„Ich bin müde, Vater," sagte er in französischer Sprache. „Zu waS sollen wir noch weiter wandern? Wir sind heute genug gegangen seit heule Morgen."
„Schweig, ober es gibt eine Maultesche," erwiderte der Vater mit barscher Stimme, indem er jedes Mat einen so wilden Blick auf den jungen Knaben warf, daß dieser ihn kaum auszn- halten vermochte. „Noch diesen Berg hinaus muffen wir wandern, dann sind wir ans italienischem Gebiet und brauchen nicht mehr so zu eilen. Immer vorwärts, Pierre! Je mehr d» dich sputest, desto mehr kannst du von deiner Müdigkeit ausrnhen."
„Ich bin so müde nicht, Vater," antwortete der Knabe, welcher etwa das neunte Lebensjahr erreicht haben mochte. „Ich bin nicht müde, denn ich bin das Hernmstreife» gewöbnt. Aber hier Captal kann nur noch mit Mühe vorwärts kommen. und um seinetwillen sollten wir ein bischen ausrnhen."
„Schwätz nicht so dumm!" fuhr der Mann aus. Gerade um seinetwillen müssen wir vorwärt,'. Immer rasch! Schweig still und reiche dem Jungen deine Hand, damit er eine Stütze hat und nicht fällt."
Pierre streckte mit einem zugleich zärtlichen und mitleidigen Blicke seinem kleinen Begleiter die Hand hi». Tiefer ergriff sie, und an seinem festeren Schritte konnte man leicht sehen, welche willkommene Hilfe ihm die Unterstützung seines gntmülhigcn Leidensgefährten gewährte.
„Ich danke dir, Pierre," flüsterte ec dem Knabe» zu, indem er zugleich eine» scheuen und düsteren Blick hinter sich warf, um sich zu überzeugen, daß die Folgenden weit genug von ibm entfernt seien, um seine'Worte nicht verstehen zu können! „Warum bist du Io gut gegen mich, da doch dein Vater und deine Mutter immer mit mir zanken." — —
„Sag nicht, mein Vater und meine Mutter," erwiderte Pierre unwillig und eben so leise, zu seinem kleine» Begleiter, meine Eltern sind beide gestorben, und tue dort" — er deutete mit der Hand hinter seinen Rücken, — „die dort haben nuch nur zu sich genommen, damit ich ihnen Helsen soll, Geld zn verdienen."
„Geld verdienen?" fragte der kleine Captal überrascht. „Wodurch Len»? Du bist ja doch nicht älter als ich, und wolltest schon Geld verdienen können? Das glaube ich nicht,
Pierre!" v
„Ei ja, well du cs nicht verstehst!" erwiderte Pierre.
„Aber in Paris, da hels ick meinem Pflegvaier beim Handwerk."
„Was ist denn das für ein Handwerk?" fragte Captal neugierig. „Ja, das Vars ich eigentlich nicht sagen," erwiderte
Pierre. „Wenn es Rollet hört, schlägt er mich zn Bode», denn Niemand darf wissen, was er i» Paris rbni."
„Ach, mir kannst es wohl sagen, flüsterte der kleine Captal. Wem sollte ich es wohl verrathen?"
Pierre warf einen Blick ans die Folgenden zurück, und da er den Mann und die Frau weit genug entfernt sah, das; sie seine Worte nicht hören konnten, sagte er rasch und leise: „Wir stehlen!"
Captal fuhr erschrocken ans die Seite und riß schnell seine / Hand aus der Pierrc's los. „Das ist schlecht!" rief er aus. „Meine Mutter hat.mich immer gelehrt, daß Lügen eine Sünde sei, und Stehlen noch eine größere. Wenn du stiehlst, Pierre, so wirst du nicht in den Himmel kommen."
„WaS ist das, Himmel?" fragte Pierre, „davon hat mir mein Pflegvater noch nichts gesagt. Er sagt nur immer, wenn ich nicht klug und gescheit» wäre, dann würde ich in's Gefängniß kommen, wo es nichts zu essen und zu trinken gebe, als Brod und Wasser. Ei ja, mich sollen sie wohl nicht kriegen, ich will schon klug und pfiffig sein und mich nie erwischen lassen."
Captal starrte mit unverhehltem Abscheu seinen Begleiter an, welcher vom Himmel nichts wußte und schon stehlen konnte. Am liebsten wäre er vielleicht davon gelaufen, aber das wagte er nicht, denn Pierre war kräftiger und schneller als er, und hätte ihn sicherlich bald wieder eingefangen. Auch bedachte er, daß Pierre es jederzeit wohl mit ihm gemeint hatte, daß er immer gut und freundlich gegen ihn gewesen war, und diese Betrachtungen vermochten so viel über ihn, daß er sich freiwillig seinem Begleiter wieder näherte.
„Höre, Pierre," sagte er,^„das Stehlen ist eine so große
-üode, daß der liebe Gott sie dir niemals vergeben kann, wenn du dick» nickit besserst"
„Wer ist der liebe Gott?" fragte Pierre ganz unschuldig. „Was hat ec mir ,n vergeben? da ick) ihn nicht kenne, habe ich chm auch meines Wissens noch nichts zn leide gethan. . . ."
„Was? auch den lieben Golk kennst du nicht einmal?" schrie Capttü entsetzt ans. „DaS ist ja der große Geist, der alles ge- schaffen hat in der Welt, der die Kinder vor allem Bösen behütet und seine Engel anSschickl, damit sie über nnS wachen und unS i» Sck'ntz nebme» solle»! Ach, meine Minier bat mir das oft erzäblt, als ich »och bei ibi in dem schöne» Schlosse wohnte, und i» dem ichönen Garten spazieren gehe» konnte, wo nicht so viel Steine in dem Wege lagen, wie hier."
„Captal schweig still," sagte Pierre hastig. „Du weißt, der Bater kannS nicht leiden, daß dn von deiner Mutter sprichst und ovn einem Schlosse, wo d» gewohnt habe» willst. Er ha' dir ja schon oft gesagt, all' daS dumme Zeng hättest dn geträumt und wenn du »och einmal davon anfängst, wird er dich gewiß schlagen bis aufs Blut. Sei still! Sei still davon!"
Scheu blickte Eaptal zurück, und als er den Mann, welchen er fürchtete, dicht dinier ihm sah, schwieg er ganz still und ging traurig neben seinem Kameraden her. Pierre aber ließ ihm nicht lauge Ruhe. Er forderte ihn ans, ibm noch ei» wenig vom lieben Gott und vom Himmel zu erzählen, und Captal ließ sich nicht lange »öthigen, den Wunsch seines Begleiters zu erfüllen. Er erzählte, was ec oft von seiner Mutter gehört zn habe» behauptete, daß der liebe Gott ein allmächtiges Wese» sei, das die Guten belognt und die Bösen bestraft, daß er alle Menschen so lieb habe, wie ein Baker seine Kinder, und daß Alle, die sich vor der Sünde gehütet Härten, einst i» den Himmel komm?» würden, »m von dem Neben Gott für ihre Lugend belohnt zn werde». Freilich war seine Cizayinng nur sehr nn- vollkommen und kindisch, aber Pierre Höne doch mic großer Aui- inerksamkcil zn, »»d die Worte seines tleinen FrenndeS schienen einen tiefe» Eindruck ans ihn zu machen.
„Aber woher weiß denn Seine Raiter daS Alles?" fragte er.
„Aus einem gro,;i»ächtige» Luche, das die Bibel heißt," erwiderte Cavi-U. „Das bat der liebe Gott selber geschrieben, um die Menschen gnl nnd fromm zu machen, »nd die Mutter hat mir oft etwas daraus vorgelesen. Ach, eS stehen so wunder- schöne Geschichte» darin vom Herrn Jesus, der Gottes Sohn war, »nd von ihm auf die Erde gesandt wurde, damit er die , Menschen von der Sünde erlösen solle!"
! „Und es stehi auch dann, daß stehlen eine Sünde ist?"
! fragte Pierre. (Forts, s.)
l I e i l c i.
Groß und stark sei», schützt vor Schwindsucht nicht. Robert ,-Haies, der berühmte Norfolk-Riese, der sich in drei Welt- iheilen anstannen ließ, ist 43 Jahre alt an der Schwindsucht gestorben. Er war 7Fuß lang nnd wog 453 Pf. Seine Geschwister, Brüder und Schwestern, waren alle Riesen, Schwester- Nesthückel immec noch 6 Fuß 6 Zoll hoch. Alle starben jung.
— Folgende Berechnung ist gemacht worden: Wenn wir ! mit einem Eisciibahiiznge mit einer Schnelligkeit von 6 Meilen in j der Stunde von der Erde nach der Sonne fahren könnten, so i würden wir gerade 400 Jahre brauchen, um oben aus dem ersten Bahnhose an;»kommen.
— Die Weiber sind in Deutschland Hausfrauen, in England Königinnen, in Frankreich Damen, in Italien Gefangene, in Spanien Sklavinnen. — Die Ehemänner sind in Deutsch land Herren, in England Knechte, in Frankreich Gefährten, Italien Schüler, in Spanien Tyrannen.
— Zwiebeln recht groß zn ziehen. Man lege die klein Zwiebeln, welche man im Haushalt nicht sonderlich gebrauch kan», in einer Stube so dicht als möglich an einen Ofen, , sie völlig ciuSgctrvcknct scheinen, doch von der Hitze keinen S ,, dev genommen haben, und verpflanze diese getrockneten Zwiebe«., im Frühjahr auf ein nicht ganz frisch gedüngtes Gartenbeet. Sie tragen nach dieser Zubereitung fast keinen Stengel, setzen aber Zwiebeln vv» ungewöhnlicher Größe und starkem Geschmack an.
Druck und Herlag »er G. W. Zaiser'sche» Buchhandlung. Redactr'-n: Hvlzl«.