8. Seite - Nr. 15»
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Mittwoch, den 2. Juli 1S41
Krieg und Raum
Im „V. V." behandelt Dr. W. Koppen dieses interessante Thema und schreibt u, a.:
Den Untergang der großen Armee Napoleons im russischen Winter von 1812 ist gewiß eines der einprägsamsten Bilder der Geschichte. Will man aber daraus Lehren für heute ableiten, so muß weniger das absolute Geschehen gewertet werden, sondern man mutz die besonderen Umstände prüfen, die zu dieser Katastrophe führten. Daß der Korse damals eine Streitmacht von 600 ÜOO Mann nach Osten in Marsch setzte, bedeutete keineswegs den Höhepunkt der Machtentfaltung in seinen Kriegen. Dieses Heer bestand nur zur Hälfte aus Franzosen, zur anderen aus Hilfstruppen der Rheinbundstaaten, Preußens, Oesterreichs und der italienischen Vasallen. Der Krieg in Spanien und das Kampsjahr 1809 hatten die Kerntruppen der kaiserlichen Armee furchtbar gelichtet. Es kam hinzu, daß die organisatorische Vorbereitung dieses gewaltigen Unternehmens mangelhaft war. Die polnische Etappe war ungenügend ausgerüstet, der Fuhrpark den besonderen Anforderungen nicht gewachsen, die ein straßenloses Ostland stellte. Auch wird oft vergessen, daß die Stoßgruppe der großen Armee, die unter Deckung durch die Flankengruppen im Baltikum und in Galizien gegen Moskau vorging, durch mörderische Schlachten und andere Reibungsverluste schon auf die Hälfte vermindert war, als sie ihr Ziel erreichte.
Keinesfalls läßt sich aus diesem Feldzug eine allgemein gültige Legende ableiten, die der Abwehrkraft des russi. sche.n Raumes eine geradezu mystische Bedeutung beimißt. Auch der Verlauf der Operationen im Weltkrieg stützt diese Vermutung nicht. Sie waren niemals auf eine Okkupation Rußlands gerichtet, zumal die Mittelmächte dort ja nur einen Teil ihrer Streitkräfte gegen die starke Zarenmacht einsetzen konnten. Sie standen im Zeichen einer Zermürbungstaktik, dieje nach der Lage zwischen defensiven und offensiven Mitteln arbeitete und immerhin den Erfolg hatten, die russische „Dampfwalze" aktionsunfähig zu machen, ein breites Vorfeld vor Mitteleuropa zu erkämpfen und schließlich den Zusammenbruch Rußlands herbeizuführen.
Die Ausgangslage des jetzt begonnenen Feldzugs ist daher nicht an solchen Beispielen zu messen- Man wird vielmehr gerade für die räumlichen Voraussetzungen die Erfahrungen dieses Krieges zugrundelegen müssen. Hier ist vorweg eine Feststellung wichtig: Der nach, dem Abschluß der Kämpfe im Südosten von den Achsenmächten beherrschte Raum entspricht bereits reichlich der Gesamtfläche des europäischen Anteils der Sowjetunion. Die Luftlinie Donaumündung—Vatum (Kaukasus) entspricht der Entfernung Belgrad—Athen, die von Memel nach Leningrad etwa dem Abstand der Loiremündung von den Ausgangspunkten des Westfeldzugs. Von Galizien nach Rostow in der Östecke des Asowischen Meeres ist der gleiche Abstand wie zwischen Agram und der Südspitze des Peloponnes. Moskau liegt von der Grenze Ostpreußens jo weit entfernt wie Bayonne an der Biskaya von Straßburg.
Dabei ist außer acht gelassen, welche Eeländeschwierigkeiten auf dem Balkan zwischen Ausgangsstellung und Ziel lagen.
Niemand wird sich versucht fühlen, die Härte des Kampfes zu verkennen, der seit dem 22. Juni im Osten entbrannt ist. Wie der Bericht des Eeneralfeldmarschalls Keitel an das Auswärtige Amt vom 8. Juni erkennen läßt, hatte die Sowjetunion an ihrer Westgrenze den großen Teil ihrer Kampfkraft massiert, dar
unter fast alle Schnellen Truppen und Panzerverbände, deren schon seit geraumer Zeit in Gang befindlicher Einsatz das offensive Ziel des Aufmarsches klar erwies. In diesen Aufmarsch ist der deutsche Abwehrschlag hineingefahren. Die Weite des Raumes begünstigt aber die besonderen Gegebenheiten der Kampfesweise dieses Krieges und erlaubt die volle Entfaltung der Entschlußkraft von Führung und Mann, die sich auf deutscher Seite in Polen, im Westen und auf dem Balkan so ruhmvoll bewährte.
Ganz abgesehen davon, daß dieser Krieg weit über Augenblicksziele hinaus im Zeichen beginnender dauerhafter Neuordnung auf allen Gebieten steht, hat sich bisher überall erwiesen, daß die deutsche Kraft den Aufgaben eines wohlorganisierten Aufbaus in den neuen Räumen ebenso gewachsen war wie den militärischen Zielsetzungen, die vorher zu bewältigen waren. Das bleibt auch für die weitere Entwicklung von größerem Gewicht als überholte historische Erinnerungen, aus denen man draußen so oft vergeblich Trost zu schöpfen suchte und die auch jetzt wieder bemüht werden, um vor den Tatsachen den Kopf in den Sand zu stecken.
Grünlanöpflege und Reuansaat von Grünland
Nicht nur das Ackerland hat eine geregelte Zuführung von Humus nötig, genau so bedarf auch das Grünland zur Aufrecht« erhaltung befriedigender Erträge Stallmist, Kompost, auch Jauche kann gute Dienste leisten. Stalldung usw. bewirken eine günstige Vermehrung des Bakterienlebens, alle Umsetzungen im Boden werden verbessert und die wasserhaltende Kraft des Bodens gehoben. Auf Wiesen und Weiden, wo das Nachwachsen der Gräser und Kleearten durch auftretende Trockenzeiten mitunter in Frage gestellt ist, kann eine geregelte Zufuhr von Humus viel helfen. Es kann immer wieder beobachtet werden, daß Parzellen mit reichlicher Mineraldüngung in Dürrezeiten auf gleichem Boden und sonstigen gleichen Wachstumsbedingungen noch ihre grüne Farbe behalten haben, während die Nachbarparzcllen bereits vertrocknet waren. Deshalb kann nur geraten werden, auch den Wiesen und Weiden ausreichend Kalisalze und Thomasphosphat zu geben. Auch im Laufe des Sommers, zum Beispiel nach dem ersten Schnitt oder nach dem Abweiden, können Kali und Thomasphosphat, auch miteinander gemischt, ausgestreut werden. Die leicht von den Pflanzen auf- nehmbare Phosphorsüure des Thomasphosphates und der hohe Kalkanteil dieses Düngers machen im Verein mit Kali und einer Stickstoffgabe Las Futter nahrhafter. Saftiges Futter der Wiesen und Weiden ist immer ein milchtreibendes, willkommenes Kraftfutter aus eigener Wirtschaft. ^
Wo nun trotz vieler Mühe die Wiesen und Weiden im Ertrage nicht mehr befriedigen, sollten diese Flächen umgebrochen werden und ein bis drei Jahre als Ackerland genutzt werden. Hafer. Gemenge, Hackfrucht sind die rechten Kulturen dafür. Der Umbruch kann sehr gut im Spätsommer oder Herbst vorgenommen werden. Ein Wiesenpflug leistet gute Dienste.
Nach der Ackernutzung ist der Boden wieder unkrautsrei und in gutem Nähr- Und Garezustand, so daß etwa Mitte oder Ende August eine Neuansaat erfolgen kann. Vor dieser Neuansaat muß noch eine Vorratsdüngung mit Kali und Thomasphosphat erfolgen. Die Stickstofsdungung bei einer Neuansaat kann vor, aber auch noch nach erfolgter Aussaat geschehen.
Großer Wert muß bei einer Neuansaat von Grünland auf die Schaffung eines guten Bodenschlusses gelegt werden. Als Breitensaat kann die Neuansaat sehr wohl stattfinden. Von ganz besonderem Einfluß auf den Erfolg einer Neuansaat ist die Zusammensetzung der Saatmischung. Für die verschiedenen Verhältnisse und Anforderungen muß diese Zusammensetzung der Saatmischuna vorgenommen werden. Die Land«
wirtschafts,chulen geben sachliche, kostenlose Auskunft. Von Wichtigkeit ist die Art und Weise, wie sich die Ausläufer auf dem Grünland zu den Nachbarpflanzen bes Gemenges verhalten, besonders, ob sie befähigt find, fremde Arten zu durchwachsen oder nicht. Ferner ist von Belang, welche Arten im Gemisch die verdrängenden oder verdrängten sind. Beisptels- ^-weise kann man feststellen, daß das Wiesenrispengras mittete seiner unterirdischen Ausläufer die Luzerne leicht' durchwächst, während es vor dem Knaulgras gleichsam halt macht. Die Erkennrnis der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Arten innerhalb der Grasnarbe ist von großer praktischer Bedeutung.
Wer erfand den"abnehmbaren Herrenkragen?
Sollte man es für möglich halten, daß unser heutiger abne^^ barer Herrenkragen erst etwas über hundert Jahre alt ist? Wie sch oft bei Erfindungen und Entdeckungen, so war es auch hier 1>er Zufall, der ihn ins Leben rief. Im Jahre 1826 lebte ein Schuhmacher, dessen Ruhm es war, weit und breit als der sauberste Mann zu gelten. Er trug kein Hemd mehr, dessen Krage» auch nur den geringsten Fleck aufwies, und da Hemd und Kragen damals noch aus einem Stück Stoff bestanden, mußte das Hemd immer mitgewaschen werden, wenn es auch noch so sauber geblieben war. Es läßt sich denken, daß sich seine Frau über die Eitelkeit ihres Mannes ärgerte und als er ihr wieder einmal ein Hemd zum Waschen gab, das ganz sauber und nur am Kragen nach längerem Suchen ein Schmutzfleckchen zeigte, riß sie wütend den Kragen ab, um ihn allein zu waschen. Als sie ihn wieder annähen wollte, kam ihr ein glänzender Gedanke; sie konnte ja den Kragen getrennt vom Hemd lassen und ihn nur durch Knüpfe am Hemd befestigen. Seitdem sie dem Kragen ein „Eigenleben" gewährte, sparte sie viel an Arbeit. Sie darf den Ruhm in Anspruch nehmen, die Erfinderin des modernen Herrenkragen» zu sein. S.
Erzählte Kleinigkeiten
Bismarck machte eines Tages einen Spaziergang durch den Park von Friedrichsruh. Es war ein wunderschöner Herbsttag, milde verklärt. Bismarck kam in eine besonders friedvolle Stimmung und bemerkte zu seinem Sohn Herbert, der sich in seiner Begleitung befand: „Siehst du, hier herrscht Frieden und Beschaulichkeit, hier möchte ich einmal begraben sein!"
„Aber, Vater", wehrte der Sohn ab, „das ist doch kaum möglich; soviel ich weiß, plant man hier eine Eisenbahnstrecke durchzulegen!"
"Macht üichts!" lächelte der Vater. „Allzuviel Ruhe ist auf die Dauer auch langweilig, deshalb soll es mich nicht stören, wenn ich auch nach meinem Tode ab und zu etwas Bewegung um mich habe!"
Friedrich der Große fühlte sich seiner Lieblingsschwester Wilhelmine, der Markgräfin von Bayreuth, so sehr verbunden, daß er ihr während des Siebenjährigen Krieges alle wichtigen Begebnisse sofort durch Sonderkuriere mitteilen ließ. Er hatte unter ihnen einen besonders befähigten Läufer.
Eines Tages wurde dem König gemeldet, daß die Franzosen sich Roßbach näherten. Friedrich war gerade beim Mittagessen. Mit der größten Ruhe erhob er sich vom Tisch und ließ den besagten Läufer kommen, nachdem er sich vorher flüchtig über die Stellungen der Feinde orientiert hatte. Er richtete an den Mann die Frage, ob er sich wohl getraue, durch Sachsen durchzukommen.
„Ich glaube wohl, Majestät!" war die Antwort.
„Gut so! Dann laufe und melde meiner Schwester, daß ich erneu großen Sieg bei Roßbach errungen habe!"
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So furchtbar ahnungslos wie die beiden sind.
„Es braucht nimmer länger Geheimnis bleiben", sagt soeben der Pankraz, und Monika versteht jedes Wort. „Ich tag es heut noch meiner Mutter, wie es mit uns beiden steht. Und sie muß dann raufkommen zu deiner Mutter, muß reden mit ihr. Ich denke, daß deine Mutter wohl auch kein Herz aus Stein haben wird."
„Nein, ganz g'wiß net", antwortet Vevi. „Und wenn sie es einmal weiß, wie lieb wir uns haben, glaub es mir, Pankraz, sie freut sich dann selber an unserem Glück. Wenn nur deine Mutter mich haben will als Schwiegertochter."
..Oh. da brauchst du überhaupt net Angst haben, Veverl. Wirst sehn, die freut sich, wenn ichs ihr sag. Nur.das Heimliche. weißt, das mag ich jetzt nimmer. Die Leut sollen es alle wissen, wie es steht mit uns beiden."
Monika ist über das Gehörte zu Tode erschrocken. Mein Gott denkt sie, das Gesicht in die Hände bergend. So lieb haben sie sich. Warum, o Gott, hast du mich mit dem net verschont? Sie stöhnt laut auf.
„Was war das?" fragt Vevi.
„Nix", beschwichtigt der Bursche. „Mußt net immer so ängstlich sein."
Monika öffnet die Augen und horcht in die Dunkelheit hinein. Kein Laut ist mehr zu hören. Nun küssen sie sich wohl. Gleich darauf ein glückhaftes, dunkles Lachen, dann löst sich Vevi aus den Armen des Burschen. Flüchtige Schritte über den Hof, das Öffnen und Schließen der Haustür und wieder Stille. Dann löst sich auch Pankraz aus dem Schatten
gewirr der Fliederbüsche und nimmt den Weg zur Sägemühle hinab.
Erst lange Zeit hernach geht auch Monika ins Haus. Und es ist, als wäre sie an diesem einzigen Abend um zehn Jahre älter geworden. Unsagbare Müdigkeit lastet in ihren Gliedern und ihr Kopf kann die Gedanken, die auf sie Hereinstürzen, gar nicht mehr aufnehmen und ordnen. Es ist zuviel.
*
Noch einer weiß um das Zusammensein von Vevi und Pankraz an diesem Frühlingsabend. Und dieser eine tritt am andern Morgen vor die Bäuerin hin und kündigt ihr den Dienst.
Monika hat in dieser einen schlaflosen Nacht ihre Gedanken so weit in Ordnung gebracht, daß sie wenigstens die Kraft wieder in sich fühlt, allem Kommenden ruhig und gefaßt entgegenzutreten. Auch diese Kündigung erregt sie nicht über das Maß hinaus. Sie sagt nur:
„Jetzt, weil der Sommer kommt und die Arbeit beginnt?"
Michael sagt, daß er sich dies selber mehr als hundertmal vorgejagt habe, aber für ihn fei es das Beste, wenn er gehe.
„Und du kannst mir den Grund net sagen, warum du fort willst?"
Michael schaut an ihr vorbei zum Fenster hinaus und antwortet nicht.
„Dann will ich dir den Grund sagen", spricht Monika ruhig weiter, denn es ist ihr plötzlich eingefallen, was ihr Much einmal gesggt hat. Ganz blitzartig erkennt sie jetzt jene Vermutung des Alten als Tatsache. Es ist ihr, als sähe sie in das Herz des jungen Menschen hinein. „Du bist in die Vevi verliebt", sagt sie, „und weißt aber, daß der Sägmüller- Pankraz ..."
Michael fährt mit dem Gesicht herum.
„Hab' ich ein Wort gesagt?"
Nein, gesagt habe er nichts, leider nichts, meint Monika. Aber er habe nun mit seinem Erschrecken soeben gezeigt, daß sie Recht habe mit ihrer Vermutung. Und sie könne sich auch sein sonderbares Verhalten die ganze Zeit her erklären. Sie müsse ihm aber da nun schon sagen, daß er deswegen nicht davonzulaufen braucht. Im Herbst — das habe sie wenigstens immer im Sinn gehabt — hätte sie ihn auf die landwirtschaftliche Schule geschickt. Bis dahin sei ja die Sache mit dem Pankraz längst in Ordnung gebracht, denn eine Verbindung zwischen den beiden könne doch nie und nimmer zustande kommen.
Damit geht Monika hinaus.
Das versteh' nun jemand. Die Sache mit dem Pankraz in Ordnung gebracht? Er soll auf dem Hof bleiben, obwohl ja die Bäuerin nun weiß, wie es um ihn bestellt ist ... Und eine Verbindung der Vevi mit dem Pankraz könne nie und nimmer sein ... Wer soll sich denn da auskennen!
Aber wer hat jemals schon von der Bäuerin eine Lüge geh» t? Oder wer hat es erlebt, daß sie schon einmal Borgenommenes nicht wahrgemacht hätte?
Der Knecht Michael wird also wieder auf dem Hofe bleiben und wird geduldig warten, wie sich alles entwickelt.
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Den Hügel herauf kommt langsam eine hohe, dunkelgekleidete Frauengestalt. Trotzdem der Tag in Hellem Blau erstrahlt, Käfer und Bienen in den blühenden Obstgärten summen, als sei die ganze Welt eine tönende Orgel geworden, zieht die Frau alle Augenblicke das Schultertuch enger um den Hals, als ob sie fröstle, mitten in diesem warmen, goldenen Maientag. Dann und wann bleibt sie stehen, hustet ein wenig und schaut dann wieder herauf zum Kollerhos.
(Fortsetzung folgy
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