b. Seite — Nr. 157
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Dienstag, den 8. Juli 1911
wieder «ach neun Rächten ein Dach über den Kopf zu bekommen, einmal uns waschen zu können und ein paar Stunden Schlaf zu haben. Minsk aber ist ein rauchender Trümmerhaufen! Dennoch ist zu erkennen, wie es einst aussah. Man sieht in denkbar schroffstem Gegensatz die Ungetüme der Bauten der Kommunistischen Partei und daneben das namenlose Elend der Hütten der Bevölkerung. Aus Eisenbeton sind die staatlichen Gebäude, kalt, fürchterlich kalt im Material sowohl wie in der ganzen Gestaltung. Im Innern dieser Betonpaläste sind die Gänge, sind die Wände aller Räume mit Propagandaworten beschrieben, sind statistische Abbildungen zu sehen, schreit aus jeder Ecke, von jedem Flur das Lob des kommunistischen Gemeinwesens, schreit hinaus zu den jämmerlichen Bretterbuden derer, die den Nutzen davon haben sollten und nie nur ein Fünklein davon gewannen. Nun sehen wir in Wirklichkeit, was bisher nur aus Berichten zu uns drang. Eine Welt, die uns so fremde ist, dag wir erschauern.
In den Trümmern finden sich noch überall Heckenschützen. Es gibt eine schwere Arbeit, die Stadt einigermaßen zu säubern. Schon haben Bolschewiken ihre Uniformen weggeworfen und versehen sich plündernd mit Zivilkleidern. Schlimme Frauengeftalte«, die sich später als Flintenweiber aus Moskau offenbaren, helfen ihnen dabei. Ganz irrsinnig erscheint alles! Sowjet-Lastwagen erscheinen, als wir schon mehrere Stunden in der Stadt sind, und setzen Infanterie ab, die sich ausschwärmend breit macht — ein für sie hoffnungsloses Unternehmen. Und dann taucht gegen Abend, als wir schon etwas Ruhe vermuteten, mitten in der Stadt ein schwerer Sowjettanker auf und nähert sich, aus allen Rohren feuernd, dem vorübergehenden Eefechtsftand der Division. Doch unsere Pak ist ja da und erledigt ihn rasch. Aus dem Turm springen die brennenden Schützen heraus und wollen mit Maschinenpistolen weiterknallen. Ein paar wohlgezielte Schüsse von uns, und sie fallen.
Sowjets im Norden ohne Nachschub
Von Kriegsberichter Hans Winkel
DNB ..., 6. Juli. (PK) Langsam wird es im Norden der langen Front lebhafter. Wenn auch das Wetter immer noch keine Großangriffe erlaubt, so können doch erfolgreiche Einzel- und «Störaktionen unternommen werden. Diese werden dann auch von iWseren Kampfverbänden mit bestem Erfolg durchgeführt.
Asch der Bolschewist ist in den beiden vergangenen Tagen leb- tz«fter geworden. Mit einigen Kampfflugzeugen hat er versucht, Kirkenes zu bombardieren. In der Erkenntnis, daß dieser deutsche Stützpunkt in Nordnorwegen eine wertvolle Nachschub« Lasts üarstellt, konzentriert er seine Angriffe aus die schwarze Industriestadt am Varanger-Fjord. Bisher blieben allerdings alle Angriffe ohne Erfolg. Bomben, die im Hafen liegende Ziele treffen sollten, gingen wirkungslos vorbei ins Wasser, weil die Angreifer durch die rechtzeitig schießende Flak am gezielten Wurf gehindert wurden. Ein über dem Flugplatz von Kirkenes auftauchender sowjetischer Aufklärer wurde beim ersten Anflug von unseren Jägern erwischt und abgeschossen.
Während sich in Finnland planmäßig der Vormarsch der Truppen vollzieht, fliegen die deutschen Kampfmaschinen in das Feindgebiet ein und bringen Unruhe in den Aufmarsch. Endlose Kolonnen ziehen durch das weite Gebiet Finnlands, vorüber an großen und tiefen Seen und finsteren Felsen und Bergen, auf denen sich das erste Grün zeigt. Vorwärts geht es durch Sumpf und Steppe, die deutsche Heeresmaschinerie läuft wieder einem Uhrwerk gleich.
Wie vorauszusehen war, vollziehen sich auf der Erde die befohlenen Bewegungen in dem vorgesehenen Raum plangemäß, während in der Luft unsere Flugzeuge den Truppen voraus eile», um den Nachschub des Feindes zu stören und lebenswichtige Ziele zu bekämpfen. Wichtige Häfen wurden vom Eismeer durch einen sicheren Minengürtel abgeschlossen, der Eismeerkanal ebenfalls gesperrt. 2m Eismeer wurden die in Fjorden liegenden Handelsschiffe wirkungsvoll mit Bomben belegt. Truppenkolonnen mit Bordwaffen bekämpft. Luftalarm um Luftalarm hält die Sowjets in Bewegung. Wir lassen ihnen keine Ruhe mehr. Weiter im Süden fliegen unsere Stukas vor den finnischen Truppen her und bombardieren Befestigungen, um auch hier den Weg in die Weite des Feindeslandes freizumachen.
Schon fehlt den Bolschewisten der Nachschub. Unsere Ju 88- Staffeln griffen mit größtem Erfolg Eisenbahn und Nachschub- straßen wirkungsvoll an. Die Bahn wurde verschiedentlich nachhaltig zerstört, so daß für einige Wochen der gesamte Nachschub auf diesem Wege gesperrt sein wird. Die unterbrochene Verbindung nach dem Süden bedeutet daher einen entscheidenden Schlag gegen den Nachschub und die gesamte Kriegführung der Sowjets im Norden überhaupt.
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Vergleichskarten der Entfernungen im Osten und Westen
Das rechte Kartenbild zeigt die riesigen Raume, die das deutsche Heer in der ersten Wochen des Kampfes im Osten trotz l,ältesten feindlichen Widerstandes durchmessen hat. Ein vergleichender Blick nach dem Westen bringt uns dann zum Bewußtsein, was Entfernungen von 150, N>0 und 450 Kilometer bedeuten. (Heincke 2, Zander-M.)
Greuellalen in Rudki
Von Kriegsberichter H. W. Vlock
DNB__ 7. Juli. (PK) In dem kleinen Provinzstädtchen
Rudki zogen am Sonntagmittag nach kurzem Kampf die deutschen Truppen ein. Das Städtchen war wie ausgestorben. Nur einige alte Leute sah man hinter den verstaubten und geflickten Fensterscheiben hervorlugen. Als sie aber sahen, daß es wirklich Deutsche waren, die dort marschierten, kamen sie heraus aus ihren Häusern und Katen und winkten uns erst zaghaft, dann aber wie erlöst zu. In den Dörfern kurz vor Rudki hatten junge ukrainische Mädchen in ihren farbenprächtigen Nationalkostümen uns Blumen zugeworfen, Brot, Salz und Eier gereicht. Es war, als zöge «ne Armee der Befreiung ein.
Was haben diese Menschen in den letzten Tagen und Wochen alles erduldet! Als sich die bolschewistische Armee zum Ueberfall auf das nationalsozialistische Deutschland rüstete, wurden auch die Ukrainer unter die Waffen gerufen. Auch ein Professor der deutschen Sprache war unter ihnen. Bis zu dem Ausbruch des Krieges hatte man den Sechzigjährigen, der sich bei allen Einwohnern einer großen Beliebtheit erfreute, nicht anzutasten gewagt. Jetzt war der Augenblick gekommen, um au ihm und seinem Sohn, der auch schon Mitte der Dreißig war, die Wut gegen alles Ukrainische auszulassen. Mit ihm gleichzeitig wurden ungefähr 80 Ukrainer verhaftet. Der Jüngste war ein 14jähriger Junge. Am Morgen, bevor die Deutschen kamen, sollten diese „politischen" Gefangenen in ein anderes Gefängnis überführt werden. Kurz vor der Stadt fand man zuerst die Leiche des Deutsch-Professors, der ebenso wie sein Sohn durch Genickschuß „liquidiert" wurde. In einem Wäldchen unweit dieser Stelle stießen Einwohner auf den erschossenen 14jährigen Jungen, die Hände in den Boden gekrallt, mit noch in Todesangst aufgerissenen Augen. Wo die anderen geblieben sind, ist nicht festzustellen. Ein Einwohner von Rudki, der sich vor Angst wie alle männlichen Einwohner in den Kornfeldern versteckt gehalten hatte, hatte gesehen, daß einige Kilometer vor der Stadt nur etwa 20 Gefangene in dem Transport, der vorher ungefähr 80 Mann betragen hatte, sich befanden. Ueber das Schicksal der übrigen werden erst die nächsten Tage Gewißheit bringen, wenn die um
liegenden Wälder und Felder von den Mitgliedern der ukrainischen Organisation systematisch abgesucht werden könne«.
Meine Nachrichten aus aller Wett
Der Kreistag München der NSDAP., der seit mehreren Tagen in der Hauptstadt der Bewegung abgehalten wurde, erreichte am Sonntag seinen Höhepunkt und Abschluß mit einer Massenkundgebung, wobei Reichsorganisationsleiter Dr. Ley sprach. Seine Rede war eine vernichtende Anklage gegen das jüdische Verbrechersystem des Bolschewismus, dessen Orgien der Vertiertheit in ihrem ganzen Schrecken unsere Soldaten eben erst aufdeckten.
Deutsch-bulgarischer Jugendaustausch. 120 Mitglieder der bulgarischen Organisation der Staatsjugend Brannik j Kämpfer) begeben sich in diesen Tagen nach Deutschland, um auf Einladung der Hitlerjugend verschiedene Lager zu besuchen. Eine gleich starke Gruppe der deutschen Hitlerjugend wird zur gleichen Zeit in Bulgarien East des Vran- nik sein.
Halifax konunt nach London. Wie der Londoner Nachrichtendienst berichtet, wird Lord Halifax, Englands Botschafter in Washington, in einigen Wochen nach London zurückkehren, angeblich zu Besprechungen mit den Mitgliedern des Kabinetts.
Frerwilligen-Meldungen in Kroatien. Die Anmeldungen von Freiwilligen für den Kampf gegen den bolschewistischen Weltseind übersteigen in ihrem Ausmaß alle Erwartungen. Besonders zahlreich sind die Anmeldungen in Bosnien und in der Herzegowina, wo die Wehrergänzungskommandos förmlich belagert werden. Auch in Agram haben fick innerhalb der ersten 24 Stunden tausend Mann gemeldet.
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Pankraz kommt aber seitdem jede Woche ein paarmal auf den Kollerhof. Und es ist merkwürdig, immer mehr erschließt er sich dieser großen, starken Frau, die sein Vater einmal geliebt. Zu ihr kommt er in all seinen Sorgen, die der große Betrieb mit sich bringt, ihr vertraut er sich an, und sie steht ihm bei mit Rat und Tat.
„Warum läufst du denn immer noch hinauf, wenn sie es doch nicht dulden will, daß die Vevi Sägmüllerin wird", fragt ihn seine Mutter einmal.
„Das verstehst du net, Mutter", antwortet er. „Das Kommen hat sie mir ja net verwehrt und — vielleicht wird doch noch etwas draus."
Er hält sich fest an das der Monika gegebene Wort. Niemals wird seine Mutter erfahren, was einmal zwischen seinem Vater und der Kollerin gewesen ist.
Anders ist es bei der Vevi. In ihrem ersten Schmerz vertraut sie sich einem an, vor dem sie eigentlich nie ein Geheimnis hat. Und obwohl Michael auch nicht viel anzufangen weiß mit dem leidzerwühlten Madl, so erwacht doch die Hoffnung wieder in ihm, daß jetzt noch alles gut werden kann für ihn. Denn wo Vertrauen ist, da kann auch einmal Liebe werden. Nur warten muß ich noch ein wenig, sagt er sich.
Eines Abends aber treffen sie sich oben beim Kornacker. Michael hat am Nachmittag seinen Janker liegengelassen und den hat er sich nun geholt. Da begegnet ihm die Vevi, die aus dem Wald kommt, wo sie Zinnkraut geholt hat. Weil das nun aussieht, als wenn er auf sie gewartet hätte, sagt er wie zur Entschuldigung:
„Meinen Janker Hab ich mir geholt, weißt."
„Ich Hab ihn schon liegen sehn, wie ich rauf bin, und Mt ihn jetzt mit heimgenommen", antwortet sie und setzt sich
auf einen Baumstock. „Setz dich halt auch ein bissl her", fordert sie ihn auf. „Versäumen tun wir ja doch nix mehr heut."
Nein, zu versäumen ist nix mehr heut, denkt Michael. Aber vielleicht könnte etwas begonnen werden zu dieser späten Abendstunde. Doch vorerst findet er kein rechtes Wort. Es ist alles so still und feierlich; das Roggenfeld mit den" gesenkten Ähren, dahinter die stattliche Reihe der aufgestellten Garben, die heute geschnitten wurden. Alle Dinge werden schon von der Dämmerung umwoben, doch dann verblassen alle Schatten wieder, denn hinter den östlichen Bergen hebt sich die volle Scheibe des Mondes herauf und es sieht alles noch feierlicher aus.
So sitzen sie eine lange Weile, sehen zu, wie der Mond alle Schatten freundlich verklärt und in ein silbernes Zickzack verwandelt, und unterhalten sich über meist unwichtige Dinge. Dann gehen sie am Rande des Kornfeldes entlang. Manchmal bleibt Vevi stehen und greift in die silbernen Halme hinein, um eine Mohnblume herauszureißen, bis sie einen festen Strauß davon hat.
„Hast keine Schnur da, Michl, daß ich den Strauß zusammenbinden könnt?" fragt sie.
Er kramt in seinen Taschen, findet ein Stück Schnur, und dann binden sie gemeinsam den Strauß. Schön ist das Spiel ihrer Hände, die ganz weiß sind im Licht des Mondes, der nun hoch über dem Felde steht. Kühl weht der Wind vom Berge herunter und raschelt im Korn.
Der Strauß wäre nun gebunden und man könnte ja nun wieder weitergehen. Michael aber bleibt stehen und fragt:
„Wie ist jetzt das, Vevi — ich mein, ob du jetzt schon ganz drüber weggekommen bist über die unselige G'schicht."
„Ja, Michl. da bin ich jetzt drüber weg", antwortet sie froh. „Die erste Zeit war es freilich schwer, aber jetzt denk ich gar nimmer dran."
„Na also. Und es wird sich schon wieder ein anderer finden, der wo dich gern hat." ^
Vevi lacht herzhaft auf.
„Ehrlich g'fagt, Michl, mir ist gar net drum. Ich kann es leicht erwarten. Und wenn keiner kommt, macht es auch nix. Ledig gestorben, ist auch net verdorben."
„Freilich, das wohl", nickt er und fühlt, wie sein ganzer Mut wieder zu schwinden beginnt.
„Wie ist denn das eigentlich mit dir, Michl?" fragt sie ihn. „Weil wir doch schon bei dem.Thema sind — hast du noch nie ein Mädl gern g'habt?"
An seinen Schläfen spannen sich die Muskeln. Er kann plötzlich ihren kindlichen, fragenden Blick nicht mehr ertragen.
„Doch, eine Hab ich gern g'habt", sagt er mit abgewandtem Gesicht. „Aber sie hat es net gemerkt."
„Geh, das gibts doch gar net", wundert sich Vevi. „So was merkt man doch gleich. Hast denn du nix g'sagt zu ihr?"
„Nein! Das heißt — einmal wollt ich reden mit ihr, dann bin ich nimmer dazukommen."
„Und jetzt kannst es ihr nimmer sagen?"
„Jetzt ging es amend schon wieder, aber ich wart lieber noch ein bissl."
„Bis dir ein anderer vorkommt."
„Nein, jetzt paß ich schon besser auf."
Er schaut sie dabei fest an. Wenn sie nicht gar so ahnungslos wäre, hätte ihr dieser Blick vieles sagen müssen. So aber meint sie: „Gehn wir wieder." Im Weiterschreiten fragt sie dann:
„Hast sie arg gern gehabt, Michl?"
„Das kann ich gar net sagen wie. Und ich Hab sie heut noch genau so gern."
„Wie heißt sie denn? Weißt, Michl, gar so falsch brauchst auch net sein mit mir. Ich Hab dir damals, als es mit dem Pankraz angegangen ist, auch alles anoertraut."
„Damals, ja —" sagt er und blickt scharf vor sich auf den Weg hin.
„Sag mirs halt, wie sie heißt."
„Rat halt einmal."
„Mein Gott, es gibt doch so viele Namen. Wie soll ich denn das erraten?"
„Für mich gibt es bloß den einen Namen", sagt er und dabei schaut er sie wieder so sonderbar an. Weil sie sich aber schon dem Haus nähern, findet Vevi keine Zeit mehr, weiterzufragen.
(Fortsetzung fÄgy