8. Seite Nr. ISS

Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter"

Donnerstag, den 1». Juli 1941

Er trifft hier Landsleute, die schon monatelang hier sitzen, ent­täuscht, verbittert, halb verhungert. Die ersten Tage gehen hin mit wütenden Protesten, mit Beschwerden. Er pocht auf die Ver­sprechungen des bolschewistischen Flugblattes. Grinsend holen ihn die bolschewistischen Wärter heraus und sperren ihn noch einige Zellen tiefer ins Dunkle, dorthin, wohin überhaupt kein Licht­strahl mehr dringt, lasten ihn zwei Tage ohne Essen, dann ist er mürbe. Einer der Wärter spricht etwas französisch, aus ihm holt er heraus, dag die Sowjets die französischen Gefangenen zum Ueberlaufen veranlassen, um sie dann einzusperren. Sie sollen nicht für Deutschland arbeiten.

Immer wieder werden einige der geflüchteten Franzosen ab­geholt. Ob zum Erschostemoerden oder zum Einsatz für die bol­schewistische Agitation in Frankreich, das weist er nicht, er nimmt an, daß mancher der Enttäuschten von den Sowjets erschossen wurde. Die Verpflegung ist furchtbar. Es gibt nur ein feuchtes, oft schimmeliges Brot, dazu Wassersuppe. Gerade so viel, um nicht zu verhungern.

Dann kommt der 21. Juni 1941. Kaum zwei Tage später, und die deutschen Truppen sind vor Kowno. Die Gefangenen werden von den Litauern befreit. Ein Teil flüchtet in die Wälder. Der Franzose aber bleibt auf dem Fort. Die ersten Deutschen kom­men. Er gibt sich ihnen sofort gefangen.Fliehen, nein", so sagt er,denn dann wäre ich ja doch erschossen worden. Und wenn ich auch aus der deutschen Gefangenschaft geflohen bin, lieber will ich von den Deutschen zur Arbeit eingesetzt werden, als Ge­fangener der Sowjets sein."

Er ist glücklich und glaubt wieder daran, seine Heimat Wieder­sehen zu können, wieder auf dem väterlichen Gut arbeiten zu können, wieder nach Frankreich zu kommen.

An der Stalin-Linie

375 WO Quadratkilometer im Osten besetzt

Die deutschen Truppen haben in den beiden ersten Wochen des Feldzuges nahezu alle Erwerbungen, die die Sowjetunion sich seit September 1939 angeeignet hatte, den Bolschewisten wieder abgenommen. Das sind die Westukraine und Weiß-Westruthenien, die früher zu Polen gehörten, die ehemaligen Länder Lettland und Litauen und im Süden Bestarabien und die Nordbukowina, die früher rumänischer Besitz waren. Diese Gebiete umfassen ins­gesamt 378 009 Quadratkilometer. Wenn man sich vergegenwär­tigt, daß durch das Diktat von Versailles das Deutsche Reich im Jahre 1919 auf rund 469 000 Quadratkilometer zusammengedrückt worden war, so ergibt sich, daß die Gesamtfläche des jetzt erober­ten und besetzten Gebietes im Osten dieser Zahl bereits sehr nahe kommt.

Die deutsche Vorwärtsbewegung hat nunmehr durch ihre Spit­

zen die sogenannte Stalin-Linie auf breiter Front erreicht. Um so weit zu kommen, hatten die deutschen Truppen von der deutsch-sowjetischen Jnteressengrenze und der ostpreutzischen Grenze etwa 400 bis 450 Kilometer kämpfend und marschierend zurück- zulegen. Dieser ganze breite Streifen ist bereits in unserer Hand. Die Leistungen sind dabei zupr Teil noch größer als im Vorjahre beim Feldzug im Westen. Trotz ausgezeichneter Straßen haben damals unsere Truppen in ihrem unerhört schnellen und kühnen Siegeszug von der luxemburgischen Grenze bis nach Abbeville an der Kanalküste 21 Tage gebraucht, um rund 350 Kilometer Luftlinie zu überwinden. Daraus ergibt sich, in welchem beispiel­losem Tempo unsere Divisionen jetzt im Osten vorangekommen sind. Viele Infanteriedivisionen haben innerhalb der Zeit von vier bis fünf Tagen Strecken bis zu 300 Kilometer zurückgelegt. Das Ganze wurde in vierzehn Tagen geschafft.

. Die Stalinlinie wird in der Sowjetpresse und in der eng­lischen Presse mit den großen Vefestigungswerken in Frankreich verglichen, In Wirklichkeit kann sie sicher der Maginotlinie nicht an die Seite gestellt werden. Trotzdem ist natürlich damit zu rech­ne«, daß sie stark ausgebaut ist, nicht zuletzt auch als Feldbefesti­gung, Es ist ja bekannt, daß die Russen sich schon im Weltkrieg >.als Meister in Verteidigungsanlagen erwiesen haben, und man darf voraussetzen, daß auch die Bolschewisten unter Ausnutzung des Geländes die Befestigungen der Stalinlinie entsprechend an­gelegt haben. Die Sowjettruppen sind offensichtlich bestrebt, an dieser Linie einen neuen Verteidigungsversuch zu unternehmen. Zu diesem Zweck ziehen sie einerseits ihre in vorderer Linie stehen­den Verbände auf die Stalinlinie zurück, während gleichzeitig Re­serveformationen von rückwärts herantransportiert werden. Die zurückgehenden Truppen der vorderen Linie sind allerdings durch den deutschen Vorstoß geschlagen und zermürbt, und gegen die Transporte aus dem Hinterland sowie gegen das Verkehrsnetz der Stalinlinie hämmern jetzt bevorzugt die Angriffe der deut­schen Luftwaffe.

Es ist also damit zu rechnen, daß in der nächsten Zeit der Kampf um die Stalinlinie in den Vordergrund der Ereignisse im Osten treten wird. Man darf das Vertrauen haben, daß auch diese Widerstandslinie für die deutschen Truppen, die einst mit der viel stärkeren Maginorlinie fertig geworden sind, auf die Dauer kein unüberwindliches Hindernis bilden wird. Die operative Bedeutung dieser Kämpfe ist klar: Die Stalinlinie ist für den europäischen Bereich der Sowjetunion die letzte zusammenhän­gende und einigermaßen ausgebaute Widerstandslinie. Der Ge­winn dieser Stellung würde den deutschen Truppen weite Räume der inneren Teile der Sowjetunion freigeben, in denen sich eine große Zahl wichtiger Industriestädte und bedeutsame Verwal­tungsmittelpunkte befinden.

Erika hat rrmgelerul

Eine Geschichte von heute, erzählt von Walter Schäfer

NSK Klaus Timm war gründlich verstimmt. Und Erika tat, als sei ihr das völlig gleichgültig. Ihre Hände spielten achtlos mit dem Schläger, der auf ihren Knien lag; den Kopf hatte sie abgewandt und sah zum Platz hinüber, als gebe es im Augen­blick nichts Fesselnderes für sie als die Tatsache, daß der lange Balzer dort drüben 40:0 gegen den sommersprossigen Meyer führte.

Klaus musterte verstohlen das hübsche blonde Mädel, das in seinem weißen, eleganten Tenniskleid stumm im Liegestuhl lag. Entzückend, dachte er ärgerlich, einfach entzückend. Kein Wunder, daß man sich von Monat zu Monat mehr vergafft hat. Aber es geht nicht. Es geht auf keinen Fall. Erika war ein lieber, reizen­der Kerl; nur in dem einen Punkt brachte sie ihn jedesmal un­weigerlich auf den höchsten Baum. Und das konnte er nun mal nicht vertragen.

Plötzlich begegnete sein Blick den Augen des Mädchens.

Klaus", sagte sie,ich möchte, daß wir uns über diese Sache nicht mehr streiten. Du solltest begriffen haben, daß wir darin nun einmal nicht zueinander kommen. Politik, Volk, Nation, Gemeinschaft, das alles ist Männersache. Ich verstehe davon nichts. Und will nichts davon verstehen. Sprich also darüber nicht mehr zu mir. Der Gedanke, mein freies Ich irgendeinem Zwange unterordnen zu sollen, macht mich unfehlbar eigenwillig und widerspenstig. Ich trage die Verantwortung für mich und will tun und lassen, was mir gefällt. Vielleicht ist es klein, so zu denken; vielleicht ist deine Anschauung die größerö. Aber selbst auf diese Gefahr hin: behalte die deine, laß mir die meine!"

Klaus hätte nun widersprechen müssen. Er hätte sagen müssen: liebe Erika, wenn du mir völlig gleichgültig wärst, könnt« ich die Geschichte wohl so laufen lassen, wie du es wünscht. Da ich aber, dem Himmel sei's geklagt, hoffnungslos in dich verliebt bin, geht das nicht, weil ein Krach am laufenden Band der besten Ehe schadet. So ungefähr hätte Klaus sich auslassen müs­sen. Das ging aber auch wieder nicht an; denn eine Ehe setzt voraus, daß man sich heiratet. Und von dieser Absicht war nur er selbst bislang unterrichtet. Erika wäre zweifellos überrascht gewesen. Und außerdem pflegt man eine Werbung nicht in solcher Stimmung anzubringen, wie, sie in diesem Augenblick zwischen ihnen Leiden herrschte. Klaus überlegte. Und dann wurde er plötzlich ernst.

Ich weiß nicht, ob du jetzt manchmal in die Zeitung schaust, Erika. An dem politischen Himmel, von dem du nichts wissen willst, sieht es böse aus. Und wenn es wirklich ernst werden sollte, dann wirst auch du dich sehr rasch dazu bequemen müssen, deine Ansichten zu revidieren. Dann geht es nämlich um alles, ums Volk. Und dazu gehörst ja auch du."

Erika hielt sich die Leiden Ohren zu.Hör auf! Willst du mich dadurch überzeugen, daß du mir den schwarzen Mann zeigst?" Und plötzlich schoß ihr eine rote Welle ins Gesicht. Ihre Augen blitzten ihn zornig an.Meinst du nicht, daß du den Spaß ein wenig weit treibst?" .

Klaus nahm sich zusammen.Für mich ist das alles wahr­haftig kein Spaß", antwortete er mit kaum gedämpfter Schärfe.

Mein Bedarf für heute ist gedeckt", gab Erika kurz zurück, und sie erhob sich rasch.Ich fahre heim." -

Klaus hielt ihr den Mantel und schritt schweigend neben ihr zum Ausgang des Platzes. Da stand der blitzblanke kleine Wa­gen, den der vermögende alte Schellhorn seiner Tochter vor einem Jahre geschenkt hatte.

Fährst du mit mir?" fragte Erika mit kühler Höflichkeit.

Vielen Dank. Ich möchte zu Fuß gehen. Ein paar Schritte werden mir guttun."

Wie du willst." Ein flüchtiger Händedruck, sie'stieg ein und war weg. Und Klaus schlenkerte los. Er war nun wirklich auf­gebracht. Daß es soviel Gleichgültigkeit bei einem sonst so ver­nünftigen Mädel wie Erika gab! Na schön, da hieß es nur ent­weder oder: Blieb Erika bei ihrem Standpunkt, dann würde er sich zurückziehen, dann war alles ein großer Irrtum. Wurde sie aber vernünftig, dann war alles gut. Vielleicht hatte sie noch immer nicht gespürt, wie ernst ihm diese Dinge waren. Aber nun sollte sie es merken, sollte Zeit zum lleberlegen haben. Eine ganze Weile jedenfalls würde er sich nicht melden. Mochte sie kck indes über alles gründlich klarwerden.^

Eigentlich hätte Klaus sich bei diesem Entschluß nun beruhigen können. Aber da war das Birkenwäldchen, durch das er eben schritt. Mutterseelenallein. Und gerade heut hatte er sich das anders gedacht. Mit Erika war er oft diesen stillen Weg ge­gangen. Wie nett war sie dann immer gewesen. Manchmal ein bißchen scheu, als ob sie die heimliche Spannung spürte, die auch in ihm war: die Erregung vor dem unausgesprochenen Wort, das irgendwie in der Luft lag. Na ja, bisher hatte er dieses Wort nicht sprechen können. Aber heut morgen war nun dieser Brief gekommen mit dem Amtssiegel darauf und der Bestallung als Regierungsbaumeister bei der Reichsbahn. Da hätte der Weg durch das Birkenwäldchen anders aussehen können, wenn die dumme Geschichte nicht gekommen wäre.

Schwamm drüber und abwarten!

Klaus wartete. Auch Erika wartete. Einmal sah er sie in der Innenstadt. Sie saß in ihrem Wagen und mußte eben vor seiner Kreuzung mitten auf dem Fahrweg halten. Klaus grüßte. Etwas förmlicher, als er beabsichtigt hatte. Erika dankte prompt ms fünfzehn Kältegrade kühler.

Na schön, dachte Klaus. Warten wir noch ein wenig länger.

Das Warten wurde zu einem stummen Duell. Erika hatte in­zwischen durchaus begriffen, daß ihr Schuldanteil an der Ver­stimmung wohl der größere war. Im Grunde hatte sie nämlich einen gewaltigen Respekt vor Klaus. Sie hatte längst heraus, daß hinter all seinem Humor ein tiefer, gesammelter Ernst steckte. Aber so was gab man natürlich nicht zu. Daß sie ihn außerdem schrecklich lieb hatte, ging ihn vorläufig wenigstens gar nichts an. Er war der Mann; er hätte es ihr schließlich ein wenig leichter machen können. Aber er war ein Dickkopf. Mochte er also warten, bis er graue Haare bekam.

Als dies Warten einen vollen Monat gewährt hatte, war durch das stumme Anklagen und Rechtfertigen auf beiden Seiten aus der Verstimmung ein böses, ernsthaftes Zerwürfnis gewor­den. Er hat es zu weit getrieben, dachte Erika; er will nicht mehr. Und Klaus überlegte: sie mutz doch gemerkt haben, daß sie mich verletzt hat; und wenn sie auch nicht reumütig zu mir z» kommen brauchte, so hätte sich wohl ein Weg finden lassen, der mir ihre Selbstbesinnung angedeutet hätte. Also aus! Und dann kam der Krieg. Klaus lag mit seiner Kompanie im Rhein­land. Unter seinen Männern waren viele aus der Heimat. Der drahtigste war der Unteroffizier Bode. Ein prächtiger Bursche, jung verheiratet, immer auf Touren.

Das Warten war eine scheußliche Sache: die andern mar­schieren in Polen, und sie lagen hier. Da half vor allem die Post aus der Heimat. Aber die Briefe, die Klaus so gern gehabt hätte, waren nicht dabei. Es war damals im September alles so schnell gegangen. Er hatte kurz überlegt: soll ich mich noch bei ihr mel­den? Wenigstens telephonisch Abschied nehmen? Aber nein. Nun war der Krieg da. Wenn etwas sie zur Besinnung bringen konnte, so mußte das diese kommende Zeit sein. So war er gruß­los gegangen.

Dann endlich kam der Mai. Und es kam der große Tag für Klaus und seine Männer; sie erzwangen als erste in ihrem Ab­schnitt den llebergang über die Maas. Ueber ihnen, um sie her dröhnte, heulte, raste die Luft. Als Klaus ans andere Ufer sprang, war der Unteroffizier Bode neben ihm. Sie klebten an der Böschung, die Nase im Dreck. Und dann weiter, weiter. Es gab kein Halten mehr. Mechanisch arbeiteten die Hände, mit ra­sender Schnelle die Gedanken. Und der Bode immer dicht bei ihm. Achtung, Herr Leutnant, da rechts vorn!" brüllte er.Runter!" Dann ein Zeichen, der eine nach rechts, der andere nach links. Geballte Ladung. So, da sind sie ja. Bode zählte und gluckste vor Vergnügen. Und nun war auch die Kompanie heran. Ab nach hinten mit den Poilus. Und weiter!

Vierzehn Tage später stand der Leutnant Klaus Timm vor der Front, und der Unteroffizier Bode wieder neben ihm. Und bei­den wurde das Eiserne Kreuz erster Klasse an die Brust geheftet.

Als abermals sechs Wochen vergangen waren, fuhr Klaus aus Urlaub. Am zweiten Tage dieses Urlaubs ging er durchs Birken- wäldchen. Warum eigentlich, Klaus? fragte er sich streng. Das geht dich gar nichts an, Klaus, frag nicht so dämlich! war die Antwort.

Nachher marschierte er wieder durch die Stadt. Da stolzierte vor ihm ein Dreikäsehoch her, im Stahlhelm, das zu lange Holz­schwert an der Seite. Hart am Fahrdamm trippelte er hin. Wirst ihn mal da wegholen, dachte Klaus. Wenn er fällt, und es kommt gerade ein Wagen...

Da fiel er schon über den armlangen Säbel, und Klaus sprang zu. Als er den Knirps hochgerissen hatte, knirschten einen Meter vor ihm grell die Bremsen eines kleinen Lieferwagens.

Das konnte schief gehen, dachte er, indem er den Kleinen behut­sam wieder auf die Beine stellte.

Hat er sich was getan?" fragte da neben ihm eine erregte Frauenstimme. Erika!

Als er sich aufrichtete, sah sie ihm ins Gesicht und wurde ab­wechselnd blaß und rot. Auch er suchte nach einem Wort, und am passendsten dünkte ihn die Frage:Wo kommst du denn her?"

Sie wies auf den Wagen.

Wieso?"

Den fahre ich."

Im Lieferwagen? Seit wann denn das?" Er las die Auf­schrift. Möllenthin u. Co., Dampfbäckerei.

Entschuldige^ aber ich begreife nicht."

Sie war plötzlich furchtbar verlegen.Das ist eine lange Ge­schichte. Und ich habe wenig Zeit jetzt. Habe noch nicht alle Kun­den abgefahren und muß mich dranhalten. Aber" sie stockte, sah plötzlich das Kreuz an seiner Brust, blickte ihn dann mit selt­sam warmen Augen an und schien irgendeinen Entschluß zu fassen. Wenn du diese Geschichte hören willst, dann hole mich um 5 Uhr bei Möllenthin ab. Jetzt muß ich aber fort. Ueberleg es dir." Und schon sauste der Lieferwagen davon.

Klaus stand noch eine ganze Weile fassungslos. Dann nahm er sich zusammen. Ich kann den Leuten hier schließlich nicht stunden­lang mein dummes Gesicht Hinhalten, redete er sich zu Und marschierte dann abermals zwei volle Stunden lang durch das Birkenwäldchen, ohne dort die Erleuchtung zu finden.

Punkt fünf stand er vor dem Tor von Möllenthin. Männer und Frauen kamen heraus, schließlich auch Erika. Sie schritt auf ihn zu, und es wurde ihm recht sonderbar ums Herz, als ihre Augen ihn wieder so seltsam anstrahlten wie vorhin.

Plötzlich wandte sich Erika.Einen Augenblick noch, Klaus." Sie ging auf eine junge Frau zu, die eben von der Straße her zum Tor hineinwollte, wechselte mit ihr ein paar Worte und kam näher.Klaus, ich möchte dich rasch meiner Kollegin vor­stellen." Und Klaus, der nichts mehr begriff, hörte seinen Namen und dann den andern: Lene Pohl oder so ähnlich. Er sagte sogar einiges, ohne zu wissen, was. Und dann endlich ging er neben Erika her. Zum Birkenwäldchen.

Also, Erika, wenn du nicht willst, daß ich in längstens einer Viertelstunde verrückt bin, dann erzähle."

Erika sah sich um. Blieb plötzlich stehen, blickte ihm nur hin und wieder scheu in die Augen.Es war sehr häßlich von mir, damals. Obwohl ich es erst später eingesehen habe. Als der Krieg begann. Und als du" sie schluckte ein bißchenals du ohne ein Wort gegangen warst. Ich Hab' nicht gewagt, dir zu schreiben. Ich dachte, du wolltest es nun nicht mehr. Und als ich eingesehen hatte, wie recht du damit hattest du weißt schon mit der Gemeinschaft, dem Volk und so, da Hab' ich wenigstens wieder gutmachen wollen. Ich Hab' ja gesehen, wie schwer es andere Frauen hatten. Da Hab' ich mich geschämt. Und weil nun Män­ner fehlten, Hab' ich überlegt, wie ich helfen könnte. Wie ich was Nützliches machen könnte. Und weil ich doch eine gute Fahrerin bin, kam ich zu Möllenthin. Und fahre Backwaren aus" im­mer leiser wurde ihre Stimmetäglich von acht bis fünf."

Nun stand sie mit tief gesenktem Kopf vor ihm. Und sagte nichts mehr. Und Klaus sagte auch nichts. Dasür handelte er. Gründ­lich. Und wegen der Gründlichkeit dauerte die Geschichte im Bir­kenwäldchen eine ganze Weile. Schließlich hatten die beiden ja lange genug auf diesen Augenblick gewartet...

Die Männer der Kompanie guckten sich ihren Leutnant oft von ^er Seite an, als er zurückgekehrt war. Irgend etwas war mit ihm los. das sah doch ein Kater im Nebel, nicht wahr! Und im großen und ganzen wurde richtig getippt. Fachleute genug gibt's ja in der Kompanie. ,

Der Unteroffizier Bode war sehr vergnügt in diesen Tagen. Einmal, weil sein Leutnant vergnügt war; zum ändern, weil seine kleine Frau ihm einen Brief geschrieben hatte, in dem allerhand hübsche Dinge standen. Zum Beispiel, daß der Urlaub vor einem Vierteljahr nun schon so lange her sei und daß sie noch ein, zwei Monate arbeiten werde. Dann ginge es aber nicht mehr. Wegen der Windeln, die dann genäht werden müßten. Ihre Kollegin müßte die Arbeit dann schon allein machen. Ueber- haupt die Kollegin .... Bode las weiter und lachte hell auf. Da stand der Leutnant neben ihm.

Na, so vergnügt? Hat die kleine Frau was Nettes ge­schrieben?"

Und ob, Herr Leutnant." Bode beichtete.Was dann weiter kommt, ist ganz und gar die Lene. Mn» ich die Stelle vorlesen darf, Herr Leutnant?"

Bitte."

Von ihrer Kollegin schreibt hier meine Lene: Du weißt ja, ein bildhübsches Mädel, und trotzdem keinen Mann. Wir haben uns manchmal den Kopf zerbrochen. Nun aber scheint'? bei ihr auch soweit zu sein. Wurde neulich abgeholt von einem Leutnant. EK. I wie du, mein Emil. Hättest die Kulleraugen sehen sollen, mit denen er sie reineweg auffraß, als sie mit ihm sprach. Sie ist nämlich ein feiner Kerl und macht ihren Dienst am Steuer so stramm, als wär's nie anders gewesen, als wäre sie nicht die Tochter vom reichen Schellhorn..."

Hier mußte nun der Unteroffizier seine Vorlesung unterbre­chen, weil dem Leutnant der Rauch seiner Zigarette in die Kehle geraten war. Das dauerte eine Weile, und dann sagte Klaus zu Bode:

Lassen Sie ruhig, Bode, de» Rest kenn' ich. Und grüßen Sie Ihre Frau schön von mir. Ja, wir kennen uns nämlich. Schreiben Sie einfach: Der Mann mit den Kulleraugen ließe grüßen. Dann weiß sie Bescheid."

Und dann klopfte der Leutnant seinem Unteroffizier auf die Schulter:Ja, ja, Bode, so'n dummes Gesicht Hab« ich auch schon mal gemacht. Nun dürfen Sie langsam zu sich kommen."

Und der Unteroffizier Bode kam zu sich und grinste breit. Für ein militärisches Grinse» war es weitem zu breit.