ftjneS hiesigen Aufenthalts so angegriffen, daß er ans ärztlichen Rath wahrscheinlich schon nächsten Freitag über Plymouth nach Laprera zurückkehrt.

London, 20. Apr. In der gestrigen Oberbanssitzniig ant- wortete Russell auf eine Anfrage von MalineSbnry: Die preußi­sche Antwort auf die Anfrage wegen Beschießung Sonderburgs sei ausgeblieben, wahrscheinlich weil man in Berlin die neutralen Mächte zu einer derartigen Anfrage nicht für berechtigt balle. Im Unterhause bemcntirt Palmerston das Gerücht, daß die Ne­gierung auf den Wunsch des Kaisers Garibaldi zur plötzlichen Abreise veranlaßt habe (die schnelle Abreise Garibaldi'- vor Be­ginn der Conferenz hängt jedoch ganz entschieden mit der Sen. düng Lord Clarendons zusammen). (T. d. St-A.)

Allerlei.

(Ein Seirenstnck z«m König riear.) Bor

dem Zuchtpolizeigerichte an der Seine erschien dieser Tage ein 80jähriger halb erblindeter Kreis, der, von einem zerlumpten Knaben geleitet, den Verhandlungssaal betrat. Tie Persönlich­keit des der unerlaubten Bettelei beschuldigte» Greises machte bei ihrem Erscheinen einen liefen Eindruck auf Richter und Audi­torium, denn selbst der ungeübte Blick ertannle sogleich, daß man keinen gewöhnlichen Bettler vor sich sehe. Der Mann mußte durch außerordentliche Zustände und Verhältnisse'in seine gegen­wärtige traurige Lage gebracht worden sein, denn, ob zwar von der Last der Jahre gebeugt, ist sein Gang doch stolz und sicher, das kahle, mit spärlichem Silberhaar geschmückte Haupt ist edel geformt, der Gesichtsausdrnck ei» aristokratischer, eine Gestalt, die einem Maler als SaturnuS hätte sitzen könne». So und Nicht anders mußte Garrik auSgesehen haben, als er König Lear darstellte.

Präsident: Wie heiße» Sie, wie ist Ihr Name?

Angeklagter: In besseren Tage» nannte man mich Louis de Ron, damals war ich als wohlhabender Gutsbesitzer, der eine Rente von 25,000 Francs Halle; gegenwärtig heiße ich ein­fach Louis Ron und bin ein Bettler.

Präs.: Sie gestehen ein, daß Sie den Bettel als ein Ge- werbe treiben; sagen Sie uns, wie es kam, daß Sie so tief sanken und warum Sie bei der Acmenvolijei keine Abhilfe Ihrer Noth nachsuchte».

Angekl.: Muß ich denn meine Leidensgeschichte erzählen? er­sparen Sie mir die Pein, Sie ersparen mir dann das Geständ. niß meiner tiefsten Schmach, ich kann dieses, obgleich so tief ge­sunken, doch nicht so leicht über meine eigenen Lippe» bringe».

Präs.: Das Gericht muß die Wahrheit kennen, nur da­durch vermag eS den Maaßstab für sein Unheil zu finden.

Angekl.: (seufzend) Muß eS also sein? Nun, so werde ich erzählen, ich werde Etwa» erzählen, das gewiß selbst einen Stein erweichen wird, denn solchen Jammer, wie der meinige ist, hat die Welt wohl selten gesehen. Gott gav mir zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Ich lieble sie wie mein Augenlicht; ich lebte, als mein treues Weid starb, nur ihnen, brachte ihrer Er­ziehung weit größere Opfer, als selbst mein damaliges Vermögen erlaubte, ich verpachtete meine Güter zu Rouen, um in Paris ihre Erziehung zu überwachen; die beiden Kinder gediehen auch und bildeten meine höchste Freude. Marion, meine Tochter, war ein reizend holdes Wesen, ich war stolz auf ihre Schönheit, Anmuih und Bildung. Doch Marion halte ein leidenschaftlich Herz, sie wurde vom Grafe» St. George verführt. Unter Thränen gestand mir Marion ihren Fehltritt, der Schmerz, den ich empfand, machte mich fast wahnsinnig und es regte sich in mir der Gedanke, den Verführer meiner Tochter zu erschießen. Doch, wie sollte ich das Lebensglück meines Kindes zerstören? Marion konnte und wollte ohne St. George nicht leben, und ich war gezwungen, dem Verführer mein geliebtes Kind an den Hals zu werfen. Die St. George's sind eine adelsstolze Familie. Die Ehe mit meiner Tochter galt dem Grasen für eine Mesal­liance, und der in seinen Verhältnissen herabgekommene Kavalier wollte die Ehre meiner Tochter nur unter der Bedingung rehabi- litiren, daß ich meiner Tochter eine Mitgift von 500,000 Francs gab. Was thut ein Vater nicht, um von seinem Kinde die Schande abzuwälzen und sein Lebensglück zu sicher»? Ich gab «ach und opferte einen großen Aheil meines Vermögens. Die

Ehe Marions war eine sehr unglückliche. St. George, ein lei­denschaftlicher Spieler, vergeudete gar bald das Vermögen; nach drei Jahren fand er in einem Duelle, das er, der Vater zweier Kinder, für eine Freudendirue auSfocbk, den Tod. Marion und meine Enkel lebten von dieser Zeit ab in meinem Hause.

Emil, mein Sohn und zweites Kind, wollte den Kavalier spielen, er fälschte, als ich ihm die Mittel z» seinem maßlosen Aufwande verweigerte, Wechsel, und ich halte zu wählen zwischen Nolb und Elend, Armuib und Entbehrung oder der Schändung meines Namens. Das Bagno gähnie meinem Sohne entgegen. Ich brachte der Ehre meines NamenS den Rest meine- Vermö­gens zum Opfer. Emil fand später den Heldentod aus den ruhm­bedeckten Schlachtfeldern Italiens, der Name de Ron tam durch ihn in das Heldenbuch von Frankreichs Gefchicbte, der Kaiser sagte von meiuem Sobne, als er dessen Tod erfuhr:de Ron war ein braver Soldat, bas Vaterland verliert au ihm einen Helte», der es gewiß weit gebracht hätte." Marion ernährte ihre Kinder von ihrer Handarbeit >u.d ich verdiente mir als Sta­tist im Theater täglich zwei Franc-, ich war zufrieden.

Eines Tageö, während meiner Ab.vesciiheil, erschien ein frem­der Man» in meiner Wohnung, der nach mir fragte, sich nach meine» Verhältnissen erkaudigte und endlich ein Schreiben zurück­ließ. Wer schildert meine Freude, als ich es öffnete und Len Inhalt von 10,000 Francs vorfaud. Es war, wie der unbekannte Geber in wenigen Zeilen sagte, ein Geschenk für mich, das der Freund dem Freunde in der Noth bietet. Nicht lange sollte mein Glück wählen. Am nächstfolgenden Tage verschwand Marion aus meinem Hanse und nahm das ganze Geld mit sich und überdies ihre zwei Kinder mir hinkerlassend. Ich war bestürzt und un­glücklicher als je. Sehen Sie! ries der Bettler, dieser Knabe, der mich halb blinde» Mann führt, ist mein Enkel, ein Gras St. George. (Sensation.) Die gräfliche Familie St. George verleugnet aber meinen Enkel, weil er i» einer Mesalliance ge­zeugt ist. Was ans Mario» geworden, habe ich unglücklicher Mann seit zwei Jahren nicht erfahren können. Als meine En­kelin Antoinette am Scharlach erkrankte, sa. te ich zu meinem zwei­ten Enkel: Komm, ich werde Arznei für Antoinette schaffe», daß sie nicht sterbe. Wir gingen betteln, ich patte kaum 24 SouS zusammengrbracht, da erfaßte mich ein Sergeant de Ville und brachte mich lammt meinem zweiten Enkel in'S Gefängniß.

Ein Schrei des Entsetzens ward in diesem Moment im Au­ditorium laut, aller A»ge» richtete» sich auf einen Herr», der leichenblaß, einer Ohnmacht nahe war. Mit bebender Stimme bat er, ihn vor de» Gerichtshof zu führe».

Bruder Hieronymus!" rief der Bettler.

Hieronymus sank schluchzend dem Unglücklichen an den Hals.

Mein Geschenk, sagte Hieronymus, ist dir schlecht bekommen, doch ich bringe aus Australien Rejchthümer genug mit, um für dich und deine beiden Enkel sorgen zu können.

Nachdem der Richter ein sreiiprechendes Urtbeil gesprochen hatte, verließen die Beiden Arm in Arm unter dem Jubel des Auditoriums den Saal.

Zweitausend Pfund Sterling sind in vierzehn Tagen zu gewinnen. Ei» großes Wort in dieser schlechten Zeit. Wer Lust dazu hat, mag sich an du Bar in in London wenden. Es ist dies ein sehr liebenswürdiger Arzt daselbst, wel­cher sich mit Experimente» an den nieder» Wesen, an Hunden, Katzen, Kaninchen, beschäftigt. Jetzt bat der geschickte Mann eine Katze, nachdem er sie künstlich betäubt, 24 Tage lang unter der Luftpumpe gehalten und sie dann wieder in's Leben zurück­gerufen (?!); nun aber möchte der gute Doktor, nachdem er mit Katzen experimentirt, auch wissen, wie es damit bei dem Men­schen steht, und bietet deßhalb in den Zeitungen 2000 Pfund Sterling demjenigen an, der ihn a» sich experimentiren lassen will. Dieser geniale Mann behauptet, daß ein Mensch recht gut 14 Tage anshalten könne, was eine Katze 24 Tage lang ertragen hat! Nun scheint es dem eben so verschwenderischen als liebens­würdigen Doktor besonderes Vergnügen zu machen, sein Geld zum Fenster binauszuwersen, sonst setzte er sich gewiß lieber selbst unter seine Luftpumpe und sparte seine 2000 Pfund Sterling.

Kriegs- und Staatsmänner gehören eigentlich auch zum Kaufmanns­stande. nicht nur wegen ihrer Handlungen, sondern auch wegen ihrer Niederlagen. _ __

Druck «»t Verlag der G, W. Zaise r 'se^ii BuLhandwag. Siedaltie» : Höl-tr.