Wicii, 28. Mai. In dcn meisten hiesigen politischen Krei­sen zeigte sich Geneigtheit, an eine friedliche Lösung zn glauben, und selbst die fortgesetzte Vermehrung unserer Rüstungen schwächt kiese Hoffnung nicht ab, da man voraussetzt, daß eine solche Machtentwicklung geeignet sein müsse, gegnerischen Angriffsge- lüsten einen Zaum anzulcgen. I» der That gewinne» unsere Rüstungen eine größere Ausdehnung. Noch nie hat Oestreich eine solche imposante Heeresmacht aufgestellt, als es eben thut. Außerdem werden die in allen Provinze» sich bildenden freiwilli­gen Corps wohl auf 5060,000 Mann anwachse». Bereits stehen 800,000 Man» kampfbereit, und dennoch steht eine neue Rekrutiruug bevor, falls der Verlauf der Konferenz eine solche als angczeigt erscheinen macht.

Wien, 28. Mai. Seit heute früh befindet sich das Haupk- guartiec der k. k. Nordarmec in den Mauern der Festung, oder besser gesagt, innerhalb des verschanzten Lagers Olmütz. F.Z.M. Ritter v. Beuedck ist, gefolgt von einer großen Suite, um halb 9 Ubr dort cingetroffen.

In Oestreich' erzählt man sich, der König von Preuße» bähe mit einem Geldsürsten über eine Anleihe von 20 Millionen Thalern unterhandelt, der Geldman» habe kein Geld, aber einen Rath gegeben: .,Jagen Sie den Bismarck fort und jeder Preuße zablt mit Vergnügen einen Thaler; bann sind die 20 Millionen beisammen."

In Tyrol wird im ganzen Lande der Landsturm vorbereitet. Alle wehrhaften Männer haben sich zur Theilnahme bereit erklärt. I» Jnncrkrain wurde» Wiesen für 800 Ochsen gepachtet, welche zur Verproviantiruug der italienischen Armee bestimmt sind.

Genf, 26. Mai. Die hiesigen Schuhmachergeselle», 300 bis 400 an der Zahl, meistens Deutsche, haben die Arbeit ein« gestellt, weil die Meister, gleichfalls meistens Deutsche, die ge« forderte Lohnerhöhung von 30 pCt. nicht gewähre» wollten.

Florenz, 28. Mai. Ein Leitartikel der Opinionc droht den deutschen Mittelstaaten mit fremder Einmischung im Falle ibrcS aktiven Anschlusses au Oestreich und rälh ihnen strengste Neutralität.

Mailand, 25. Mai. Gestern sind die Instruktionen des Florentiner Kabincts bezüglich der Konferenz an Ritter Nigra in Paris abgcgangc». Italien besteht dieser Instruktion zufolge aus der Besitznahme aller der unter östreiL'ischer Herrschaft befindlichen Provinzen, einschließlich WäischtprolS und FriaulS. Von Triest wird keiner besonderen Erwähnung gethan. Geht Oestreich auf freiwillige Abtretung dieser Provinzen ein, so ist Italien bereit, gewisse Geldentschädignngen dafür zu gestatten. Man sicht, daß die Basis dieser Vorschläge eine solche ist, daß sich nicht leicht Friedenshoffnungeu daran knüpfen können. (O. P.)

Paris, 31. Mai. Graf Bismarck wird in wenigen Tagen hier erwartet. Fürst Gortschakoff wird bis zum 5. Juni hier eju- lreffen. Tie France schreibt: Tie erste Konferenz wird wahr­scheinlich vor dem Ende der nächsten Woche znsammenlretcn. Sämmtliche Antworten enthalten die Versicherung, daß Maßregeln getroffen weiden sollen, um jeden Akt der Feindseligkeit vor einer definitiven Entscheidung zu verhindern. In der Presse glaubt Cucheval-Clariguy, der Kaiser werde persönlich dcn Vorsitz im Kongreß führen. (?) Droupn de Lhnys wäre der zweite Bevoll­mächtigte Frankreichs. Tie Liberte hat ein Telegramm ans Flo­renz, wonach das dortige Ministerium sich zu einer neue» Aus­gabe von Baiikbillctcn im Betrag von 250 Mill. entschlossen hätte.

Paris, 31- Mai. Lamarmora soll eine sehr entschiedene Note ausgefertigt haben, worin er gegen die den Vcneliancrn auferlegte Zwangsanleihe protestirt. Tie Note wird durch Frank­reichs Vermittlung an Oestreich gelangen.

Paris, 1. Juni. Das Zustandekommen der Konferenz zu Sieben ist zweifelhaft, da die östrcichische Antwort die Bedingung stellt, daß über Veueticn nickt verhandelt werde. (Dagegen wird von Wien, 1. Juni, berichtet: Gras Menödorff geht am Mon­tag mit den Hofräthen v. Aldenburg und v. Biegeleben mit dem Sekretär Werner »ach Paris. Der Kongreß beginnt am 9. Juni. Oestreich und Rußland werden Einhaltung der Verträge verlangen.)

London. 1. Juni. Lord Clarendon, Fürst Gortschakoff, Graf Bismarck und Lamarmora haben offiziell ihre demnächstige Ankunft in Paris zur Eröffnung der Konferenz angezcigt. Man e,wartet nur noch die Entschließung OestreickS. (T. d. S. M.)

In Neapel und Licilien sollte ein Ausstand zn Gunsten

I Franz II. ausbrcchcn. sobald das italienische Heer an de» Eren« ! zen Krieg führte. Da ließen aufmerksame Behörden ein paar Hundert Geistliche gefangen nehmen und einsperren und Alles wurde still.

Graf Balduin.

Historische Erzählung von Adolph Glaser.

1- Äapitel.

Die Zeit der Kreuzzüge! Welch' eine gewaltige folgenschwere Epoche in der Weltgeschichte! Die alte Well hat solche hoch be. geisterte Züge nach einem religiösen Ziele nickt gesehen. Die Völkerwanderung war eine Folge materieller Noth gewesen, welche die Menschen nach neuen Wohnsitzen trieb; nun aber zog Alt und Jung in erhabener Begeisterung nach dem gelobten Lande, um das Grab deS Erlösers ans dcn Händen der Heiden und der Ungläubigen zu befreien. Männer verließen ihre Familien, Kinder ihre Eltern, Fürsten ihre Völker, keine Pflicht, keine Nolhweudigkeit gab eS gegen diesen allgemeinen Ruf, dem gegen­über Alles auf das Spiel gesetzt wurde.

Diejenigen aber, welche von der heilige» Begeisterung nicht svrtgerissen wurde», welche zu sehr Egoisten und VerstandeSmen- scheu waren, um den Kopf zu verlieren, weil die Stätte, wo Christus gewandelt, in fremden Händen war, blickten ausmerk, sam und vorsichtig um sich, ob sie das allgemeine Streben nicht für sich ausbcuten könnten. Da kam cs denn nicht selten vor, daß, die Gelegenheit benützend, hier ein schönes Weib, dort ein gutes Stück Land einem kühnen Freibeuter in die Hände gerielh, und wer so hoch stand, daß er seine Hand nach ganzen Staaken ausstrecken konnte, der versuchte es gleichfalls. So ent­standen neben dem großen heiligen Kriege gar viele kleine, oft sehr »»heilige Streitigkeiten, und jene wunderbare Zeit der Wäh­rung, in welcher die Gewalt des Christenthums ihre großartigste Probe anshielt, erzeugte im Einzelnen viel Elend und Jammer. Auf der einen Seite blühten Handel, Wissenschaften und Künste empor, auf der andere» wükheien die verderblichsten Leidenschaf­ten, wie Raubgier, Hinterlist und Neid.

In Frankreich herrschte damals Ludwig VIII., ein seiner, schlauer Mann, der überall im Trüben zu fischen suchte, um seine Macht zu vermehre». Den deutschen Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen haßte er, wie schon sein Vater Philipp August den Vorgänger Friedrichs, Otto den Welsen, den man als Kai­ser nur den Braunschweiger naunle, gehaßt hatte. Die Ursache dieses Hasses lag darin, daß die deutschen Kaiser dcn französi­schen Königen stark ans die Finger sahen.

Der Ruf deutscher Waffen lockte viele fremde Jünglinge au den Hof der Hohenstaufen, und so geschah eS auch, daß im Frühjahr 1225 ein junger flandrinischer Edelmann, der Baron Hugo von Kranhoven, aus Deulschland in die Heimat zurück« kehrte, nachdem er sich in der Kunst, die Waffen zu führe», bewährt hatte. Mit seinem Vater, dem Baron Wilhelm, begab er sich nach der reichen Stadt Gent, woselbst die regierende Gräfin von Flandern verweilte.

In Flandern begann damals die goihische Baukunst aufzu« blühen, und viele Gebäude trugen den Charakter der neuen Richtung. So auch die Halle, in welcher die beiden Barone von Kranhoven in lebhaftem Gespräch auf und abgingen, um die Stunde zu erwarten, in welcher die Gräfin zur Audienz kom­men würde.

Hugo war noch ganz erfüllt von der ritterlich kühnen Stim­mung, welche er in Deutschland kennen gelernt hatte; die ge- drückicn Verhältnisse seines eigene» Vaterlandes verstand er kaum mehr. Sein Vater halte Mühe, den aufbrausenden Zorn des Jünglings niederzuhalte». Immer wieder empörte sich der­selbe gegen die wohlmeinenden Ralhscklägc des Alten.

Ertragen sagst Du? Schweige» und dulden?" grollte Hugo, und schlug an sein Schwert;immer nur Schweigen? Und wo­hin soll diese schweigende Geduld noch führen? Haben wir Frank­reichs Absicht nickt zur Genüge kennen gelernt?"

Zu wohl nur ist mir bekannt," entgegnetc Wilhelm,doch weiß ich, daß zum Handeln jetzt der Augenblick nicht günstig ist."

(Fortsetzung folg! )

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.