Nein, nein! ich habe nicht, durchaus nicht," tobte der un­bändige Mann und drohte über die Barriere zu springen. Wer nicht zählen kann, muß zahlen. Glauben Sie, nach einer Stunde läuft man daher und verlangt nur so nach Belieben Geld? Nur die Augen auf oder den Geldbeutel! Vielleicht heute wieder einige Scheine gebraucht, wie vor Wochen . . ."

Pfui! wie schlecht!" schrie Anton wüthend hinüber, sprang einige Schritte vorwärts und erbob drohend die geballte Faust. Wer ohne Grund zeiht, ist selbst nicht rein. Nicht zu wenig, zu viel haben Sie mir gegeben, fünfzig Thalcr zu viel!"

Todtenbleich vor Schrecken und sprachlos weicht der kassier einige Schritte zurück. Seine Verlegenheit steigerte sich noch un­endlich mehr, als durch eine Seitenthür Antons Principal mit dem Herrn des Bankhauses eintrat.

Was gibt cs hier?" herrscht zornig der letztere und gewahrt erstaunt des Jünglings drohende Stellung.

Ich habe diesem Mann fünfzig Thaler zurückgebracht und er beschuldigt mich zum Danke dafür des Diebstahls," entgegnete bit­ter der Lehrling und läßt die erhabene Rechte sinken.

Beruhigen Sie sich! Ich kenne bereits durch die Güte Ihres Herrn Principals das ganze Verhältnis und die Sache soll bald entschieden sein.Herr Kassier!",wandte er sich ernst und streng zu dem überraschten, lautlosen Diener,ich erwarte auf meine Frage die unbedingte Wahrheit. Dieser junge Herr mußte vor einigen Wochen durch Ihr Verschulden vier Dukaten ersetzen. Ha­ben Sie an jenem Tage, gleichviel ob verlangt oder nicht verlangt, Ihrer Pflicht gemäß Cassasturz gehalten? Hatten Sie keinen Ueber- schuß und wie viel?"

Ja!" antwortete dieser und schlägt verlegen die Augen zu Boden, während bohe Röthe verrätherisch seine Wangen färbt! ungefähr denselben Betrag."

Wo ist das Geld? Warum wurde es nicht zurückbezahlt?"

Das Gelb liegt, in Papier eingeschlagen, hier in der Kasse. Ich wollte und konnte mir dem Lehrling gegenüber keine Blöße geben. Früher oder später hätte ich cs ihm' durch dritte Hand zu- stellen lassen."

So, um also Ihrem Hochmuth zu fröhnen," betont scharf der Banquier,begehen Sie ungenirt Unrecht und gefährden Ehre und guten Namen eines Andern. Wissen Sie denn, daß die ganze Existenz dieses Herrn auf dem Spiele stand? Sv bringt man das beste Geschäft in Mißkredit. Sie werden wohl selbst einsehen, daß Sie diesen Posten nickt länger mehr begleiten können. Treffen Sie Ihre Maßregeln darnach?"

Ein so rasches und strenges Urtheil hatte Niemand erwartet. Principal und Lehrling verwandten sich angelegentlich für den un­vorsichtigen Mann und besonders Anton konnte sich durchaus nicht beruhigen.Nur keine Entlassung um meinetwillen!" bat er wie­derholt.Das würde wie ein Ccntnerstein aus meinem Herzen la­sten und mich nimmer froh werden lassen."

Ich will den Herren nachgeben," sprach endlich der Banquier nach längerem Bedenken, und mein Wort zurücknehmen. Uebrigens verdanken Sie das, Herr Flessa, einzig und allein der Fürbitte dieses Herrn. Dafür erwarte ick aber zuversichtlich, daß dies die letzte derartige Klage ist und daß sie hinfort strenge Rechtlichkeit einem falschen Dünkel voraussetzen werden. Die reclamirten vier Dukaten sind sofort ihrem Eigenthümer zurückzustellen. Und Sie junger Mann," wandte er sich freundlich z» Anton und überreichte ihm die zurückgedrachten fünfzig Thalcr,werden diese Kleinigkeit als ein Andenken, als eine Entschädigung von mir acceptiren, wenn überhaupt bei solchen Fällen eine Entschädigung in Geld möglich ist, und auch für die Folge fest auf der eingeschlagenen Lahn beharren."

Der Banquier drängte, der Principal befahl und der Lehrling mußte gehorchen.

Als Anton kurze Zeit darauf wieder in sein Stübchen gelangte, reich, überreich, gerechtfertigt und zufrieden, zog es ihn nieder aus die Knie, das Herz jubelte und dictirte heiße Dankesworte, die Lippen stammelten sie »ach, Freudenthränen perlten darein und nie ward vielleicht in diesem Raume ein Dankgebet so glühend, so in­brünstig und hochbegcistert wie heute zum Himmel gesandt.

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Die Erzählung gebt zu Ende, das merken wir wohl, werden meine freundlichen Leser denke»,aber wir möchten doch auch wis­sen, was aus all diesen Personen mit der Zeit noch wurde?" Ich will die Frage beantworten, so gut ich vermag und selbst unter­

richtet bin. Pfeifer überwarf sich mit dem Principal, verließ da- Geschäft, ging in die weite Welt und ist seitdem spurlos verschol­len. Reinganum lernte aus und bethciljgte sich später im festen Vertrauen auf sein reiches Erbe an einem großartigen Unterneh­men, betheiligte sich aber auch nach wenigen Jahren an dem groß­artige» Bankerott desselben »nd mußte bei Nacht und Nebel flie­hen, um der Haft zu entgehen. Er soll jetzt in Kalifornien, dem Eldorado aller Gauner, mit de» Diggers Goldgräbern> nach verborgenen Schätzen Haschen und wir wünschen ihm aus ganzer Seele Glück dazu. Herr Kassier Flessa, schon ein betagter Mann, steht noch an seinem alten Posten, beliebt und geehrt in der gan­zen Stadt. Seit jenem Vorfall hat er nämlich Niemand mehr ge­kränkt, und gar Viele, die den Grund nicht kannten, mochten sein plötzliches Umsattcln nicht begreifen. Und Anton?

Von Anton Maurer weiß ich das Meiste und Sicherste zu be­richten. Noch sind es keine zwei Jahre, daß ich ihn heiinfuchte und köstliche Stunden an seiner Seite verlebte. Nicht weit vom Handelsplätze, wo er so rühmlich seine Lehrzeit bestand, liegt eine schöne uralte Stadt, die mit demselben Buchstaben endiget, wie das ganze Alphabet. Dort wirkt er seit Jahren als Geschäftsfüh­rer in einem großen Hanse und wird wohl trotz vieler lockenden Anerbietungen für immer darin bleiben. Den Schlüssel hiezu fin­den wir später. Denkt Euch einen hochgrwachsenen stattlichen Mann mit ^freundlichem, offenem Auge, feinen Manieren und feiner Tracht, durch »nd durch gebildet; als tnä tigcr. gewiegter Arbeiter allgemein geehrt und Ihr habt sein Portrait. Was aber die Haupt­sache ist; der alte, treue Glaube, die kindliche Frömmigkeit, das feste, unerschütterliche Gotlververtrauen lebt und webt »och mit gleicher Lust und Liebe in seinem Herzen und er wird nimmer da­von lassen. Seine brave Mutter sah noch manchen freudenvollen Tag und er bereitete ihr heitere, sorgenfreie Stunden bis zum Ende. Sein Bruder servirte als Commis in demselben Geschäfte und die beiden Schwestern haben etwas Tüchtiges gelernt, und sich später, nach Kräften von Anton ausgestattct, mit braven Männern verehelicht. Und trotz all dieser Leistungen nennt er schöne Er­sparnisse sein eigen und hat sie nutzbringend im Geschäfte angelegt, das mit der ,,eit allem Anscheine nach ganz undßgar in seine Hände übergehen wird.

Wir saßen während eines letzten Besuches manche traute Stunde beisammen und plauderten von vergangenen Tage». Warum auch nicht? Der Lehrer, welcher sich einst so kräftig des fleißigen Schü­lers annahm und den dieser heute noch als Mann segnet, stand mir nebst der Mutter und allen Erdcnkindern am nächsten. Ich ließ mir die ganze Geschichte von meinem Freunde noch einmal erzählen, einfach, klar und treu, um sie gerade so wiedererzählen zu können. Als er geend.t, erhob sich sein Auge dankend zum Him­mel und seine Hand zeigte nach einem großen, prachtvoll verzierten und reich vergoldeten Nahmen. Darin bemerkte ich ein niedliches Madonnen - Bildchen und darunter die Worte:Ehrlich währ t."

Ich merkte mir das Sprüchlein und dachte noch lange darüber nach, wie oft ein braves Kind der Hoffnungs« und Rettungsanker für ganze Familien wird.

Allerlei.

Patriotismus der Pfarrer in Amerika. Reve­rend B. C. Ward, Pastor der Cougregationskirche in Genesee, im Staate Illinois, Nordamerika, hat um die Erlaubniß nachge­sucht und sie erhalten, eine i-olontärkomp tgnie Infanterie zu er­richten, die nur ans Predigern bestehen soll. In seinem Aufruf an seine Kollegen sagt er unter Anderem:Christus verlangt jetzt von nn", daß wir aus unfern sammetgepolstertcn Baracken in den Kirchen hervorkommen mögen, um den Feind (die Separatisten) von Angesicht zu Angesicht mit Glühkugeln, gezogenen Kanonen und dem blanken Bajonct anziigreifen."

In einer kleinen märkischen Stadt war bei der Illumina­tion neulich auch das folgende hochpoetische Transparent zu lesen: König Wilhelm und Auguste,

Hallet fest an die bewußte Freie Constitution,

Duldet keine Reaktion.

Sylbenräthsel.

Die erste halb Jude, die zweite halb Christ,

Das Ganze ein Man», der Gesetze mißt.

Druck «nr U-ert-ß tzer G. ÜU. ^si 1 «r'scde« BuchoaiibUing. oredafnnv: lzte.