zum dritten Male fragte: Womit fall ick unfern allergnädigsten König unde Herrn vergliecken? stopfte sich Jeder das Schnupftuch in den Mund, oder platzte auch unverhohlen hervor. Tenn Gundling, der längstens braun und blau vor Zorn geworden war, rannte dem Prediger auf seine Frage in die Höhe: mit eh'm Kuhnhahn (Puter)! worauf jener augenblicklich in Parenthese versetzte: damit verglicck ick di mit dine blage (blaue) Näs' und dine olle Moder, de olle Her, verglieck ick mit ehne Nachtuul. — Womit fall ick unfern allergnädigstei, König unde Herrn vergliecken u, s. w. Kur; die Predigt fand bei Allen und selbst bei dem Könige einen außerordentlichen Beifall. Nach dem Schlußverse ries er selbst den Pastor aus seinem Beichtstuhl und übergab ihm 30 Dukaten mit den Worten: paß Er mir aber gut auf die Blurigel und wenn Er welche saugen sieht, so meid Er's nur. Alle Welt und selbst der Pastor sah hierbei auf Gundling, dessen Zorn schon auS- brechen wollte, a!S der König ihn anfuhr: da hat Er was Gutes auf seine blaue Nase gekriegt, merk er sich das! Ich glaube selbst, Er ist halb Kuhnhan, halb Nachteule. ^IlonS Nkssieurs! — und fort ging es aus das Schloß des Edelmanns.
Man kann sich nun nach dem Gesagten leicht Vörstetten, wie es an der Tafel, zu der auch der Pastor geladen war, über den armen Narren herging, der umsonst seinen Acrger in Wein zu ersäufen suchte. Doch als man gar die Schußgeschichte vom vorigen Tage aufs Tapet brachte, die er wohlweislich dem Könige verschwiegen, war der Neckerei vollends kein Ende, so daß Se. Erccllenz endlich zu Ihrem letzten Mittel greifen mußten, sich Frieden zu verschaffen, nämlich Reißaus zu nehmen.
Mehr als je mit dem Gedanken beschäftigt, sich an dem verwegenen Pastor zu rächen, lief er aufs Feld, wo er einen Bauer traf, der zu feiner großen Freude ein erbitterter Feind desselben zu sein schien. Er beklagte sich nämlich über die große Strenge des Pastors, der an jedem Sonntag Nachmittag in vollem Ornat und mit dem Kautschu unter dem Arme in die Häuser ginge, wo er wüßte, daß die Woche über etwas Ungehöriges vorgefallen sei, und dort ohne alle Barmherzigkeit daun Jung und Alt abzubläuen pflege. So sei es ihm (dem Bauer) neulich auch ergangen. Denn er habe auf letztem Jahrmarkt ein Pferd zu 5 Thlr. verkauft und nur 4 Thlr. 20 Gr. davon zu Hause gebracht, für die fehlenden 4 Gr. aber sich lustig gehalten. Darüber habe seine Ehefrau ihm alle Tage nachher Vorwürfe gemacht, daß er endlich in Harnisch gerathen sei und ihr den Buckel ganz gehörig besehen habe. Böse Leute hätten cö aber sogleich dem Pastor erzählt, der dafür erst ihn und nachher seine Frau am nächsten Sonntage auf das erbärmlichste abgestrast und so lange fortgesahren habe, ihnen umwechselnd aufzuzählen, bis sie sich beide die Hand und einen Kuß zur Versöhnung hätten geben müssen.
Unser Narr war zu klug, um nicht augenblicklich ein- zusehen, daß diese Anekdote ihm nicht daS Geringste bei dem Könige nützen würde, um dem Pastor zu schaden. Jm Gegeutheil hätte er noch einmal zu seinem Aerger eS erleben können,daß der König diesem, als ehrenvolles Anerkenntnis der Sitleuordnung, welche er unter seinen Unterthauen übte,
abermalige 30 Dukaten verehrt hätte. Ec antwortete also ganz pathetisch: „daran that der Pastor ganz recht, das schadet Euch nicht!"
„I, das ist wohl wahr, das schadet uns nicht," er- wiederte der Bauer, „zumal er auch schon alt wird, und es nicht sonderlich mehr durchzieht, aber glaub Er mir, wenn sein Sohn des ehesten anS Regiment kpmmt, der ein Kerl wie ein Kirchthurin ist, schlägt er uns Allen die Knochen entzwei. Darum, Wenns auf mich aukäme, nähm' ich ihn blos deshalb nicht zum Pastor, denn wenn der Edelmann uns des Werkeltagcs und der Pastor des Sonntags prügelt, welchen Tag soll dann der Buckel abheilen?" Hier horchte Gundling hoch auf, und sein Plan war schon halb gemacht, als er erfuhr, daß der riesengroße Sohn des Predigers dieser Tage aus Halle znrückkehren werde, um am nächsten Sonntage die Probe- (Gast») Predigt, wie der Bauer sich ausdrückte, zu halten, da der Edelmann ihm die Pfarre seines Vaters versprochen habe.
Er verließ also hämisch lächelnd den Bauer und besuchte unter irgend einem Vorwände den Küster, um sich näher von der Sache zu unterrichten. Dieser bestätigte in Allem die Aussage jenes und meinte: der junge Herr möge wohl an die 13 bis 14 Zoll hoch sein und wäre gewachsen , wie ein Allarlicht. Im Uebrigcn müsse er schon heute oder morgen kommen, denn der Dienstknecht des Herrn Pastors sei bereits die Nacht abgefahren, ihn von der nächste» Poststation zu holen.
Warte, murmelte Gundling zwischen den Zähnen, sobald er die Dorsstraße wieder betreten hatte, dem Burschen wollen wir den blauen Nock anziehen, das soll den Pfaffen wohl kirre machen! — Er ging also zurück auf's Schloß, wo er einen Hauptmann seiner Bekanntschaft -tust', den er sogleich allein rief mW dann die hastige Frage an ihn richtete: „wie viel Kerls hat mein Herr schon?"
Um diese Frage zu verstehen, muß man wissen, daß der König auf jeder Revue von jedem Compagnie-Führer verlangte: er solle ihm die neugeworbenen Rekruten vorstellen. Hatte der arme Kerl weniger als drei, so fiel er
in halbe Ungnade, daher jeder Kapitän sich um die Nevue-
Zeit, die jetzt vor der Thür war, auf jede erlaubte und unerlaubte Weise einige junge Leute, besonders aber vcu großem Wüchse zu verschaffen suchte, woran der König bekanntlich ein so seltsames Wohlgefallen hatte.
„Ich habe leider Gottes erst einen, erwicderte der Offister, und das ist auch nur ein Schneidergesell." — „S Hann der Herr, versetzte Gundling, einen Bibelgcsellen von 14 Zoll dazu kriegen." Nun, eö ist zwar nur ein mittelmäßiger Knirps, meinte jener, aber Etwas ist doch besser
als Nichts. Er bat also um Erklärung und beite verabredeten dann die Mittel, wie sie am besten den Sohn des Predigers aufbeben wollten. Sie kamen dahin überein, daß der Offizier sich krank stellen solle, wenn nach einigen Tagen der König wieder abrcisen würde. Gundling bliebe zur Gesellschaft bei ihm; cs würden heimlich aus der nächsten Stadt einige Mann Soldaten reguirirt, und der junge Candidat nolens volens bei den Ohren genommen und in die Garnison tranSportirt. — (Forts, folgt.)