Nagold«r TagblattDer S«kellschaster"

k. Leite - Nr. 116

Mittwoch, den 2 V. Mai 181?

werden mutzte. Diese Arbeitskameradin hat bei hohem Schnee erue Stunde Wegs zum nächst erreichbaren Bahnhof zurüä- gelegt, um auf Umwegen in zweimal zw..einhalb Stunden Bahnfahrt den Betrieb, in dem sie arbeitete, dennoch zu er­reichen. Nachts ist sie dann um 2.39 Uhr zu Hans gewesen, stand um 1.39 Uhr wieder auf, um rechtzeitig wieder an ihren Ar­beitsplatz zu kommen. Das hat diese äUsäh-ige Arbeitskamerndin eine Woche durchgehalten ur der Hojsnung, das; die Schnee­stürme Nachlassen würden. Da aber ihre Hoffnung sich nicht er­füllte, lies; sie ihre Wohnung im Heimatort von einer Nach­barin betreuen und wohnte dann drei Wochen laug in einem Müdchenheim des Betriebes.

Was Churchill nicht begreift

Nicht ganz absichtslos haben wir aus einer sehr grossen Zahl von Beispielen gerade diejenigen ausgewühlt, die von einer hohen Leistung betagter Arbeitskameraden sprechen. In Eng­land setzten die Plutokraten ihre ganze Hoffnung auf den deut­schen Arbeiter, der angeblich durch die Jahre des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, der Arbeitslosigkeit körperlich und seelisch zer­rüttet und dann durch die harten Anforderungen nach der Macht­übernahme überanstrengt sei. Zweiundeinhalb Jahre Krieg haben wir nun hinter uns, und die Leistung des deutschen Ar­beiters ist nicht abgesunken, sondern eher noch gestiegen. Der Plutokrat Churchill, der mit diesem Argument des Leistungs­abfalls des deutschen Schaffenden besonders gern arbeitete, konnte seiner ganzen Veranlagung nach nicht wissen, dag der Leistungswille des deutschen Arbeiters nicht mehr allein nur eine Verdienstaichelegenheit ist, sondern vielmehr noch die Be­kundung einer sehr ausgeprägten Ehrauffassung.

Hasso von Bredow.

P ts kte i«

Die in England wohnenden grossem und kleine« Aktionäre der Burma-Oil--Company sahen mit immer grösser »erdendem Entsetzen, wie die Japaner den Jrawadi stromauf marschierten, wie sie sich den OetsetdeM vo« Siugu und Henaug- hauag näherten, wie sie das Petroleumgebiet iiberrannten und ihren Siegeslauf nach Norden und Osten jonHetzte«. Die Trup- We» des Dermo sind längst über die »ördtWte Eisenbahnstation Myitkina gegen die Crenzgebirge «w^tohen, und im Osten operieren sie bereits in der TschuuMugiProvinz Pünnan, Nun hat auch die brirische Vurma-Negkstruag «Oes verwre» Mgeben und sich nach Indien zu eck gezogen. Die Bnrnm-OA-Attronäre Me» aus ihren schönen Papieren fest; einst roaeen sie Gold wert, j«W sind sie zu Makulatur gewordän.

Ditz Burma-Oil-Conipanq zählte zu den lukrativsten A »t e r n e h m u n g e n der Welt. In narmate« Jahren gab es llü Prozent Dividende auf die StammaK««. Zur Jahre IMS uurrden sogar volle 59 Prozent und ein Jahr darauf volle SS Prozent gezahlt. Damit war der Segen aber »och nicht zu V«S«. Bei der Burina-Oel-Compann spielte wie bei so viele« MWchtslos verdienenden englischen Aktiengesellschaften der >o»»s eine grosse Rolle. Diese »ebenher arrsgeschüiteten Ssn- dxaergütangeu waren eine Tarnungsmatzuahme, um «dar Ns in die Wolken gehende Erhöhung der Dividende zu »«Geiden. Wer Burma-Oil-Acktien besag, hatte nach ptuto- WMDen Begriffen ^»»sgesorgt", weil die Rente in manche, MW>» höher »»r, als der ga,z« Aktienbesitz.

Wie Am es, dass die Burma-Oil-Compang so hohe Gewirure «MWchtte? Di« Burma-Oelproduktion spielt zwar j« Verhütt- »ds zur Welt Petroleumproduktion nur eine geringe Rolle, aber H«e Bedeutung ergibt sich aus oer geographischen Lage oer Hmmesischeu Felder und aus der damit zusammenhängenden Bdrw««dung des Oels und der anderen abgeleiteten Produkte. Das Burma-Oel ist schon seit langen Jahren siir.die Brenn­stoffversorgung der englischen Flotte im Fernen Osten von sehr grosser Bedeutung gewesen. DerDeutsche Volkswirt" weist in diesem Zusammenhang aus die interessante Tatsache hin, dass die britische Admiralität bereits seit'der Zeit vor dem Welt­kriege am Kapital der Burma-Oil-Company beteiligt war und diesen Besitz unter stark wechselnden Umständen dauernd fest- gehalten und nach Möglichkeit erweitert hat. Dem Einfluss dieser amtlichen Aktionürgruppe war es zuzuschreiben, dass er- Hrbtiche Teile der Burma-Oelproduktion nach Tschungking ab gezweigt wurden. Der Transport ging mit Kesselwagen über den berühmten Burma-Kanonenweg. Wie stark man die Mnspannung Tschiangkaifchels in die britische Fernost-Stra

Legte vornehmen"woll'te, «gibt sich auch daraus, dass der Plan einer Oelleitung von Jrawadi nach Tschuug- king bereits fix und fertig vorlag.

2m Durchschnitt der letzten fünf Jahre wurden in Burma etwa 7,5 Millionen Barrels Erdöl gefördert; ein Barrel ist ein Fass mit 159 Litern Inhalt. In den Feldern von Sing« wurden täglich etwa 9889 Barrels gefüllt. Das Feld von Penanghanng lieferte mit täglich 9635 Barrels fast die gleiche Ausbeute. Wie wertvoll dieser Erdöldistrikt für die Briten war, ergibt sich auch aus der Tatsache, dah es sich um das erste grosse Petro­leumfeld der Welt mit voll elektrischem Betrieb handelt.

Nachdem das Burma-Oel für die Briten ausgefallen ist, und nachdem sich auch die Petroteumproduktion der holländischen Kolonien in der Hand der Japaner befindet, sind die indi­schen Oelfelder für England in Fernost die letzte Rettung geworden. Bei Kriegsausbruch wurden in Indien insgesamt 369 produzierende Brunnen gezählt, die eine Tagesleistung von etwa 1999 Barrels hatten. Der grösste Teil davon entfällt auf das i« Assam gelegene Feld von Digboi. Bon einer iudifch- dnrmestschen 8esamterdötprod«Mon von 9,1 Millionen Barrels pro Jahr ist den Engländer« nach de« Verlust Burmas »ur »och der indische Anteil mit jährlich rmch 2,1 Million«« Barrels gebliebe«.

N«rrlands Frauen im Freiheiskampf

Erfahrungen von einer Finnlandsreise ^

NSK. Die Erfahrungen und Eindrücke, die Dr. Else Bar­me r ck auf einer Reife nach Finnland gewann, und aus deren Fülle hier ein paar charakteristische Züge herausgegrijsen seien, geben einen lebendigen Einblick in die Bewährung der finni­schen Heimat. Aeusserer Anlass zu der Einladung an die Leiterin der Hauptabteilung Volkswirtschaft-Hauswirtschaft des Deur- schen Frauenwerks war der Jahrestag der finnischen Martha- verdände.Die M a r t h a v e r b ä n d e, die schon das Heran­wachsende Mädchen zu häuslichen wie beruflichen Fertigkeiten und sozialen Pflichten anleiten, sind eine Gemeinschaft von rund 81999 finnischen Frauen. Ihrer Schulungsarbeit steht die hohe Zahl von 799 hauptamtlichen Beraterinnen zur Verfügung. Erst die Auszeichnung in mehreren der vielfach veranstalteten Wett­bewerbe also nicht allein die Mitgliedschaft berechtigt dis Angehörigen des Verbandes, die BezeichnungMartha" zu füh­ren. Hohe Anforderungen und eine ständige Auslese lassen aus ihren Reihen Persönlichkeiten mit ausgeprägten Führereigen- schafte» erwachsen."

Der Jahresbericht mutete kaum anders an als der Leistungs­bericht über die vorbildliche Frauenarbeit in einem deutschen Gau, ich es sich nun uni Schulung und Beratung von Haus­frauen und Siedlerfrauen, um Richtlinien und Ratschläge für di« Wehrmacht oder anderes handelt. -- Dabei füllen die Frauen in noch stärkerem Matze als in Deutschland die Posten der ins Feld gerückten Männer aus. Man trifft sie auf den Zügen nicht »ur als Schaffnerinnen, sondern auch als Zugfiihrerinnen. Die Landsrauen müssen männliche Hilfskräfte oft gänzlich entbehren. I« einem landwirtschaftlichen Betrieb mit neun Jnftleuten ver­blieb «in einziger Mann."

Den Frauen dieses Landes, die Sowjets und Sowjetherrschaft auf eigenem Boden erlebt haben, ist der Sin» des Krieges so gegenwärtig, dass Notwendigkeiten des Augenblicks sie stets bereit finden. Oft sind sie hart genug.Viele Kinder aus Küre­tten, der Landschaft mit dem lebhaften, beweglichen Menschen­schlag, verloren im Winterfeldzug 1939/19 nicht nur de« Vater, sondern auch die Mutter, die von de» Sowjets verschleppt oder tzdigemordet wurde«. Frauen meldeten stch, die den Verwaisten i« ihrem Hause ein neues Heim bereitete«. Dabei kam es vor, dass sich neben zwei kaum dreijährige» Zwillingsschwester» «uh «och der vermisste Bruder, ei« vierjähriger Bub, bei de» Adop­tiveltern einftmd. Die Freud« der Pflegemutter darüber, die Geschwister vereint sehe«, war grösser als alle Bedenke», ob sie, die Berufstätige, der Belastu»g gewachsen sei."

Zuweilen entspringe« die Ausgaben, di« die finnischen Frauen sich stellen, einem freundlicheren Anlass.Wenn dentscheSol- dateu im nördlichste» Abschnitt einen lltägigen Urlaub er­halten dann loh«t sich eine Heimfahrt nicht. Jhr.--.i zwei Wo­chen Ruhe, Entspannung und Freude zu schenken, öffnet sich manches finnische Haus in Helsinki.*

So wie eine kleinere, eng verflochtene Kampfgemeinschaft von jedem einzelue« äußerste TatbereiHchaft fordert, verlangt sie

auch die perfinttche Auseinandersetzung mit alle» AbnwaHe- rungen des Volkes. Was Fra« Dr. Vorwenk vo« Frau Ryti berichten kann, ist nicht nur für die Gattin de» Staatspräsiden­ten bezeichnend: das umfassende Wissen von alle« Frauemvir- ken, wie es sich in Leistungen. Plänen und Programme» der Frauenverbände spiegelt, eia lebendiges Bewusstsein vo« den Zusammenhängen zwischen Hauswirtschaft und Volkswirtschaft und daher ei» waches Interesse für volkswirtschaftliche Vorgänge. Dieser Tatsache verdankt die bauswirtschaftlich« Aufklärung in Finnland «inen so hohen Wirkungsgrad. Dass den Frauen füh­render finnischer Kreise die deutsche volkswirtschaftliche Litera­tur nicht »nr in ihren grossen Zügen geläufig ist, hat seinen Grund zum Teil in der Notwendigkeit, auch als Fra» Dr den Lebenskampf in einem von der Natur zwar schönen, aber «icht mit verschwenderischem Reichtum ausgestuttete« Raum gerüstet zu sei«.

De« geistigen Interesse entspricht die starke Hinneigung der finnischen Frauen zu geistigen Berufen. Der Krieg, der in Finn­land wie kaum anderswo die Arbeitskräfte des Volkes vermin­dert hat, verlegte jedoch zwangsläufig das Schwergewicht von der geistigen Tätigkeit, die schon weit über den dafür vorhan­denen Aufgabenkreis hinansgewaihsen war, auf die praktische Arbeit. Der Krieg hat die Schliessung der Hochschulen veranlasst, nnd in dieser Zeit wird auch von den Frarresverbänden eine «tenjioe Werbung fstr die mittleren Beruße betrieben."

L<Ze»!s«hkede«eS

Zur Fntierbeschaffung,

Je nach den klimatischen Verhältnissen in den einzelnen Lan» bestellen hat sich die Art der Beschaffung von Grün-, Gär- und Trockenfukter sowie der Hackfrnchtanoan den Erfordernissen und Möglichkeiten anzupassen. Infolge Versagens vieler Futter- schlage durch den rauhen Winter ist es zur Erzeugung von aus- reichenden Futtermengen für di« Sommerstallfütterung nolwen- dtg, stch schnell entwickelnde Ge mengesaaten ansznsäen, di« an verdaulichem Roheiweiß und Ekärkewerten bestes wirlschafts- eigencs Kraftfutter liefern. Statt der fetzt oft fehlenden Bohnen kann Senf treten; ein Senf - Wicken - Peluschkengemisch ist etwa zwei Wochen früher schnittreif. Auch die Sibirische Kolbenhirse «nd die Maleksberger Rispenhirse eignen sich als Stützpflanze bei der Aussaat eines Wtcken-Pelnschkengemenges sehr gut, wo­durch auch die Saaikosten verbilligt werden.

öin niederschlagsreichen Bergland und im Gebirgsvorland, auch auf feuchteren Böden der Flußniederungen kann das Vieh Im Sommrr auf der Weide ernährt werden; hier fehlt es aber oft im H: rbst an genügendem Grünfulter. 3n diesen Fällen empfiehlt es sich, beim Futterban den Gemengesaaten als Untersaat ent­weder Rotklee oder ein Aotkleegrasgemisch einznsäen, das nach Adern ien des Futtergemenges zeikig im Herbst noch Grünfulter liefert, welches auch als Gär- oder Trockenfukter gewonnen wer­ben kann.

Durch den Zwischenfruchtbau besteht die Möglichkeit, große Mcn".n wertvollen Futters zu erzeugen. Als Etopvelsaat für Heichic Böden wir- die Süßlupine als Eiweißlieferant kaum über- Krossen, außerdem wird der Boden mit Stickstoff angereicherk. Hirse, die wegen des hohen Zuckergehaltes gern vom Bieh ge- momnien wird, Senf oder ein Futlergemenge werden je nach den klimatischen Lagen genügend Fntter. liefern und durch die Bodcnbeschattung diesen in seinem Kulturzustand verbessern. Es ist jedoch notwendig, die Hauptnährstoffe durch Handelsdünger­anwendung zu ersetzen. Alle Futterpflanzen bringen durch eine Slbüüngung mit Kali- und Phosphorsäuredüngern nicht nur der Menge nach höhere Ernten, der für die Tierernährung so wich­tige Mineralstoffgehalt des Futters wird erhöht, sodaß die Tiere Höhere Leistungen an Milch, Fleisch usw. heroorbringen. Das Ähomasphosphal hat sich als Phosphorsänredünger sehr bewährt. fSeine Phosphorsäure kann von den Pflanzen leicht ausgenommen werden und der hohe Kalkanteil verbessert den Boden. Die Dün­ger können auch auf die Stoppel gestreut und flach eingeschält werden. Wo nach den Winterzwischenfrüchten noch Kartoffeln» Futter- oder Kohlrüben ausgepflanzt werden, wirkt das Thomas­phosphat günstig auf ein zeitiges Ausreisen der Früchte.

Friedrich und der Kachelofen

Der moderne Kachelofen geht letzten Endes auf Friedrich den Grossen zurück. Da man früher mit Holz heizte und die ge­mauerten Zimmeröfen so viel Holz verbrauchten, dass entweder mit den staatlichen Forsten Raubbau getrieben oder der Bedarf aus dem Ausland gedeckt werden mutzte, erließ der König ein Preisausschreiben für die Konstruktion eines möglichst sparsam brennenden Ojens. Das Ergebnis war die Erfinduna -ines Kachelofens nur Heizgaskanälen.

Dassckoiuite

>tLäcke"

von Levills

Lin l.isbssi'omsn sus cism mocisensn Lpsnisn

Copyright b, Prometheus-Verlag, ». Etchailer. Lrobenzell i»«i München

41. Fortsetzung.

Er schleuderte bis zur völligen Erschöpfung durch diese Wunderwelt, ohne für ihre orientalische Schönheit Bewun­derung zu empfinden.

Und was für ein Anblick ist das doch! Paläste, wie aus Tausendundeiner Nacht, vom betäubend süßlichen Duft exotischer Pflanzen umschwebt; mit feierlich verträumten Höhen, denen an Herrlichkeit nur der Garten Eden gleich­kommt. Oder die riesigen Basarstraßen! Voll unzähligen Suks mit Teppich- und Lederhändlern, Geldwechslern und Silberschmieden, Duftverkäufern und was es sonst noch an marokkanischen Gewerbetreibenden gibt.

Und so phantastisch diese Straßen sind, so phantastisch sind auch die Menschen, die sie erfüllen: Kabylenbauern und -Häuptlinge, auf deren rasiertem Schädel die lange Skalplocke tanzt, in einfachen, braunen Burnussen. Vor­nehme Berber, mit Weißen, flatternden Ueberwürfen, dar­unter die brokatgestickten Westen leuchten. Negersklavinnen mit wulstigen Lippen und riesigen flachen Strohhüten aus dem Kopf. Das alles gehört ,sur Vielgestaltigkeit dieser anderen Welt, wie die im Koran lesenden frommen Mo­hammedaner mit langen Bärten und weißseidenen, um den Fes geschlungenen Turbanen, wie die Eseltreiber, die mitten auf der Straße schlafen, wie die würdevoll schreitenden Araber mit dem Gebetsteppich unter dem Arm, und es ge­hört dazu wie die schneeweißen Türme und Minarette und wie die ein wirres Labyrinth bildenden, von Bogen über­dachten Gassen, in denen alles öffentlich geschieht, was sonst hinter Mauern sich abspielt.

Und ob über all dem die platinweiße afrikanische Sonne lm Zenit steht, ob sie in wilder, leidenschaftlicher Glut rot flammt und ausbrennt, wenn abends der Muezzin die Gläubigen in die Moschee ruft und die Herden durch die Gassen getrieben werden, ob der Vollmond die flachen Dächer, auf denen verhüllte Frauen fremdartige Lieder singen, mit seinem himmlischen Glanz überstrahlt und die

Schatten schwankender Palmen auf die Häuser zeichnet immer besitzt diese Stadt den betörenden Reiz eines exotischen Märchens.

Allein Romero empfand nichts davon. Mit seinen Ge­danken voller Trauer und Leidenschaft suchte er immer nur Dolores.

Er konnte es nicht begreifen, warum er ohne Nachricht von ihr blieb. Wenn auch ihr Bruder, ihre Tante» ihr Vater, oder alle drei im Verein, Dolores seine Briefe un­terschlugen und daran zweifelte er nicht!, warum schrieb sie nicht von sich.aus? Sie wußte doch, wo er in Sevilla wohnte. Damit sie sich nicht in der Straße oder Hausnummer irrte, hatte er es ihr nicht nur flüchtig ge­sagt, sondern sogar ausgeschrieben; er erinnerte stch auch noch deütlich der Gelegenheit, als es geschah.

Warum habe sie rückst gleich gefragt, weshalb er an jenem Nachmittag nicht in San Roque war? Sollte sie vielleicht selbst nicht dort gewesen sein? Wenn sie aber doch in der Hacienda war, mußte man annehmen, daß sie sich ihr vergebliches Warten von selbst mit dem rich­tigen Grund erklärte; denn sie mußte noch am nämlichen Abend von dem Umsturzversuch erfahren haben.

Wie konnte es aber dann möglich sein, daß die Liebe sie nicht antrieb, wissen zu wollen, ob ihm dabei etwas geschehen war?! Die verdammte Kugel, die Leon traf» konnte doch auch ihn getötet oder verwundet haben.

Unvorstellbar, wenn Dolores krank sein sollte. Ernstlich krank! Bei diesem Gedanken war ihm, als risse man ihm das Herz aus der Brust. Und immer wieder suchte und verwarf er tausend Einfälle, wie er es in Erfahrung bringen sollte.

Endlich glaubte er das Richtige gefunden zu haben! Etwas, worauf er schon in Sevilla gekommen wäre, wenn er nicht allzusehr unter dem ersten niederschmetternden Eindruck des fehlgeschlagenen Versuchs gestanden hätte, die Macht für dm König zu erobern.

Vor einem Ausmarsch ins Innere des Landes setzte er sich hin und schrieb seiner Hausfrau nach Sevilla einen ausführlichen Brief. Romero war überzeugt, daß sie das. worum er sie bat, mit ebensoviel Lust wie Geschicklichkeit ausführen würde. Denn die dicke Senora Dona Felipr Gonzalez Arandas hatte ihm eine manchmal fast be­drohliche Zuneigung erwiesen, und außerdem war ihm ihr leidenschaftliches Interesse für Liebesangelegenheiten be­kannt. Durch seinen Hinweis, daß Dolores' Kusine Schnei?

derin sei, mußte es ihr ein leichtes sein, unter dem Vor­wand, sich ein Kleid machen zu lassen, in das Haus der Familie Ortega zu gelangen. Und ebenso leicht mußte sich dann die Gelegenheit finden, Dolores zu erblicken und mit ihr zu sprechen oder von ihrer Kusine Catalina herauszube­kommen, was mit ihr wäre!

Die Hoffnung, auf diese Weise endlich Nachricht von Dolores zu erhalten, schwebte vor seinen Augen wie der große Stern, der über dem Gebdrgsmassib ausging.

Bei Tagesanbruch verließ die von Hauptmann Gimenez geführte Kompanie die Kaserne und marschierte aus dem wilden Umkreis Tetuans direkt aus das Rif zu.

Die Kompanie ging eine schmale Paßstraße hinan, über zerklüftetes Geröll in tiefe abenteuerliche Schluchten blik- rend. Und vor ihr erhoben sich Bergwände mit Kastellen darauf, aus denen bei Sonnenaufgang Flammen zu bre­chen schienen. Hinauf und hinunter ging es durch diese Steinwüste. An Ruinen von Marokkanischen Wachttürmen vorbei. An menschlichen Behausungen, die wie Vogel­löcher in Felsen gehauen waren.

Manchmal zuckte vor Romeros Augen ein geheimnis­voller Blitz auf und verschwand hinter einem der hohen Felsen.Spiegelsignale", sagte dann der Kompaniechef gleichgültig. Denn irgendwo lagen immer rebellische Ka- bhlenrrieger auf der Lauer. Und wenn die Truppe nachts in dieser wilden Einsamkeit biwakierte, stand die Wache mit starrer Aufmerksamkeit Posten. Denn es war leicht möglich, daß sie aus dieser zertrümmerten Welt geringer an Zahl heimkehrten, als sie ausgezogen waren.

Romero verwünschte diese Berge. Es schien ihm, als könne er schneller wieder in Tetuan sein, wenn sie sich nicht als ewige Hindernisse vor seinen Weg türmten. Aber nach sieben Tagen und ebensoviel Nächten änderte sich plötzlich das Bild. Es wurde glühend und farbig. Vor ihnen tat sich die Unendlichkeit der Steppe auf. Gelber Sand, Weiße Steine, Gazellen und andere Tiere, und endlich wieder Büsche, grünende, niedere Büsche, die aus der Ferne wie hockende Kamele aussahen.

Die Soldaten begannen zu singen. Bis zum Fort Acht war nur noch ein Marsch von fünfzehn Stunden zu,be- wältigen! Sie sangen trotz mehr als vierzig Grad Hitze, trotz Durst und Wüstenstaub, der ihnen rn Augen und Ohren und Nase und Mund eindrang. Und als ein Zug rettender Berber vorüberbrauste, strafften sie auch ihre Haltung.

(Fortsetzung folgt.)