Wien, 12. Nov. Ein Berliner Offiziöser in derWei­marer Ztg." svrickl den Wunsch aus, das; das Parlament deS norddeutschen Lundes so rasch als möglich fertig gemacht werde, sollte man in Wien abermals süddeutsche Politik macken und sich in preußenfeindliche Wirren einmische», so würbe Preußen Bade» und Darmstadt auffordern, dem norddeutsche» Bunde bei' zu treten, und Ulm nnd Rastatt besetzen. DaS seien die Ansichten der maßgebenden Berliner Kreise, nnd das gesammte Deutschland könnte früher fertig fein, als Herr v. Beust in Wien es erwar­ten mag.

Wien, Isi. No» Ncuestc dier eingelroffenc Nachrichten ans Mexiko melden, daß in den mexikanischen Regierungskreisen die hoffnungsvollste Zuversicht auf die Zukunft des Kaiserreiches herrscht. (St.A.)

Wien, 15. Nov. Das offiziöse Donnerstags-Journal be­stätigt die Einleitung der Verhandlung wegen eines neuen Zoll- und Handelsvertrags zwischen Wien und Berlin. sSt.A.)

Paris, 10. Nov. Vorgestern mußte sich der Kaiser wieder einer leichten Operation unterziehen, welche von dem ihm von Herr» Nolato» warm empfohlenen Dr. Gnillon gefahrlos ans­geführt wurde.

Paris, 12. Nov. Beim Kriegsmiuister wurde» nicht we­niger als 150 Modelle von Hinterl adekano nen nnd Ge­wehre» eiligereicht. Das Zünbnadelgewehr hat allen französi­schen Büchsenmachern nnd Erfindern den Schlaf geraubt.

Paris, 13. Nov. Der Kurfürst von Hessen trifft morgen in Paris ein. Die Fürstin von Hanau ist bereits eingetroffen.

Kaiser Napoleon soll neulich einer hochgestellten Persön­lichkeit, die ihn zu einem entschiedene» Schritt für Oestreick drän­genwollte, geantwortet haben: ,,Die Verständigung mit Oestrcich ist unmöglich; dort wird man mich immer als einen Emporkömm­ling betrachten."

Vom Kaiser Napoleon will man wißen, daß er unter der Hand Güter im Kirchenstaat nnd im südlichen Deutschland ankaufe. Auch in der englischen Bank hat er einige Sparpfen­nige für böse Zeiten angelegt.

London, 8. Nov. In einem Leitartikel über den Einzug des Könias Victor Emannel in die Lagunenstadt macht die Times die sebr richtige Bemerkung: Venedig werde von jetzt au eigent­lich zum erstenmal z» Italien gehören; den» im Verlaufe seiner langen Geschickte, bis es vor stebcnzig Jahren seine Selbständig­keit verlor. hatte cs seine gesonderte Existenz, nnd kam auch mit dem benachbarten Festlande mehr in feindliche als freundliche Be­rührungen. Ob der befreiten Stadl »och einmal eine Blüthen- zeit bevorstehl? Die Times scheint es zu bezweifeln; das alle Ve­nedigliegt im Reich der Träume". Aber für ganz Italien sei nun erst recht die Zeit gekommen, wo es fick vor Europa be- währen, wo es beweisen müsse, daß cs seiner Freiheit und Selb­ständigkeit würdig sei. Der Ocstreicker sei fort, der Papst als weltlicher Gebieter werde bald Nachfolgen; aber Italien habe noch eine Reihe schlimmererTyrannen" abzuschütleln den König Schmutz, die Königin Bettelei. die alteingesessenen Dyna­stien Faulheit, Sorglosigkeit, Aberglauben und Bigotterie. Mit diesen llngethümen habe fortan das, von der Natur geistig reich ansgestaltetc, italienische Volk zu ringen.

London, 9. Nov. Als eine seltsame Illustration zu den in Frankreich herrschenden Ansichten über den Kaiser Napoleon tbeilt diePall Mall Gazette" mit. daß unter den Arbeitern von Paris die Sage gehe: Louis Napoleon sei bereits seit 14 Tagen tobt, und seine Rolle bei der Revue am Montag von ei- nein wohlbekannten Zelimachcr gespielt worden. Drei Männer gibt cs in Paris, welche Sr. Maj. auf das Haar gleichen der eine ist der fragliche Zeltmacher, der andere ein Waldanf- seher in Bois de Bonlogne, und der dritte ein Tanzwirth auf Mont Parnasse. Daß der Kaiser so schon bei Lebzeiten der Sage verfallen sollte, gereicht ihm gewiß zur Ehre, denn nur um bedeutende Persönlichkeiten pflegt sich ei» Sagenkreis zu bilden; aber die Hartnäckigkeit, womit die Welt dabei beharrk, seine le- bcndige Rolle als ausgespielt zn betrachten, und ihre Phantasie bereits mit den Einzelheiten der Sündfluth z» beschäftigen, die, dem allgemeine» Uebcreinkonimen gemäß, feinem Abtreter, von der Weltbühne folgen soll, ist immerhin ein bedenkliches Zeichen. Selbst der kaiserliche Ritt bei der Moutagsrevne ist nur ein vor- übergehender Sonnenblick in dem vorherrschenden Dunkel der

pessimistische» Weltauschanuug gewesen. An unserer Börse dauert sein erheiternder Einfluß gerade einen Tag. Schon gestern herrschte wieder der alte Kleinmnth.

In London machten 450.000 Kinder ohne jede» Schul- unterricht auf.

In Japan ist der weltliche Herrscher gestorben. Fünf der höchsten Würdenträger des Reiches erhielten die Erlaubniß, sich z» seiner Ehre und zu seinem Gedächtniß den Bauch krenzweis ansznschlitze». Tie Feier ging i» Orsaka würdevoll vor sich, es hatten sich aber lO Bauchanfschneider statt 5 gemeldet.

Die Exekution.

(Schluß.)

-Doch was ist das? Noch ist das Defiiee kaum halb

beendet, da fällt ein Kanonenichnß ein zweiter ein dritter, eine ganze Salve Offiziere nnd Soldaten sehen sich erstaunt an, das Getonner ertönt vom Meere her; einige Augenblicke Ruhe, dann ertönt es von Neuem, nnansgcsetzk!

Schuß auf Schuß sendet das Fort von MerS-cl>Kebir in die bebende Atmosphäre. Kaum sind wir vor Erstaunen zn Worte gekommen, als etwas noch Unerhörteres sich ereignet das Fort d'OrleanS antwortet mit Kanonendonner ans die Schüsse, die vom Meere her erdröhnen nnd jetzt auch das Fort der KaS» bab, dann das Fort Sk. Philippe und endlich das Chatean neuf, die Residenz des Gouverneurs, erhebt seine erschütternde Stimme und läßt die Erbe vom Donner seiner schweren Geschütze erbebe».

Unbeweglich steht Alles da endlich ermannt sich der Platz, commandant, gibt einige rasche Befehle und alle Truppen mar- schire» im Sturmschritte der Stadt zu.

Mick hakte man vergessen, man ließ mich mit meinem Pe­loton bei dem Leichnam des Gerichteten; und ohne Befehle, ohne die geringste Andeutung meiner Vorgesetzten wußte ich eine ganze Zeitlaug nicht, was ich thnn sollte.

Endlich faßte auch ick einen Entschlnh, ließ den Tobten in den Sarg legen, ließ mit den Spaten, die hinter dem Sandhü­gel lagen, in der Eile ein Grab graben nnd den Sarg darein versenken; dann marfchirte auch ich auf gutes Glück der nahen Stadt zu.

Das sich immerwährend erneuernde Kanoncngedrüll fämmt- licher Forts der Stadt betäubte uns fast, und doch schien es uns, als wenn wir deutliches Glockenläuten dazwischen hörten. End­lich erreichten wir das Thor von Mostaganem und sahen eine nuermeßliche Volksmenge die Straßen durchziehen nnd jubelnd Mützen und Hüte schwenke». Aus der Balustrade der Stadtmauer standen Hunderte von Arabern und Kabylen, sie schauten mit verwunderten Blicken ans diese trunken scheinende Menge Volkes oder unterhielten sich eifrig.

Ick schlng meinen Weg gerade nach der Kaserne des Forts St. Philippe ein, und es gelang mir, durch entlegene Straßen dasselbe ungehindert zn erreichen. Am Thore fragte ich de» wacht­habenden Sergeanten, was das Alles zu bedeuten habe, und er­fuhr zn meiner nicht geringen Verwunderung, das locbcn ange- langte Sckiff habe die Nachricht miigebraebt, daß die Republik in Frankreich nach dreitägigem Kampfe in den Straßen von Pa­ris erklärt sei, daß der König geflohen rc.

Am selben Abend las ich die an den Ecken angeschlagene» Decrete der neuen Regierung. Bei einem der letzteren erstarrte mir das Blut in den Aber».

Die Todesstrafe ist im ganzen Territorium der französischen Republik abgeschafft" lautete dieses Teeret.

Armer Gogol! Wäre der Dampfer nur eine einzige Stunde früher in den Hafen von Oran eingelansen!

Dock des Allbar,»herzigen Wege sind wunderbar eS stand ja auf Deiner Brust i» »nverlöschbarcn Buchstaben geschrieben:

«1« okinnes!"

Ein Pfarrer in Belgien hielt neulich bei ziemlich leerem Hanse seine sonntägige Nachmittagspredigt. Die Bauern kegelten im benachbarten Wirthshause. Da stellte sich ein Platzregen ein nnd die Bauern flüchteten sich in die Kirche. Schnell gefaßt rief der Man» Gottes ihnen zu: Sonst pflegt man zn sagen, daß schlechte Menschen aus der Religio» einen Mantel machen, Ihr aber seid noch schlimmer, Ihr macht Euch aus der Religion einen Regenschirm. _

predattion, Lruck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.