6. Seite Nr. 7

Ist es unter solchen Umständen nicht gerechtfertigt, den näch­sten erreichbaren Stützpunkt anzulaufen, um so schnell wie »täglich ärztliche Hilfe zu erlange»? Aber unerbittlich ist das Gesetz des Krieges. Das Boot mutz auf seinem Platz bleiben, .licht nur die Jagd auf den Feind geht weiter, snodern auch die Jagd des Feindes, die dem Boot gilt. Es kommen Stunden, in denen Wasserbombe um Wasserbombe neben dem Boot de­toniert. Es nimmt neuen Schaden, der in angestrengter Arbeit behelfsmäßig behoben wird. Aber es bleibt am Feind.

Der Zustand des Hauptmanns verschlimmert sich. Doch darf der Kommandant sich nicht allzuviel mit dem Freund beschäf­tigen, darf sich nicht an die aussteigenden Bilder vergangener Tage verlieren, an die sommerfrohen Tage daheim auf der Schwäbischen Alb, an manche Nacht vor lodernden La­gerfeuern, an manches erregte Streitgespräch, in dem es um das erste Ertasten des Lebens und seiner Geheimnisse ging. Jetzt geht es um Sieg oder Tod, um das Boot und seine Besatzung Es heitzt, den Kopf klar behalten, damit das Boot dem kaum erst Geretteten nicht doch noch zum Grab wird. So vergehen sieben Tage,, sieben lange Tage des Ringens des Verwundeten mit dem Tode, der seinen Griff nicht mehr locker lassen will. Aber noch einmal geschieht ein Wunder. Als end­lich der Befehl zum Abmarsch kommt, glückt es, ihn noch recht­zeitig in einem kleinen italienischen Hafen in ärztliche Pflege zu geben. Es wird gelingen, ihn dem Tode endgültig zu ent­reißen!

Endlich kommt dann auch die Stunde, in der das Boot an einem grauen, diesigen Wintermorgen in seinen eigentlichen Stützpunkt einläuft. Die Kameraden auf der Pier rufen und winken. Schon von weitem klingen die Glückwünsche über den stolzen Erfolg herüber, von dem die Siegeswimpsl über der Brücke künden. Aber das Gesicht des jungen Kommandanten bleibt ernst. Nur langsam, während er das Boot verläßt, auf dem sich seine Besatzung mit Hallo auf die schnell geöffneten Bostfäcke, auf die ersten langentbehrten Zigaretten, auf die Körbe voll frischem Obst stürzt, löst sich aus seinen Augen die ungeheure Anspannung dieser Tage. Fast zögernd formen sich die ersten Worte des Berichtes über diesen und jenen Angriff, über diese und jene überstandene Gefahr. Dann bricht es plötz­lich triumphierend und selbstvergessen in der heimatlichen Mund­art aus ihm heraus:Aber das Glatteste dabei war . .

Es war das Wiedersehen vor Algier, das zwiefach den Tod besiegte.

Der GruppensLhrer

Bericht einer soldatischen Tat von Wolsgang Jünemann

NSK Man mutz wissen, daß bei dem schweren Granatwerfer unserer Maschinengewehrkompanien der Schlagbolzen feststeht, die Granate also, oben in das Rohr hineingesteckt, ohne einen Hebeldruck auf den Bolzen stoßend durch die Entzündung des Pulvers, die Entwicklung von Gasen und so fort aus dem Rohre hinausgeschleudert und in die vorbestimmte Bahn ge­zwungen wird. Eine zweite Granate, in das Rohr geführt, be­vor die erste rauschend davonfagt, würde dieser, die von ge­waltigem Druck gepreßt das Freie sucht, den Weg versperren, und unter Tod und Verderben speiendem Krache» würde das Rohr krepieren, weithin alles zerfetzend und vernichtend.

Jetzt wird man verstehen, was im Osten geschah, als de. Führer einer Eranatwerfergruppe bei dein Usberfall zahllose, bolschewistischer Horden in einer stockdunkle,,. Nacht, begraben unter dem Eis und Schilde des russischen Winters und in er­bitterter Abwehr der johlenden, schreienden Massen begriffen, plötzlich bemerkte, daß sich der Feind auch im Rücken lautlos herangeschlichen hatte, er also mit seiner Gruppe, ab.eschnitten von vorn und hinten, nun schon von allen Seiten sich des tücki­schen Gegners erwehren mußte. Dieser zog trotz des verzweisel- ren Feuers seiner bereits glühenden Maschinenpistole seine töd­lichen Kreise enger und enger, bis.enN'ch. gleichw'e v n einem Nudel heulender Wölfe, die Männer der Gruppe angesprungen und durch die Uebermacht von zwanzig, dreißig roten Teufeln zu Boden gerissen und buchstäblich zerstampft worden wären, hätte nicht ein. Kommissar aufgeregt Einhalt geboten, mit treischender Stimme nach seinem Dolmetscher verlangt. Der sprang aus dem Dunkel des pfeifenden Schneesturms fchlottternd heran, und der Kommissar befahl dem Gruppenführer, seine Pistole ihm drohend auf die Brust setzend, kalt, den eroberten Granatwerfer sofort auf die deutschen Stellunaen am Wald-

_Raq olüer Ta g blattDer Ges ellschafter"

rande einzurichten, wenn ja, wenn er das Leben der Kame­raden und auch sein eigenes retten wolle. Und er fügte daun grinsend hinzu, datz von der Zielsicherheit seiner Waffe, deren Wirkung sie ja lange genug am eigenen Leibe verspürt Hütten, die Art der weiteren Behandlung notwendig abhänge.

Mit einem Aufschrei packte der Gruppenführer das krumm­beinige, frierende Männchen, das ihm, die unmenschliche For­derung des vergnügt vor sich hinpfeifenden Kommissars voll wollüstigen Hohns übersetzend, am nächsten stand, aber die pras­selnden Hiebe wachsamer Fäuste zwangen sofort zur Besinnung. ... Da sah er auf die Kameraden, die wehrlos in den Schnee gestreckt waren, sah auf die versteinten Mienen rundherum, auf öen dunklen Lauf der wippenden Pistolen, er sah und sah Tiere!" keuchte er, undgut", sagte er laut, indes seine Män­ner abwehrend und entsetzt die Hände hoben. Doch, voller Gleich­mut und in gelassener Ruhe nun, befahl er der freigegebenen Bedienung Ziel und Entfernung, wies dann die verbissen schwei­genden Kameraden in ihre Panzerlöchcr mit der herausgesto­ßenen Bemerkung, die Verantwortung für diese Tat trage er ganz allein, und mit einem Blick auf den neugierig und be­lustigt seinem Tun folgenden Kommissar und den im Schnee mißmutig herumstrampelnden Dolmetscher lud er das Rohr, griff unbemerkt nach einer zweiten Granate, und ehe einer noch seine Absicht erkannt, sprengte ein Blitzschlag die lähmende Stille und die im Umkreis alle dabeigestanden, 'lagen zer­rissen ohne Leben, am Boden, indessen die Männer der Gruppe in ihre» Löchern, auffchluchzend vor Wut und Erregung, das Gesicht in den Händen vergruben.

Das Heldenmädche« von Lüneburg

Zum 15V. Geburtstag« Johanna Stegens am 11. Januar

NSK Preußische und russische Regimenter erstürmten am 2. April 1818 Lüneburg, das von den Franzosen und ihren Hilfstruppen unter General Morand verteidigt wurde. Die Bürger saßen in ihren Kellern und lauschte» angstvoll dem Kanonendonner und dem Lärm der Straßenrämpfe. Ein junges Mädchen, Johanna Stegen, stand furchtlos vor einer Haustür, reichte den Preußen Wasser und verband Verwundete.

Mittags unternahmen die Franzosen einen neuen Angriff.

Jetzt wird es für die Unseren gefährlich!" sagte ein alter Soldat,sie haben sich in dem langen Kamps ganz verschossen."

Da fiel dem Mädchen ein, daß es kurz vorher in einer Straße einen verlassen«» Pulverwagen mit Patronen gesehen hatte. Sie eilte hin und füllte ihre Schürze mit Patronen. Auf dem Rückwege begegnete sie preußischen Soldaten, die im Regen mit dem gefällten Bajonett gegen de» übermächtigen Feind vorgingcn.Kommen die Franzosen zurück?" fragte Johanna einen Leutnant.

Geh nach Hause!" rief der Offizier barsch.Mädchen haben hier nichts zu suchen. Was schleppst du da?"

Patronen, Herr! Brauchen Sie welche??"

Patronen? Mädchen! Wir haben keinen Schuß mehr! Gib her!"

Ich kann »och viel mehr holen!" sagte Johanna froh/ Der Leutnant ließ seine Kolonne halten, vier Jäger verteilten die Patronen aus der Schürze, das Feuer gegen den stürmenden Feind wurde neu eröffnet.

Und nun eilte das mutige Mädchen, mitten im Kugelregen, zwischen ihrem Pulverwagen und der kämpfenden Truppe hin und her und versorgte die Soldaten mit der kostbaren Muni­tion Kugeln durchlöcherten und versengten ihre Kleider, sie achtete nicht darauf. Mit den Zähnen hielt sie die Zipfel der gefüllten Schürze fest, während sie den Soldaien Kugeln zu­schob. Das Vivatrufen der Preußen begleitete sie auf dem ge­fahrvollen Wege. Einen Schwerverwundeten trug sie aus den Schultern in sichere Deckung und verband mit ihrem Halstuch seine Wunde.

Ein feindlicher Offizier stürzte im Handgemenge auf das Mäd­chen zuj aber eine Kosakenlanze durchbohrte ihn, ehe er Johanna erreichte. Bis zum Abend währte der erbitterte Kampf in den Straßen der Stadt, dann war der Sieg erfochten und Lüneburg fest in preußischer Hand. Mit zerschossenen Kleidern, das Ge­sicht vom Pulverdampf geschwärzt, kehrte Johanna mit den Sie­gern auf den Marktplatz zurück. Die Kunde von ihrem tapferen Einsatz hatte sich rasch verbreitet, jubelnd und begeistert um­ringten Soldaten und Bürger das heldenmütige Mädchen. In den Spitälern pflegte Johanna einige Tage lang die Ver­wundeten.

_Samstag, de« 9. Januar 19L^

Die Preußen und Russen zogen weiter, und schon am 4. April, abends, rückte abermals ein französisches Korps in Lüneburg ein. Eine schwere Leidenszeit begann, insbesondere für Johanna Stegen, die sich durch ihr tapferes Verhalten den Hatz des Geg­ners zugezogen hatte. Nachdem sie eine Zeitlang bei anderen Bürgern versteckt worden war, flüchtete sie in einer dunklen Nacht über die Mauer und fand Zuflucht in einem Bauern­hof. Aber auch hier war sie nicht sicher. Eine Bettlerin verriet den Franzosen ihr Versteck, französische Gendarmen und Doua­niers machten Jagd auf das Mädchen. Drei Meilen weit lief sie um ihr Leben, watete durch einen eisigen Vach und wurde schließlich, tödlich erschöpft, in einem Meicrhos ausgenommen. Erst am 17. September wurde Lüneburg endgültig frei. Johanna Stege» kehrte zu ihrer Mutter zurück. Zwischen dem General Tettenborn und den Offizieren der Lützower satz sie an der Ehrentafel bei der Befreiungsfeier.

Ein preußischer Offizier nahm das Mädchen nach Berlin mit. Bis 1818 widmete Johanna Stegen hier abermals ihre aanze Kraft der Pflege von Verwundeten. Der freiwillige Jäger hinderst,, wurde ihr Bräutigam, und in noch erhaltene» Brie, fen, die sie ibm ins Feld schrieb, spiegelt sich klar das tapfere Herz dieses Mädchens, das in unbedingter Treue zum Vater­lande zum letzten Einsatz und Opfer bereit war.

Zeitgenössische Dichter besangen das Heldenmädchen von Lüge­burg und ihre mutige Tat. Wie die anderen Frauen und Mäd­chen der Freiheitskriege, in denen ans einem.unausweichlichen Drang des Herzens der Wille zur eigenen kämpferische,, Tat wuchs, lebt im Gedächtnis des Volkes Johanna Stegen, diedas Dichterwort vorlebte:Der Frauen Opsersinn gibt K'-en Män­nern die Kraft und Weite des Mutes." Oskar G. Foerster.

Alle können nichL kommen . . .

Erzählung von Ernst Heyda

NSK Immer,'wenn eine Frau ein paar Tage fehlte, hörte sie die anderen Frauen sagen, der Mann sei aus Urlaub ge­kommen, und sie blieb immer allein und ohne Hoffnung, die trostloser wurde, als auch der Winter'vergangen war. S.e fand erst wieder zu sich, als sie hörte, datz das Regiment, dem ihr Mann nngehörte, in eine rückwärtige Stellung gekommen se>, and datz einzelne schon auf Urlaub fahren sellt:>>..

An dem Tage, als sie dies hörte, war sie verwandelt, datz die anderen Frauen, die mit ihr am gleichen Tische saßen und die gleichen Handgriffe taten, tagaus, tagein im niemals wech­selnden Rhythmus, sie erstaunt nnsahen, denn ihr Gesicht er­schien ihnen seltsam verwandelt, hofsnungssToher und erwar- ««mgsooklrr. Und dieses Bewußtsein verließ sie > cht m /r, «enn auch immer neue, einsame Tage kamen und ch c datz er andere Briefe als die üblichen geschrieben e. N, euch sie schrieb nichts mehr von jhr-r Erwer.r....... we.l sie

Mhlte, datz es ihm Sorgen berc'

So aber ist es, datz die Hoffnung sich selbst an das kleinste Blatt klammert und zwischen den Zeilen zu lese,, ve. sucht und auch immer noch einen Trost findet, wenn schon alle Wege ver­sucht sind.

An einem Morgen, der kalt und doch unendlich lichtblau zu sen großen Fenstern des Arbeitssaales hereinsah, war es ,yc plötzlich, datz sie das erhebende Gefühl hatte: heute kommt er ... Einen Augenblick lang ließ sie die Arme in den Schoß sinken, um in sich selbst hineinzuhorchen und um den Gedanken den Grund zur Hoffnung zu geben. Doch es änderte sich nichts. Das Gefühl wurde nur stärker, datz sie fast vor der Möglich­keit erschrak, er könne schon zu Hause sein, und sie wisse es noch nicht.

Immer, wenn einer durch den Saal ging, starrte sie ihn mit erwartungsvollen Augen entgegen. Ihr Herz pochte unruhig und sprunghaft, wenn er ohne ein Wort für sie vorüberging. Dennoch blieb sie aufrecht und froh.

Sie wußte: er kam heute. Datz er nicht geschrieben hatte, dem matz sie keine Bedeutung zu. Es konnte ein« Nachricht zu Hause sein, vielleicht er selber schon

In der letzten Stunde des Arbeitstages war sie von einer wohltuenden Ruhe ausgefüllt, sie arbeitete bewußter und freu­diger als je zuvor, als müsse sie sich für sei» Kommen dankbar erweisen.

Als die Stunde zu Ende war, wusch sie sich und ging die breite Treppe zur Straße hinunter, langsam und immer noch froh, und sie mutzte lächeln, wenn sie daran dachte, mit welchen Ge-

von J.scxdikMkir-kokirsrl.)

von J.sc«dik»okir-kokirsrl.)

vk»escir »eeurrsanurr ookc^ vcirräo ozx/cv (28. Fortsetzung.»

Latz den Major weg", sagte Witte ärgerlich.Du kannst Hans zu mir sagen. -- Glauben Sie, daß man hier ohne Hals- und Beinbruch hinustterkommt,Kamerad?" wandte er sich an Schneitt.

.Kaum, Herr Major!"

Der Ansicht bin ich auch! Ist das nun dort drüben die Drei-Torspitze, oder ist sie es nicht."

Weder Oehme, noch Schneitt gaben sofort eine Ant­wort. Erst nach einer Weile meinte Oehme, er halte eher dafür, daß die Spitze zum .Hölltalferner gehöre.

Schneitt war derselben Ansicht. Von der ostmärtischen Seite her, meinte er, verändere sich das Bild.

Es war nicht einfach, eine klare Entscheidung zu treffen. Man mußte warten, bis es Tag wurde. Die Gipfel stan­den noch zu verschwommen. Zudem heulte oben ans dem Grad ein so sctumerlicher Sturm, daß ein um das andere Mal eine Lawine von Schneestaub herniederfuhr. Es war verdammt kalt, und man flüchtete zuletzt wieder in den Schutz der Höhle zurück.

Witte breitete eine große Karte auf dem Boden ans, stellte die Lampe davor nnd winkte Oehme und Schneitt, sich an der Orientierung zu beteiligen. Die Barberhütte war als ein kleiner, länglicher Punkt eingezeichnet. Die Bergstation erschien als dicker, schwarzblauer Klecks, und wo der Höllbach lies, zog sich ein kobaltfarbiger Nder- strang dahin.

Hier ist das Alpjoch!" sagte Witte »nid drückte seinen Bleistift ans die steilanragende Kurve. Wir sind aber viele, viele Kilometer links davon. Ich vermute hier!"

Sie sahen angestrengt nach dem Punkt, den er einzeich- nete. Leutnant Schneitt hatte ein Spitzbubenlachen in den braunen Angen und schielte zum Major hinüber, ob ein Witz Hu riskieren sei. Wittes Gesicht war im Augenblick gar nicht streng. Er sah eher drein wie ein Vater, der mit seinen Inngens beratschlagt.

Zeig mir einmal, wie du gefahren bist", sagte er zn Oberleutnant Oehme.

Hier von der Hütte weg bin ich den Osthang herunter. Und wenn der verdammte Trichter nicht gewesen wäre, hätte ich den Bach übergnert. So bin ich direkt Hinein­geschosse,

Und Sie sind ihm sofort nach, Schneitt?" wandte Witte das Gesicht nach dem Leutnant.

Nicht sofort", meinte Schneitt bedächtig.Das Wasser wo soo kalt."

Es gab einen doppelten Widerhall, denn Oehme lachte hell heraus, und auch Wittes Gesicht zeigte ein Schmun­zeln.

Wieviel Meter werden es denn vom Trichter bis zum Eingang und von dort nach dem Loch im Felsen gewesen sein?" fragte Witte.

Meine Lawinenschnur war längst zn Ende", gab Schneitt Auskunft.Wenn Herr Major, Sie gestatten, möchte ich einen Vorschlag machen."

Schießen Sie los!" ermunterte Witte. <

Wir geben die Sache nach dem Ausgang zum Bache auf. Ich glaube, wir geraten sonst noch mehr in die Irre. Es ist sicher angezeigt, wenn wir versuchen, über den Berg zu entkommen, ehe es uns bis über den Hals verweht."

Witte nickte.Ich sehe nur keinWie"."

Sie seilen mich ab."

Wenn, dann will ich selbst abgeseilt werden", erklärte Witte kurz.

Aber Oehme meinte, das käme überhaupt nicht in Frage. Worauf Witte entgegnete, wenn er als Vorge­setzter befehle, hätte man einfach zu gehorchen.

Diesmal nicht!" äußerte Oehme furchjlos.In Stun- j den der Gefahr hat der Soldat mit seinem Leben für i seinen Vorgesetzten einzustehen."

Witte sah zu ihm hinüber und gewahrte das gleiche, trotzige Znrseiteschieben der Lippen, das ihn so oft ge­reizt hatte. Aber es berührte ihn ganz anders.So kom­men wir nicht weiter", meinte er.Schauen wir also ein­mal, was sich tun läßt. Die Nordwand zu nehmen, ist anssichtstos. Wir können überhaupt von Glück sagen, daß wir herausgekommen sind. Hier drinnen hätte uns bis zum jüngsten Tage keiner gefunden. Es hat wenig Sinn, und nach der Karte orientieren zu wollen. Wir müssen hinaus und draußen unsere Pläne treffen. Kommen Sie, Schneitt. Dn kannst inzwischen noch ein­mal dein Glück auf der Karte versuchen", sagte er zn Oehme,aber geh nicht von hier weg. Der Berg scheint Gänge zu haben wie ein Burgverlies. Wir haben wirk­lich keine Zeit, erneut nach dir zn suchen."

Es wird bestimmt nicht nötig sein, Herr Major."

Also schön, wenn du nichts heransklügeln kannst, kommst du nach,"

Das tat Oehme denn auch. Er traf die beiden Kamera­den, wie sie, von einer fahle» Sonne nmspült unter einem nberhängenden Eisblvck standen nnd das Gletscherfeld, dcis sich zu ihrem Füßen hinzog, musterten.

schneitt meinte, daß der dunkle Pnnkt dort unten das -i-ach einer Hütte sei. Witte sah angestrengt hinunter und war der gleichen Ansicht, Nur Oehme, die Hand schützend über den Augen, konnte nichts entdecken,Es ist zu weit nach rechts", sagte Witte,wehr dort hinüber, wo es jetzt anfglitzert, stimmt es?"

Es dürste stimmeil", meinte Oehme ansmerksam spähend.Jedenfalls liegt die Hütte ans ostmärkischem Boden."

"Kicher", bestätigte Schneitt.Die Hauptsache ist. daß ße überhaupt da steht." Er griff rasch nach dem Kopf, um ferne Mütze sestzuhalten, trat einen Schritt zu weit nach vorn und wurde von Witte gerade noch zurückgerissen.

Machen Sie keine Geschichten!" tadelte der Major. Ausflüge auf eigene Faust gibt es nicht. Wir müssen schon bcisammcnbleiben. Ich schlage vor, einen von '»ns anznseilen. Er wird von den beiden anderen gehalten nnd schlägt Stufen ins Eis. Und zwar woÜen wir wechseln. Wir haben ja alle drei kein großes Genncht. Ich mache den Anfang."

Erlaube, datz ich ihn mache", sagte Oehme.

Gut! Also du, aber vergiß nicht, daß dein Tod zwei weitere Leben fordert."

Ich werde es nicht vergessen", erwiderte Oehme.

Wittes Eispickel und das Seil, das er im Rucksack mit­gebracht hatte, waren jetzt das einzige, was die Möglich­keit einer Rettung in Aussicht stellte. Wenn diese ge­spensterhafte Sonne noch für ein paar Stunden anhielt und der Sturm, der in kurzen Stößen über den Grat tobte, sich nicht bis zum Orkan steigerte, mutzte es ge­lingen, die Hütte zu erreichen. Man war vielleicht auch dort in schnee und Eis eingemauert,' aber wenigstens bedeutete sie einen Unterschlupf und versprach ein, wenn auch bescheidenes, Vorhandensein von Lebensmitteln. Schneitt hatte auf die Frage, ob er Hunger verspüre, un­willkürlich aufgelacht. Aber es war doch ein Unterschied, ob man untätig in der Höhle saß oder eine solche Bean­spruchung ertragen mußte, wie sie ihnen in Aussicht stand,

iFortsetznng