doch!" — Jetzt wäre ich faßt bewußtlos hingesunkeu. Sie bemerkte das wohl, nahm also eine sanftere Miene an, und sprach: „Hören Sie, antworten Sie mir, ohne mich zu belügen. Haben Sie von dieser Geschichte mit Jemand gesprochen?" — Ich versicherte ihr, daß das nicht geschehen sei, wie es denn auch die Wahrheit war.
— „Nun denn," entgegnete Sie darauf — „so verbiete ick Ihnen, auch noch jetzt mit irgend einem Menschen, wer es auch sei, davon zu reden. Es liegt mir daran, daß diese Sache wegen des Rufes des Klosters und wegen der Philosophen verborgen bleibe. Die geringste Jn- discretion würde Ihnen meinen ganzen Zorn znziehen. Bis dahin überlasse ich Sie dem Schutze Gottes."
„Als mir nun nachher die Frau Aebtisfin nichts weiter sagte, so glaubte ich, sie habe mir auch nichts mehr zu sagen. Ich grüßte sic also ehrfurchtsvoll, und wollte gehen, als sie mich mit den Worten zurückrief: „Kniecu Sie nieder." Und als ich nun das gethan hatte, fuhr sie fort: „Ich sage es Ihnen nochmals, daß ich es nicht für angemessen halte, Sic ob Ihres Vergehens vor den Menschen zu strafen, wie dieses verdiente, hosse» Sie aber auch nicht, daß es ganz ungestraft bleiben solle."
— Ich erwiederte darauf, daß ich bereit sei, Alles zu thun, was sie befehle. — „Nun denn," sagte sie, „damit Sie bestraft werden, ohne daß man wisse, es geschehe wegen der Mamsell Louise Bencdictine, befehle ich Ihnen, am Sonnabende jeder Woche ein Versehen gegen die Regel zu begehen, damit ich einen Vorwand dazu habe. Ihre Strafe soll dann die sein, nach dem Ende der Morgenandacht bis zur Messe, die Sie unter der Lampe mit anhören werden, in's Strafgewölbe zu gehen. Jetzt stehen Sie aus. Sie können sich entfernen."
„Du sichst wohl, liebe Louise Benedictine, wie gut die Frau Aebtissin noch gewesen ist, denn sie konnte an unfern heiligen Vater schreiben, und dieser mir den Tod aufcrlegcn, statt daß ich nur einmal die Woche in's Strafgewölbe gehe. Ich muß Dir aber offenherzig bekennen, daß das erste Mal, als sie mich in dieses garstige Ge- fangniß sperrten, ich große Furcht hatte und sehr weinte. Jetzt aber bin ich es nach und nach gewohnt geworden. Ich bitte darin Gott und die heilige Jungfrau für Dich. Wenn Du glücklich lebst mit Deinem Cousin, der gewiß jetzt Dein Gemahl ist, denn Du bist zu fromm, um ihn nicht geheirathet zu haben, so bedauere ich es nicht, daß ich ein wenig für Dein Glück leiden muß. Unser Heiland hat ja noch ganz andere Schmerzen für uns gelitten."
„Schmerzlicher, als in das Strafgewvlbe zu gehen, ist mir dies, daß ich alle Sonnabende den Fehler begehen muß, den die Frau Aebtissin mir anbesohlen hat. Im Anfänge that ich, als ob ich in der Frühmette schliefe, aber die Schwestern fragten sich unter einander, woher es denn komme, daß ich immer nur Sonnabends schliefe, und die andern Tage nie. Jetzt räume ich an einem solchen Tage nicht meine Zelle auf, oder lache wie eine Närrin während der Mahlzeit. Ein Mal ist'S mir begegnet, daß ich während der heiligen Messe in's Blaue hinein sah, aber ich wage das nicht mehr, ans Furcht, Gott damit zu beleidigen, ob er gleich recht gut weiß, weßhalb
ich's thue. Ich glaubte gar nicht, daß es so schwer sei, etwas Uebles zu thun."
„Vor zwei Monaten hatte ich einmal vergessen, daß eS Sonnabend sei, und keinen Fehler begangen. Da ließ mich die Frau Aebtissin rufen, und war recht böse auf inick. Sie ließ mich, wie gewöhnlich, in's Strafgewölbe bringen, und noch nach der Messe mußte ich wieder dahin bis zur Fciper, die ich unter der Lampe hörte, so wie auch die Eomplcte und das Magniftcat. Bei'm Zulus aber, erlaubte sie mir es, dies von meinem Platze ans zu hören, da mir eine Ohnmacht drohte, weil ich so lange gcknieet hatte."
„Ich sehe, daß ich meinen ganzen Bogen Papier schon voll geschrieben, und immer nur von mir gesprochen habe; einen andern aber werde ick nie wieder bekommen können. Und doch habe ich Dir noch so viel zu erzählen von den Schwestern und von dem Kloster, Du würdest es gar nicht wieder erkennen, wenn Du jetzt hieher kämest. Es würde Dir gegen das, wie es zu Deiner Zeit war, sehr traurig Vorkommen. Der Pater Bonlogne, der immer so gut war, ist in fremde Länder gereist, und nur der Pater Chenneviorc geblieben, dem ich nichts Uebles nachsagen will. Die meisten unserer Pcnsivnairinnen haben uns auch verlassen. Eine von Ihnen, Mamsell Marie v. Sanlieu, wird morgen abreisen. Als ich erfuhr, daß sie weitläufig mit Dir verwandt sei, habe ich mich an sie angeschlossen. Sie hat mir auch versprochen diesen Brief zu verstecken, sich zu erkundigen, wo Tu Dich anfhältst, und Dir ihn zu schicken. Etwas würde Dir aber gewiß eben so viel Kummer machen wie mir, nämlich wenn Du mit anschen müßtest, wie inan alle Tage von der Regel immer mehr abwcicht. Die Frau Aebtissin und die Snperiorin gehen fast alle Tage nach Paris. Man sagt, es geschehe wegen der Klöster, die man auf- hebcn wolle; man muß doch aber immer Klöster haben, um darin zu beten, und der König wird cs gewiß nicht zugeben, daß man unseres aufhebc, das die Mutter seines heiligen Almhcrrn gestiftet hat. Was mich betrifft, so kann ich mir es gar nicht vorstcllcn, daß ich nicht mein Leben darin beschließen sollte. Alle Abende bitte ich meinen Schutzheiligen um diese Gnade, und ich habe ein geheimes Vorgefühl, daß er sie mir gewähren wird. Ich denke immer, daß man andere Schwestern ans unserem Orden hieher schicken wird, weil man sagt, wir waren zu reich. Mögen derer kommen, so viel als nur immer wollen, keine wird mir doch meine gute Schwester Louise Benedictine sein."
„Lebe wohl, nnd laß Dir die Segnungen und Gebete'für das Heil Deiner Seele gewidmet sein von Deiner Dich innig liebenden Schwester
Rosa von der Barmherzigkeit."
Nachschrift. „Schreibe mir um des Himmels willen nicht, und besuche mich auch ja nicht, denn da wäre ick verloren!" (Fortsetzung folgt.)
Auflösung der Charade in Nr. 65: Marschall.