2. Seite Nr. 16
Raaolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Der Heldenkampf um Slalinarad
DNB Berlin, 18. Januar. Im Süden der Ostfront brachte der 18. Januar an mehreren Kampfabschnitten schwere Gefecht«, bei denen deutsche Truppen und italienische Alpini in enger Waffenkameradschast den starken feindlichen Angriffen erbitterten Widerstand entgegensetzten. Die bei anhaltend tiefem Frost und heftigen Schneestürmen geführten Kämpfe waren wieder gekennzeichnet durch das Bestreben des Feindes, seine Panzerspitzen ohne Rücksicht auf Verluste vorzutreiben, während unsere Verbände durch die Beweglichkeit ihrer Verteidigung den feindlichen Vorstößen die Kraft nahmen. Durch rasche Stellungswechsel trugen unsere Truppen aus günstigen Positionen flankierende Angriffe vor, die meist zur Vernichtung der vorgedrungenen bolschewistischen Abteilungen und zur Rückgewinnung vorübergehend verlorenen Geländes führten.
Bei diesen Kämpfen, die den feindlichen Vorstößen die Spitze abbrachen, wurde die Mehrzahl der in den beiden letzten Tagen außer Gefecht gesetzten 62 Sowjetpanzer abgeschossen. Diese Abschüsse eingerechnet, haben zwei in Nord- kaukasien und im Dongebiet eingesetzte deutsche Panzerkorps bisher über 1100 feindliche Panzer zur Strecke gebracht. Auf das eine Korps, das seit 6. Dezember an der Südfront kämpft, entfallen davon 625, während das andere seit 12. Dezember insgesamt 586 feindliche Panzerkampfwagen vernichtete.
Die ungünstige Wetterlage schrankte den entlastenden Einsatz der Luftwaffe ein, so daß die Kampf- und Sturzkampfflugzeuge ihre Angriffe gegen feindlich« Truppenansammlungen hauptsächlich auf den Raum zwischen Kaukasus und Don konzentrierten, wobei die begleitenden Jäger fünf bolschewistische Flugzeuge ab- fchosse».
Trotz der Schneestürme und schlechten Sicht drangen unsere Fernaufklärer aber auch an den anderen Abschnitten tief ins feindliche Gebiet ein und brachten der Führung entscheidende Aufschlüsse über die Absichten des Gegners. Einer dieser Aufklärer beobachtete, daß die Bolschewisten starke, von Panzern begleitete Kräfte zum Angriff auf einen wichtigen Flußabschnitt bereitstellten. Mehrfach stieß das Flugzeug trotz heftiger feindlicher Abwehr tief auf di« Truppenansammlungen herab, um deren Stärke und Verteilung genau erkennen zu können. Die so gewonnenen Aufklärung^ rgebnisse gaben der Truppenführung die Möglichkeit, die Heeresverbände so wirksam anzusetzen, daß der groß angelegte Durchbruchsversuch unter hohen Verlusten für den Feind nach harten Kämpfen zusammenbrach. »
Roch erbitterter ist nach wie vor das Ringen gegen die feindliche llebermacht im Raum von Stalingrad. Pausenlos setzte der Bolschewist auch am 18. Januar mit allem, was er dort an Kampfmitteln und Menschen zusammengezogen hat, seine Angriffe fort. Mit lausenden Granaten hämmerte er auf die deutschen Linien und wühlte jeden Fußbreit Boden auf. Ganze Panzerbrigaden und Schützenregimenter warf er gegen die deut- >ck,en Linien. Aber in übermenschlicher Anstrengung hielten unsere Soldaten trotz schwierigster Kampfbedingungen und gefahrvoller Gefechtskrisen und trotz aller Entbehrungen, die sie in den wochenlangen Kämpfen schon zu tragen hatten, dem Ansturm stand. „Jeder Mann eine Festung", das ist das Wort, das einer von ihnen in den Bunkern Stalingrads fand und das nun die Losung für alle geworden ist, wenn die Feuerstöße der Salvengeschütze niederkrachen, wenn Hunderte Bolschewisten über die Schneeflächen vorstiirffen und der Kampf Mann gegen Panzer beginnt. So tobt der Sturm Tag für TaganallenFrontenvonStalingrad. Der deutsche Soldat setzt der Flut von Waffen und Menschen seinen eisernen Willen entgegen.
Harte Kämpfe im Raum von Ws° l i Lu i
Deutsche» Regiment 18 Tage und Rächt« im Abwehrkampf gegen 9660 Bolschewisten
DNB Berlin, IS. Jan. Im mittleren Abschnitt der Ostfront unterstützte die Luftwaffe am 17. Januar die örtlichen Kämpfe unserer Heeresverbände durch Angriffsflüge gegen feindliche Truppen, die sich im Raum von Welikije Luki zu erneuten Vorstößen aufzustellen versuchten. Die Bomben der Kampfund Sturzkampfflugzeug« zerschlugen Panzeransammlunge», Batteriestellungen und Kolonnen und brachten den feindlichen Aufmarsch in Verwirrung. Sechs Panzer, fünf Raupenschlepper sowie zwölf Geschütze wurden schwer getroffen und ein Munitionsdepot vernichtet. Auch bei Nacht führten unsere Flieger ihre Luftangriffe auf di« feindlichen Bunkerlinien, Quartiere und Nachschubkolonnen fort. Unsere als Begleitschutz eingesetzten Jäger schossen bei Abdrängen feindlicher Flieger aus den Zielräumen fünf bolschewistische Flugzeuge ab. Ein sechstes feindliches Flugzeug stürzte im Feuer der Bordwanen ab. Als unsere Kampfflieger im Raum nordöstlich Moskau die Anlagen wichtiger Nachschubeisenbahnen wirksam bombardierten, wobei sie zehn Eisenbahnzüge, ferner Bahnhöfe, Betriebsanla- -gen und Lagerschuppen zerschlugen.
Südöstlich des II mensees waren die Angriffe des Feindes, gemessen an dem Einsatz in den letzten Wochen, verhältnismäßig schwach und wurden unter Abschuß von acht Panzer» glatt abgewiesen. Unsere Truppen.konnten daher ihre eigenen Vorstöße zur Säuberung der Front von ab gesplitterten feindlichen Resten fortsetzen und Verbesserungen des Stellungsverlaufs erkämpfen. Hierbei vernichteten Jägsrstoßtrupps zwölf feindliche Kampfstände und rollten an anderen Stellen die bolschewistischen Gräben in 460 Meter Breite auf, so daß die eigene Hauptkampflinie in günstigeres Gelände verschoben werden konnte. Die gegenwärtige Abschwächung der feindlichen Angriffe ist die Folge der schweren Verluste, die der Feind am Jlmensee fort dem 28. 11., dem Beginn der letzten Abwehrschlacht erlitt. Wie schwer diese Kämpfe waren, ergibt sich daraus, daß an einem der Schwerpunkte ein deutsches Infanterieregiment 18 Tage und Nächte hindurch ununterbrochen im Kampf gegen insgesamt 9666 Bolschewisten tand, ohne daß die Sowjets zu Erfolgen kommen konnten. Tag für Tag trieb der Feind seine Masten vor in der Hoffnung, ^adu-ch den Widerstand des Remm-nts nc T*>m lewe
rer Gefechtskrisen und obwohl die Sowjets elfmal in die deutsche Stellung einbrachen, gelang es immer wieder in energischen Gegenstößen und erbitterte« Nahkämpfen, die Bolschewisten zurückzuwerfen und die Hauptkampflinie in vollem Umsang z« halten. Als der erschöpfte Feind von seinen vergeblichen Angriffen abließ, lagen 7566 gefallene Bolschewisten und 26 ausgebrannt« Panzer vor und zwischen den deutschen Stützpunkten.
Aenderung im deutsch-schweizerischen Berrechnungs- abkommen
DNB Berlin, 19. Januar In den seit Wochen in Bern zwischen der deutschen und der schweizerischen Regierung geführten Wirtschaftsverhandlungen wurde eine abschließende Vereinbarung nicht erzielt, so daß das am 31. Dezember 1942 abgelaufene und bis 15. Januar 1943 vorläufig verlängert gewesene Berrechungsabkommen erloschen ist. Zur Ermöglichung eines weiteren Warenaustausches werden trotzdem die Verrechnungskonten einstweilen fortgeführt und der Zahlungsverkehr zwischen beiden Ländern auch weiterhin unter de« bisherigen Bedingungen «bgewtckett
Der italienische Wehrmach-sbericht
Hartnäckiger Widerstand de« deutsch-italienischen Truppen in Tripolitanien — Zehn britische Flugzeuge abgeschossen
DNB Rom, 19. Januar. Der italienische Wehrmachtbericht vom Dienstag hat folgenden Wortlaut:
In Tripolitanien leisteten italienische und deutsche Abteilungen dem andauernden Druck des Feindes hartnäckigen Widerstand und fügten dem Gegner empfindliche Verluste zu. Patrouillenzusammenstöße im Fezzan endeten zu unseren Gunsten.
An der Tunisfront erzielten deutsch-italienische Kampfgruppen in gelungenen Vorstößen, in deren Verlauf einige Dutzend Gefangene gemacht wurden, Eeländegewinn.
Die Luftwaffe entfaltete im Verlaufe des Tages beträchtliche Tätigkeit und unterstützte die Bodenoperationen wirksam und griff feindliche Abteilungen erfolgreich an. Jäger der Achsenluftwaffe schossen neun Flugzeuge, darunter einige mehrmotorige, ab. Ein weiterer viermotoriger Bomber stürzte, von der Flak getroffen, zu Boden.
Vone wurde von unseren Flugzeugen bombardiert. In algerischen Gewässern wurde ein wichtiger Eeleitzug von deutschen Flugzeugen angegriffen, die zwei Dampfer mittlerer Tonnage versenkten und drei weitere in Brand warfen.
Wiederholt« Luftangriffe auf Tripolis verursachten beträchtliche Schäden an Wohngebäuden und eine gewisse Anzahl Opfer unter der libyschen Bevölkerung. -Feindliche Flugzeuge griffen Porto Empedocle an. Militärische Ziele wurden nicht getroffen, leichte Schäden an einigen Gebäuden, zwei Tote und neun Verwundete unter der Bevölkerung. Die Flaks schoß einen der am Einsatz teilnehmenden Bomber ab.
Türkische Stimmen zum Kriegseintritt des Irak DNB Istanbul, 19. Januar. Die irakische Kriegserklärung an die Dreierpaktmächte hat in allen türkischen Kreisen einen ungünstigen Eindruck hervorgerusen. In ihren Kommentaren hierzu mißbilligen die Zeitungen ganz offen die Haltung des Irak, der sich in den Krieg hineinziehen ließ, ohne alle Folgen dieses Entschlusses zu bedenken. „Tasviri Efkiar" bedauert, daß der Irak den britischen Erpressungsmanövern nicht einen ähnlichen Widerstand entgegengesetzt habe wie Aegypten, bas trotz seiner schwierigen Lage und rrotz des starten Druckes, den London auf Kairo ausllbe, sich aus dcm Konflikt herausgeh.'lten hätte.
_Mittwoch, den 26. Zannac !,!,»>'!
4V0VV Tschungkink-Soldaien Nberaeirelen
Wangtschingwei an die Soldaten Nankings DNB Nanking, 19. Januar. (Oad.) Präsident Wangtschingwei forderte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Obersten Verteidigungsrates in einer Botschaft die Soldaten Nankings sowie das militärische Personal der Nationalregierung auf, den Kampf um die Selbständigkeit Ostasiens im Geiste der engsten Kameradschaft mit den kaiserlich japanischen Streitträf- ten fortzufetzen. Wangtschingwei erklärte, die chinesische Nation müßte sich darüber klar sein, daß die Bedeutung des ostasiatischen Krieges darin liege, den Imperialismus der Engländer und Amerikaner zu beseitigen und an seiner Stelle das Ideal des Wohlstandes unter den ostasiatischen Völkern zu errichten. Bereits der Vater der chinesischen Republik, Sunyatfen, habe erkannt, daß die Emanzipation der Völker Ostasiens zur Sicherung von Frieden und Ordnung in China unerläßlich fei.
Wie Domei aus Tstnan berichtet, hat sich General Wuü Wawen mit 40060 Soldaten der Tschungking-Truppen am Montag im Raum von Schantung und Kiangsu der überlegenen japanischen Streitmacht ergeben. Kurz danach richtete General Wuh Wawen über den Rundfunk von Tsinan eine kurze Ansprache an seine alten Waffenkameraden unter dem Tschungking- Regime. Er forderte darin diese dringend aus. doch die Nutzlosigkeit ihres weiteren Widerstandes gegen Japan nach dem Eintritt der Nanking-Regierung i» den Krieg zu erkennen. Die Ansprache wurde von dem Sender Peking auf alle Sender in China übertragen.
Anerkennung der kleinen Fahrzeuge der Kriegsmarine Ihre Leistungen zum Schuh der Heimat DNB Berlin, 19. Jan Die kleinen Fahrzeuge der Kriegs- marine trauen mit der Vekäinkung feindlicher Flugzeuge auf See erheblich zum Schutze der Heimat bei. Ein §' 'erungsver- band der Kriegsmarine, der nach der Besetzung '> -r sranrösi- schen Küsten ausgestellt wurde, hat kü^lich den 200. Abschuß britischer Flua--",ne m-lden kminen D»ese Erfolge wurden neben der Erfüllung der sonstigen vielseitigen Aufgaben' unserer kleinen Einbeiten er-i-lt. Fiibrungsfabrzeuqe brachten feindliche Klugzeuge zum Absturz, die eigen« Geleite anzugreifen versuchten.
Minensuchboote und Borpost-nboote sind häufig auch selbll das Ziel feindlicher Luftangriffe, und es ist ein Zeugnis für
Wo Rommels rechte Flanke steht
Von Kriegsberichter August Hurtmann lPK.) 356 Kilometer an einem Tag! 2« Afrika eine Leistung, wie sie nicht häufig vorkommt. Dabei fing es nach dem morgend- lichen Aufbruch vom taufrischen Lager zwischen den.Salzseen und der Via Balbia wie ein Kinderspiel an. In sanften Wrn- düngen schlängelt sich die Küstenstraße von Nord nach «uch zieht sich zwischen den auf viele zig Kilometer Lange wert nach links und rechts heraus gezogenen Truppenteilen der Rommei- armee schwarzglänzend hin und verliert sich weit vorne mit der Telegraphenlinie an der Seite als ein feiner, hauchdünner Strich. Noch dampfen die frisches Grün ansetzenden Kameldorn- büsche von der Nässe der Nacht, und weit im Lssten, hinter den großen Salzsümpfen, wetterleuchtet es für grelle Sekunden. Aber diese Stunde zwischen Dunkel und Tag "gibt bereits genügend Dämmerung, daß unsere Volkswagen auf der noch leeren Straße ihren Weg nach Süden schnurren können. Als die ersten großen Spritkolonnen mit donnernden Dieselmotoren ihre Rastplätze verlassen und nach Osten zur Front streben, haben wir schon die Strabc verlassen und holpern durch di« Wüste.
Im Me«audsl<»«d der Sahara
Noch stehen auf ein paar Kilometer Weges schnell zurechtgezimmerte fußhohe Schilder zur Seite unseres Rüttelmarsches über die Piste. Sie weisen in die Richtung der weit in die Wüste vorgetriebenen Sicherungen der Achsenstreitträfte. Zu sehen find diese kaum, die paar Pakgeschütze, eine schwere Haubitzbatterie, die Bataillone italienischer Infanterie und eine deutsche Aufkläruugsabteilung. Aber sie liegen hier aus der Lauer, bereit, jeden VersLch des Tommy blutig abzuweisen, der aus der Wüste aus den Lebensnerv des Kampfes in Libyen, die Straße, zielt.
Jenseits der vorgeschobenen Stellung liegt das heutige Marschziel, weit im Süden des Gebietes, das seit Wochen und Monaten zum Tummelplatz der eigentlichen Wüstenkräfte von Freund und Feind geworden ist: im Niemandsland der Sahara. Noch einmal nickte» uns ein paar aus ihre« Löcher« halb verschlafen z« uns heraufstarrende „Afrikaner" zu und machen eine Geste des Grützens, dann liegt die rechte Kante der Rommelschen Auffangstellung hinter unserer leichten Staubwolke. Vor uns dehnt sich tellereben aus ungezählt« Kilometer in der Runde das Einerlei des roten Stein- und Kiesschotters. Etwas verschwommen tauchen im Dunst zur Linken die „Schwarzen Berge" auf, mehr zu ahnen bei den niedrig hängenden Wolken als zu sehen. Die Wage» fahren durch das Riesen-Wadi eines der vorzeitlichen Urstromtäler. So habe« wir alles beieinander, was die Wüste, die Sahara ausmacht: Dschebel, Wcü», Sand und Schotter.
Ern Kapitel „Pistentunde"
Pistenkunde ist «in Lehrfach i« Afrika, das man nicht lernen kann. Entweder besitzt man nach wenigen Wochen des Hierseins jenen sechsten Sin« des Afrikafoldaten, oder man wird rettungslos ein Spielball der ständig narreuden und in die Irr« führenden Gleichförmigkeit. An wenigen Steinen, an ein paar Fahrspuren, vielleicht schon Woche«, Monate alt, erkennen wir den Weg. Regenlachen stehen hin nud wieder dazwischen, aber was hindert in der Einsamkeit, sie in weitem Bogen zu umfahren. 2n dieser Schottrrwüste, deren Glimmerquarz sich im Schein der sattroten Morgensonne wie Glasscherben spiegelt, werden die Reifen doch ständig derselben Beanspruchung unterzogen, ob sie nun auf oder neben der Hauptpiste scharf und spitz die faustgroßen Steine schneiden. Manchmal wirbeln sie die Attribute der Wüstenstraße bis hinauf zu «ns in den Magen oder schleudern sie knallend von unten gegen die Karosserie, daß man unwillkürlich denkt: Nanu, wer schießt denn da? Verloren und wie von einer eigensinnigen Fügung etwas rätselhaft in die Einöde verpflanzt, klingt einmal ein Vogelzwitscher» auf. „Das ist der Pistenvogel", sagt der uralte Afrikaner Hinte» im Wagen, und man weiß nicht, ob er es nun ernsthaft meint oder ob er dabei schmunzelt.
Rüttelmassage in Reinkultur
Kilometer um Kilometer hoppeln fo die Wagen vorwärts. Wie bei einem schief gestellten Waschbrett verlaufen die kleinen und großen Rillen quer zur Fahrbahn. Wie zur Kontrolle erscheint links oder rechts «in abgebrochener oder umgefahrener Stein, dessen Zahlen- oder Ortsangaben schon seit Jahren weggebeizt find. Immerhin: neben den großen Löchern, aus denen di« steinerne Unterlage für diese Piste gebrochen wurde und die nun mal nah, mal fern unseren Weg säumen, bilden die umgeftiirzten Zementreste der Zehnkilometersteine eine willkommene Kontrolle für das Logbuch der Gruppe. Denn wie auf einem Schiff, das zur See fährt, wird auch in der Wüste ein Logbuch geführt, in das in bestimmten Zejtabständen die zuriick- zelegten Kilometer und die gefahrene Grundricküma «inaetracmu
werden. So kann mit Hilfe eines einfachen „Bestecks" jederzeit der Standort ermittelt werden, wenn die Dunkelheit hereinbricht, die Piste im Nirgendwo endet oder eine Fata ??k-rgana Len Wüstenfahrer in zweifelnde Irre führen will.
Ein einsamer Spähwagen lauert in einem Wadi zur Linken. Mißtrauisch beobachten die da drüben unsere Wagen, die mit einein Mal im Rücken auftnuchen. Uns geht cs zunächst nicht andxrs, denn wer will dafür garantieren, daß das nicht ein „Dingo" oder ein „jeep" des Tommy ist? Aber bald können wir die Doppelgläser sinken lassen. Von drüben wird gewinkt, zum Zeichen, daß von dem vorgeschobenen deutschen Achtradspäher die Volkswagen erkannt sind. Für zukünftige Begegnungen machen wir die Erkennungsflagge klar, die nun im frischen Südost über dem Vorderteil des Wagens flattert. So sind die paar italienischen Lastwagen, die, aus der Wüste austauchend, auf Eegenkurs laufen, schnell über unsere Nationalität beruhigt und fahren lebhaft winkend vorbei. „Ecco Piccolo!" brüllt einer aus seinem hohen Führerhalls zu den Volkswagen herunter, in denen man, von weitem gesehen, auf der Erde zu sitzen scheint. „Ecco Piccolo" — eine ausgesprochene Beobachtung liegt in diesem Zuruf: „Sieh mal an, die Volkswagen!"
Italienischer Wüstengeleitzug
Eine einsame Oase mit vielleicht hundert Palmen liegt am Wegrand, eine kleine italienische Besatzung hält sich in dem Fort auf der beherrschenden Hügelkupps. Dann nimmt uns die Wüste wieder gefangen. Eines der halbzersallenen Blockhäuser aus der Türkenzeit, wie sie alle 36 , 46 Kilometer austauchen, sperrt an der alten italienisch-türkischen Grenze von 1911 die Einfahrt in einem langen Engpaß. Dicht traten die Berge an die Straße heran und erreichen plötzlich Höhen von 206 Meiern. Und plötzlich erscheinen aus guter Deckung zwei italienische Lastwagen mit schußbereiten Schnellseuerkanonen. „Controlla!"
Dann übernehmen die Italiener für eine lange Wegstrecke, vas Geleit unserer Gruppe nicht ohne daß sie schnell das Erlebnis vom Tag vorher heftig gestikulierend erzählt hätten. Ein' paar Tommns batten sich mit hochbcin-^en Geländewagen in der Nähe des Engpasses zu schaffen gemacht, bis sie von der italienischen Wüstenstreif« entdeckt und zu Gefangenen gemacht wurden.
Nun sollen wir allein weiter fahren? „Unmöglich", sagt der Tenente und verweist auf einen Geleitzug von rund 56 Lastwagen, der sich in dem Engpaß mit wichtigem Nachschub für eine einsame Oase angesammelt hat. Ihm können wir uns an- schlietzen, wenn wir warten, in einer Stunde, vielleicht auch erst m zwei wird sich die schwerfällige Wagenschlange in Marsch setzen und gegen alle britischen lleberraschungen mit den bei- zegebenen Kanonen und Spähwagen gesichert sein. Aber solange warten? „Auch unmöglich!" beschließen wir, lassen uns die Gefahrenpunkte der restlichen Strecke nochmals schildern, machen die Maschinenpistolen klar und spüren weiter nach Südsüdwesten. Was kann uns schon groß geschehen mit unseren leichten, chnelle« Wagen? Es wäre nicht das erstemal, daß Volkswagen einem britischen Späher oder einem schnellen Dingo davonlausen. In der Wüste ist ja soo viel Platz! . . .
Daun nehmen die Dschebel, je südlicher wir in die Sahara kommen, ein neues Gesicht an. Wie stehengebliebene Reste bei' einer großen Erdsenke strecken sich die verwitterten Tafelberge, Zuckerhüte und Spitzhüte zum hellblauen Himmel. Jahrtausendalte Ablagerungen zeichnen sich in Schichten an den Hängen dieser Kuppen ab, die beinahe den Charakter einer Mondlandschaft tragen. Wie um diese Vorstellung zu vervollständigen, lagern große, schwarze Basaltsteine vulkanischen Ursprungs, soweit das Auge reicht, in dem Riesen-Wadi, in dem unsere Piste sich verläuft. Von britischen Spähwagen, die sich hier sonst ger» sehen lassen, ist heute weit und breit nichts zu sehen. Der ,Aieseler Storch", der bald darauf von Süden kommend seine tägliche Patrouille fliegt und für ein paar Sekunden mit schnatterndem Propeller hart neben dem Volkswagen landet und gleich wieder startet, meldet ebenfalls: „Streck« frei, alles klar!"
So rollen die Fahrzeuge »och Stunde« um Stunden mit dem gleichen Kurs über Schotter und Geröll, Sand und Plattensteine. Immer zahlreicher wird nach Süden hin das Spiel der Windhosen im aufgefrischten, kalten Wüstenwind. Tolle Wirbel treiben an den Graten der Sanddünenwächten herauf und, herunter. Kilometerweit erstreckt sich rundum das Hügelauf, Hügelab der Wanderdünen. Von ferne tauchen am späten Nachmittag die Palmen der großen Oase auf, di« als Marschziel ausersehen ist. Durch dreifachen Stacheldraht führt der vielfach verschlungene Weg ins Innere. Hier sitzen die vorgeschobenen! Fühler der rechten Flanke Rommels. Deutsche Soldaten stehe«' hier am südlichsten Punkt der transkontinentalen europäische»! Front, von Murmansk herunter bis zum 28. Breitengrad.