2. Seite — Nr. 158
Ragolder Tagblatt »Der Sesrllschaster
Dienstag, den 7. Juli 1842
Kein Zutrauen tu britische Generale
»USA.-Eenerale müsse« de« Oberbefehl übernehmen*
Eens, 5. Juli. Zur Reaktion auf die Nordasrika-Debatte des Unterhauses in den USA. schreibt der Neuyorker Korrespondent des „News Chronicle", Churchills Enthüllungen, wona chdie Engländer vor Beginn der Schlacht in Libyen an Truppen dem Feind überlegen gewesen seien, die militärische Lage sich dann aber sehr schnell für die Engländer ungünstig entwickelte, habe in den Bereinigten Staaten dazu geführt, daß man sich frage, ob die britischen militärischen Führer den ihnen gestellten Aufgaben gewachsen seien. So erkläre man in den USA., die Engländer dürften setzt nicht etwa überrascht oder beleidigt sein, wenn die Amerikaner, sobald britifcherseits Behauptungen über die eigene militärische Stärke aufgestellt würden, jeweils antworteten: „Beweist das zuerst, bevor wir es glauben". Aus den Zweifeln an der Qualität der jeweiligen britischen Heerführer erwachse weiter in den Vereinigten Staaten immer mehr der Wunsch, dag nordamerikanische Generale und Offiziere bei allen zukünftigen Unternehmen der beiden Verbündeten den Oberbefehl übernehmen.
Plan einer USA.-Transportflotte
DNB Eens, 6. Juli. Der amerikanische Militärkritiker W. Baldwin schreibt im „Eoening Standard" zur Lage der alliierten Schiffahrt, die Schlacht im Atlantik tob zu Ungunsten der Verbündeten weiter. Sämtliche bisherigen Anstrengungen der amerikanischen Flotte, mit den feindlichen llntrseebooten fertig zu werden, seien fehlgeschlagen. Mit jedem neuen Monat geraten die USA. in dieser Hinsicht weiter ins Hintertreffen und sehen keinen Ausweg, der es ihnen gestatte, in größerem Umfange entsprechend ihrer Produktionssteigerung, Kriegsmaterial M die Fronten zu schaffen. Alles nur Mögliche werde getan, um der Schiffsverluste Herr zu werden und die amerikanische Kriegsmarine prüfe zurzeit, wenn auch immer wieder erfolglos, zahlreiche neue Ideen. Seiner Auffassung nach bestände vorerst für die Alliierten nur wenig, ja man könne sagen überhaupt keine Aussicht, die llnterseebootgefahr zu bannen, zumal Deutschland »sn Monat zu Monat mehr Unterseeboote baue.
^ Im „Evening Standard" schreibt Donald Nelson, das amerikanische Kriegsproduktionsbüro hätte ausgerechnet, datz 40000 LO-Tonnen-Flugboote in der Lage seien, das an Transporten zu leisten, was von der, den Alliierten zurzeit noch zur Perfügung stehenden Handelsflotte bewältigt werde. Der amerikanische Kriegsproduktionsausschuß erwäge zur Behebung der Schiffahrtskreise eine gewaltige Lufttransportflotte zu schaffen. Man weiß nur noch nicht, wie man mit den Schwierigkeiten beim Bau einer solchen Luftflotte, unter anderem der Materialbeschaffung fertig werde.
UEA.-Häfen verstopft
DNB Madrid, 6. Juli. Die ständigen Schiffsversenkungen in den amerikanischen Gewässern haben zu einer derartigen Lähmung des Küstenverkehrs geführt, dag sich in den Atlantikhäfen der USA. die Exporlgüter stauen, ohne dag die Möglichkeit zu ihrem Abtransport — vor allem nach den südamerikanischen Ländern — gegeben ist. Um den dadurch geschaffenen Mißständen zu begegnen, sahen sich jetzt das Staats - departement, das Blockadeamt, die Schifsahrtsverwaltung und das Amt der Rüstungstransporte zu einer gemeinsamen Ankündigung genötigt, dag größere GUtersrachten nur mit offizieller Genehmigung nach den LSA.-Häfen gebracht werden dürften. Offenbar rechnet man in amtlichen Washingroner Kreisen nicht damit, in absehbarer Zeit der U-Boote „Herr zu werden", obwohl dies einige Großsprecher wie Roosevelt und Knox schon vor langer Zeit angekündigt hatten.
USA.-Marine gibt Schiffsverluste zu
DNB Lissabon, 5. Juli. Das amerikanische Marinedepartement sieht sich gezwungen, wieder den Verlust zweier Handelsschiffe der USA. zuzugeben. Es handelt sich um Versenkungen in südlichen Gewässern. An der Nordküste Südamerikas wurde ein Handelsschiff mittlerer Tonnage versenkt, dessen Ueberlebende sich in einen Hafen an der Ostküste retten konnten. In einem Hafen des Golf von Mexiko kamen Ueberlebende meines Handelsschiffes kleinerer Tonnage an Land, das unter per Flagge Panamas fuhr und im Golf von Mexiko versenkt -wurde. Diese Mitteilung wirft erneut ein Licht auf die Praxis Der amerikanischen Schiffahrtsbehörden, Versenkungen und Verluste erst dann bekannt zu geben, wenn durch das Auftauchen von Ueberlebenden keine Möglichkeit zur Vertuschung der Ton- nageverluste mehr vorhanden ist.
Die USA.-Schiffahrtsbehörde muß ernsut die Tätigkeit deutscher U-Boote in USA.-Eewässern bestätigen. So wurde ein ASA.-Handelsschiff mittlerer Tonnage an der Nordküste Südamerikas und ein Schiff kleinerer Tonnage, unter der Flagge Panamas, im Golf von Mexiko versenkt.
A-Voot auf 3agd im Karibische« Meer
Ein versenkter USA.-Dampfer und seine Ueberlebenden
Von Kriegsberichter Karl Emil Weiß (PK.)
NSK 33 Grad im kühlsten Winkel des U-Bootes, 45 Grad Lei den E-Maschinen, Tag und Nacht, ohne Abkühlung. Selbst die Wassertemperatur steht tagaus, tagein bei 30 Grad. So durchqueren wir das Karibische Meer, lernen das Tropenkiima an seiner ganzen Schwere kennen, 0000 Kilometer von daheim entsernt. Die schier unerträgliche Hitze und das seit Tagen oer- aebliche Suchen nach feindlichen Dampfern zieht an den Nerven. Jeder „dreht" entsprechend seinem Temperament: die Sanguini- cker sehen das Boot ohne weitere Versenkungen nach Hause fahren, die Choleriker würden sich am liebsten ein Schild Umgängen mit der Aufschrift: „Nicht ansprechen!"; die Phlegmatiker dagegen strecken in ihrer Koje alle viere von sich und warten^ geduldig wie im Dampfbad, bis sie auf Wache gerufen werden.
Die einzige einheitliche Meinung zur Lage ist die über den Kommandanten. Er „dreht" nicht; nur öfter als sonst sitzt er «or seinem kleinen Schreibtisch in ein Buch vertieft und überzeugt sich, daß auch in dieser heißesten Ecke des Karibischen Meere» Dampfer abzutakeln sind: Der Ruf, der plötzlich von per Brücke herabtönt, gibt ihm recht.
„An Kommandant! Mastspitzen backbord voraus!"
Das Buch fliegt in die Ecke, liegt kaum, da ist der Kommandant schon oben. S. unoen später elektrisiert das Wörtchen „Dampfer" die gesamte Besatzung. Eine Stunde erhöhte Fahrt setzt uns weit genug vor, um den zackenden Gegner im Keller zu erwarten. Das Tauchen treibt die Temperatur im E-Maschinenraum auf 50 Grad. Mit feuchten Tüchern um den Kopf schalten die Kameradeii an der Maschine auf die Sekunde auf die Umdrehung genau. Angriff bleibt Angriff, Verantwortung bleibt Verantwortung, ob im Eismeer oder in tropischen Breiten.
„Frage: Hochpeilung?" Der Kamerad im Horchraum meldet sich, nicht minder schweißtriefend: „Schraubengeräusch 05 Grad, kommt deutlich näher!"
Zufrieden nickt der Kommandant am Sehrohr: „Der ist uns sicher!" Sogar so sicher, daß auf Torpedoangriff verzichtet wer
den kann. Die Stunde der Artillerie ist gekommen. „Klarmachen zum Auftauchen, Geschützbedienungen auf Gefechtsstation!"
Wenige Minuten nach diesem Kommando dröhnt der erste Schuß über das tiefblaue Meer, dem etwa tausend Meter entfernten, vollbeladenen Frachter vor den Bug. Drüben versteht man diese Aufforderung zum Stoppen, drückt aber gleichzeitig auf die Morsetaste: SSS „Submarin, submarin, submarin!", das anglo amerikanische Warnsignal vor deutschen Unterseebooten, mit Standortangabe und Nennung des eigenen Namens. Schnell ist dieser im Flottenhandbuch nachgeschlagen, Tonnage und USA.-Nationalität festgestellt.
Zwei Geschütze erhalten den Befehl, zu feuern, diesmal aber auf den Dampfer selbst, der es durch seine Funkerei nicht anders will. Zwei Treffer sitzen in den Ausbauten, die Warnrufe des Gegners hören mitten im Wort auf. Die Besatzung geht in die Boote, wohl überzeugt, daß jeder Widerstand bei so gut liegendem Feuer deutscher Geschütze zwecklos ist. Durch Winken fordern wir die Rettungsboote auf, sich abseits unserer Schußlinie zu halten. Auf dem Dampfer, dem wir uns inzwischen auf 150 Meter genähert haben, ist niemand mehr zu sehen. Einige Salven mitschiffs und achtern an die Wasserlinie, und in dicken schwarzen Strömen fließt Heizöl aus den Schußlöchern, während aus den Laderäumen einige Flammen schlagen. Zum Ausbrennen kommt der Frachter jedoch nicht. Kieloben geht er innerhalb zehn Minuten auf den Meeresgrund, einen großen Oelfleck, einige Fässer, einige Bretter zurücklassend und, abseits, die Besatzung in drei Rettungsbooten.
Zwei Mann, die sie anscheinend aufgegeben hatten, treiben im Oel, sich mühsam an der Oberfläche haltend. Was die Besatzung des feindlichen Dampfers unterließ, holen deutsche U-Boot- Männer nach, der Kommandant läßt auf die beiden Hilflosen zusteuern. Einer geht plötzlich unter und kommt nicht wieder hoch, den anderen gelingt es an Bord zu ziehen. Durch das Oel, das ihn über und über bedeckt, und durch hervorsickerndes Blut sieht er übel aus. Unser 1. WO. und vier Mann bemühen sich um ihn, rufen die Rettungsboote herbei, die sich so schnell wie möglich entfernen wollen. Wer weiß, was diese Leute in Roose- velts Zeitungen alles über deutsche U-Boote gelesen haben? „Nazis schießen auf wehrlose Ueberlebende in Rettungsbooten" und andere Greuel mehr. Ich kann mir solche Meldungen in Riesenlettern auf den Titelseiten nordamerikanischer Zeitungen recht gut vorstellen, seitdem ich in USA. sah, wie Meldungen gemacht werden.
Unsere Aufforderung, längsseits zu kommen, hat bei einem der Boote Erfolg, nachdem die Leute sehen, daß wir einen von ihnen an Bord haben, nicht, um ihn zu „killen", sondern um ihm zu helfen. So behutsam wie möglich wird er ins Rettungsboot gelegt, ein Päckchen Verbandzeug sowie Ratschläge für die Behandlung folgen. Und das alles trotz der Funkerei des Gegners, obwohl wir mit schneller Verfolgung rechnen müssen!
Die vierzehn Männer im Rettungsboot blicken zu uns herüber; vierzehn Männer eines USÄ.-Frachters können jede Miene in unseren Gesichtern und wir die ihrigen sehen. Jünglinge und Grauhaarige, Nordamerikaner, Mexikaner und ein Däne, der irgendwo, irgendwie in amerikanische Dienste kam; er macht sich zum Wortführer der vierzehn und ruft ein „Thank you!" hinauf zur Brücke. „That's the war of Roosevelt!" ist die bedauernde Antwort, und ein Blick auf die Untergangsstelle des Frachters unterstreicht diese Worte. „Das ist Roosevelts Krieg!"
Die vierzehn Männer mit dem Schwerverwundeten in ihrer Mitte find für einen Augenblick nachdenklich geworden, blicken beschämt vor sich hin. Keine verneinende Mjne, kein Wort des Widerspruchs. Unser Verhalten scheint an ihrer bisherigen Auffassung zu rütteln, die Deutschen seien schuld an diesem Krieg, der jetzt auch ihren Dampfer forderte . . .
Langsam legt das Rettungsboot ab, sucht Kurs auf die Küste. ..Go to West!" ruft ihnen der Kommandant noch nach, und
deutet auf die untergehende Sonne. Eine Stunde später ist es Nacht. Wir suchen unter dem tropischen Sternenhimmel, wo e-- so friedlich sein könnte, erneut feindliche Dampfer. Das ist Roosevelts Krieg . . .
Neue Ritterkreuzträger
DNB Berlin, 6. Juli. Der Führer verlieh das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an Oberst Ernst Günther Baade, Kommandeur eines Schützenregiments: Oberfeldwebel Josef Schneider, Zugführer in einem Eebirgsjägerregiment; Oberjäger Johann Bauer, Gruppenführer in einem Eebirgsjägerregiment.
DNB Berlin, 6. Juli. Der Führer verljeh das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an Oberst Moritz von Drebber, Kommandeur in einem Infanterieregiment.
Ritterkreuzträger ^-Oberscharführer Köchle gefallen
DNB Berlin, 6. Juli. Bei den harten Frühjahrskämpfen südwestlich des Jlmensees starb der Ritterkreuzträger U-Oberscharführer Ludwig Köchle, Stoßtruppführer in einer Division der Waffen-)), den Heldentod.
))-Oberscharführer Ludwig Köchle wurde am 28. Januar 1921 als Sohn des Maurerpoliers Köchle in Nofels (Vorarlberg) geboren. Nach Beendigug seiner Schulzeit meldete er sich im Alter von 17 Jahren zur Waffen-)) und zog bereits ein Jahr später als ))-Schütze in den Polenfeldzug. Als ME.-Schütze kämpfte er im Westen und wurde schon in Frankreich zum ^-Unterscharführer befördert. Auf den Schlachtfeldern des Ostens bewährte er sich als Führer von mehr als 100 Stoß- und Spahtruppunter- nehmen und bei über 20 Sturmangriffen als leuchtendes Vorbild seiner Männer. Wegen Tapferkeit vor dem Feinde wurde er mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet und zum ))-Oberscharführ«r befördert. Als es ihm zu Beginn dieses Jahres gelang, in die Flanke einer die eigenen Stellungen gefährdeten Sowjetstellung einzudringen, mit Handgranaten sechs feindliche Bunker und ein SMG.-Nest zu nehmen und sich gegen di« heftigen Gegenangriffe der Bolschewisten zu behaupten, wurde er für diese kühne Tat vom Führer als kaum 21- Jähriger mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet.
Die Schlacht in Aegypten
Panzervorstöße bei El Alamein abgeschlagen
DNB Berlin, 6. Juli. Bei den Kämpfen in Nordafrika gelang es den deutsch-italienischen Truppen, wie das Oberkommanvo der Wehrmacht mitteilt, Abriegelungsvorstöße feindlicher Panzer, die in der Mitte der El-Alamein-Stellung gegen die Ein- bruchsstelle der Achsentruppen gerichtet waren, abzuschlage». Dabei wurden mehrere amerikanische Panzerkamps- wagen vernichtet.
Deutsche Kampf- und Zerstörerflugzeuge unterstützten die Kämpfe der Achsentruppen durch Angriffe gegen feindliche Truppenansammlungen im Raum südlich von El Alamein. Die Krast- fahrzeugkolonnen, die den Nachschubverkehr zwischen dem Küstengebiet und dem am Nordrand der Kattara-Senke verschanzte» britischen Truppen aufrecht zu erhalten versuchten, wurden wiederholt mit schweren Bomben belegt. Es entstanden zahlreiche Brände und Explosionen in den mit Munition und Treibstoff beladenen Kolonnen. Mehrere Flakbatterien, die sich auf dem steinigen, nur mit Eestüpp bedeckten Gelände südost- wärts von El Alamein zur Verteidigung gegen die deutschen und italienischen Panzerverbände eingegraben hatten, wurden durch Bombentreffer außer Gefecht gesetzt. In Luftkämpfen wurden feindliche Flugzeuge, darunter vier vom Muster Spitfire, abgeschossen.
Brrtenterror am Nil
Schlüsselstellung des britische« Empire
NSK Die aus der libyschen Cyrenaika hervorstoßende Offensive Rommels hat die Achsentruppen des Eeneralfeldmarschalls in breiter Front nach Aegypten geführt, nachdem die seit Jahren ausgebauten Stellungen der Briten binnen weniger Tage durchbrochen und genommen worden waren. Damit zieht eine tödliche Gefahr für das Empire herauf. Denn Aegypten ist nicht eine beliebige Herrschaftszone der Engländer wie so manch andere, sondern es ist das st rategische Zentrum des ganzen Empire und liegt dort, wo sich die beiden großen Linien der britische« Weltherrschaft schneiden und der Suezkanal als Hauptnerv des englischen Besitztums zwei Ozeane miteinander verbindet.
Deutschlands Soldaten in Nordafrika werden oftmals eine romantische Vorstellung von Aegypten mitgebracht und inzwischen gründlich verloren haben: das Nilland ist nämlich nicht jenes Paradies von fruchtbarer Erde unter Palmen, jenes Land überquellenden Reichtums, von dem die Märchen aus Tausendundeiner Nacht berichten. Aegypten ist zu mehr als neun Zehnteln seines Gebiets von rund einer Million Quadratkilometer Wüste oder Steppe, und kaum 3 v. H. seines Gebiets macht das sehr fruchtbare Niltal aus. Der Strom hat durch die Wüste ein bis zu 20 Kilometer breites Bett gegraben und gliedert sich von der. Hauptstadt Kairo ab in mehrere Mündungsarme, die das etwa 24 000 Quadratkilometer große Nildel ta einschließen, ein gleich dem eigentlichen Niltal reiches Ackerbaugebiet. Westlich vom Nil verliert sich Aegypten in der Libyschen Wüste, die nur von vereinzelten Oasen unterbrochen wird, und östlich des Stromes erhebt sich die bergige Arabische Wüste; sie wird von verschiedenen Trockentälern durchschnitten und fällt steil zur fast hafenlosen Korallenküste des Roten Meeres ab.
Wie vor Jahrtausenden treibt die ganz überwiegende Mehrzahl der ägyptischen Bevölkerung Ackerbau, nämlich 11 von 14 Millionen Einwohnern. Auf ihnen, den Fellachen (fellah bedeutet Bauer), beruht das ganze Land. Und wie ihr G;rät, ihre Brunnen und ihre Schöpfräder, mit denen sie das Wasser des Nils auf dix Felder pumpen, hat sich bei ihnen der Typus der frühgeschichtlichen Aegypter sehr rein erhalten. Sie sind Mohammedaner; daneben gibt es noch erwa eine Million christlicher Kopten und eine mäßige Zahl von Juden, letztere vor allem in Kairo und in den Häfen.
Jahrhunderte hindurch gehörte Aegypten zur Türkei, bis es durch den Versuch Napoleons l., vom Nft aus Indien zu erreichen und somit England entscheidend zu treffen, in das Blickfeld Europas rückte und bald zum Zankapfel zwischen den Großmächten wurde. Lange dominierte Frankreich an Einfluß, und der Franzose Lesseps war es auch, der den Suezkanal schuf. London hatte gar kein Interesse gehabt, einen Handelsweg für alle schifsahrttreibenden Nationen bauen zu helfen; als das Werl aber trotz aller britischen Intrigen und Quertreibereien vollendet war, entschied sich die englische Regierung unter dem Juden Disraeli, den Kanal in Englands Hand zu bringen; da man rasch erkannte, daß eine ständige und sichere Kontrolle des Suezkanals nur durch die Herrschaft über Aegypten möglich ist, griffen die Machthaber an der Themse zu.
Zuerst brachte Disraeli ein großes Paket Kanalaktien in den Besitz der englischen Regierung, und unter dem Vorwand, die
nationale Bewegung Arabi Paschas zu unterstützen, die auf eine innerägyptische Neuordnung abzielte, stürzte London den Khediven Jsmael im Jahre 1879. Als Arabi Paschas.angestrebte Neuordnung den Engländern gefährlich zu werden drohte, provozierten drei Jahre später britische Agenten Zwischenfälle rn Alexandrien, und die engische Flotte bombardierte diesen Hafen prompt in Grund und Boden, während Arabi Pascha bis zu seinem Tode in einem Kerker der Engländer eingeschlossen blieb und seine Anhänger mit Feuer und Schwert unterdrückt wurden. —
Das ganze Land wurde von britischen Streitkräften „vorübergehend" okkupiert, Engländer wurden an die beherrschenden Posten gestellt und trugen dazu bei, die zeitweilige Besetzung zu einer dauernden Herrschaft zu machen. Vertrüge, in denen sich London zur Räumung verpflichtete, blieben Papier, und obgleich auch englischerseits immer wieder festgestellt wurde, daß längst wieder Ruhe und Ordnung herrschten, die Finanzen des Landes gesundet und die Zinszahlungen für vom Ausland aufgedrängte Anleihen gesichert seien, dachte kein britischer Ministerpräsident an eine Räumung. Vielmehr spielte die englische Politik sich den Sudan in die Hand, wo Kitchener die nationalistische und fremdenfeindliche Aufstandsbewegung des Mahdi zusammenkartätschte unter Greueln, die selbst der damals als Reporter im Sudan weilende Winston Churchill anprangerte; Morde an Verwundeten und Gefangenen gehörten zu den, Methoden, mit denen Kitchener die Erhebung unterdrückte und die englische Herrschaft im ägyptischen Sudan einsetzte.
Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges stürzte London abermals den Khediven in Kairo; es jagte das Land in den Krieg und errichtete ein „Protektorat" über Aegypten, womit es die Souveränität über das Nilland beseitigte. Das Terrorregiment wurde unerhört verschärft, Hunderttausende von Fellachen wurden als Zwangsarbeiter an die Fronten geführt, und jeder Versuch der Erhebung in oder nach dem Kriege wurde mit Kugel und Strick geahndet, bis sich die Ruhe eines Kirchhofs wie vordem ausbreitete. Daran änderte sich auch nichts, als England 1936 Aegypten formell für unabhängig erklärte, aber starke Garnisonen im Lande beließ und alle Schlüsselstellungen nach wie vor in seiner Hand behielt; der Zweite Weltkrieg sah Aegypten ebenso geknebelt wie der Erste, Kairo mußte die Beziehungen zu den Achsenmächten abbrechen und erlebt als eine Kolonie des Empire jetzt den Krieg im eigenen Lande, den Winston Churchill zum Verderben des britischen Riesenreiches heraufbeschworen hat. -
Denn nachdem England vom europäischen Kontinem versagt ist, seitdem es in Asien durch die Japaner schwer geschlagen worden ist, und da es jetzt durch die Niederlagen in Nordafrika auch die Stellungen im Nahen und Mittleren Orient bedroht sieht, rückt für London und seine Verbündeten'die Gefahr immer drohender herauf, daß die Lebenslinie zwischen Nord- und Südafrika, zwischen Atlantik und Indischem Ozean an Nilmündung und Suezkanal unterbrochen wird. Hier, in diesem Raum zwischen Aegypten, Palästina, Arabien und dem Irak erhebt sich jetzt die große Zitadelle des britischen Weltreiches. Gespeist wird sie seit dem Verlust der Mitttkmeervassage durch den Suezkanal, verteidigt im Riltal und aus den Wüstenwegen zwischen Kairo und Jerusalem, Akaba und Bagdad. Hier warten Millionen aus zahlreichen unterdrückten Völkern auf die Stunde ihrer Befreiung vom englischen Joch. Hier aber muß Churchill fechten lasten, hier gibt e; keine ..-'lorreichen Rückzüge" mehr!