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ehrbare Zucht und Ordnung von Manchem so angewiesen wird, hätten sich nicht so schnell Liebesbüudnisse gebildet als heutzu­tage, was wir nicht bestreiten. Aber dazumal galt schon bas jetzt gebräuchliche Sprichwort!Wessen das Herz voll ist, läuft der Mund über", und wir können mit Bestimmtheit versichern, daß dieses auch bei Ferdinand der Fall war. Als er nach be­endigtem Tanze Philippiue an ihren Platz führte, sagte er ihr leise zuflüsternd:

Beurtheilt mich, schönes Mädchen, nach meinem raschen Geständnisse nicht falsch. Aber glaubet, daß ich Euch verehrte, seit ich Euer Bildniß sah, daß ich Euch anbetc, seit dem ich Euch persönlich kennen lernte."

Philippine stellte sich, als habe sie den Prinzen nicht verstanden, doch hatte sic jedes seiner Worte nur zu deutlich vernommen.

Sie ging mit sich zu Rathe, wie sie sich gegen den jun­gen Fürsten benehmen sollte und eine innere Stimme sagte ihr, es sei am besten, ihn zu meiden, um nicht einer Leidenschaft Nahrung zu geben, die bei dem hohen Range desselben zu kei­ner Verbindung führen könnte. In diesem Borsatze verließ sie, ein Unwohlsein vorschützend, den Ball und die alte Gertrnde, Philippinens frühere Wartsrau und jetzige, mit großen Vorrech­ten versehene Dienerin, war nicht wenig erstaunt, diese nach Hause kommen zu sehen. Philippine war zu sehr gewöhnt, ihr Herz gegen die alte Gertrnde anszuschütlen, als daß sie dieses Mal hätte zurückhaltend sein können. Gertrnde, welche Philip­pinens Dienerin, Freundin, Vertraute und Hofmeisterin zugleich war, wollte sich erlauben, nähere Betrachtungen über des Prin­zen Liebe anzustellen und fand cs nicht so ungereimt, daß ein junger Mann fürstlichen Geblütes dem schönsten Mädchen von Augsburg seine Huldigung darbringe, und sic, wie ja schon so Viele thaten, in allen rechtlichen Formen ehelichte. Ja, wir müssen es nur gestehen, die Liebe und Verehrung des Prinzen schmeichelte der Alten selbst, da sie den bescheidenen Glauben hatte, durch ihre sorgsame Pflege das Meiste für des Mädchens so vollkommene Ausbildung gethan zu haben.

Ah was," sprach Frau Gertrnde, wie sie sich gerne von der übrigen Dienerschaft des Hauses nennen hörte,ah was, liebes Kind, wenn uns ein Mann in Ehren liebt, so darf er auch ein Prinz sein."

Spreche mir nicht mehr vom Prinzen," gab eben Phi­lippine zurück, während sie sich zu Bette legte;denn ich muß jeden Gedanken an ihn aus meinem Herzen verbannen."

3.

Am zweiten Morgen nach dieser Nacht, als die ehrsame Gertrnde in die Frühmesse ging, wurde sie von einem jungen Manne angesprochen, welchen sie, ob er gleich ganz schlicht ge­kleidet war, dennoch schnell für Prinz Ferdinand erkannte. An­geblich sich nach der Wohnung eines Goldschmids erkundigend, fing er ein Gespräch mit der geschwätzigen Alten an und ehe sie an die Kirche kam, hatte er sie inständig gebeten, an Phi­lippine ein Briefchen zu bestellen.

Sie machte große Schwierigkeiten und erklärte gerade, sie dürfe nicht einmal seinen Namen nenne», geschweige denn einen Brief übergeben. Dem Prinzen gelang es aber, indem er der Alten Eitelkeit wegen ihres Einflusses schmeichelte, diese für sei­nen Plan geneigt zu machen, und als er ihr vollends gar eine Börse aufdrang, um sich ein neues Sonntagskleid kaufen zu können, da war an keinen Widerstund mehr zu denken.

Erst gegen Abend konnte es Frau Gertcude gelingen, mit ihrem Aufträge herauszurücken. Sie holte weit aus, indem sie erzählte, bestimmt zu wissen, daß der Prinz trotz der schnö­den Behandlung nicht aufgehört habe, sie anzubeten. Als sich Philippine unglaublich stellte, zog sic den fraglichen Brief aus der Tasche, erzählte ihr Abenteuer vom Morgen und sagte:

Hier nehmet, er kommt von dem schönsten jungen Manne, den ich je sah."

Bei diesen Worten veränderte Philippine die Farbe und sprach:

Wollt Ihr mich zu Grunde richten, Gertruds? Soll ich vergessen, was ich meinem Vater schuldig bin? Bedenket nur, welchen Unannehmlichkeiten ich mich aussetzen würde, wenn ich auf das einginge, was Ihr mir verschlaget. Nein! ich will mir selbst nichts vorzuwerfen haben. Sprecht mir nie mehr

vom Prinzen" und jetzt rollten Thränen über ihre Wangen denn mein Herz spricht nur zu laut . . ."

Wie!" rief die Alte ausIhr weiset den Brief zurück?..."

Ja, ich weise ihn zurück. Gebet ihn dem, von welchem Ihr ihn erhieltet, mit dem Anfügen zurück, er möge mich nie mit solchen Zumnthungen mehr behelligen."

Tie alte Gertrnde war sehr erstaunt über die Festigkeit ihres vermeintlichen Kindes und sprach:

Jhc werdet die Ursache an dem Tode des Prinzen sein, oder ihn sonst zu ciuem Schritte bewegen, was Euch später ge­reuen könnte."

Lasse mich, Gertrnde," antwortete Philippine.Glaube mir, ich thue mir selbst eine Gewalt an, die mich fast zu Bode» drückt. Aber ich kenne meine Pflicht und ich will sic erfüllen."

Bei diesen Worten senkten sich ihre Augen nieder und sie füllten sich mit Thränen. Gertrnde glaubte, daß cs ein gün­stiger Moment sei, den Brief zu öffnen und sprach:

Philippiuchen, verweigert es nicht, diesen Brief zu lesen. Der Prinz muß ja glauben, baß Ihr ihn hasset und verachtet, und so weit muß man doch die Sache nicht treiben."

Lasse mich!" rief das Mädchen scheinbar erzürnt;ich mag nichts mehr davon hören."

Mit diesen Worten verließ sie das Gemach und ging in ihr Arbeitszimmer. Gertruds aber, welche sich nun einmal von dem Gedanken nicht trennen konnte, daß ihre Philippiue, wie sie diese nannte, zu einer Prinzessin geboren sei, öffnete den Brief und legte ihn zwischen Zeichnungen, welche jene zu einer Stickerei gebrauchte. Als Philippiue bald darauf ihre Arbeit sorlsetzcn wollte, fand sie den Brief und sei es aus Neu­gierde oder aus irgend einem andern Grunde las denselben. Zu einer Beantwortung verstand sie sich jedoch nicht; ja sie drohte, dem Vater (die Mutter lebte nicht mehr) Alles zu ent­decken, wenn man ihr noch fernere Zumukhungen machen würde.

So vergingen mehrere Tage und Prinz Ferdinand verfiel in eine tiefe Melancholie. Er liebte in der That das Mädchen aufrichtig und wahr, und weit entfernt zu glauben, sein Rang berechtige ihn zu einer Liebelei mit der Patriziers-Tochter, hatte er die feste Absicht, sein ganzes Leben an ihr Schicksal zu ketten. Diese Denkungsart machte dem Prinzen Ehre, aber wo blieb die Bürgschaft, daß der lebhafte, feurige Jüngling auch seine» Vorsätzen getreu bleiben würde.

Die Noth hatte dem Prinzen endlich geboten, sich dem Grafen Stephani anzuvertraueu. Was die Freundschaft und Zuneigung nur ersinnen kann, bot dieser auf, um jenen von seiner unglücklichen Leidenschaft zu heilen. Vergebens. Die Schwermuth des Prinzen nahm immer mehr überhand und er erklärte fest, in einen Orden zu treten, wenn es ihm nicht ge­lingen sollte, Philippiue zu seiner Lebensgefährtin zu erhalten. Bei dem bekannten, mit seinem Alter ganz außer Verhältniß stehenden, unbiegsamen Charakter hielt Graf Stephani für das Beste, den Prinzen in seiner Liebe zu unterstützen, um ihn nicht zu extremen Schritten zu veranlassen. Es wird daher ein zwei­ter Brief an Philippine gesandt, auf welchen folgende Ant­wort einlief:

Gnädigster Prinz!"

Ich bin nicht unempfindlich für Eure Liebe und ich schäme mich nicht, zu gestehen, daß ich Euch seit dem ersten Augenblick, wo ich Euch sab, liebte, daß ich Euch ewig lieben werbe. Aber dieses Geständniß ist auch Alles, was ich thun darf. Ich bitte Euch, damit zufrieden zu sein und nicht mehr daran zu denken, mir zu schreiben, weil es mich und Euch in große Verlegenheit setzen könnte."

Dieser Brief, statt den Prinzen auf eine hoffnungslose Liebe aufmerksam zu machen, erregte vielmehr die größten Hoff­nungen in ihm und so schwach macht die Liebe auf vie­les Bitten wurde ihm auch endlich ein Stelldichein im Garten bewilligt. (Fortsetzung folgt.)

Auflösung der Charade in Nro. 60:

Eulenspiegel.

Truck uu, Verlag der <8. W. Z ai s-r'sckienBuchhandlung. Siedalrilm: lzle.