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Pflicht und Liebe.

'A. Aus dem Italienischen frei bearbeitet »ach David Bertolotti.

1 .

Frankreichs muthige Söhne zogen nach dem eisigen Ruß­land; kühn besiegten sie alle Hindernisse, mit welchen die Waf­fen der Feinde und das ungewohnte Clima des fremden Landes sie zn schrecken suchten. Ein leuchtendes Panier ging ihnen aber auch voraus, auf der blutigen Bahn des Sieges. Der Name des großen Helden schwebte den Tapsern vor Augen, und sein Geist war cs, der auf der Krieger e^chaaren ruhte.

Bald wehten die französischen Fahnen in dem Herzen Ruß­lands, schon erblickten die Unaufhaltsamen die Thücme der al­ten Czaarenstadt, schon glaubten sie den sichern Hafen der Ruhe erreicht zu haben, und dem besiegten Kaiser Friedcnsbedinguu« gen vorschreiben zu dürfen. Rußlands Wiege sollte Rußlands Grab werden. Allein die Getauschten sahen nur zn spat ein, daß sie ein Opfer ihres gewagten Unternehmens werden muß­ten, denn plötzlich enthüllten die Russen ihren lang genährten Racheplan. Mit eigener Hand schleuderten sie die zündende Fackel in Moskau's Gebäude, mit eigener Hand zertrümmerten sie dieses stolze Denkmal entwundener Jahrhunderte, und ver­setzten die Sieger dadurch in die schrecklichste Lage.

In kurzer Zeit vermählte sich der nordische Winter und des Hungers schreckliches Wnthen mit dem Hasse der Feinde zum fürchterlichen Kleeblatte. Viele Franzosen würgte das Schwert der Russen, mehr noch die hereingebrochene Kalte; aber die meisten Opfer verschlang der Hunger, dieses riesige Ungeheuer.

Die blühenden Gegenden, welche beim Einzuge der Fran­zosen Moskau umgeben hatten, waren jetzt ein Aschcnhauseu, ein weites Grab, das durch die erhaschte Beute immer uner­sättlicher wurde, und bald die unwillkommenen Gäste alle zu verschlingen drohte.

Der Mann, der die Furcht bisher nur dem Namen nach gekannt hatte, sah doch endlich ein, aber freilich zu spät, daß hier bloß ei» kluger und schleuniger Rückzug ihn und seine Armee noch retten könne. Er traf alle Anstalten zn diesem Vorhaben, und zog bei der strengsten Kälte durch die starren Gefilde zu­rück, welche der Dämon der Verwüstung mit seinem zerstören­den Fuße betreten hatte.

2 .

An den lieblichen Ufern der Marne, im Städtchen Charlis,

wohnte Herr von M., ein reicher Gutsbesitzer. Der

Abend seines Lebens war herangekommen, die Stürme der Re­volution waren schonend über seine Besitzungen gegangen, und hatten die Erzeugnisse seines Fleißes nicht zerstört. So lebte er, ein glücklicher Vater, in der Mitte dreier Söhne, welche die Wonne seines Lebens auSmachtcn. Bald ries das Vaterland feine Helden zn den Waffen; auch die zwei ältesten Söhne des

Herrn von M.folgten freiwillig dem Ruf der Ehre,

und traten in die Reihen der Tapsern, die mit ihrem großen Kaiser nach dem kalten Lande des Norden zogen. Der Jüngste blieb zurück: seine Jugendkraft sollte des alten Vaters Stütze sein. Mehrere Beschlüsse des Senats selbst bestätigten eine solche Befreiung vom Kriegsdienste.

Ganz hing des Vaters Herz an dem nun einzigen Sohne; seine Liebe, die dieser sonst mit den beiden Brüdern hatte thei- len müssen, genoß er jetzt allein; aber Karl war auch solcher Auszeichnung würdig. TeS lheuern Vaters Leben täglich mit Freuden zu schmücken, war sein einziges Streben, des Vaters Zufriedenheit zn erringen, sein höchster Stolz. Karl hatte sein zwanzigstes Jahr erreicht; das Gefühl der Liebe war ihm bis­her noch fremd geblieben, aber nun erwachte auch in seinem reinen Herzen mit einem Male ihre belebende Flamme.

Amalie, die einzige Tochter eines benachbarten Edelman- ues, war seine liebste Jugcndgespielin gewesen; als Knabe schon )atte er immer nur ihr seine ungetheilte Aufmerksamkeit gewid­met, und war glücklich gewesen, wenn ein freundlicher Blick ins ihrem reizenden Augenpaare ihm zu Therl wurde.

Vor einigen Jahren war sie nach Paris gereist, um nach 'em Wunsche ihrer Eltern ihre Erziehung dort zu vollenden, ker gestrige Abend hatte sie in den Kreis ihrer Familie zurück­

geführt; die Freuden der Hauptstadt hatten die Unschuld ihrer Seele nicht getrübt, und in reinem Glanze, einer aufgeblühten Rose gleich, trat Amalie in's elterliche Haus.

Herr von Alengon, Amaliens Vater, hatte zu dieser Feier mehrere seiner Freunde eingeladen, unter welchen auch der alte

M.mit seinem Sohne waren. Karl erkannte kaum mehr

die ehemalige Jugcndgespielin; allein er fand sehr bald in ihr die traute Gefährtin seiner Kindheit wieder, und es bedurfte nicht lange, so waren Beider Herzen zum schönsten Bunde vereint.

In kurzer Zeit wurden auch die Eltern von einem Ge­fühle unterrichtet, das von beiden Seite» mit gleicher Freude ausgenommen ward. Der Tag zur unauflöslichen Vereinigung wurde bestimmt, und die Liebenden sahen einer ungetrübten Zu­kunft entgegen.

Da kam die Kunde von den traurigen Folgen des Krie­ges in Rußland. Der Todcsengel hatte seine schwarzen Fittige über Frankreichs Krieger geschwungen; verwaist standen seine Adler im fremden Lande; seine Söhne schliefen den ewigen Schlaf in der eisigen Gruft.

Bald wurden neue Truppenaushebungen veranstaltet, und auch Karl mußte sich aus den Armen seiner Braut losreißen, um dem Aufrufe des Senats Folge zu leisten. Schmerzlich war der Abschied von seinem Vater, der segnend die Hand auf das thenrc Haupt des Lieblings legte, herzzerreißend die Tren­nung von Amalien, die vor Thränen kaum das letzte Lebewohl zu stammeln vermochte. Aus beider Herzen stieg der Schwur zum Himmel empor, daß ihre Liebe nur im Grabe erlöschen werde, daß ihre Treue bis zum jenseitigen Wiedersehen unver­brüchlich sei. (Forts, folgt.)

Allerlei.

Zu der Selbstständigkeit und Ungenirtheit amerika­nischer Damen bildet folgendes Inserat aus den amerikani­schen Zeitungen einen kleinen Beitrag:Verirrt oder ge­stohlen ein Individuum, welches in einem Augenblick deS Müsfigganges und der Einsamkeit ich die Dummheit begangen habe, zum Gatten zu nehmen. Es ist ein Bursche von gutem Aussehen, aber schwach von Character, gleichwohl schlau genug, um nach Hause zu gehen, wenn es regnet, falls eine hübsche Flau ihm nicht etwa ihren Regenschirm anbietct. Er hört auf den Namen Jim. Als man ihn zuletzt sah, ging er mit Julia Harris spazieren, die er auf offener Straße, und indem er närrischer aussah als je, um die Taille gefaßt hielt. Derjenige, der den armen Teufel erwischt und zurückbringt, so daß ich ihn wegen seines Hanges zum Nomadisiren und zur Flatterhaftigkeit derb züchtigen kann, wird eingcladcn, den Thee einzunchmen bei Henriette A. Smith."

Der Donati'sche Komet, welcher ungeachtet des Mondscheins die allgemeine Aufmerksamkeit durch seine auffal­lende Erscheinung schon jetzt erregt, wird nach den neuesten von Hrn. M. Löwy an der wiener Sternwarte durchgeführten Rechnungen in seinem Lichte an sich bis zum 9. Okt. fortwäh­rend steigern, und da er sich zugleich gegen die Sonne so stellt, daß er in den beiden nächsten Wochen immer erst etwa drei Stunden nach der Sonne untergeht, so wird er vom 29. Sept. an, wo der Mond aufhört mit ihm zugleich am Himmel zu stehen, einen interessanten Anblick bieten. Ilm die Milte des nächsten Monats lhut der Mond dem Glanze des Kometen wie­der Eintrag, zugleich rückt das Gestirn rasch gegen Süden und entzieht sich bald darauf unfern Gegenden. Am 22. Abends war der Komet etwa 20 Millionen Meilen von der Erde und 12^4 Millionen Meilen von der Sonne entfernt. Den Schweif des Kometen konnte man an diesem Tage trotz des Hellen Mondscheines aus etwa 56 Grade verfolgen. Die Länge des Schweifes berechnet sich zu wenigstens zwei Millioneu Mei­len, eine Strecke, welche der vierzigfachen Entfernung des Mon­des von der Erde gleich kommt.

Truck und Verlag der <8. W. Z a i s- r'schen Buchhandlung. R-datzwn: Hdlzle.