15. d. M. schreibt: „Die durch die Gegenwart Garibaldi's eut. zündete Begeisterung übersteigt alle Grenzen; man Hut Frauen schluchze», Greise wahnsinnig werden sehen; Priester warfen sich Garibaldi zu Füßen und nannten ihn ihren Gott!"
Florenz, 19. Juni. Die Abgeordnetenkammer hat beute mit 179 gegen 45 Stimmen das Gesetz über die Aushebung der religiösen Körperschaften, der Senat die Finanzmaßrcgcln mit 66 gegen 14 Stimmen angenommen. Morgen wird die Neubildung des Ministeriums dem Parlament angezeigk werden. — Tie B'älter sagen: entweder müsse die östreicbischc Macht gebrochen nnd ans Dentschland ebenso vertriebe» werden wje aus Italien, oder Preußen und Italien müssen mitsamml dem NationalitäkS- prinzip, bas sie vertrete», zu Grunde geben. Biktoc Emannel nnd Wilhelm werden ihr zweifaches Programm bis zum Ziele durchführen. (T. d. S.M.)
Florenz, 20. Juni. Eine Proklamation des Königs an die Natioualgarde zeigt au, daß er die Negierung dem Prinzen Carignan überlassen, nm aufs Neue zu kämpfen für die Freiheit und Unabhängigkeit Italiens.
Florenz, 20. Juni. Ter König reist morgen früh ab. Nach der „Jtalia" hak der König diesen Morgen Kossnth empfangen.
Turin, 18. Juni. Die de» Oestreichcrn gegcnüberstebende italienische Armee beläuft sich, die Flotte nicht miteingccecbnek, auf 300.000 Mann.
Cvmo, 14. Juni, steinen neuen Beweis von Charaktcr- größe bat Garibaldi damit gegeben, daß er den König bat, den General Pallavicini, der bekanntlich bei ASpromvule gegen ihn kommandirte, a» die Spitze der regulären Armee zu stellen, nm dadurch die Erinnerung an jenen unglücklichen Tag bei den Freiwilligen »nd der Armee zu verwischen.
Paris, 18. Jnni. Am Samstag brachte Finauzminister Fould in der Sitzung des MinisterralhS die Rede auf das vielfach geglaubte Gerücht, daß der Kaiser eine bestimmte Berpslich- tnug Len künftigen Ereignissen gegenüber eingegangen sei. L. Napoleon nahm den Kriegs- und Mariueministcr zu Zeugen, daß in ibren Departements keine außerordentlichen Maßregeln getroffen worden seien. — Tie Reise, welche L. Napoleon auf die Bille der Bevölkerungen von Straßbnrg, Metz, Colmar, Besannen und Liineoillc nach den OstdepartemenlS iiuternehmen wollte, wird dem Vernehmen nach nicht stattfindcn; der Kaiser wird sich nur am 14. Juli »ach Nancy begeben, wo das Fest der hnndertjäh- rigeii Bereinigung Lothringens mit Frankreich gefeiert wird.
Paris, 18. Juni. Die Patrie will wissen, daß die Pforte entschieden isi, i» den Donansürstenkhümern sich einznmischeu, aber die Mehrheit der Schutzmächtc gegen sich habe, und daß die Tnilerien im Einverständnis; mit dem Londoner Kabinet in Konstantinopel eine Prolcstation überreicht haben, der sich die prenßitche Regierung unmittelbar anschtoß.
Paris, 21. Jnni. Tie „France" meldet: Fünf Regimenter östrcichische Kavallerie habe» bei Rnmburg zehn preußische Reiterregimenter geschlagen. (Bedarf wohl noch der Bestätigung.»
Paris, 21. Jnni. Abeudmonileur: Tic Oestreicher über- schritten am 19. die schlesische Greife. In Italien erwarten die Oestreicher Angriffe ans Veneticn, Tirol und dem Po.
London,' 20. Juni. Ter hannvver'sche Finauzminister ist heute vis Bremen hier eingetroffen mit 85 Packelen Metallgeld zur Dcponirung in der englischen Bank. (Lt.A.)
Graf Baldnin.
(Fortsetzung.) *
Mit einem fast mitleidigen Lächeln eutgegnete Wilhelm: „Ich versiebe Dich nnd Deinen Jrrthum. Tu sprichst von jener hehren Minne, »sie unsere Dichter sie besingen. Tu kennst die Liebe, die reine, keusche Flamme, die zur Dame ihrer Wahl wie zur Madonna emporsicht, aber Tu verstehst nicht den Egoismus einer wilden Leidenschaft, die »„heilig im Herzen glüht. Johanna ist das Mädchen nicht mehr, das Du einst kanntest. Mehr als zehn Jahre ist sic inzwischen die Gattin des ungeliebten Ferdinand gewesen. Du warst noch ein Knabe, da sic als Opfer zum Altäre geleitet wurde. Verwechsle Dein Gefühl nicht mit jener dämoinfchtii Macht, die nur »ach einem Ziele treibt, nach dem
Besitze des geliebten Wesens, gleichviel, durch welche Mittel er errungen werde."
Das war ein Punkt, in welchem Hugo den Vater nickt verstehen konnte. Jene seltsame Zeit entwickelte oft in den ritterlichsten Gemüthern eine Zartheit der Empfindung, die wir heule kaum verstehen. Hugo war etwa süufnndzwanzig Jahre alt, aber er hatte sich die volle Reinheit der Gefühle bewahrt nnd war daher unfähig, sich ein sträfliches Verhält»,ß zwischen Aldenarde und Johanna zu denken. Wohl begriff er, daß man eine Dame, auch wenn sie die Gattin eines andern war, verehren, für sie kämpfen und sterben konnte, ihr aber mit unreiner Begierde zu nahen, schien ihn, gänzlich unwürdig eines ritterliche» GemülheS, daß er nicht daran glanven konnte. „Du siehst düster, Vater," sagte er, „das Unglück unseres Vaterlandes macht dich mißtrauisch. Aldenarde ist keiner solche» Falschheit fähig."
Wilhelm von Kranhove» zuckte mit den Achseln, nnd erwiderte nichts. Er wußte, daß für seinen gutgeartcten Sohn der Zweifel an dem Freunde nnd der Ehre Johanna's eine undenkbare Sacke war. Er überließ es der Zukunft, ihn anfzuklären.
Das Gespräch der Beiden wurde durch den Eintritt einiger Nalhsherrn in schwarzen Talaren unterbrochen, welche ebenfalls zur Audienz bei der Gräfin eingetroffe» waren.
Wilhelm von Kranhofen ging ihnen entgegen. Die Raths- Herren verneigten sich kies vor den edlen Herren, nnd hielten sich in ehrerbietiger Entfernung. Leutselig redete Wilhelm sie an: „Willkommen, gute Herren," sagte er, „bringt Ihr unserer edlen Gräfin gute Nachrichten?"
Tie Ralhsherren schwiegen, und sahen ihn betrübt an. „Nun," fuhr er fort, „was führt Euch her? Eure Minen sehen nicht nach froher Botschaft aus."
Ter Baron von Kranhoven war im Lande wohlbekannt. Der älteste der Rathsherren sagte mit zutraneusvoUem Tone: „Ack, Herr Baron, die Burger der Stadl Brügge senden uns, der Gräfin die bedrängte Lage ihrer getreuen Stadt zu schildern. Es ist unmöglich, daß wir die Contribntioncn zahlen, die der Franzose über uns verhängt. Aller Wohlstand geht zu Grunde, und wen» die Gräfin „ns nicht Schutz gewährt, weiß ich nicht, was daraus werden soll."
Bel aller Vaterlandsliebe blieb der alte Baron Kranhoven doch ein stolzer Edelmann, der ans die Bürger mit Verachtung herabsah. Die letzten Worte des Rathsherrn erinnerten ihn daran, daß das Bürgervvlk nichts sei ohne den Edelmann, und höhnisch sagte er: „Nun, was konnte denn daraus werden?"
Der Rathshcrr fühlte den Stich. „Spottet nicht, Herr Baron," sagte er, „bedenkt unser Unglück! Wob! wissen wir, daß wir nicht die Macht haben, nus selbst zu schützen, und das Beispiel so vieler Städte, die zu Schutt verbrannt wurden, zeigt uns, waS uns Widerstand helfen würde; aber eben darum kommen wir als Bittende hiehec, und flehen um den Schutz, der nuS von Rechtswegen zukommr."
Wilhelm von Kranhofen flüsterte seinem Sohne zu: Hörst Du, wie es gekommen ist? Alles hofft nach dem Recht, bas Jedem geschmälert ist. Ei» einziger Funke und das ganze Land flammt empor."
In diesem Augenblick öffnete ein Page die Thürc, welche aus dem Gemache der Gräfin in den Saal fühlte. Johanna trat heraus, an ihrer Seite Arnulf von Aldenarde, und hinter ihr mehrere Damen. Johanna war ein Weib im vollsten Glanze anfgcblühter Schönheit. Nach damaliger Sitte gekleidet, trug sie ein blaßgrüneS Unkergewaud von Seide, »nd darüber ein seidenes Oberkleid, welches ohne Aermel a» den beiden Seiten ausgeschlitzt und mit goldene» Schnüren zusammcugehaltcn war. Die Ränder des Kleides am Halse,,au den Armlöchern und Seiten waren mit sammtenen Säumen geziert. Ein leicktumgehäng- ter kostbarer Gürtel umfloß das Kleid, hing aber an der Seite etwas herab, so daß die Taille, welche in den engen Kleidern sich deutlich zeigte, nicht fest davon umschlossen war. Das volle dunkelblonde Haar war a» den beiden Schläfen in breite Zöpfe gepflockten, und diese mit kostbaren Nadeln rund aufgesteckt. Ein sehr kleines Barret saß etwas an der Seite des Kopfes, und war ebenfalls reich mit Goldfäden und kleinen Federn verziert, (Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.