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führt haben, in der ich nichts als ewige Nacht finden zu kön­nen glaubte?

Das Mädchen wagte schüchtern zu ihm aufznblickcn, aber sie tnhlle fick neck nicht fähig, eine Antwort zu geben.

Ich beschwöre Sie, antworten Sie mir und lösen Sie dieses Räthsel, das mich um meinen Verstand zn bringen droht! rief der junge Mann leidenschaftlich. Täuscht mich eine so sel­tene Ähnlichkeit, daß sie in den Bereich der Wunder gehört, oder sind Sie ein Engel des Himmels, desfln Allmacht sich die Thüren des finstersten Kerkers öffnen müssen?

Ich bin Fiamina, Signor, erwiderte sie leise, ohne zn ihm anfzusehen. Fiamina Falcone, die Tochter Ihres Gcfäng- nißwärters.

Der Gefangene faßte sich hastig an die Slirn, als müsse er seine Gedanken sammeln, um die seltsame Begegnung zu be­greifen; dann trat er rasch auf bas Mädchen zn, faßte ihre Hand und sagte in leidenschaftlicher Erregung:

Ich möchte cs jetzt als eine Gunst des Schicksals segnen, daß man mich nach San Skeffano gebracht hat.

Mein Gott! rief Fiamina, durch diese Worte aus ihrer Befangenheit aufgeschreckt. Sie, Signor, an diesem schrecklichen Orte? Sie inüfs n unschuldig sein!

So unschuldig wie die Meisten, die gezwungen sind, diese Küste zu betreten, antwortete der Jüngling mit einer gewissen Bitterkeit. Dabei ruhte sein feuriger Blick fest auf ihr und er hielt »och immer die Hand, die sie ihm auch nicht zu entzie­hen versuchte.

Sie sind nicht schuldig? Es ist ein Mißverständlich »nd es muß sich »ach einigen Tagen schon aufkläccn? drängte das Mädchen mit ungewöhnlicher Heftigkeit. Ist es nicht so? O es ist entsetzlich auf San Steffano.

Nicht jetzt, erwiederte er feurig »nd zog ihre Hand an seine Lippe», bevor sie einen Entschluß fassen konnte, ob sie cs ihm gestatten dürfe oder nicht. San Steffano ist ein Paradies für mich, so lange ich hoffen darf, Sie zuweilen in diesem Ker­ker zu sehen, reizende Fiamina.

Es war ein Glück für Fiamina, daß sie sich in der Be­fangenheit, die sie ganz fortznreißen drohte, noch erinnerte, der alten Marineja könne ihr langes Verweilen in der Zelle Nr». 25 auffallen. Mit leise bebender Stimme thcilte sie dem Sig­nor, wie sie ihn nannte, diese Befürchtung mit, wagte aber keine Einwendung gegen seinen bittenden Vorschlag, die Magd baldmöglichst fortznschickcn und dann zu ihm zurückznkehren. Fiamina ging und brückte hinter sich die Thür in das Schloß, aber sie vergaß, die schweren eisernen Riegel wieder vorzuschie- ben und zn verschließen.

Sobald sie sich allein auf dem großen Korridor sah, drückte sie die Hand fest auf das hochklopfenbe Herz »nd, lieb­lich verwirrt, aber auch von tiefster Seligkeit strahlend, heftete sich ihr Blick nochmals fest auf die geschlossene Kerkerthür. Dann schwebte die schlanke Gestalt flüchtig von einer Zelle zur andern, bis nach wenigen Minuten das Geschäft der Gefan­genwärterin verrichtet war, und als die alte Marineja nun eben­falls von ihrer Runde znrückkehrte, gab sie ihr mit erzwunge­ner Gleichgültigkeit den Befehl, heimzutehrcn, und setzte Hinz», sie habe nur »och einen Gefangenen zu besorgen und werbe ihr sogleich folgen. Die Magd stieg die Treppe» hinab und Fiamina flog wieder zu der Zelle des sie zweifellos so mächtig interessirenben Mannes.

Es war wohl schon ein Jahr vor diesem Zeitpunkte ge­wesen, als Mario Falcone cines Tages seiner Tochter, die in dem traurigen Einerlei der Lavainsel zn kränkeln begonnen hatte, mit der M,«Heilung erfreute, sie solle ihrer Gesundheit und Zerstreuung Halver auf einige Zeit nach Gaeta hinüber, in des­sen Nähe ein entfernterer Verwandter seiner Familie auf einer hübschen Villa wohnte.

Ueberglücklich verließ die fünfzehnjährige Fiamina ihren Kerker, denn außer der natürlichen kindlichen Anhänglichkeit an den Vater fesselte sie nichts an San Steffano. und sie hatte fich schon lange heimlich nach dem schönen Festlande und auch »ach den munteren Töchtern jenes Verwandten, ihren Jugend- gespiklinnen, gesehnt. Einige Wochen später blühte das Mäd­

chen wieder wie die frischeste und duftigste Rose, denn so nann­ten sie alle die schlanken und gewandten Burschen in der gan­ze» Umgeoung ihres Wohnsitzes.

Tie heitere Fröhlichkeit ihrer Freundinnen hatte auch auf Fiamina gewirkt, und in dem glückstrahlenden lebenslustigen Kinde würde der Schließer von San Steffano kaum seine schwärmerisch ernste Tochter wieder erkannt habe». Aber es sollte anders kommen. Fiamina befnchte mit ihre» Freundinnen de» vergnügnngöreichen Markt von Mola Scann bei Gaeta und konnte sich nicht satt sehen an dem lustigen, bunten Dnrckcin- ander. Da stieß sie leise eine ihrer Genossinnen an und deu­tete, verstohlen erröthend, auf den auffallend schönen, jungen Offizier der Cavalleggicri des Königs, der coquettirend und mit siegesbewußtem, stolzem Lächeln feine» Blick auch über die Mädchen streifen ließ.

Und sollte Fiamina, das unschuldige Kind, dem das sü­ßeste Gefühl des Herzens noch so fremd war, sich getäuscht ha­ben, als sie sich unl geheimer Befriedigung gestand, dieser Ca« valier sei der schönste Mann, den sie je gesehen, und der Blick, der sie getroffen, sei ein ganz anderer gewesen, als ihn ihre Freundinnen »nd so manche der Anderen in dem weibliche» Blumenflor erhalten hatten? Dann ritt der schöne Offizier noch einmal an den Mädchen vorüber, und von da an war Fiamina einsilbig geworden und ließ das Köpfchen ein wenig hängen, wie sic bisher auf San Steffano gethan hatte.

Als die erfrischende Sccknhle des Abends mit ihren luf­tigen Schwingen das ganze heitere Völkchen berührte, bildeten sich überall, wo eine freundliche Osteria tGasthaus) oder ein hübscher irischer Rasenplatz verlockend dazu einlnb, bnnte Grup­pen, und anmnihig verschlangen sich die Tänze des Südens; da gab cs kein Bedenke», keinen Unterschied des Standes oder- andere gesellschaftliche Rücksichten, wer die Lust dazu fühlte, tanzte, denn ein solcher Markttag war ein Tag der Freude und Lust für die ganze Umgegend und kehrte nicht oft wieder. Auch Fiauuna's Freundinnen zogen die leise Widerstrebende in das bunte Gewühl, und plötzlich erröthete sie glühend und ihr Bu- len hob sich in ängstlicher Wallung, denn vor ihr stand der vornehme Reiter in feiner lleidsamen und glänzenden Uniform und mit leuchtendem Blicke und sanfte» eindringlichen Worten bat er, sie zum Tanze führen zn dürfen.

Anfangs blickte man etwas verwundert auf den Officier deS Königs, der sich, eigentlich gegen die Litte, unter den fro­hen Vvlkshaufen mischle; dann brachte man ihm ein Evviva, und seinem Beispiele folgten mehrere angesehene Cavaliere.

Wenn diefe aber unter den schönen Tänzerinnen wählten und unbesorgt von einer Blume zur andern flatterten, so hatte Erstercr doch augenscheinlich nur für Eine Interesse, und diese war das Mädchen von San Steffano.

Am andern Tag wies Fiamina die Neckereien ihrer Freun­dinnen zwar scherzend zurück; wenn sie aber allein war, streifte ihr Auge lange und nachdenklich in die Ferne hinaus und zu­weilen zitterte wohl auch eine verrätheriscke Thränc i» den lan­gen schwarzen Wimpern. Oft wanderte sie dann zu der nächst­gelegenen kleinen Kirche, unfern von Gaeta; meistenthcils bo gleiteten die Freundinnen sie nicht, da ihnen der Weg zu lang war: sie ahnten nicht im entferntesten, daß Fiamina häufig den Rückweg über die Felder nicht allein machte, sondern daß ein Jüngling in einfacher, eleganter Tracht sie dann bis nahe an ihr Haus begleitete und sich oft tief zu ihr niedcrbeugte. Nie­mand hatte je das vertraute Gespräch belauscht, Niemand würde auch den' schönen jungen Mann gekannt haben; nur Fiamina's Gespielinnen würden sich zweifellos bei seinem An­blicke jenes Markttages und des Tanzes Fiamina's erinnert haben.

(Fortsetzung folgt.)

Allerlei.

Weil der Schnee bald gefallen und schnell gegangen ist, weil viele Blumen frisch aufblühen und die Ringelnattern aus ihren Höhlen kriechen, prophezeien die Wetterpropheten einen schönen Herbst oder, wie sie's nennen, Nachsommer.

Druck Mil Verlag rer G. W. Z aiser'schc» Buchhandlung. Redaktion: Höljle.