Prag, 26. Okt. Die Ernennung des Herr» v. Ben st a!S Minister der auswärtigen Angelegenheiten ist vollzogen.
Venedig, 24. Okt. In alle» Städten VenelienS hat das PlebiScil ein sehr glänzendes Resultat geliefert. In Venedig haben 36.500 Wähler mit „Ja" gestimmt, nur 7 haben mit „Nein" gestimmt.
Paris, 23. Okt. Ein ganzer großer Industriezweig, die Lyoner Seideweberei, verdorrt. Die Arbeiter verlangen Nakional- werkstätte», Abschaffung des Oktroi, »m der Konkurrenz ans dem Lande den Garaus z» machen. DaS zweite Kaiserreich steht vor einem Entweder — Oker. Entweder cs läßt die Lyoner Industrie zu Grunde gehen, oder cS schafft das Oktroi ab. Dan» aber gute Nacht mir de» Städteverschönerunge», mit dem Schuldenmachen, mit dem ganze» HanSmanii'schen Regime überhaupt! — Tie Zahl der polnischen Flüchtlinge in Paris ist jetzt so bedeutend, daß man fiins Tage zur Bezahlung der Subvention braucht, welche sie von der französischen Regierung erhalte». Dieselbe wird alle Monate auf d.er Polizei-Präfektur, wo sich die Flüchtlinge in Person einstellcn müssen, ansbezahlt. Den ersten Tag des Monats ist die Reihe an de» Dame», an die vier nächsten kommen die Männer.
Petersburg, 25. Okt. Prinzessin Dagmar erhielt bei dem gestrigen Konfirmalionsakt den Namen Maria Fcodorowna.
K on sta ii li n o p e 24. Okt. Der Fürst Karl von Rumänien ist heute hier eingetroffen und in dem für ihn in Bereitschaft gesetzten prachtvollen Palast Kütschütja am Süßwasser abgestiegen. Dem Fürsten, der sofort vom Sultan empfangen wurde und aus dessen Händen die Anerkennungsurkunde entgegennahm, wurden mit besonderer Aufmerksamkeit die höchsten Ehren erwiesen.
Eine sehr kluge und lobenswerthe Einrichtung in Nordamerika ist die Ausstattung jedes Soldaten oder Matrosen mit Grundeigenlbnm. Jeder — In- und Ausländer —, der im Heer oder i» der Flotte dient, erhält unentgeltlich ein Grundeigenkhiim von 160 Acker. Dieses Land ist käuflich nicht unter 200 Toll, zu habe» und steigt in höchstens 5 Jahren auf 5—600 Dollars. 8—10,000 Deutsche, die jetzt noch im Heere dienen, können sofort ihre Ansprüche auf jenes Heimstätte-Land erheben; das macht sofort einen Gesammt-Werth von 2 Mist. Dollars ans, in 5 Jahren von 6 Mill. Dollars. Jedem ist dadurch Gelegenheit gegeben, sich für sein ganzes Leben eine unabhängige Stellung zu erwerben.
In Quebek zerstörte eine Fenersbrnnst 2500 Häuser, der Verlust wird auf 25 Mill. geschätzt, 18,000 Personen sind des Obdachs beraubt.
Allerlei.
Die lutherische Emigrantcnmission in Castle Garden.
Man braucht nicht selbst in Amerika gewesen zu sein, um die Nothwendigkeik und den Werth eines llnternehmens würdigen zu können, das die Aufgabe verfolgt, den neu angekoninienen, mit Sprache und Verhältnissen in Amerika noch nicht bekannten deutschen Auswanderer in uneigennütziger Weise mit Rath und That an die Hand zu gehen. Wir glauben deshalb dem Publikum einen Dienst zu erweisen, wenn wir auf eine im vorigen Jahre in Nerv-Jork in's Leben gerufene Einrichtung aufmerksam machen, die obigen gemeinnützigen Zweck zwar mit beschränkten Mitteln, aber um so redlicherem Eifer verfolgt, wovon sich Schreiber dieses persönlich zu wiederholten Malen überzeugt hat. Es ist dieß die von den lutherische» Synoden in Pennsylvanien und Ncw-Iork im vorigen Jahre gegründete „lutherische Emigranten- commission in Castle Garden." *) Ein von diesen Synoden gewähltes und mit der Leitung des Ganzen beauftragtes Comite bestellt und besoldet verantwortliche Missionäre, die ihre» Sitz und ihr Bernssfeld in Castle Garden haben und angewiesen sind, de» hilfsbedürftigen Ankömmlingen jede mögliche Erleichterung ihrer nur zu oft gar traurigen Lage zu gewähren. Solcher Missionäre sind es seit einiger Zeit zwei, früher nur einer. Die nothwen- digen Auslagen werde» durch freiwillige Beiträge bestritten. Tie
Castle Garden ist dir Landungsplatz der meisten Auswanderer- t Hisse, in Ncw-Iork Clip.
verfügbaren Geldmittel sind vorerst noch sehr beschränkt, wie denn überhaupt das Unternehmen erst eigentlich im Werden begriffen ist. Wir entnehmen dem vor einiger Zeit erschienene» erste» Jahres- bericht des Missionars Nenmann der einen schätzbaren Beitrag zur Kennlniß amerikanischer Zustände bildet. Folgendes:
Die Thätigkeit des Missionars besteht vor Allem in der Ausübung seiner speciell geistlichen Funktionen. Predigen, Taufen, Copnliren n. dgl., soweit dieß möglich ist, da bis jetzt weder eine Capelle in Castle Garden besteht, »och ein besonderer Be- gräbnißplatz für die nach ihrer Landung im Emigrantenbans Gestorbenen, deren cs leider viele sind und zwar namentlich in diesem Jahre, wo die Ankömmlinge durch die Cholera decimirt wurden. Von einem ordentliche» Begräbniß dieser Unglücklichen ist keine Rede. Ohne weitere Umstände packt man sie in Kisten und verscharrt sie auf einem der verschiedenen Arme»kirchhöfe, ohne daß der Geistliche etwas davon zu hören oder zu sehen bekäme. Die meisten Amtshandlungen sind Trauungen. Der Bericht erwähnt mehrerer Baier» und Württemberger, die in ihrer Heimath den gesetzlichen CvnseiiS nicht hatten erlangen können und nun hier ohne weitere Schwierigkeiten in den Ehestand versetzt wurden. Ein solches Paar wurde getraut, das eben aus dem Armenhause trat. Der ganze Reichthnm des Mannes bestand in einem Contrakt, unter welchem er nach einer südlichen Plantage ziehen wollte. Der Reichthnm der Braut war ein Säugling, den der herzlose Vater stimmt Mutter bei der Landung im Stich gelassen hatte! Den bei weitem umfangreicheren und müh. sanieren Thcil seines Amtes bildet die aus materielle Unterstützung der Gelandeten berechnete Thätigkeit des Missionärs. Von allen Seiten cinlanfende Erkundigungen nach Angehörigen benöthigen eine anSgebreitcte Korrespondenz nach allen Theilen der alten und neuen Welt, lieber 1000 Briefe, erzählt Nenmann, habe er im vergangenen Jahre erhallen und beantwortet. Dazu kommen noch Berichte und Artikel für öffentliche Blätter zur Förderung der guten Sache. „Kein Wunder, wenn Einem der Kopf zuweilen schwirrt." Nicht zu unterschätzen sind die Lebens, und Albeikönachweisungen, die derselbe vermöge seiner Stellung zu geben im Stande war. Theologen, Lehrer, Kaufleute, Handwerker und Feldarbeiter verdanken ihm entweder eine befriedigende selbstständige Stellung oder ein gutes Unterkommen in rechtlichen Familien und Rettung aus der Hand nichtswürdiger Spekulanten und Betrüger, die unter dem Namen von Auswanderungs- agenteii die Fremden an sich zu locken suchen. Wer in Amerika gewesen ist, weiß das Glück zu schätzen, gleich von Anfang an in gute Hände zu kommen! Zu dem allem kommen noch Ver- richlungen niederer Art, „Handlangerdienste", wie sie der Bericht nennt, denen sich der wackere Mann mit edler Selbstanfofernng unterzieht. Es ist ein bemitleidenswertber Anblick, so manche des Englischen und der Lokalität unkundige deutsche Auswanderer in den Straßen New-Iorks hernmirreii zu sehen, die sich in dem Getümmel der Riesenstadt nicht zu rathen noch zu helfen wissen. Sie sind meistens eine leichte Beute für jene Agenten, die unter der MaSke von Landsleuten »»d mit dem Vorgeben, Arbeit verschaffen zu können, blos darauf auSgehen, dem Auswanderer vollends den letzten Heller aus der Tasche zu locken und ihn nachher seinem Schicksal zu überlassen. Manchen dieser Unglücklichen bat Pastor Reumann zum Bahnhof geleitet, ihm seine Fahrkarte gelöst, seine Kiste gesucht, ja seine Tasche getragen. Anderen hat er Briese geschrieben, ihren entfernte» Verwandten ausfindig gemacht und ihnen billiges Quartier besorgt. Vielfach winde er naiürlicb um Geld in Anspruch genommen, oft über Vermögen; als Schatzmeister nahm er über 5000 Dollar Depo- sitengelder entgegen, und leistete beim Einkansen und Geldwechseln seinen Landsleuten Beistand, wo er nur konnte. Endlich wirkte und wirkt er mit nnermildlichem Eifer für die Gründung eines Asyls für arbeitsunfähige Auswanderer und Waisen, deren Eltern während der Reise gestorben sind, und bat schon über 1000 Doll, zu diesem Behnfe gesammelt. (Schluß folgt.)
Hier seine Adresse: kev. Kob. dleumann. ö katterx ?lace, Lox 4330, Isevv-Vork.
Redattion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.