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Besorgniß, daß sein Tod plötzlich eintreten könnte, hat die Thronfolge-Frage in den Vordergrund gerückt. Wird Murad, der Sohn, oder Aziz, der Bruder Abdul-Medschid's, die Ehre haben, künftig den „kranken Mann" zu rcpräscntireu? (K.Z.)
Allerlei.
Die Muselmanen.
Es gab eine Zeit, wo der Halbmond den dritten Theil der Erde beherrschte und Mohammed's Weissagung von einem allgemeinen Glauben an Allah und seinen Propheten sich verwirklichen zu wollen schien. Die Eisenkcile der Kreuzfahrer waren tief hineinaedrungen ins Herz des Landes, wo der Fanatismus bisher den Christen kaum zu athmen gestattete. Aber nur zwei Jahrhunderte sollte das Banner des heiligen Kreuzes flattern aus Jerusalem's geweihtem Tempel, dann stürzte es die Uneinigkeit der Christen, die liebe leidige Politik zu Boden und wiederum blitzte der Halbmond im glühenden Lonnenstrahle weit hinaus in die sandige Wüste, wohin der Rest des Kreuz- ! Heeres, unter der Nachhut des tapfcrn Templerordens, sich fluchtend zurückgezogen hatte, zur Heimkehr ins Vaterland.
Das gelobte Land war den Christen verloren und ein Blutmecr umsonst vergossen, damit aber das furchtbare Drama noch nicht beendigt. Tie Mohammedaner kannten jetzt ihre Kraft, hatten sie dieselbe doch an den stählernen Hünen des Nordens erprobt und nunmehr drangen ihre Horden hinaus über die Grenzen in wilder Eroberungslust. Die Geschichte lehrt, wie ihnen dies gelang. Schritt vor Schritt bezcichneten sie mit Strömen Christenblntes die Erweiterung ihres Gebietes, Millionen wurden in ewige Sklaverei geschleppt, Tausende von Tempeln sanken in Asche, und noch immer raffte die Christenheit sich nicht aus, zur Rache für das geschmähte Kreuz, zur Hülfe für das dem Untergänge preisgcgebeue Griechenreich. Die liebe leidige Politik duldete cs nicht! — Da sank endlich Konstantinopel in Blut und Asche zusammen. Die Familie des im Kampfe gefallenen letzten Kaisers entehrte und ermordete man auf dem Hauptaltare der Sophienkirche, — jetzt der Hauptmoschee, — Sckaaren der Einwohner trieben die viehischen Sieger ins Elend und ehe ein Monat verging, war Konstanti- nop'el eine türkische Stadt und ist noch beul' eine solche! —
Das sechszehute Jahrhundert sah die Türken, dasj'wild- kühne fanatisirte Volk, vor den Mauern der Hauptstadt des römisch-deutschen Kaisers und noch immer hielt die liebe, leidige Politik energische Hülse zurück. Es war dies für unser starkes herrliches Vaterland eine Zeit der Entehrung, die manch wackerer Mann gar schmerzlich empfand und laut rügte; aber trotzdem blieb es beim alten Schlendrian. Was man durch deutsches Eisen erzwingen mußte, wurde durch schmachvolle Verträge geordnet und so kam es, daß im Jahre 1683 die Kinder des Ostens dem Kaiser Deutschlands abermals zu Wien einen Besuch abstatteten. Jetzt endlich ermannte sich das Volk und die Politik trat in den Hintergrund, denn in solchen Lagen sind die Schreiber nur im Wege. Wie in den Tagen 1813 und 1815 schaarten sich damals alle wackeren Männer um ihre Fürsten, ihnen den fremden Vielfraß aus dem Laude jagen zu helfen, und rechts und links pfiffen jetzt Kugel und Hiebe um die haarlosen Schädel der Muselmanen, daß sie rascher davonliefen, als sie gekommen waren, weitdem sahen wir in Deutschland nur noch Türken in Handelsgeschäften! —
Wenn die Türkei noch vor anderthalbhundcrt Jahren ein kräftiger Mann war, so ist sie jetzt ein halbblinder, tauber Greis, ein Muselman im Frack, ein Gast, der jeden Augenblick riskiren muß, aus der Thür geworfen zu werden. Besäße dieses Volk Bildungsfähigkeit, so wäre cs mit der Zeit fortgeschritten und stände jetzt auf einer Culturstufe, die ihm einen würdigen Platz in der Völkergesellschaft Europas sicherte, — so aber befindet es sich so ziemlich noch auf dem Standpunkte, welchen es schon zur Zeit seines im siebenten Himmel aufbewahrten Propheten Mohammed einnahm, nur daß es jetzt einen beträchtlichen Theil des durch Fanatismus bis zurWuth aufgestachelten Muthes verloren hat.
Die gebildeten Türken — deren Zahl ist nicht beträchtlich
— begreifen recht wobl, daß der Mvhammed.inismus sich besser für Asien und Afrika als Europa paßt, und gestehen selbst ein, daß die Türkei im Interesse Europas früher oder später dasselbe Schicksal haben wird, welches Jahrhunderte lang sie selbst so vielen Völkern bereitete. Es bleibt für diesen Fall den Muselmanen noch hinreichendes Gebiet in Asten übrig! —
Den merkwürdigsten Einfluß auf das Leben der Mohammedaner Nordafrikas bewirkte unbedingt die Eroberung Algiers durch die Franzosen. Es ist eine komische Erscheinung, wahrzunehmen, wie viele Muselmanen sich eifrigst anstrengen, die Sitten und Gebräuche der Eroberer mit den Geboten Mohammed's in Einklang zu bringen. Namentlich sind dies jüngere Leute, die schon bei ibrer Geburt den Franzosen ins Gesicht geschaut haben, während die älteren Herren, größteutheils noch Männer vom alten strenge» Glauben, sich genau nach dem Gesetz richten, obgleich sie mit banger Sorge auf die empörende Umgestaltung aller religiösen und socialen Zustände blicken.
! Dabei unterlassen sie jedoch nicht, wo es immer möglich ist, einen Giaur zu überoortheilen, vielleicht sick damit tröstend, daß der Verlust ja nur einen Ungläubigen trifft. —
Obgleich das Gesetz dem Gläubigen verbietet, einen Nichtmohammcdaner in der Moschee zu dulden, ist man doch in Ostindien und Nordafrika darin nicht eben streng und so findet sich leicht Gelegenheit, die Anhänger -des Propheten während ihrer religiösen Beschäftigungen zu beobachten. Einzeln, oder auch in Gruppen, auf untergclegten Teppichen kauernd, hört man nur ein leises Murmeln ihrer Lippen. Bei den Gruppen befindet sich immer ein Vorleser, der, eine oder mehrere Suren des Korans in der Hand, diese mit halblauter Stimme abliesr, wofür er im Namen Allahs ein kleines Baktschisch oder Trinkgeld empfängt. Diese Vorleser sind übrigens fromme, achtbare Männer, welche in der Regel mehr als einmal die heiligen Städte Mekka und Medinah besucht und dadurch die Weihe der Heiligkeit empfangen haben. Der Ehrentitel dieser Vorleser ist Khadib und ihr Stellvertreter heißt Naib.
Bekanntlich bestehen die Moscheen oder öffentlichen mohammedanischen Bethäuser gewöhnlich aus viereckigen Gebäuden, überragt von einer Kuppel und schlanken Thürmen oder Miua- rcts, von welcher herab der Muezzin, gewöhnlich ein Blinder
— damit er die Weiber auf den Dächern der Wohnhäuser nicht betrachte» kann — täglich fünf Mal zum Gebete ruft, welchen Zweck freilich eine Glocke leichter erfüllen würde. Auf den Altanen dieser Minarcts befindet sich immer eine nach Mckkah weisende Thür, um dem Volke die Stellung beim Gebete anzu- zeigeu. Nach derselben Richtung ist auch im Innern ei» Schrank angebracht, die Kiblah genannt, der mehrere Korans enthält und nach dem man ebenfalls während des Gebetes Hinblicken muß.
In der nächsten Nähe der Moscheen befinden sich die Medres oder Schulen und die Jmarets oder Hospitäler, unter welchen letzteren Spciseaustalten für arme Leute zu verstehen sind, die von den Einkünften der Moschee unterhalten werden. Interessant ist eine türkische Schule. Der Lehrer, welcher in der Regel als Zeuge seiner Weisheit eine Brille trägt, ist fast immer ein alter Khadib oder Naib, dessen Zunge durch Vorlesung des Korans und Interpretation der Gesetze ihre Biegsamkeit verloren hat. Dazu kommt, baß die türkischen Jungen eben so wilde Rangen sind, wie die christlichen und cs dem alten Pädagogen oft geradezu unmöglich wird, seine furchtbar spectakelnde Rotte zu bändigen. — Zu der sgeistlichen Dienerschaft einer Moschee gehören übrigens, außer den schon genannten, noch der Ferrasch oder Auskehrer und Teppichausbrciter, der Ghaffal oder Leichenwäschcr, der Kann oder Küster, die Kandildschi oder Lampcnanzünber und zwei Boten. —
-— Wenn ein vornehmer Neger der afrikanischen Goldküste begraben wird, so werden 6 bis 8 Sklaven ums offene Grab herumgcstellt, und in dem Augenblicke, daß die Leiche versenkt werden soll, mit Keulen von hinten her auf die Köpfe geschlagen und vor der Leiche ins Grab gestürzt, damit der gestorbene Herr in jener Welt glei ch die nöthige Bedienung habe.
I Truck ui» Vertilg der G. W. Zaiser'schenBuchhandlung. Liedaltian: Ho lzl c.