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Rottenburg. Wie sehr sich bei nnS die Grundstücke mit Hopfenpflanzungen im Preise steigern, mag daraus ersehen werden, daß in allerletzter Zeit aus 5 Hopfengärten, welche zusammen ca. 11 Viertel Flächeninhalt betragen, nicht weniger als 5630 fl. erlöst wurden, so daß also das Viertel auf 511 fl. (natürlich mit dem bevorstehenden Hopfcnertrage) zu stehen kommt.

Tübingen, 10. Sept. (Schwurgericht.) Die Assisen deS 3. Quartals begannen heute Varmittag. Denselben präsi- dirt O.-J.-Nath Bürger, der O.-A.-Ricbrer Haldenwang von Nürtingen und O.-J.-Assessor Glocker als Richter und Sekretär Möricke als Gerichtsschreibcr zur Seite hat. Die Staats-Anwaltschaft führt O.-J.-Rath Stendel. Der erste Fall betrifft einen bedeutenden Diebstahl, welcher in der Zeit vom 28. bis 30. November v. I. an dem sehr wohlhabenden Mezger jg. Joh Friedr. Reichert in Wildbcrg, OA. Na­gold, verübt wurde, und beträgt das Gestohlene beinahe die Summe von 2000 fl. Dieses Verbrechen verübt zu haben ist beschuldigt der Fuhrmann Joh. Georg Koch von Wildberg und dessen Stiefsohn Scbechiuger, der erst 17 Jahre alt ist. Der Angeklagte Koch ist 43 Jahre alt, verheirathet und schlecht beleumundet, da derselbe als Soldat vielfache Diebstähle an seinen Kameraden verübte, und deßwegen sowie wegen Deser­tion mit 30 Ltockstreichen und Festnngsarbeitsstrafe belegt wor­den ist. Beide Angckl. erklären sich sehr lebhaft für nn'chnldig. Koch wird von Rcchts-Cons. Gös von hier und Schcchinger von Rcchts-Cons. Lammfromm von hier vertheidigt, und wird die Verhandlung zwei Tage dauern. Der Sachverhalt besteht kurz in Folgendem: Das Hans des Angekl. und das des Bestohlenen sind so aneinander gebaut, daß man nament­lich vom Dache ans, wo sieb Bühnenläde» befinden, ganz gut von einem ln das andere gelangen kann. Der Angekl. wußte, daß Reichert in einer hintern Stube seines Hauses in einem Kasten sein vieles Geld aufbewahre. Cr stieg nun wahrschein­lich in der Nacht vom 29. auf den 30. November v. I. von dem Dache seines Hauses in das des Reichert, ging die Stiege hinunter, und in die genannte, nicht bewohnte Stube, wo er mit einem mitgebrachten Schlüssel den Kasten öffnete, das in mehreren Beuteln anfbcwahrte Geld im Betrage von 1910 fl. herausnahm und damit ans dem nämlichen Wege davon ging, auf dem er gekommen war. Hiebei hat ihn sei» Stiefsohn un­terstützt oder bat er Wache gehalten. Sie müssen dabei gar nicht sachte zu Werk gegangen sein, den» die Magd des Rei­chert hörte das Geräusch und die Tritte; sie war aber in ihrem Bette mäuschenstille »nd glaubte unter Zittern und Beben, es sei einGeist" im Hanse. Daß nun ein Geist im Hanse spnkte, war allerdings richtig, aber wie der Dienstherr Tags darauf zu seinem großen Leidwesen erfahren mußte, war derselbe von Fleisch und Blut und befaßte sich mit recht Materiellem: der Geist hütete nicht etwa den Schatz im Kasten, sondern war mit demselben ans- und davongegangen! Anfänglich fiel auf die Angekl. lediglich gar kein Verdacht, und erst als namentlich Schcchinger einen großen Aufwand in den Wirthshänsern machte und mit Kroncnthalcrn gleichsam um sich warf, wurde er im Februar d^ I. verhaftet und einige Wochen daraus auch Koch. Da sich nämlich derselbe in verdächtiger Weise am oberamts­gerichtlichen Arreste hcrumtricb, wobei Schcchinger ihm aus sei­nem Arreste ein Briefchen zuwarf, wurde er in Gewahrsam ge­nommen, und fand man bei seiner Durchsuchung in den Unter­hosen gerade diejenigen 40 Zehnguldenscheine, welche unter Anderem auch dem Reichert gestohlen worden waren. Sowenig als in Der Voruntersuchung konnten sich heute die Beiden über den rechtmäßigen Erwerb des vielen Geldes auswcisen, sie ver­wickelten sich in die verschiedensten Widersprüche, und Koch brachte die kolossale Lüge vor: er habe, ehe er nach Nagold gegangen sei, obige Scheine in ein Tabakspäckle cingewickelt, vor seinem Hause im Schnee gefunden, habe bas Päckle ans die Brust gcthan um cs zu trocknen, und von da müsse cS ihm in den Fux hinuntergcrntscht sein, lieber diese Lüge entstand eine allgemeine Heiterkeit. Am Nachmittage des ersten Tages wurden noch sämmtliche Zeugen vernommen; heute Vormittag begannen die Parteivorträge, welche bis um 1 Uhr dauerten.

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Abends 5 Uhr gab der Präsident das Rcsunie. Die Berathung der Geschworenen dauerte über anderthalb Stunden, und lau» tete der Wahrspruch auf einNichtschnldig" bei Schechin- ger, wcßhalb dieser sogleich auf freien Fuß gesetzt wurde, bei Koch aber auf einSchuldig" im Sinne der Anklage. Nachdem noch Herr O.-J.-Proc»rator Pfeilsticker von hier die Ansprüche der Civilpartei geltend gemacht hatte, wurde der Schuldige nach dem Anträge des Staats-Anwalts zu 6jähri- gcm Zuchthaus vernrtheilt. Derselbe wurde schließlich noch ernstlich vom Präsidium anfgesordert, zu sagen, wo er die noch fehlende Summe von 1500 fl. verborgen habe, aber vergebens! (T. Chr.)

Der kühne Spanier, welcher der Homburg er Bank schon so viel Unglück brachte, hat dieselbe abermals gesprengt. Am 31. Aug. gelang es ihm, nach kurzem Spiel 300,000 Fr. zu gewinnen und das Spiel mußte aufhörcn. Als er am fol­genden Tag wieder an den Spieltisch trat, gewann er abermals 250,000 Fr. Vor einigen Monaten hat dieser Spanier ca. 1>/r Millionen Frcs. gewonnen.

Frankfurt, der Sitz des Bundestages, bietet ein sor­genvolles Bild deutscher Einigkeit. Tie jüngsten Katzbalgereien der Bnndestrnppen waren noch blutiger, als die ersten Nach­richten meldeten; Preußen auf der einen, Oestreicbcr und Frank­furter auf der andern Seite haben sich förmliche Gefechte ge­liefert, 23 Soldaten lagen andern Tages mehr oder weniger schwer verwundet i» den Spitälern. Die Köln. Ztg. erzählt, sic halten in den belebtesten Straßen auf einander geschossen und mitunter sogar die Offiziere nicht respektirt. Was für ein Bild!

Frankfurt, 12. Sept. Die gestern hier kundgewordene Marseiller Rede des Kaisers Napoleon hat auf hiesiger Börse keinen Eindruck gemacht, denn alle Fricdensversicherungen von dieser Seite finden keinen Glauben mehr, seitdem die bisheri­gen sich immer so schlecht bewährt haben. Briefe aus Paris und französischen Fabrikortcn, die wir gestern cinznsehen Gele­genheit hatten, schildern die Lage freilich von der Art, daß auch der kriegslustigste Herrscher darüber bedenklich werden könnte, denn nicht nur an der Börse hat die Spekulation gänz­lich anfgehört, sondern die Fabriken haben nichts mehr zu thun, all' ihr Betriebskapital bleibt müßig, und wenn die Brodpreise, wie voransznsehen, in Frankreich steigen, so dürsten Hundert- tansende von Familien mit der bittersten Noth zu kämpfen haben.

Frankfurt, 13. Sept. In Folge der sehr bedeutenden Zufuhren zu dem Ledermarkt sind die Preise außerordent­lich gesunken, man sagt über 10 pCt. (S. M.)

Turin, 7. Sept. Gegenwärtig findet hier ein Kongreß der ungarischen Flüchtlinge statt. Seit mehreren Tagen weilt Kossnth in unseren Mauern und Klapka und Telckp sind eben­falls angekommen. Es ist kein Zweifel, daß sie ihre Hoffnun­gen aus einen Angriff Garibaldi's und Piemonts auf Venedig setzen; zu gleicher Zeit soll dann der Aufstand in Ungarn und in den angrenzende» slavischen Ländern gegen das Hans Habs­burg ausbrcchcn. Garibaldi, welcher mit der Agitation in Un­garn in so nahen Beziehungen steht, ist diesem Plane nicht fremd, und vielleicht soll die Anwesenheit der genannten Perso­nen dazu dienen, die Regierung für ihre Entwürfe zu gewinnen.

Turin, 13. Sept. Die Opinione bringt aus Rimini vom 11. d. folgenden merkwürdigen Tagesbefehl Cialdini's an das vierte Korps:Ich führe Euch gegen eine »Räuber­bande betrunkener Fremden", welche Golbdurst und Beutegier in unsere Länder zog. Kämpft, zerstreuet unerbitt­lich jenegekauften Meuchelmörder" und laßt sie durch Eure Hand den Zorn eines Volkes fühlen, das seine Nationa­lität und Unabhängigkeit will. Soldaten! Das ungcrächte Pe­rugia verlangt Rache! und cs soll sic, wenn auch spät haben."

Die königlichen Truppen griffen Pesaro an und nahmen cs. 1200deutsche" Soldaten unter Befehl des Msgr. Bella, welche in der Festung eingeschlossen waren, wurden zu Gefan­genen gemacht. Das Korps Cialdini's erlitt nur geringe Ver­luste. Msgr. Bella, welcher die Plünderung der Stadt ange­ordnet hatte, wurde nach Turin gebracht. Die deutsche Gar­nison von Orvicto^kapitnlirtc vor den Insurgenten. (St.-A.)