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Weise (unter Absetzung von allen Parteiunterschieden) Komites bilden, um durch eine allgemeine Kundgebung an dem genannten Tage dem Fürsten Bismarck den Dank Deutschlands auszusprechen. Die Versammlung setzte ein Subkomite nieder, um die erforderlichen Schritte anzubahnen, insbesondere auch mit dem dem Vernehmen nach in Berlin in der Bildung begriffenen Konnte in Verbindung zu treten.

Jages-WeuigkeiLen.

Stuttgart, 15. Januar. Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm von Württemberg hat sich mit Seiner Exzellenz dem K. General- Adjutanten General der Infanterie Frhrn. v. Spitzem berg heute nach Berlin begeben, um im Namen Seiner Königlichen Majestät der daselbst für den verewigten Prinzen August von Württemberg stattsindenden Trauer­feier anzuwohnen.

Stuttgart, den 12. Januar.

Die Versammlung der Vertrauensmänner des chri st l. konservativen Vereins in Württemberg hat heute beschlossen, den Reichstag um Revision des Unterstützungswohnsitz­gesetzes in der Richtung zu bitten, daß von einer bestimmten Zeit an kein Deutscher mehr seinen Unterstützungswohnsitz verliert, ehe er einen neuen nachweislich erworben hat. Zugleich wurde beschlossen, die württe m belgische Staatsregierung um Unterstützung dieser Petition in dem Bundesrate zu bitten. Sämtliche Amtsver- ! sammlungen, Landarmenkommissionen, Ortsarmenbehbrden, Gemeinderäte und Pfarrgemeinderäte. sowie alle Freunde der Verbesserung unseres Arnern- wesens sind eingeladen, dieser Petition sich anzufchließen. Beitrittserklärungen wollen an das Mitglied des Landesausschusses des konservativen Vereins in Württemberg, Herrn Eduard Elben in Stuttgart gerichtet werden, von welchem auch Exemplare der Petition zu beziehen find. Zur weiteren Für- derung der Bestrebungen auf Verbesserung unseres öffentlichen Armenwesens sollen auch in den nächsten Monaten in verschiedenen Landesteilen größere Versammlungen veranstaltet werden. Folgendes ist der Wortlaut der Petition: i

Hoher Reichstag! In einer Zeit, iir welcher nicht nur dis Deutschen inr Auslande sich mit Hochgefühl als Deutsche bekennen und des Schu-cs- des Vater- ^ landes sicher sein können, sondern auch, Tank der großartigen Äolonialpolitik des Reichskanzlers, sich die Aussicht eröffnet, daß im Laufe der Jahrr eine immer größere Zahl Deutscher auch im fernen Auslände dem Vaterlande als Deutsche erhalten bleiben kann, erlauben sich die Unterzeichneten, dir AufmerZamkeit eines hohen Reichstags auf eine stets zahlreicher werdende Klasse von Deutschen zu richten, welche in Deutschland wohnen, aber durch die Gesetzgebung heimatlos werden, auf die Landarmen. Diese Klasse war wenigstens in Snddeutschland vor 1870 nicht mehr vorhanden und eS konnte auch der nach vielsähriger Ab­wesenheit zurückkehrende Deutsche sich sagen, die alte Heimat sei ihm gewahrt ge­blieben. Durch das Gesetz über den Unterstüyungstvohirsitz hat sich dieses Ver­hältnis geändert. Eine Abwesenheit von zwei Jahren genügt, daß ern Deutscher seines seitherigen Heimatsrechts verlustig, und, wenn er nicht nachweisbar die gleiche Zeit an einem andern Orte ununterbrochen gewohnt hat, heimatlos wird. Tie Zahl dieser Heimatlosen, dieser Landarmen, sowie der zeitraubender! unan­genehmen Geschäfte, die sie veranlassen, ist viel größer, als man gewöhnlich an- nimmt. Jeder, der mit der öffentlichen Armenpflege zu thun hat, wird dies be­stätigen. Tic sittlichen Nachteile, welche aus dem Gefühle der Heimatlosigkeit er­wachsen, sind für die davon Betroffenen und für ihre Angehörigen groß. Das Bewußtsein, daß sie überall als unwillkommene Gäste, welche man sobald als möglich und mit dem geringstmöglichen Aufwande wieder loswerden will,, als eine Last betrachtet werden, muß sie mit Erbitterung gegen die bestehenden staatlichen Einrichtungen erfüllen. Nicht minder groß ist aber die Versuchung für diejenigen, welche in der Lage sind, den Erwerb eines neuen Unterstützungswohnsrtzes gerade von seiten eines Landarmen in ihrer Gemeinde verhindern zu können, von dieser Lage durch Versagung weiterer Gewährung von Arbeit, durch Aufkündigung des Dienstverhältnisses, durch Entziehung der Wohnung, u. s. w in sittlich, nicht zu. j rechtfertigender Weise Gebrauch zu machen. Gleich verwerflich ist daK vielfach vorkommende Bestreben, Gemeindeangehörigcn, deren man los sein will, das Fern­bleiben aus der Heimat durch Unterstützung unter der Hand so lange zu ermög­lichen , bis sic nach Ablauf von 2 Jahren landarm geworden und jeder Unter­stützungsanspruch an die alte Heimat gesetzlich weggesallen ist. Daß. die Zahl solcher Fälle groß ist, werden gleichfalls diejenigen, die mit der Armenpflege be­traut sind, wenn sie offen sein wollen, bestätigen.

Allerdings war auch die frühere Ordnung nicht frei von großen Uebelständerr. Als einen solchen bezeichnen wir in erster Linie die Möglichkeit, daß die alte Heimatgemeinde häufig in die Lage kam, Heimatberechtigte, welche eine lange Reche von Jahren außerhalb jeder Beziehung mit der Heimat standen und ihre Arbeits­kraft anderswo aufgebracht hatten, wieder aufnehmen und in ihrem Alter unter­stützen zu müssen. Diese Pflicht war namentlich für kleinere und ländliche Ge­meinden eine große nicht zu rechtfertigende Last und auch wir halten die Be­seitigung dieics Mißstandes als einen unter allen Umständen aufrecht zu erhaltenden Fortschritt unserer Gesetzgebung. Ter Rückkehr desselben kann aber wohl durch die Bestimmung vorgebeugt werden, daß einer Gemeinde, welcher einer ihrer Angehörigen als unterstützungsbedürftig zur Last fällt, weil er bei mehrjähriger Abwesenheit kein neues Heimalrecht erworben hat, unter dieser Voraussetzung ein Ersatzanspruch an einen größeren Verband, sei es an die Provinz oder an den ganzen Staat, cingeränmt wird.

Noch schätzenswerter für die ganze Bevölkerung, in erster Linie für die arbeitende Klasse, ist der Gewinn aus der allgemeinen Freizügigkeit, welche durch die neue Gesetzgebung begründet worden ist. Wenn wir die Beseitigung der Mißstände des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz anstreben, so ver­wahren wir uns ausdrücklich gegen die Annahme, als wären unsere Bestrebungen gegen die Freizügigkeit gerichtet.

Das Hauptübel, welches das genannte Gesetz hervorgernfen hat, sind, wie wir wiederholen, die zahlreichen Heimatlosen, die Landarmen. Will man hier gründlich Abhilfe schaffen, io kann es nur geschehen durch die Annahme des Grund­satzes, daß kein Deutscher seinen Unterstützungswohnsitz, oder wenn es uns ge­stattet ist, eine iür uns Süddeutsche bedeutsame Bezeichnung zu gebrauchen, daß künftig kein Deutscher sein Heimatrecht verliert, ehe er ein neues nachweislich erworben hat. Ist einmal dieser Grundsatz gesetzlich festgestellt, so wird über seine Durchführung im Einzelnen, insbesondere über die Frage der für den Ver­lust und Erwerb eines Hcimatrechts erforderlichen Zeit, über die Reglung der Mitwirkung der alten und neuen Heimatgemeinde bei dem Uebergange, über die Frage der Berechtigung des Einzelnen, die Anerkennung eines neuen Heimatrechts zu verlangen, n. s. w., sowie über die erforderlichen Einsührungsbestimmungen, unschwer eine allseitig befriedigende Lösung sich erzielen lassen.

Während die bisher geschilderten nachteiligen Folgen der neuen Gesetzgebung vorherrschend in Süddeutschland empfunden und beklagt werden, wird ein Uebel- stand von allen, welche mit der Armenpflege zu thun haben, seien es öffentliche Behörden, Kreis-, Bezirks- und Gemeinde-Vertretungen, oder freiwillige Vereine und Privatpersonen, als solcher anerkannt und bezeichnet: der Mangel einheit­licher Legitimationspapiere für alle Personen, welche außerhalb ihres Wohnsitzes öffentliche Unterstützung beanspruchen. Die großen Fortschritte, welche die öffentliche Armenpflege namentlich auch in den größeren Städten in den letzten Jahren gemacht hat, gründen sich vor allem ans das System der Einzelsürsorge. Die Hauptaufgabe der Armenpflegcr ist, die Verhältnisse der um öffentliche Unter­stützung Bittenden bis ins Einzelne zu untersuchen, und ans Grund dieser Unter­suchung wird die Unterstützung nach genauer Abwägung des Alters, der Gesundheit und der Familienverhältnisse, der Arbeitskraft und Arbeitslust, des Leumunds re., festgesetzt. Die einheimischen Armen finden sich durch diese Erhebung nicht gekränkt, sondern betrachten sie als unerläßliche Voraussetzung für jede Unter­stützung. Wenn unsere Soldaten zwölf Jahre nach Entlassung aus dem Dienste noch unter strenger Kontrolle stehen, und dies selbstverständlich finden, wenn bei einer Reihe von Gewerben, so bei Bäckern, Buchdruckern, vor Verwilligung jeg­licher Unterstützung eine sehr genaue, strenge, nach allen Richtungen sich erstreckende Untersuchung anstandslos dnrchgcführt ist, so liegt kein Grund vor, warum die herumziehenden Unterstützungsbedürftigen überhaupt anders behandelt werden sollen. Dem Einwande, daß die solchen Herumziehcnden von einer einzelnen Be­hörde gewährte Unterstützung in der Regel weit kleiner ist, als der Ortsangehörige in einem Posten erhält, steht die Thatsache gegenüber, daß die Unterstützung oft von einem und demselben Herumziehenden wiederholt beansprucht wird, und daß der Gesamtaufwand, welcher auf solche Personen von den Armenbehördcn im ganzen gemacht wird, sehr groß ist. In Württemberg z. B. läuft der Aufwand auf die Verpflegungsstationen allein in die Hunderttausende, welche Summe von der ansässigen Bevölkerung durch Stenern und Umlagen aufgebracht werden muß. Wir verkennen keineswegs den großen Nutzen der Natnralverpflegung und der mit ihnen zusammenwirkenden Arbeiterkolonien. Aber mit noch weit größerem Erfolge könnte, nicht bloß für die materielle Verpflegung, sondern vor allem für die sittliche Hebung der herumziehenden Armen durch diese wohlthätigen Unter­nehmungen in Verbindung mit der übrigen Armenpflege gesorgt werden, wenn die Zuwendung der Unterstützung nach einem festen System befolgt werden könnte, je nachdem die Ursache der Unterstützungsbedürftigkeit vorübergehende Arbeitslosigkeit und Krankheit, oder Arbeitsscheue und Lust am gewerbsmäßigen Herumziehen und Betteln ist. Die besseren Armen würden entschieden besser nnd menschenwürdiger behandelt werden, während bei den gewerbsmäßigen Bettlern und Arbeitsscheuen die Möglichkeit eröffnet ist, die notwendige Strenge des Gesetzes anznrufen. Die Versuche, welche freiwillige Vereine, auch einzelne Arbeiterkolonien gemacht haben, Legitimationspapiere für sich einzuführen, sind regelmäßig gescheitert. Nach wie vor besteht auch noch der sittliche Nachteil, daß die Herumziehenden nur zu häufig im Besitze von mehreren, 6, 812, verschiedenen Legitimationspapieren sich be­finden und davon nach Belieben Gebrauch machen. Hier ist Abhilfe nicht minder geboten.

Die unerläßliche Voraussetzung einer Besserung dieser Zustände bildet das Wegfällen der Heimatlosen. Erst hiedurch wird es jedem Hilfsbedürftigen auch in der Ferne möglich, den Ausweis über seine persönlichen Verhältnisse bei sich zu führen, oder erforderlichen Falls rasch aus seiner Heimatgemeinde zu beziehen. Damit wird aber auch die einheitliche Regelung der Frage der Legitimations­papiere möglich sein.

Nach dem Ansgeführtcn erlauben sich die ehrerbietig Unterzeichneten an einen hohen Reichstag folgende Bitte zu stellen:

Kirr Hoher Weichstag wolle die Wanderung des Zlrrter- strihungswoHnsthgeseHes Lei -er Werchsregierimg in der Wichtung beantragen, daß von einer bestimmten Zeit an kein Deutscher mehr seinen Anterstützungswohnsth verliert, ehe er einen neuen nachweislich erworben Hat.

Stuttgart, 12. Januar 1885.

Die Versammlung der Vertraucusmärrner des christlich-konservativen Vereins in Württemberg.

In deren Auftrag der Vorsitzende:

K. stäbke, Gemeinderat.

Brackenheim, 12. Jan. Durch das, wenn auch nach langem Leiden, so doch unerwartet eingetretene Hinscheiden des im 61. Lebensjahre stehenden Oberamtmanns Eisenbach ist der Bezirk in tiefe Trauer ver­setzt worden. Heute haben wir seine sterbliche Hülle zu letzter Ruhe be­gleitet, wobei Dekan Huber über den Text sprach: der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand. Ein imposanter Trauerzug, wie ihn Brackenheim kaum jemals gesehen, gab dem Verewigten das Geleite: Bezirksbeamte, städtische Kollegien, geistliche und weltliche Ortsvorsteher, Feuerwehr, die Bezirks­straßenwärter, eine große Anzahl von Mitgliedern der ausw. bürgerlichen Kollegien, denen sich noch viele Freunde und Verehrer des Verblichenen aus Stadt und Land, ja über den Bezirk hinaus anschlossen. In dem von dem Herrn Redner entworfenen treuen Bild des Entschlafenen schilderte er den­selben als liebevollen Familienvater, als einen tüchtigen, unermüdlichen, ge­wissenhaften, pflichttreuen, leutseligen Beamten von biederem Charakter, der namentlich auch für die Angelegenheiten von Kirche und Schule offenes Herz und warmes Interesse gehabt und dessen Verdienste auch höheren Orts anerkannt worden.

Frankfurt a. M. 14. Jan. Polizeirat vr. jur. Rumpfs wurde gestern Abend vor seinem Hause ermordet aufgefunden. Der Thäter ist noch nicht ermittelt. Die Ermordung erfolgte mittelst zweier Dolchstiche un­mittelbar vor dem Hause Rumpffs.

Ueber die Ermordung des Polizeirat Rumpfs berichten die Frankfurter Blätter:

Rumpfs verließ um etwa halb 8 Uhr sein Bureau im Polizeipräsidium (Clesern Hof) und ging gegen seine sonstige Gewohnheit geradezu nach Hause. Um 8 Uhr etwa wurde er bereits vom Dienstmädchen hart vor seiner Wohnung im letzten Todesröcheln gefunden. Er wohnte Sachsen­lager Nr. 5, wohin er erst vor Kurzem gezogen war. Seit längerer Zeit verwitwet, teilte er die Wohnung mit seinen beiden Kindern, einem 17jähr. kränklichen Sohne und einer jüngeren Tochter. Gegen 8 Uhr hatte das Dienstmädchen Einkäufe besorgt und kehrte in der Dunkelheit nach Hause zurück. Als das Mädchen durch die Pforte des vor dem Haus gelegenen Gärtchens trat, sah sie an der Wand des Hauses einen Mann liegen. Sie