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Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Freitag, den 15. August 1811

Mayold undAmyebuny

Wer das Falsche verteidigen will, hat alle Ursache, leise aufzutreten und sich zu einer feinen Lebensart zu beken­nen. Wer das Recht auf seiner Seite fühlt, must derb auftreten; ein höfliches Rechtt will gar nichts heißen".

Johann Wolfgang von Goethe.

IS. August: 1710 Matthias Claudius geboren.

Gt« Wort zur Sptnnstosfsammlung

Unsere ganze Zeit ist eine soldatische geworden. Es ist das Gefühl, daß der eine nicht ohne den anderen steht und daß un­sere Gemeinschaft eine eherne Kette ist, in der jeder einzelne ein Glied ist. Das Glied allein aber ist, wenn es nicht der Kette eingefügt ist. allenfalls wertloses Eisen. Diese Gemeinschaft muß sich bewähren, im großen wie im kleinen. Gerade aber im Un­wichtigen ist es schwer, sich zu bewähren, schwerer, als wenn es gegen einen sichtbaren, starken Feind geht. Nun ist aber nicht jeder an der Front, Auge in Auge mit dem Feind. Aber es steht doch sin jeder in seinem Abschnitt, der eine am Amboß und der andere unter Tage, die Frau in ihren besonderen Pflichten für die Familie. Sie alle sind Soldaten, und ein jeder weiß, daß er seine Aufgabe zu erfüllen Hot, ein jeder kennt seine Pflicht und erfüllt sie.

Aber es genügt nicht, wenn wir nur eine Anzahl Idealisten haben. Es genügt auch nicht, wenn in den sogenannten kleinen Dingen immer wieder nur dieselben Volksgenossen und Volks­genossinnen vorangehen. Jetzt gehört dem Sieg jede Hand und jedes Herz. Auch die Reichsspinnstofssammlung ist nicht etwas, das nur am Rande läuft. Da heißt es vielmehr, eine ordent­liche Untersuchung aller Ecken des Hauses vorzunehmen. Mit dem alten Beruhigungsspruch:Es wird schon was zusammen- kommen bei uns klappt's ja immer!" da ist es nicht getan. Nein nun wird jeder zeigen, wie er denkt. Jeder muß ein Soldat an seiner Front sein. Soldaten aber lassen keinen im Stich. Und Soldat, das heißt:

Wir alle!

Gi«e sveudkse Notftbaft

Wir teilten dieser Tage mit. daß der Maschinen-Gefreite Christian Marsch als vermißt gemeldet wurde. Die Be­fürchtung, daß er den Tod gefunden habe, hat sich glücklicher­weise nicht bestätigt. Nach einer telegraphischen Mitteilung des Internationalen Roten Kreuzes an seine Vorgesetzte Dienst­stelle, befindet er sich vielmehr in englischer Gefangenschaft. Wir freuen uns mit den Angehörigen, daß der schwere Kummer, den ihnen das ungewisse Schicksal ihres Sohnes bereitete, nun von ihnen genommen ist.

KlSmische rMndev km Vezkvk Nagold

Ein Sonderzug mit Flamenkindern traf in diesen Tagen in Württemberg-Baden ein. 733 Kinder, geschmückt mit Fähnchen des flandrischen Löwen, enthielt er, von denen eine stattliche Anzahl in unserer Gegend untergebracht wurde. DieDeflag". die Deutsch-flämische Arbeitsgemeinschaft, organisierte die Fahrt Trotzdem die flämischen Jungen und Mädel, die größtenteils nur flämisch sprechen, aber auch etwas deutsch verstehen, eine lange Reise hinter sich hatten, ssähen sie verhältnismäßig frisch und munter aus. Die meisten von ihnen haben bis jetzt nicht viel mehr gesehen als ihre eigene Heimatstadt und kamen zum zum ersten Male über die belgischen Erenzpfähle hinaus. Als sie im Aachener Hauptbahnhof Aufenthalt hatten, staunten sie nicht wenig, denn da gab es weiße Brötchen zum Frühstücks- kafsee, und weiße, rösche Semmeln hatten sie in ihrem Leben noch nie gesehen, geschweige denn gegessen! Als man sie fragte, woher sie kämen, gaben sie zur AntwortAus Belgien", und als man dann seiner Verwunderung Ausdruck gab, daß sie ja deutsch sprechen, meinten einige von den Mädeln zaghaft und in gebrochenem Deutsch, sie verstünden trotzdem deutsch. Bei man­chen von ihnen hapert es aber doch noch sehr mit der Sprache, und deshalb werden sie sprachlich betreut. Wenn sie ihre vier Wochen bei uns zugebracht haben, werden sie sich so gut bei uns eingelebt und vor allen Dingen so gut erholt haben, daß sie das schöne Schwabenland so schnell nicht wieder vergessen werden.

vom VfL. Nagold

Der größte Teil unserer VfL.-Soldaten ist im Osten eingesetzt. Leider sind auch Verluste nicht ausgeblieben. Wir werden diese treuen und jederzeit einsatzbereiten Aktiven in bestem Anden­ken bewahren. Otto Schuon und Eugen Statt ele liegen verwundet im Lazarett. Wir wünschen ihnen baldige Genesung. Die Sommertätigkeit geht ihrem Ende entgegen. Nächsten Sonntag werden einige Jungen den VfL. bei dem Bezirks­sporttag in Calmbach vertreten. Wir wünschen ihnen guten Erfolg. Unsere Korbballmannschaft hat, wie bereits berichtet, bei den Bereichsmeisterschaften in Stuttgart den 3. Preis er­kämpft. Am morgigen Samstag findet eine Monatsver- fammlung im Stern statt, zu der herzlich eingeladen wird.

Zwischen Lebe«» «ud Tod"

Italienischer Spitzenfilm Vittorio Mussolinis

Der aus dem Fronterlebnis geborene Fliegergeist lebt in die­sem Film weiter. Der Sohn des Duce, Vittorio Mussolini, hatte als führender italienischer Filmmann die Leitung. Große Teile der italienischen Luftwaffe wurden zur Verfügung gestellt, die Kampfaufnahmen sind zum Teil Originalaufnahmen aus dem Abesstnienfeldzug.^ Die dramatischen Stationen im Leben des Piloten Serra sind Höhepunkte dieses Films, die jeden fesseln: Das Zerbrechen der Ehe Serras und die Rückkehr seiner Frau m ihr Vaterhaus der heimliche Abschied des Vaters von leinem geliebten kleinen Sohn Broterwerb durch Sensa­tionsflüge in Südamerika nächtlicher Start zu einem aus­sichtslosen Ozeanflug. Zu starker Ergriffenheit aber steigert sich die Anteilnahme, wenn der Vater nach vielen Jahren in Abes­sinien seinen als Aufklärungsflieger verwundeten Sohn wieder­findet, ihn unter Einsatz seines eigenen Lebens vor dem Ver­bluten rettet und dabei den Heldentod findet. Der hohe Stand

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der italienischen Luftwaffe wird in Bildern von Uebungs- fliigen der italienischen Luftsahrtakademie geschildert. Drama­tisch aber ist der Ueberfall auf einen -italienischen Militär­transport auf der Djibutibahn durch abessinische Banden, die wechselvolle Schlacht, die sich daraus entwickelt, und das Ein­greifen einer Bomberstaffel, die durch Tiefangriff die Ent­scheidung des für die Italiener schon fast aussichtslosen Kamp­fes herbeifllhrt.

Swwkevksketten beim Ginmathen?

Versuchen Sie es doch einmal mit Essig in Steingut

Es ist in diesem Jahr nicht zu vermeiden, daß die Obst- und Gemüsemengen nicht immer so reichlich vorhanden sind, daß es sich lohnt, Vorräte für den Winter auf die gewohnte Weise einzumachen. In vielen Familien fehlt auch trotz der Sonder­zuteilung und trotz der Umtauschmöglichkeiten der Brotmarken der nötige Zucker. In Großmutters Zeiten wurden viel mehr Steinguttöpfe zum Einmachen verwendet als jetzt. Als Konser­vierungsmittel diente Essig. Warum sollte das nicht auch heute gehen? Wer keine Steinguttöpfe hat, kann sie sich jederzeit ver­schaffen, denn sie werden in ausreichender Zahl hergestellt. Wir können auch kleinere Mengen auf diese Weise einmachen, denn den Essigtops brauchen wir nicht auf einmal zu füllen, sondern können mehrmals das gleiche Einmachgut dazu tun, bis schließ­lich ein großer Topf voll ist Zucker brauchen wir nur wenig, unü auch Feuerung können wir sparen.

Pflaumenmus, Pfirsiche, Birnen, Tomaten, viele Gemüsesorten, u. a. auch Pfifferlinge können wir in Essig einmachen. Die ursprünglichen Geschmacks- und Nährstoffe bleiben dabei er­halten, so daß wir in den Wintermonaten unseren Speisezettel abwechslungsreich gestalten können.

Bei unserem Lebensmittelhändler können wir kostenlos ein vom Reichsausschuß für Volkswirtschaftliche Aufklärung, Berlin, herausgegebenes MerkblattHäusliche Vorratswirtschaft mit Essig in Steingut" bekommen, in dem wir eine Reihe guter Rezepte finden und das uns genaue Anweisungen gibt, wie wir einenSauertopf" richtig Herstellen.

Fürs Vaterland gefallen

Katterbach. Gefreiter Erwin Bacher, Schreiner, hat am l. August bei den Kämpfen um Kiew sein Leben für Führer, Volk und Heimat geopfert. Während des Westfeldzuges im Vorjahr war es ihm noch vergönnt, das Grab seines vor 26 Jahren im gleichen Alter gefallenen Vaters aufzusuchen. Nun ruht er selber, weit von daheim, in fremder Erde. In den Herzen der Heimat aber wird er weiterleben, so wie er immer sich gab: als lebensfroher, heiterer und aufrichtiger Mensch. Ehre sei seinem Gedenken! Die herzlichste Anteilnahme der gan­zen Gemeinde an dem bitter-schweren Geschick wendet sich der jungen Frau mit ihren beiden Kindern zu.

Lebte Nachvtchte«

Das Eichenlaub zum Ritterkreuz für 2 hervorragende Jagdflieger

DNB. Berlin, 11. August. Der Führer und Oberste Be­fehlshaber verlieh dem Leutnant Bär in einem Jagdgeschwa­der aus Anlaß seines KV. Lustsieges und dem Hauptmann

Sowjetmajor sagt aus

Geständnis eines Hoffnungslosen Von Kriegsberichter Martin Rebhan

DRV_, 11. Aug. (PK.) Mit verschränkten Armen steht vor

uns Major K., Kommandeur eines Artillerieregiments, den am 1. August die Jäger einer Gebirgsdivision gefangen nahmen. Ein Schimmer der Freude huscht über sein fahles Gesicht, als wir ihm Zigaretten reichten. Während er erzählt, müssen wir immer wieder in das nachdenkliche Soldatenantlitz sehen. Es hat etwas ausgesprochen Unbolschewistisches an sich.

Im Beisein der Mitgefangenen Offiziere macht er seine An­gaben. Er sei verheiratet und habe drei Kinder, sagt er.Mein Vater war ein deutscher Mufiklehrer im zaristischen Rußland. Ich habe ihn nicht gekannt und trage den Namen der Mutter. Als ich die Realschule absolviert hatte, war Revolution im Lande. Ich kämpfte erst auf den Seiten der Bolschewisten. Dann ging ich zur weißrussischen Armee über. Und doch landete ich nach dem Sieg Lenins wieder im bolschewistischen Lager. Ich war damals, als ich mich entschloß, in die Sowjetarmee einzutreten, gerade neunzehn Jahre alt."

Der Kommandeur sieht sich nach den Mitgefangenen um. Dann sagt er plötzlich in gebrochenem Deutsch:Geht es nicht, daß wir unter vier Augen sprechen?" Als wir allein sind, atmet er auf. Wir fragen ihn, wie es ihm seit Ausbruch des Krieges ergangen sei. Da berichtet er:Wir waren uns alle darüber einig, daß es eines Tages zum Kriege mit Deutschland kommen werde. Ent­weder würden wir angreifen oder die Deutschen.

Am 21. Juni gegen 23 Uhr bekam ich den Befehl, meinen Ver­teidigungsabschnitt in Sambor an der ungarischen Grenze zu beziehen. Mein Bezirk, den ich auf breiter Front zu halten hatte, lag etwa 60 Kilometer von der Grenze entfernt. Vom militäri­schen Standpunkt aus war dieser Aufmarsch unzweckmäßig an­gelegt. Wie ich es vorausgesehen hatte, so kam es. Wir mußten uns zurllckziehen. Ich hatte 36 schwere Geschütze. Davon muhte ich in der Folgezeit allein 25 zurücklassen, weil die Traktoren aus- setzten. Sie waren vorher schon sehr vernachlässigt worden und mußten jeweils nach 100 Fahrtstunden nachgezogen werden. Außerdem fehlte es völlig an Ersatzteilen. Den anderen Regi­mentern erging es noch schlimmer. Einige brachten von ihrem ganzen Bestand nur mehr zwei bis drei Geschütze zurück.

Ich sollte deswegen vor ein Militärgericht kommen. Vor wenigen Tagen erschien in meinem Eefechtsstand der Politisch« Kommissar Liffschitz ein Jude übrigens und setzte mich all. Er sagte, ich sei mit sofortiger Wirkung zum Artilleriekomman­deur des 21. Mot. Korps versetzt. Auf dem Wege zur neuen Einheit geriet ich dann in Gefangenschaft."

Ueber seine Erfahrungen bei der Sowjetarmee befragt, ant­wortete Major K.: Die Armee Stalins sei ein un- brauchbaresJnfirument. Dies sei vor allem auf die bol­schewistischen Erziehungsmethoden zuriickzusühren.Die Erziehung der letzten 23 Jahre hat allgemein schwer geschadet. Man trug wesensfremde Gefühle in das Volk, die es nie verstehen konnte. Die Menschen stumpften unter Einwirkung der sowjetischen Agi­tation derart ab, daß es heute einen wirklichen russischen Patrio-

Hahn, Kommandeur einer Jagdgruppe, aus Anlaß seines 12. Luftsieges als 31. und 32. Ossizier der Deutschen Wehrmacht das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

Im Alleingang sieben Sowjetbomber abgeschosse».

Hervorragende Leistung eines deutschen Jagdfliegers

DNB. Berlin, 15. August. Am 12. August zeichnete sich der Oberfeldwebel W. eines Jagdgeschwaders durch besondere Tapferkeit aus, indem er im Alleingang mit seinem Jagdflug­zeug sieben Martinbomber der Sowjets abschoß.

Erfolge der deutschen Luftwaffe im Mittelmeer

Berlin, 15. August. Am 8.. 8., 18., 11. und 12. August bombardierte die Deutsche Luftwaffe mit großem Erfolg Port Said, Suez und den Suez-Kanal und versetzte den Briten bzw. ihren Stützpunkten im östlichen Mittelmeer schwere Schläge.

Die Kämpfe im ungarischen Abschnitt

DNB. Budapest, 15. August. MTJ. meldet von der Ost­srout: Die im Zusammenwirken mit den deutschen Verbänden vordringenden ungarischen Truppen sind mit dem Feind, der sich unter dem zunehmenden Druck und infolge der in der Süd­westukraine eingetretenen Kriegslage verzweifelt verteidig^ wiederum in engere Berührung gekommen. Die Fliegertätigkeit des Feindes zur Unterstützung seiner Erdtruppen ist auch ««ge­wöhnlich lebhaft geworden. Die Kriegsoperationen gehen trotz­dem planmäßig vor sich.

Die ungarische Luftwaffe hat erneut Brücken, Eisenbahn­linien, sowie einen wichtigen Bahnhof auf den Riickzugsstraße« der Bolschewrke« erfolgreich mit Bomben belegt. Im Luftkampf wurden acht, durch die ungarische Flak ein sowjetisches Flug­zeug vom Muster Rata abgeschossen. Eines unserer Jagdflug­zeuge ist zu seinem Stützpunkt nicht zuriickgckehrt.

Tages- und Nachtangriffe auf Sowjet-Bahnhöfe, Bahnanlagen und Züge

DNB. Berlin, 15. August. Verbände der deutschen Luft­waffe unternahmen am Mittwoch, den 13. August, starke An­griffe gegen wichtige Bahnhöfe, Bahnanlagen und sowjetisch« Transportzüge. Hauptangrifssziele der deutschen Luftwaffe waren Bahnhöfe im Raume Orel. In der Nacht zum Donnerstag, den 11. August, wurde« Bahnanlagen und Depots, sowie haltende Eisenbahnzüge mit Bomben und Bordwaffen angegriffen und vernichtet. Der Schaden, den die Sowjets erlitten, ist sehr erheblich.

Das Schwarze Meer erreicht!

DNB. . . ., 11. Aug. (PK.) Deutsche Truppen haben von Norden nach Süden vorstoßend, die Küste des Schwarzen Meeres erreicht. Als die deutschen und die mit uns verbündeten Trup­pen zum Angriff autraten, da zeigten sich gleich die besonders großen Hindernisse. Da find zuerst die großen Flüsse, die von Norden nach Süden fließend quer zur Angrisfsrichtung liegen. Pruth, Dnjestr, Bug und Dnjepr sind Ströme von einer außer­ordentlichen Breite und Tiefe, die sich besonders an den Mün­dungen, in denLimanen", aus mehrere Klm. Breite aus­dehnen. Die ziemlich hohen Userränder erinnern uns daran, daß diese Flüsse durch das fruchtbare Gebiet der Ukraine führen. Dieser fruchtbare humose Boden des Gebietes derSchwarzen Erde" ist sofett", daß er besonders bei Regen überall kleben bleibt. Der Regen verwandelt Straßen und Felder in Flächen, die mit einem zähen Brei ausgesüllt sind. Dadurch, daß alles klebt, ist immer, bei jedem Schritt, bei jeder Umdrehung eine besondere Krastanstrengung notwendig, um loszukommen.

tismus überhaupt nicht mehr gibt. Das hängt", so fährt er wört­lich fort,mit der blödsinnigen Art der Auswahl der Lehrkräfte, der Lehrbücher und aller kulturellen Erziehungsmittel zusammen. Es gibt im ganzen Sowjetstaat nirgends eine gute Schule."

Besonders unheilvoll wirkt sich nach den Aussagen des Offi­ziers die Tätigkeit der NKWD (Karodny Kommissariat Wnnt« wennich Del Volkskommissariat für innere An­gelegenheiten) aus. In jedem Regiment befinde sich eia Beauftragter der Politruk, der überall in den kleineren Ein­heiten seine Spitzel habe.Bei uns kann man denken, aber sagen darf man nichts. Ich bin schwer hereingefallen, als ich einmal Kritik an den haltlosen Zuständen in der Sowjetarme« übte. Meiner Meinung nach gibt es zwei Arten von Disziplin: Ent­weder man überzeugt den Soldaten oder man zwingt ihn. De« Mittelweg haben die Sowjets nie gefunden. Sie fielen von einem Extrem ins andere. Bis zum Finnlandfeldzng wurde der Dienst mit Ueberredung" gemacht. Das heißt nach der Methode: Genosse sei so gut..." Damit haben wir bei dem Feldzug in Finnland eine schwere Pleite erlitten. Sofort kam ein neues, völlig entgegengesetztes Reglement heraus. Nach Z 6 und 7 der neuen Dienstvorschrift war es den Vorgesetzten nunmehr ge­stattet, gegen ihre Untergebenen mit physischer Gewalt (!) vor­zugehen." ,

Wa s halten Sie von Stali n?" lautet unsere nächste Frage.Man muß Stalin verehren", sagt der Offizier mit einem bitteren Lächeln.Wenn man bei seinem Erscheinen dreimal nicht applaudiert, ist mit hundertprozentiger Gewißheit eine Anzeige bei der NKWD. zu erwarten. Kennen Sie Stalins Bild? Ich kann mir nicht vorstellen, daß hinter dieser niedrigen Stirn Geist wohnt. Seine Augen höchstens verraten so etwas wie Bauern­schläue. Der einzige gebildete Mensch in unserer Regierung ist meines Erachtens Molotow. Ich hörte seine Rede am 22. 2un: im Rundfunk. So aufgeregt habe ich ihn noch nie erlebt. Man ist in unseren Kreisen der Ansicht, daß er zu dieser Rede ge­zwungen wurde."

Wir geben unserer Verwunderung.darüber Ausdruck, daß ein gebildeter Offizier wie er nach 23jähriger Dienstzeit nicht weiter als bis zum Major avanciert sei, während es andere Genossen ohne besondere Bildung spielend zu höheren Kommandostellen gebracht hätten. Da antwortet er kalt und gleichsam unbeteiligt: Um in der UdSSR. Karriere zu machen, muß man entweder ein Kommunist sein oder einen krummen Rücken mache«. Men­schen mit einer eigenen Meinung seien wenig beliebt.

Etwa zu der Zeit, als die Konterrevolutionäre Tuchatschewski, Rykow und Jagoda erschossen wurden, wurde auch Major K. ver­haftet. Der Grund dafür war eine Aeußerung, die er gelegentlich einem Genossen gegenüber ausgesprochen hatte.Mit dieser Er­ziehung", so hatte ich ihm gesagt,kommen wir nicht weiter. Man muß den Soldaten nicht überreden, man muß ihm befehlen kön- nen." Das allein genügt« schou, um mich in» Untersuchungs­gefängnis zu bringen.

Am Schluß unserer Unterredung sagte 8er Kommandeur, es sei schwer für einen Soldaten, sagen zu müssen, daß er einen Sieg der bolschewistischen Armee nicht wünschen könne. Aber als Pa­triot hoffe er, daß nach dem Krige wieder einwirkliches Ruß­land" erstehe.