde Murrheim, Großknecht auf dem Holderhof und die ehrengeachtete und tugendsame Jungfrau Juliana Augentrost, gebürtig von Degenrost, Gemeinde Marienwahl.

Dies ist bei Allen die erste Verkündigung!"

Mit Staunen vernahmen die Zuhörer diese unerhörten Ankündigungen, und die Radhauben aus Gold, Silber und Wolle wogten aufgeregt wie Sonne, Mond und Sterne durcheinander.

Undviele, viele Monate" später, als der Landtag in folge zu großer Opposition, zu der jedoch der Domänenrat keineswegs gehörte, plötzlich auf­gelöst worden war, lagen die Dinge wieder anders, was uns ein Blick in das alte Verkündbuch von Mühlenthal entschleiert. Es heißt dort einige Jahre später:

Zum heiligen Sakramente der Ehe haben sich versprochen: Der hochgeborene Herr, Herr Baron Arbogast von Windhag, auf und zu Mühlen« thal, Ritter des Kronordens erster Klaffe und die ehrengeachtete und tugendsame Jungfrau, Fräulein Pauline Rathfelder, Tochter des ehren­festen Andreas Rathfelder, weiland Bauers auf dem Holderhof, dermalen Landtagsabgeordneten für den Bezirk Murrheim, und seiner Eheliebsten Anna Maria Rathfelder, geborenen Weidenbusch vom Holderhof."

Der Ausstellungsturm von 1889 in Paris soll man staune^ 300 m hoch werden. Oben soll ein elektrisches Licht von 2 Mill. Kerzen­stärke angebracht werden, welches ganz Paris erleuchten wird. Der Architekt Bourdais hat den Plan entworfen. Dieser Turm soll in Granit konstruiert werden und 3 Mill. Frcs. kosten, in Eisen käme er auf 15 Mill. Zu er­bauen wäre er auf der Esplanade der Invaliden. Dieser Plan ist übrigens noch nicht genehmigt. Die Höhe von 300 m und einiges andere daran erscheint schwindelhaft.

Zuvielzugemuthet. In einem der zahlreichen Stein­kohlenbergwerke in der Nähe der bedeutenden Industriestadt Dortmund arbeitete schon seit länger als zehn Jahren ein fleißiger und tüchtiger Tage­löhner, Namens Peter Lüdtkemeier, von seinen Vorgesetzten allgemein ge­achtet wegen seiner unerschütterlichen Ausdauer selbst bei den schwersten Arbeiten, von seinen Kameraden geschätzt als ein treuer College und stets heiterer Gesell, ein guter Familienvater und prompter Steuerzahler. Trotz aller vorzüglichen Eigenschaften war Peter Lüdtkemeier kürzlich dennoch mal auf die Anklagebank gekommen, und zwar, wie die Anklage lautete, wegen gesetzwidriger thätlicher Mißhandlung eines Nebenmenschen. Als die Gerichts­verhandlung begann, war denn nun natürlich der ganze Saal gedrängt voll von Menschen denn Peter war, wie bereits gesagt, allgemein beliebt und geachtet und durch die vielen steinkohlengeschwärzten Gesichter bekam der Gerichtssaal ein Aussehen, wie etwa eine Steinkohlengrube in Civil.Ange­klagter Peter Lüdtkemeier!" tönte die Stimme des Nuntius über den Cor- ridor, und lautlose Stille entstand im weiten Raume. Peter trat ein: Goden Dag, hoge Herr Gerichtshof!"Sind Sie der Steinkohlenarbeiter Peter Lüdtkemeier?" fragte der Präsident vorgeschriebenermaßen.Jo, de bün ick! Dat is wull all antauseihn!"Sehr wohl. Nun, Lüdtkemeier, Sie sind angeklagt, am Montag vor vierzehn Tagen den Schankwirt Krüger am frühen Morgen um 6 Uhr in ganz unverantwortlicher Weise durchge­prügelt zu haben. Ist das wahr?"Ja, Herr Präsendent, dat is wahr! Und wenn Sei dat nich glöwen willen, so will ick dat ok giern beswören!" Oh nein, mein Lieber, ich glaube Ihnen ja gerne auf Ihr ehrliches Gesicht,

aber sagen Sie mir doch, wie Sie, der Sie in ganz Dortmund und Um­

gegend als ruhiger, fleißiger Mensch bekannt sind, sich dazu Hinreißen lasten konnten, den Mann so barbarisch zu verhauen?"Ja, Herr Präsendent, dat seggen Sei wull, äwer wenn Sei dat postiert wier, wat mi passiert is, sau hädden Sei den Kierl ok seker dat Fell versahlt!"So? Nun» das wollen wir dahingestellt sein lassen. Unter allen Umständen erzählen Sie nun mal, was Sie denn mit dem Manne gehabt haben."Dat iS

kort tau verteilen: Seihn Se, Herr Präsendent, sid mehr as taihn Johr

arbeid ick nu all in de Steenkahlen-Bargwerken, as düchdigen un flitigen Arbeider."Jawohl, mein Lieber, das ist ja allgemein anerkannt!"Nich wahr, Herr Präsendent? Ja, seihn Sei, un sid düste ganze Tid, gah ick regelmäßig des Morgens, eh'r ick an de Arbeid gah, bi düsten Schankweerth Krüger vör un drink' en groten Klaren, dat bekümmt mi so sihr gaud." Nun, auch dagegen wird ja Niemand etwas einzuwenden haben, als ge­sunden Menschen kann Ihnen ja der kleine Schnaps am Ende nicht schaden." Ne, Herr Präsendent, in'n Gegendheil; äwer wat meinen Sei, wat mi de niederträchtige Kierl an jenen Maandag-Morgeu vörsett hett und worüm ick em dat Fell versahlt Hess? Dat reine, klare Water hett mi de Kierl vörsett! Ich heff dacht, ick füll den Tod dorvun kriegen!! Es ist wohl überflüssig, zu erwähnen, daß Peter Lüdtkemeier unter diesen Umständen freigesprochen wurde.

Und so war denn das Wort der alten Holderhoferin dennoch in Er­füllung gegangen, das sie an jenem verhängnisvollen Tage gesprochen:Der gnädige Herr kann meine Tochter haben!" Und ihr Andres war endlich, endlich dochhineingekommen," und die beiden Alten im Ausdinghause schmunzelten immer vergnüglich, wenn er von seinem Rathen und Thaten erzählte und häufig genug versicherte, daß es um einen Landstand eben doch eine heikelige und schwierige Sache sei.

Ja, Alles hatte sich wundersam gewendet.

Born und Bertha bewirtschafteten den Holderhof. Beide waren wohl­beraten von den alten Holderhofern und dem Holverjörg, der mit demalten Reibeisen" noch manchen Kampf durchfocht und manchmal das Lied krähte:

Fordre Niemand mein Schicksal zu hören,

Dem das Leben noch wonnevoll winkt!"

Uri war Hellerwirt und glücklich mit der niedlichen Greth. Heribert, wieder frisch wie eine Tanne, sah sich wohl behütet von seiner ernst-schönen Frau. Der alte Domänenrat aber stand unter dem Pantoffel seiner Aurora und hatte Gelegenheit genug, den Spruch zu beherzigen:Alter schützt vor Thorheit nicht." Das einstigeNesthäkchen" vom Holderhof Hand sich ganz gut in die Rolle einer Baronin, und der Baron hat sich nie darüber be­klagen dürfen, daß er Pauline statt Bertha zur Gemahlin bekam.

Der Kommissionär Sturm aber versah in späteren Jahren Schreiber­dienste bei dem grämlich werdenden Domänenrat und ließ sich von seiner Gnädigen, der weiland Freiin auf und zu Dürrenstetten, deren Heirat er vermittelt hatte, alltäglich abkanzeln, wie ein Laufbursche. Das war ge­nügende Strafe für seine Jntriguen, und er litt oft schwer darunter.

Hiemit endigt die Geschichte vom Holderhof.