6. Seite — Nr. 32
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter«
Freitag, den 7. Februar 1841
verschiedenes
Der Feldpostbrief
Viele Briese werden jeden Tag durch die Türschlitze der Wohnungstüren geworfen. Auch bei uns vergeht kein Tag, an dem nicht wenigstens einer oder eine Karte oder Drucksache in dem Briefkasten stecken, der gleich an der Tür hängt. Durch ein kleines Elasfensterchen sieht man darin etwas Weißes schimmern — und greift schon nach dem Schlüsselchen, um den Brief aus dem Kasten zu nehmen.
Immer ist es eine kleine Erwartung: Ist es der lange erwartete Gruß aus der Ferne'? Ach nein — nur eine Drucksache, eine geschäftliche Empfehlung, eine belanglose Postkarte mit einer Mitteilung. Eins aber ist das Merkwürdige: Manchmal steckt der ersehnte Brief, auf den man seit Tagen wartet, im Kasten und man weiß es nicht. Man denkt vielleicht erst eine Stunde später an die Post oder erblickt den Hellen Brief im Kasten, wenn man zufällig über den Flur geht. In dieser Stunde aber hat man mit Sehnsucht und Unruhe in die Ferne gedacht. Dann lächeln wir: das Elück und die Freude warten oft schon vor der Tür, ohne daß wir's ahnen...
Der alte Briefträger, der uns immer die Post bringt, kommt schon seit über zehn Jahren zu uns. Wir'kennen uns gut. Und einmal habe ich ihm erzählt, wie das so geht mit den Briefen: man hosst auf einen Feldpostbrief, und ohne daß man's weiß, steckt er schon eine halbe Stunde im Kasten. Da lächelte unser alter Briefträger und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. Bald daraus klingelte es. Als ich ösfnete, stand niemand vor der Tür, aber ich sah noch den Briefträger die Treppe hinuntergehen. „Eibt's etwas Besonderes?" rief ich. „Natürlich", lachte er herauf, „gucken Sie mal schnell in den Briefkasten!" Nichtig, da steckte ein Brief. Aber ist das ein Erund zum klingeln? Wir nahmen den Brief heraus — es war ein Feldpostbrief von Karl. Da wußten wir, daß doch ein Erund zum Klingeln vorlag.
Unser alter treuer Briefträger hat viel Verständnis für die kleinen Sorgen und Freuden des Lebens. Er klingelt jetzt immer, sobald er einen Feldpostbrief durch den Türschlitz wirst.
Schutz der Schulen vor Lnftgefahr
Der Reichsluftfahrtminister hat jetzt die endgültigen Richtlinien für die Durchführung des Luftschutzes in Schulen und Hochschulen erlassen. Als Betriebsluftschutzleiter kommt in erster Linie der Schulleiter oder ein Lehrer in Betracht. Zu seinem Stellvertreter soll während der Schulzeit ein anderer Lehrer, im übrigen der Hausmeister bestimmt werden. Alle übrigen Angehörigen der Einsatzgruppe können auch aus de: Schülerschaft entnommen werden. Nach Möglichkeit sollen nur ältere Schüler oder Schülerinnen herangezogen werden. Die Ausbildung und lausende Beratung durch den Neichslustschutz- bund wird kostenlos durchgcsührt.
Der Umfang des Schulbetriebes richtet sich nach den vorhandenen Luftschutzräumcn und der Lusrlage. Schulen, die über vorschriftsmäßige und ausreichende Luftschutzräume verfügen, können ohne Bedenken den Schulunterricht durchführen. Schulen, die über ungenügende oder gar keine Luftschutzräume verfügen, werden je nach der Luftlage mit einer Einschränkung oder Schließung der Schule rechnen müssen. Das trifft in erster Linie für Schulen zu, die in besonders luftgefährdeten Orten und besonders lustempsindlichen Stadtteilen gelegen sind. In diesen Fällen ist eine Verteilung der Schüler auf andere Schulen vorzunehmen und schichtweise! Unterricht einzusühren.
In einem Begleiterlaß teilt der Neichserziehungsmini- stcr mit. daß solche Einschränkungen nur dort ungeordnet werden, wo nach den Erfahrungen mit Luftangriffen während der Schulzeit oder während des Hin- und Rückweges der Schüler gerechnet werden muß. Vormittags und in den frühen Nachmittagsstunden wird der Schulbetrieb uneingeschränkt durchgesührt werden können.
— Eheoermittlung für Erbkranke. Der Reichsminister des Innern beschäftigt sich in einem Erlaß an die Eesundheitsverwal- tungen mit der Frage der Ehevermittlung für Unfruchtbargemachte. Der Minister harte die Gesundheitsämter bereits wiederholt auf die Notwendigkeit der Aufnahme einer Ehevermittlung für diesen Personenkreis hingewiesen. Seine Anordnungen ergänzt der Minister jetzt dahin, daß keine Bedenken beständen, wenn die Vermittlung von den einzelnen Gesundheitsämtern auch aus Ehen mit natürlich unfruchtbaren oder in der Fortpslan- zungsfähigkeit beschränkten Personen oder mit Partnern, auf deren Nachwuchs die Volksgemeinschaft verzichten kann, ausgedehnt werden. Diese Personen müssen natürlich zur Führung einer geordneten Ehe imstande sein. An einzelnen Orten sind bereits überörtliche Ehevermittlungsstellen für Unfruchtbargemachte gebildet worden. Besondere Erfahrungen in einem breiteren Ge-
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„Ich bin ja schon da. mein Guter!" murmelte sie und sah zu dem Fenster hinüber, dessen Vorhänge nicht ganz fest zugezogen waren.
Draußen schien wieder die Sonne, wie in den ganzen letzten Tagen. Es würde wieder heiß werden, und sie konnte gegen Abend vielleicht noch schwimmen gehen. Schwimmen? Mein Gott, hatte sie denn ganz vergessen, daß es vielleicht Krieg gab? Daß man seil Tagen und Tagen an nichts anderes dachte, von nichts anderem sprach. Würde es Krieg geben? Würden die Engländer nicht vernünftig sein und den Polen in letzter Minute klarmachen, was sie nnt ihrer Unverschämtheit aus die ganze Welt Herabriesen?
Du hast überhaupt keine Zeit, jetzt politische Gedanken zu wälzen, es ist viel wichtiger für dich, schnell aus den Federn zu steigen und etwas zu tun. Du hast heute schrecklich viel vor — —! Da kam auch schon die Wirtin und brachte das Frühstück.
Sabine Dahlen war seit über zwei Jahren Werkspflegerin in einem der größten deutschen Eisenwerke mitten im Ruhrgebiet. Es war ein Berus, der sie restlos befriedigte. Es war ja nicht ganz leicht gewe'en am Anfang. Besonders die vielen Hausbesuche halten ihr manche Schwierigkeit gebracht, denn sie war im Grunde ja allen fremden Menschen gegenüber so schrecklich scheu. Und nun mußte sie Tag für Tag in dem Bezirk, der ihr zugewiesen war, in unzählige Häuser gehen, mußte die Familien der Arbeiter aufsuchen, die um eine Unterstützung eingekommen waren oder bei denen Krankheit oder sonstige Not herrschte, mußte den feweiligen Fall genau prüfen
Wir „geistern- über Afrika
Mit deutschen Bombern über Kairo und dem Suez-Kanal
Von Kriegsberichter Müller
DNB—,5. Febr. (PK.) „Also ist alles klar?" ruft der strenge, aber immer gutgelaunte Staffelkapitän nach der Einsatzbesprechung. „Hat noch jemand eine Frage?" Niemand meldet sich.
Nach stärkerem Frühlingsgewitter scheint jetzt wieder die strahlende sizilianische Sonne. Wir dürfen starten Flugzeuge rollen nacheinander über das Feld und verschwinden. Schon nach wenigen Minuten befinden wir uns über dem azurblauen Meer.
Eine wunderbare Schau bietet die liebliche, immer grüne Insel, an deren Küste wir entlang ziehen, mit ihren Orangen- und Zi^ tronenhainen, mit ihren Zedern und schlanken Zypressen. Wir steigen höher und höher. Von der Ferne grüßt der majestätische Aetna, dessen schneebedeckter Gipfel von einer Wolke gekrönt ist. Aber bald sehen wir nur noch den tiefblauen Spiegel des Meeres.
Nach einer halben Stunde deutet der Beobachter nach links, w» in beträchtlicher Entfernung ein Schiff auftaucht, um bald wieder zu verschwinden. Wahrscheinlich ein englisches Kriegsschiff, meint der Flugzeugführer. Malta liegt in der Nähe, der von England hartnäckig verteidigte Stützpunkt.
Unaufhaltsam braust unser Vogel über das weite einsame Meer. Nach einigen Stunden entdecke ich am fernen Horizont einen silbernen Streifen, der immer näher kommt. „Hurra!" ruft der Flugzeugführer. Das ist die afrikanische Küste.
Ucuo uver,,icgsn wir verpest liegende Siedlungen, zwischen Palmenhainen gebettet. Bevor ich es noch richtig erfasse, zieht unter uns der rötlich-braune Sand der libyschen Wüste li'.weg.
Der Abend ist längst hereingebrochen, und der glühend rote Sonnenball versinkt im Westen. Leise und geheimnisvoll breitet die afrikanische Nacht ihren Schleier über das italienisch-englische Schlachtfeld, dem wir uns jetzt nähern. Schon vorher spüren wir den Pulsschlag der Front. Wir sehen zahlreiche italienische Jäger und Kampfflugzeuge. Ein ununterbrochenes Starten und Landen auf den Flugplätzen. Auf den Wustenstraßen sehen wir regen Autoverkehr in beiden Richtungen. Schwere Traktoren schleppen-. Lastzüge mit den verschiedenartigsten Geräten. Wir erkennen Straßensperren, zahlreiche Araöersiedlungen. Hin und wieder entdecken wir ein Wüstcnfort, umgeben von Drahtverhauen, Batteriestellungen und MG.-Nestern. Jetzt aber, wo wir die eigent- li^'r Fr-rt über'"-'-", k"—-n w'r ear x' "'ts rn.e*r erkennen.
Es ist stockdunkle Nacht geworden. Ab und zu blitzen Mündungs- seuer auf und krepieren einschlagende Granaten. In der Gegend von Tobruk wird heftig gekämpft. ;
Etwas weiter sehen wir einen erleuchteten Flugplatz so deutlich, daß wir sogar die Startbahn erkennen. Man hat uns oder unsere Kameraden gehört, denn plötzlich flammen Scheinwerfer auf. An der Araberbucht ist es schon ein stattliches Bündel geworden. Wir müssen ganz tief heruntergehen, um uns zu orientieren ...
Wir nehmen jetzt Kurs auf Suez. Bald muß der Nil kommen. Alles späht nach unten, denn hier ist ein Streifen zu er
kennen. Ist es der Nil? Anscheinend nicht, denn das dunkle Band hat eine ander« Richtung. Also wieder nichts. Blauschwarz grüßt uns die Wüste.
In beträchtlicher Entfernung leuchten wieder Scheinwerfer auf, die sehr rasch an Zahl zunehmen. Als wir näherkommen, zähle ich nach und nach 30 bis 35 Stück. Immer mehr werden es. Das kann nur Kairo sein. Leutnant M. ist ein Draufgänger. Er steuert sein Flugzeug mitten hinein in den grellen Dom. Einer der Scheinwerfer hat uns erfaßt, doch gleich wieder verloren. Jetzt können wir den Nil erkennen. Wir sehen das Knie und die Insel mit den Nilbrücken. Rechts querab muß Eizeh liegen. Wahrscheinlich stehen einige Scheinwerfer auf den Pyramiden. Wieder greift ein Lichtarm nach uns. Wir sind einen Augenblick geblendet. Durch ein Manöver des Flugzeugführers entwinden wir uns dem Fangarm. Es ist ein aufregendes Spiel. Wie schade, daß kein Mond scheint und wir von der romantischen Kalifenstadt mit ihren Minaretten und Moscheen nichts erkennen können. Doch die Engländer lasten uns keine Zeit zur lieber« legung. Sie haben uns wieder mit einem Lichtbündel eingefangen und beginnen zu schießen.
Wir pasten auf wie die Schießhunde, daß wir die Wasserstraße nicht verfehlen. Dennoch ist es nicht leicht, sie zu finden. Wir geistern über die Nubische Wüste und drücken auf das Rote Meer hinunter, dorthin, wo die Bucht immer enger wird. Rechts liegt die Halbinsel Sinai. Hier irgendwo mutz der Kanal beginnen. ^
Plötzlich schießen erneut Dutzende von Scheinwerfern ihr grelles Licht in den Nachthimmel und ein wütendes Flakseuer begrüßt uns. Ich sehe, wie rin Lichtkegel einen Staffelkameraden erfaßt hat. Dieser wirft jetzt eine Bombe größten Kalibers. Sie fällt auf die Kaimauer neben dem Kanaleingang. Eine ungeheure Detonation ist bis in unsere Maschine zu hören. In diesem Augenblick hört die Flak auf zu schießen. Da — was ist das? Unsere Augen versuchen, die Nacht zu durchdringen. Jetzt sehen wir: Vier, nein fünf Sperrballone. Blitzschnell kurven wir nach rechts, weichen aus. Unser Vordermann scheint die Sperre nicht gesehen zu haben und fliegt geradeaus drauf los. Wir halten den Atem an. Gott sei Dank, es ist nichts passiert.
Wir schlängeln uns nun rechts an Suez vorbei und kurven dann wieder links und fliegen den Kanal zurück, der sich im kleinen und großen Bitterste verliert. Die Fortsetzung des Kanal» können wir zunächst nicht finden. Wir gehen tiefer und suchen nach dem Ziel, auf das wir unsere Bomben zu werfen haben Wenige Meter über den Dächern brausen wir über die vielfach beleuchtete Stadt Ismaila. Bald haben wir den Kanal wieder gefunden. Leutnant A, ist äußerst gewissenhaft und will die Bomben haargenau abwerfen. Hier links in der Wüste sind mehrere beleuchtete Ziele; wahrscheinlich Hausen Wachen darin. Wir fliegen so dicht vorbei, daß die Zeltplanen, vom Propellerstrahl erfaßt, aus ihrer Verankerung gerissen davonwirbeln.
Endlich haben wir auch geworfen. H aarscharf sitzen die Bomben im Ziel. Port Said schickt uns ein wütendes Flakfeuer nach, kann uns jedoch nicht erreichen. Stundenlang dröhnen die Motoren ihr gleichmäßiges Lied Wohlbehalten kehren alle Maschinen wieder zurück.
biet hat die Ehevermittlungsstelle bei der Eauleitung Sachsen der NSDAP gesammelt. Eine in Berlin bereits bestehende Vermittlungsstelle für Personen, denen nach dem Ehegesundheitsgesetz das Ehetauglichkeitszeugnis versagt werden mußte, soll zu einer „Reichsstelle für Eheberatung und Ehevermittlung beim Hauptgesundheitsamt der Stadt Berlin" ausgebaut werden.
— Nach beendeter L.'hre ist Tariflohn zu zahlen. In diesen Wochen werden wieder überall im Reich zahlreiche L-hrverhält» niste ihrem Ende zugehen. Von besonderem Interesse ist daher ein Bescheid des Neichsarbeiteministers über die Höhe der Vergütung nach beendeter Lehrzeit. Hiernach gilt für die Frage, welche Leistungen der Betriebsführer nach Beendigung der Lehrzeit zu gewähren hat. wenn die Prüfung zu diesem Zeitpunkt noch
Ws dem Keujahrsauftuf des Führers«,» «e VeurfcheNarion!
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Lenk daran am dpfersonnlag!
nicht abgelegt werden konnte, folgendes: Das Lehrverhültnis endigt nach der Gewerbeordnung nach Ablauf der Lehrzeit. Bei einer Weiterbeschäftigung des bisherigen Lehrlings ist infolgedessen mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Lehrverhältnisses nicht mehr die Erziehungsbestllfe, sondern, entsprechend der Beschäftigung des Gefolgschastemitgliedes. der jür das ArL.cks- verhältnis geltende Tariflohn zu zahlen.
— nsg. Umbau der ländlichen Feuerstellen. Die meisten ländlichen Feuerstellen sind heute noch nicht auf einen genügend wirtschaftlichen und sparsamen Brennstoffverbrauch c' -gerichtet. Insbesondere wird fast durchweg viel zu viel Holz .braucht. Holz ist aber heute ein Rohstoff, den wir dringend zu wideren Zwecken benötigen. In der Regel kann der Brennstoffverbrauch durch eine einfache Acnderung der Feuerungen wesentlich herabgedrückt werden. Die wirtschaftlichsten Maße der Feuerungen sind durch langjährige fachmännische Versuche einwandfrei festgestellt worden. Im Laufe der nächsten vier Wochen werden in Württemberg m Zusammenarbeit zwischen der Landesbauernfchast Württemberg mit dem Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft und den Innungen der beteiligten Handwerker — Schlosser-, Schmiede-, Flaschner-, Hainer- und Schornsteinfegerhandwerk — sogenannte Handwerkerkurse statt, bei denen zwei besonders aus- gebildete Feuerstättenberaterinnen des Reichskuratoriums den Handwerkern diy notwendigen Aufklärungen geben werden. Außerdem ist geplant, ebenso wie dies bereits in dem badischen Dorf Erombach geschehen ist, auch in Württemberg ein wärme- wirtschaftliches Versuchsdorf einzurichten, wo dann die erforderlichen Schulungen an Hand praktischer Beispiele vorgenommen werden können.
«und dann bearbeiten. Jeden Vormittag hatte sie weite Gänge ldurch die ausgedehnten Arbeitersiedlungen des Werkes, di« richtige kleine Städte innerhalb der großen Stadt bildeten — vorbildlich an Lage und Bau — und des Nachmittag» saß sie dann in ihrem Büro und erledigte die schriftlichen Arbeiten.
So — fertig! Sabine strich sich schnell nochmal über die Haare und fah sich im Zimmer um. Einen Mantel, brauchte sie heute nicht, es würde bestimmt sehr warm, sie konnte gehen, wie sie war. Nur noch die Aktentasche. Wo ging es nun zuerst hin?
Sabine sah auf einen langen Zettel voller Namen und Adressen. Wenzel-Sonnenstraße. Ach, da« waren doch die netten ordentlichen Leute, die voriges Jahr ein kleiner eigenes Haus gebaut hatten — das Werk hatte eine Bauunterstützung gegeben, die regelmäßig abgezahlt wurde. Der Mann war Former.
Mit der Straßenbahn fuhr Sabine endlos lange durch die Stadt. Sie wohnte ein wenig außerhalb, dort, wo e» nicht nur Steine And Straßen und Häuser gab, sondern auch kleine Vorgärten und Bäume, wo der Himmel nicht nur irgend etwas Unbeachtetes war, das immer zur Unzert Hitze oder Regen herunterfchickte. sondern eben der Himmel. zu dem man aufsah, wenn weiße Wolken über sein« Bläue zogen und dem man für den Regen dankte, der di« Pflanzen erfrischte.
Sabine stand etwas gedrückt auf der Hinteren Plattform des Straßenbahnwagens. Um diese Zeit waren die Wagen fast immer überfüllt. Da waren soviel Menschen, die zu ihren Arbeitsstätten wollten. Soviel Gespräche, Gerüchte. Sorgen oder Gelächter erklang um sie herum. Sabine litt immer etwas unter diesen Fahrlen. Sie litt überhaupt unter der ganzen Stadt. Es war Sabine, als iei es schon eine Ewigkeit her. seit sie ein Kind gewesen war. das durch die Wälder lief.
Ach. sie redete sich ja selbst immer so gut zu. si« gab sich ja solche Mühe, nicht undankbar zu lein. Und sie war >a auch nicht einmal allzusehr allein. Sie hatte ein paar nett«
Kameradinnen und kannte auch den einen und anderen jungen Mann, mit denen sie gelegentlich tanzte oder ins Theater ging.
Daß sie sich trotzdem wie gefangen und verbannt vorkam in den vielen stillen Stunden, die sie hatte, das war doch ihr« eigen« Schuld.
Du bist verrückt. Mädchen! würde Martin sagen.
Martin! Sabine hatte schon solange nichts mehr von chm gehört, vielleicht seit Jahren nicht. Er war io ichreib- faul, und sie hatten sich nie mehr getroffen seit den Ferien, in denen er sie geküßt hatte. Die Zeiten hatten nicht zusammengepaßt. Sabine hatte andere Ferien als Martin, und als sie ihren Urlaub im letzten Jahr eigens in die Zeit seiner großen Semesterserien gelegt hatte, war er ausgerechnet auf einer Studienfahrt in Italien gewesen. Er arbeitete in italienischen Lazaretten, in denen verwundete Spanienkämpfer lagen, erzählte seine Mutter dem Mädchen voller Stolz.
So. da war das Haus, in dem Wenzels wohnten. Sabine blieb einen Augenblick stehen und besah es sich. Sauber und nett fah es aus. Es lag etwas von der Straße zurück in einem kleinen Vorgärtchen, auf dessen genau gezogenen Beeten Kohlköpfe in Reih und Glied standen, umiäumt von lustig blühenden Blumen. Ringelblumen! Sabine konnte sich kaum von dem Anblick trennen. Diese feuerfarbigen Blumen standen im Lehrerhausgarten an allen Wegen. Die Blätter waren io ein bißchen klebrig, wenn man sie anfaßte. Sabine fühlte es förmlich an den Fingern.
Die Straße lag still. Um diese Zeit waren die Hunderte von Arbeitern, die hier in kleinen eigenen Häuschen wohnten, längst im Betrieb und die Kinder schon auf dem Weg zur Schule. Nur die Kleinsten standen In den Kinderwagen in der Sonne oder spielten irgendwo traumverloren in herrlichen Sandkästen.
Sabine ging schnell durch das Gärtchen auf die Haustüre zu.
»
(Fortsetzung folgt.)