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'des Gardekorps mit. Am 18. Aug. 1870 kam das Korps bei St. Privat so stark in Feuer, daß es Vs bis '/« seiner Mannschaft verlor; es eroberte -im Verein mit den Sachsen das von den Franzosen hartnäckig verteidigte -St. Privat. Bei Sedan am 1. Sept. griff das Gardekorps ebenfalls entscheidend ein, und rückte dann vor Paris, wo es in der Zernierungsarmee einen Teil der Nordostfront besetzte und am 28.—30. Oktober, sowie am 21. Dez. bei den Ausfällen gegen Le Bourget mit großer Tapferkeit focht. Unter Prinz Augusts Führung hat das preußische Gardekorps in seinen /Ruhmeskranz unverwelkliche Lorbeeren eingeflochten. — Prinz August, welchen langjährige Freundschaft mit seinem königlichen Vetter, Se. Maj. dem König von Württemberg verband, durfte sich stets auch des größten Vertrauens .und der Freundschaft des Kaisers Wilhelm erfreuen; dieses intime Verhältnis geht auf viele Jahre zurück. Nach dem Feldzug von 1871 wurde Prinz August 1873 zum Generalobersten von der Kavallerie und nach Wrangels Tod zum Oberstkommandierenden in den Marken ernannt. Mit allen Auszeichnungen , über welche der Kaiser und die übrigen Monarchen verfügten, überhäuft, feierte der Prinz im Jahre 1880 sein öOjähriges Offiziers-Jubiläum und legte dann im Jahre 1882 das Kommando über die Garde nieder, um seinen Lebensabend in wohlverdienter Ruhe zuzubringen. Prinz August war einer der beliebtesten Kavalier am K. preußischen Hofe. Seine Liebenswürdigkeit und seine Herzlichkeit, sowie seine hohe, fürstliche Erscheinung nahmen sofort für ein. Auch am kaiserlich russischen Hof war er ein stets gern gesehener Gast; solange die Kaiser Nikolaus und Alexander lebten, kam er oft nach St. Petersburg zum Besuch seiner Schwester, der Großfürstin Helene. Bei den militärischen Revuen und Feldmanövern war er stets mit dem Kaiser zusammen, und mancher unserer Leser wird sich der schönen männlich soldatischen Erscheinung des Prinzen August erinnern, wie derselbe im Jahre 1876 anläßlich des damaligen kaiserlichen Besuches in Stuttgart sein Heimatland wieder aufsuchte und in dem hohen militärischen Gefolge des Kaisers eine der augenfälligsten Reckengestalten war. Der Prinz trug gerne die Gardekürassier-Uniform, welche zu seiner Figur besonders gut paßte. Auch auf der Jagd war er der beständigste Gefährte seines kaiserlichen Freundes, welchem dieser Todesfall jedenfalls sehr nahe geht, denn solcher langjährigen Freunde von mehr als fünfzig Jahren her hat der Kaiser kaum mehr einen. Eine treue deutsche Fürsten- und Soldatengestalt ist mit diesem Prinzen des Königlichen Hauses dahingegangen.
Stuttgart, 10. Januar. sStrafkammer.j Gestern stand der erst 17jährige Kutscher Eugen Nja r r wegen fahrlässiger Körperverletzung vor der 1. Straft. Er hatte am 28. Sept. nach eingetretener Dunkelheit einen alten Mann auf der Straße von Cannstatt nach Stuttgart überfahren, als er einem andern Kutscher, der langsam fuhr, Vorfahren wollte und ihm gerade in diesem Augenblicke der alte Mann entgegenkam; derselbe brach den rechten Oberschenkel und erhielt einige Fleischwunden am linken, woran er über 10 Wochen krank lag; auch jetzt ist er noch nicht ganz gesund. Er muß am Stock gehen und ist noch teilweise arbeitsunfähig. Der Kutscher ist nach dem Zeugnis mehrerer Anwesenden sehr rasch gefahren; nach seiner eigenen Aussage will er den Mann gar nicht gesehen haben, während er andererseits aber behauptet, dieser sei betrunken gewesen und selbst in die Pferde hineingelaufen, habe also das Unglück selbst verschuldet. Es konnte dies nicht geglaubt werden; der St.A. beantragte 2 Mon. Gefängnis als Strafe. Das Urteil lautete jedoch in Anbetracht der großen Jugend des Angekl. nur auf 3 Wochen Gef.
Rottweil, 9. Jan. Die Strafkammer des hiesigen Landgerichts verurteilte kürzlich den Taglöhner Matthias Wiedmajer von Loßburg, OA. Freudenstadt, auf Grund des K 9 des sogen. Dynamitgesetzes zu der gesetzlich zulässigen niedersten Strafe von 3 Mon. Gefängnis, weil -ei einer Haussuchung bei dem Angeschuldigten 5 Pfd. Sprengpulver, die er von seiner Thätigkeit als Eisenbahnarbeiter aufbewahrt hatte, gefunden wurden. Bei der Urteilsfällung beschloß jedoch die Strafkammer gleichzeitig, beim k. Justizministerium auf Milderung der Strafe, die mit dem Vergehen in keinem richtigen Verhältnisse stehe, anzutragen. Im Vollmachtsnamen Sr. K. Majestät hat nun Se. K. Hoheit Prinz Wilhelm diese 3monatl. Gefängnisstrafe auf 8 Tage ermäßigt.
Eßlingen, 10. Jan. Wenn auch die Eßlinger selbst die Eis- b a h n auf ihrem M rktplatz nachgerade als etwas Alltägliches und Selbstverständliches ansehen, so erregt sie immer wieder ein so hochgradiges -Interesse bei Allen, welche sie erstmals sehen. Wir haben schon wiederholt in den Blättern auf sie aufmerksam gemacht und möchten es angesichts so vieler anderwärtiger Mißerfolge abermals thun. Wo die Temperatur so unbeständig ist, wie im Bereich des mittleren Neckars, da ist das Eßlinger System das einzig richtige und mögliche, andernfalls sinkt (auch das hiesige Konnte hat es erfahren) viel Wasser und Geld in den Boden. Wir geben nun allerdings zu, daß sich nicht leicht ein besseres Terrain finden kann, als unser Marktplatz, der, gegen Südwesten von der massigen Dionysiuskirche flankirt, damit einen vortrefflichen Schutz gegen die Mittagssonne hat. Ganz vorzüglich eignet er sich auch zu einem Eisfest. In rühmenswerter Freigebigkeit illuminiren an diesem Abend die umliegenden Häuserbesitzer ihre Fenster; der Platz selbst ist mit Hunderten von Lampions behängt, dazwischen hinein bald da bald dort bengalische Beleuchtung, gute Musik und für die Heizung der Maschine vortreffliche Bewirtung in den unmittelbar anliegenden Gasthäusern — es ist allemal ein reizender Abend. Gestern nun galt es zugleich einem edlen Zweck dem Baufonds der Frauenkirche. Es wurde deshalb diese um Ve9 Uhr bengalisch beleuchtet und gelang besonders die Beleuchtung der Spitze mit der Kreuzblume vortrefflich. Das Fest verlief ganz vorzüglich. Zu Gunsten der Frauenkirche werden sich immerhin 100 ergeben. Wer beim Nachhausegehen vom Eisfest etwa dachte: nous
1e 6«Iuge, bekam ganz Recht; denn heute ist Thauwetter und da oben auf dem Marktplatz ists fürchterlich.
Göppingen, 10. Jan. Wir sind in aller Stille in das neue Jahr hinübergekommen und leben jetzt in einer Zeit, in der nicht viel los ist. Die verschiedenen Vereine find mit ihren Christbaumfeiern endlich glück
lich fertig geworden. Den Beschluß machte am Erscheinungsfeste der Verein der Vogelfreunde, der mit seiner Feier eine Verloosung von Gänsen, Enten, Hühnern, Tauben, Kanarienvögeln u. s. w. verband. Das schönste Vergnügen war in der verflossenen Woche das Schlittschuhlaufen, über unserer einzigen Eisbahn scheint aber ein besonderer Unstern zu walten. Im vorigen Winter konnten die Abonnenten um 2 ^ etwa 3 ganze Stunden Schlittschuhfahren, dann hatte das Vergnügen ein Ende. Als diesen Winter der erste Frost eintrat, war in dem See des Schlittschuhklubs kein Tropfen Wasser. Nun wurden 8 Mann mit dem Hydrophor an den Stadtbach beordert, um von hier aus das nasse Element in den leeren Schlund des Sees zu befördern. Sie pumpten zwei Tage in „ruhsamer Eil," als sich aber in dem See immer noch kein Wasser befand, denn der von der Sommerhitze zerklüftete Boden hatte alles durchgelassen, da wurde die Danaidenarbeit eingestellt. Endlich hatte der Himmel ein Einsehen, öffnete seine Schleußen und füllte den See so weit, daß der nächste Frost eine hübsche Eisbahn zu Stande brachte. Alles war voller Freude darüber und der Schlittschuhklub veröffentlichte gestern einen mannhaften Erlaß zur Herstellung einer strammen Ordnung auf der Bahn, verhieß auch auf heute Nachmittag eine Reunion auf dem Eise — da wurde über Nacht alles zu Wasser. Aus den nächsten Winter wollen die Väter der Stadt den Schlittschuhläufern aus der Verlegenheit helfen, indem sie durch Ueberrieselung der Allee in der Karlsstraße eine größere Eisbahn Herstellen lassen.
Reutlingen, 12. Jan. Am letzten Samstag in der Früh drohte in der Tübinger Vorstadt abermals Feuersgefahr. Durch Fahrlässigkeit eines Dienstmädchens war eine Kiste mit Kleidern in Brand geraten. Der starke Rauch machte denselben sofort bemerklich; das Feuer konnte mit leichter Mühe gelöscht werden.
München, 7. Januar. Zwei noch äußerst junge, aber trotzdem schon sehr für unsere Afrikabesitzungen begeisterte Deutsche (die Söhne achtbarer Eltern hier) sparten seit längerer Zeit Geld, um eines Tages nach diesen vielbesprochenen Ländern zu reisen. 25 ^ glaubten sie als hinreichend, um die Reise antreten zu können. Sie reisten vorgestern über Kufstein zunächst nach Innsbruck. Dort wurde ein kleiner Halt gemacht, denn der Weg nach Klein-Popo ist eben noch weit. Die jungen Flüchtlinge hatten sich aber auch bald verraten und zu allem Unglück hatte der Telegraph auch schon ihren Abgang gemeldet. Nach wenigen Stunden wurden sie unter Begleitung wieder nach Norden zurückgebracht und heute Morgen ihren Eltern übergeben.
Gotha, 11. Jan. Gestern hat hier ein fürchterlicher Schneesturm gehaust und durch Windbrüche auf dem Walde großen Schaden verursacht. Mehrere Bahnzüge blieben im Schnee stecken. Viele Arbeiter wurden noch in der Nacht requirirt, um das Geleise frei zu machen. Mehrere hiesige Personen wollen gestern Nachts gegen 8 Uhr einen schwachen Erdstoß verspürt haben.
WerrnrifcHtes.
— Die Kriegskasse des Deutschen Reiches beträgt 120 Millionen Mark. Diese Summe muß immer in Bar bereit liegen; denn man hat noch 1870 die Erfahrung gemacht, daß die großen Banquiers und furchtbar reichen Leute gar nicht so rasch bei der Hand sind, bei plötzlich drohendem und ausbrechendem Kriege dem Staat und Heere mit ihrem Geld und Kredit beizuspringen, sie warten die „Konjunktur" ab. Weil aber 120 bare Millionen weder in ein Portemonnaie und nicht einmal in einen „Feuerfesten" gehen, so werden sie, wie bekannt, im Juliusturm der Spandauer Festung aufbewahrt und Tag und Nacht scharf bewacht. Die Zinsen machen sich im alle der Not gut bezahlt. Bis Ende d. I. wünschen wir Jedem unserer eser so ein ähnliches Juliustürmchen.
— In München hatte sich ein kleines Kind verirrt. Die Polizei versuchte umsonst herauszufragen, wie es heiße, wo es wohne u. s. w. Da fragte Einer: wo holst Du denn das Bier für Deinen Vater? — Sofort nannte das Kind eine Kneipe in der Dachauerstraße, und dort wurden die Eltern ermittelt.
— EinDuell wegen eines Herings. An einem schönen Morgen kommt ein preußischer Garde-Lieutenant in eine Gaststube in einem Gasthause am Rheine. Es ist ein junges Blut. Das Gesicht ist fahl und verrät, — daß sich unser Herrchen am Abend vorher zu viel zutraute und nun einen wichtigen Rebellen, — einen Riesenkatzenjammer zu kuriren hat. Er bestellt sich einen schmerzstillenden marinirten Häring, der alsbald aufgetragen wird und sehr appetitlich aussieht. Er schwimmt in einer weißlichen Sauce mit Kapern, als Friedenszeichen den grünen Siegeslorbeer im Maule. Mit sichtlichem Behagen verspeist unser Lieutenant das Rückenstück des Härings, während ein epauletteloser österreichischer Lieutenant sich an einem anderen Tisch bei einem Schoppen Laubenheimer gütlich thut. „Besten Appetit! Herr Kamerad!" begann dieser, „Gusto — was delikates, Radikalmittel, kennen das — bin einmal in Italien gewesen — wachsen dort auf Bäumen!" „Nun bitte, Herr Kamerad! nur keinen Schnickschnack," sprach der Preuße. „Durchaus kein Schnickschnack, Herr Kamerad! ich wiederhole: Sie wachsen in Italien auf Bäumen," versetzte der Oesterreicher. „Und ich sage Ihnen," erwiderte erzürnt der Preuße, „suchen Sie sich für Ihre Kalauer Gläubige und verschonen Sie mich damit." „Und doch, verehrtester Kamerad, behaupte ich, daß auf Bäumen wachsen." „Und so will ich Ihnen den Staar stechen!" brauste der jugendliche Jünger des Mars auf; „kommen Sie morgen früh 5 Uhr mit einem Sekundanten in den Marbacher Wald und ich will Ihnen mit einer Kugel die Nichtigkeit Ihrer Behauptung beweisen!" „Auch recht!" versetzte ruhig der Oesterreicher. Am andern Morgen zur bestimmten Zeit waren beide Parteien auf dem bezeichnet«»! Platze. Der Oesterreicher schoß zuerst und fehlte; nun zielte der Preuße und verwundete den Oesterreicher am linken Oberarm. Man setzte ihn auf den Grasboden und verband ihm die Wunde. Da trat der preußische Lieutenant zu ihm hin und fragte höhnisch: „Nun, Herr Kamerad, behaupten Sie noch, daß in Italien die Heringe auf den Bäumen wachsen?" „Nicht die Heringe, ich meinte die Kapern!" sagte dieser.