Tracht Prügel zu wählen, und er entschied sich sür letztere. Während ihn nun einige seiner Kameraden festhaltcn mußten, ließen die der Vollstreckung ihres Richterspruches beiwohnenden Arbeitgeber durch ein paar andere Leute die deeretirtcn Hiebe man spricht von fünfiindsiebzig auf so barbarische Weise auszahlen, daß das unglückliche Opfer dieser ebenso gesetzwidrigen als rohen Privatjustiz wie mau hört bedenklich krank danieder liegt.

Der russische Kaiser hat vorgestern in Breslau dem Kronprinzen und deni Prinzen Friedrich Karl den Georg-Orden zweiter Klasse verliehen und dem letztgcdachtcn Prinzen dieß in einem Telegramme angezeigt, worin es etwa heißt: Ich habe Dir wie Fritz den Orden verliehenwegen Eurer brillanten Haltung".

Wien, 2. Juli. Die Wiener Abcndpost veröffentlicht ein Telegramm aus Warschau vom heutigen Tage, wonach der Erzherzog Albrecht an der östreichisch-russischen Grenze von dem russischen Generaladjutanten Knorring, sowie vielen Offizieren empfangen wurde. Das Telegramm besagt ferner: Der Erzherzog traf um 10 Uhr in Warschau ein, und wurde vom Kaiser in östreichischer Generalsuniform am Bahnhof, auf welchem eine Kompagnie Soldaten aufgestellt war, erwartet. Der Kaiser em- pfieng den Erzherzog, der russische Feldmarschallsuniform trug, unter den Klängen der östreichischen Nationalhymne aufs herzlichste, und geleitete denselben zu seinem Absteigequartier dem Schlosse Lazcenki, vor demselben war eine Schwadron des Ulanenregimen­tes, dessen Chef der Erzherzog ist, aufgestellt. Der Kaiser von Rußland bezeigte dem östreichischen Botschafter Grafen Choteck seine Freude über die Ankunft des Erzherzogs. (S. M.)

(Eine Kirche vertrunken.) Eine rumänische Gemeinde un­weit Dees in Siebenbürgen war willens, eine neue, mehr Si­cherheit bietende Kirche zu bauen, und verkaufte die alte hölzerne und baufällige um zwanzig Gulden. Damit jeder Gemcindein- sasse seinen gebührenden Aniheil an dem Kaufschillinge habe, wurde beschlossen, um die zwanzig Gulden Schnaps zu kaufen und denselben gemeinschaftlich zu vertrinken. Dieser Beschluß fand allseitigen Anklang, wurde gleich ausgeführt, und so die Kirche thatsächlich binnen wenigen Stunden ebenso radikalver­trunken", wie weiland Pfarrenbeerfurth und Gersprenz von dem Herrn von Rodeustein.

Paris, 2. Juli. In der heutigen Sitzung des gesetzge­benden Körpers fand die Diskussion über die Petition der Prin­zen des Hauses Orleans statt. Der Großsicgelbewahrer verlangte, daß die Kammer über die Petition zur Tagesordnung übergehe. Jules Favre bekämpfte diesen Antrag, er bedauerte, 1848 dem Gesetz über die Ausweisung des Hauses Orleans beigestimmt zu haben. Nachdem noch einige andere Redner gesprochen, wurde die Tagesordnung mit 174 gegen 31 Stimmen angenommen.

Paris, 4. Juli. Die Agence Havas meldet aus Madrid: das Ministerium hat den Beschluß gefaßt, dem Prinzen von Hohen- zollcrn die spanische Krone anzubieten und eine Deputation be­auftragt, den Prinzen von Hohenzollern hievon zu verständigen. Die Deputation ist nach Deutschland abgereist. (S. M.)

Paris, 4. Juli. Der Constitutione! meldet, daß Agenten Prims die spanische Krone dem Prinzen von Hohenzollern ange- trageu, und daß dieser sie angenommen habe. Das französische Blatt bemerkt dazu : Wir wissen nicht, ob Prim in seinem eigenen Namen handelte, oder ob er dazu irgend einen Auftrag von den Korkes oder vom Regenten hatte. Warten wir nähere Nachrich­ten ab, um ein Ereigniß zu beurtheileu, dessen Wichtigkeit Nie­mand entgehen wird. (S. M.)

Alle französischen Blätter Hallen den Zwischenfall mit Spanien, wenn der Prinz von Hohenzollern die Krone wirk­lich annehmen sollte, für sehr ernst.

Paris, 5. Juli. Der Sekretär der französischen Gesandt­schaft in Madrid ist heute Morgen angekommen, ein Minister­rath wird im Laufe des Tages stattsinden, man versichert, der preußische Gesandte Werther reise heute nach Ems. zum König vvtz Preußen. (S. M.)

Der französische gesetzgebende Körper nahm den Gesetzent­wurf der Regierung mit großer Mehrheit an, welcher das Con- tingeiu von 1871 auf 90,000 Mann (statt bisheriger 100,000) feststellt. (B.-Z)

Madrid, 4. Juli. Alle Minister werden heute Abends nach la Granja zum Regenten abreisen, um dort einem Mini- stcrrath bcizuwohnen und über die Kandidatur des Prinzen von Hohenzollern, der die Krone angenommen hat, Rath zu pflegen. Das karlistischc Kasino ist polizeilich geschlossen worden.

Rom, 3. Juli. DerUnivers" bringt folgendes Tele­gramm aus Nom:Nachdem ungefähr 60 Redner einstimmig aui's Wort verzichtet hatten, wurde das Kapitel über die Un­fehlbarkeit heute Morgen zu Ende berathen."

Brand. An demselben Tage, welcher das ungeheure Drandunglück über Pera brachte, am 5. Juni, brach inPanama Feuer aus, das, vom Wind begünstigt, von keinen Löschanstalte.n behindert, die Bank von Panama, die Kathedrale, sowie fast die halbe Stadt in Asche legte; auch 12 Menschen sind bei dem Brande umgekommcn.

Eine Betrachtung.

Was wohl geschähe, wenn Christus der Herr heute wie­der auf die Welt käme? Die Frage ist keine ganz müßige. Wie würde Er heule zu wirken, wie seine göttliche Mission heute zu erfüllen trachten? Nehmen wir das Beispiel ab von dem Ge­bühren derjenigen, die sich heute vorzugsweise rühme», Seine Nachfolger zu sein, so ist klar, daß der Herr mit den früheren Mitteln der Sanftmuth, der Demuth, der reinen Nächstenliebe, der mündlichen Lehre und des lebendigen Vorbildes nicht mehr auszureichen vermochte. Heute würde, es ist zehn gegen eines dafür zu wetten, Christus der Herr seine Thäligkeil vor allem mit der Gründung einer Zeitung beginnen müssen, dem angeb­lich unentbehrlichsten Mittel, um Tugend und Religion im Volke zu verbreiten und den Teufel auszutrciben. Da es die Massen im Volke wären, auf welche der Herr heute wie einst zu wirken suchen müßte, so bliebe nichts übrig, als den Ton und den In­halt dieser Zeitung so niedrig und allgemein verständlich zu Hallen, daß den Massen die Mühe des Denkens erspart würde. Mit der Wahrheit könnte es deshalb auch nicht allzu streng genom­men werden Angesichts des edlen Zweckes aber hätte auch die altmodische Aengstlichkeit darin, wie' sie vor 1900 Jahren am Platze sein mochte, keine maßgebende Bedeutung mehr. Eine Hauptbeschäftigung für den Herrn wäre ferner, daß er in öffent­lichen Lokalen umherginge lind liberale Blätter wegnähme, zer­risse, mit den Füßen zerstampfte, unter freundlicher Empfehlung natürlich der von Ihm redigirten Zeitung. Don da ginge er ohne Zweifel in die offenen Gerichtssäle und Ministcrversamm- lungen, um die ihm unbequemen Richter und Staatsmänner zu verunglimpfen und vor dem Volke lächerlich zu machen unter zeit­gemäß abgeündcrter Anwendung eines älteren Spruches in fol­gender Form: Gebt Gott was stflottes und der Kirche was des Kaisers ist! Von da stiege er gewiß auch empor zu den Thronen, um da zu sondiren, ob sievon Gottes Gnaden" hei­ßen, und von Pabstes und Bischofs Gnaden sein wollen. Wenn nicht, so würde er sie anfasfen und Umstürzen und sagen:Mein Reich ist von dieser Welt." König würde dann, wer Ihm ge­lobt, unbedingt zu thun, was Er befiehlt, und wenn dies der Arbeiter thäte, so würde im Nothfalle der Arbeiter König. Vor allem würde Er den Schulzwang ausheben nnd sprechen:Selig sind die Armen am Geiste." Wo Er dann Leuten begegnete, die andern Glaubens sind, würde Er nicht mehr sagen:Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen bereitet," sondern er würde sagen:Meines Vaters Haus hat nur Eine Wohnung und wer außer ihr wohnt, ist auf ewig verdammt." Seine Lebensauf­gabe würde Er aber in der Vertilgung des menschlichen Fort­schrittes, als der Wurzel aller Uebel, erkennen müssen oder cs möchte Ihm, wie vor 1900 Jahren übel bekommen. Zu die­sem Zwecke müßte Er seine frühere eigene Thätigkeit auf Erden verleugnen. Der Uebergang von den Fetischanbetern zum geläu­terten Heidenthum, von diesem zum Judenthum, von letzterem zum Christenthum war kein Fortschritt; die Erkenntniß, daß die Lehre von auserwählten Völkern und Stämmen ein arger, Got­tes Weisheit und Allliebe beleidigender Jrrthum sei, war kein Fortschritt; das Anfhören des unersättlichsten Vergießens von Menschenblut, um den Menschen einzelne Formeln und Glaubens­sätze aufzuzwingen, war kein Fortschritt; es war kein Fort­schritt, daß man mehr und mehr erkannte, Gottes Gnade und Barmherzigkeit sei nicht mit irdischem Geld und Gute zu erkau­fen und ein demüthiges Herz, ein reiner Wandel stehe vor Gott höher als dessen Anbetung unter dieser oder jener Form; es war auch kein Fortschritt, daß sich die Völker frei zu machen suchten nnd zum Theile frei machten aus den Sklavenketten, welche eigenwillige Herrscher und deren Handlanger um ihre Glieder geschlagen hatten; es war kein Fortschritt, daß sich die Menschen mühten, Wohlstand und Bildung weiter und weiter zu verpflan­zen, so daß heute ein passabel wohlhabend lebender Mann sich einer höhern Erkenntniß und edleren Behagens erfreuen mag, als vordem die Großen und Größten dieser Erde; es ist kein Fortschritt, daß sich die Gesetze der Menschenwürde und der Ge­sittung immer weiter verbreiten und daß selbst der Höchstgestellte diesen Gesetzen nicht mehr ungestrafte Hohn sprechen kann; und es ist kein Fortschritt, wenn eine große, im Laufe der Jahrhun­derte um ihre schönsten Güter gekommene Nation ihre getrennten Glieder wieder zu sammeln und selbst mit Opfern die verlorene Würde, das verlorene Ansehen nnd den zu seiner gesunden Exi­stenz unerläßlichen Einfluß wieder zu gewinnen sucht.

So würde der Herr sprechen müssen, wenn er heute wieder zur Erde kommen und Carriöre machen wollte. Im andern Falle möchte es ihm nicht besser gehen, wie vor 1900 Jahren, es sei denn, daß die fortschrittliche humane Gesetzgebung unserer Zeit mildernd Angriffe und das Aeußerste verhinderte.

Wie sich das oben gegebene Zerrbild mit dem ewigen Ur­bilds aller Wahrhaftigkeit, Liebe und göttlichen Milde, das wir in Christus anbetend verehren, vereinigen ließe, kann nicht die Aufgabe weiterer Schilderung sein. Der bloße Vergleich genügt und zeigt wohin wir treiben._ (Feuill.-Magaz.)

Redaktion, Truck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.