heimath vermissen könnte. Wir hatten eine kleine Reise gemacht, während welcher Zeit die Mutter Alles hübsch einrichtete. Die alten Pfarrstuben mit ihren blinden Fenstern verwunderten sich höchlich, als sie mit so eleganten neuen Möbeln geputzt wurden. Die Mutter verließ uns am Tage nach unserer Rückkehr, und die'ersten vierzehn Tage brachten wir so ziemlich auf Spaziergängen oder auf dem Sopha zu. von dem wir erschrocken auffuhren, wenn ein ehrsames Beichtkind an die Thüre klopfte. Ob und wie mein Mann damals seine Predigten studirte, weiß ich nicht, ich weiß nur, daß sie mir sehr schön vorkamen. Aber nach den ersten Wochen erwachte sein geistliches Gewissen. Ec begann seine Kirchenregister nachzuführen und saß vertieft in griechische Bücher, so oft ich in die Studir- stnbe trat. Obgleich ich mir hundertmal im Stillen vorpredigte, es sei so ganz recht und vernünftig, so hatte ich doch manche stille Thräne zu verschlucken, wenn er oft so gar keine Stilen mehr für mich hatte. Noch bitterer kränkte michs, als er einmal, als draußen in der Küche ein Porzellanteller — nicht der erste — klirrend zu Boden fiel, zu mir sagte: „Wenn mein Weibchen nicht fleißiger draußen Nachsicht, so werden wir bald kein einziges Geschirr mehr haben." Ich hatte mir damals vorgeuommcn, einen ganzen Tag nicht mehr auS Küche und Speisekammer heraus, zu kommen. Ein Vorsatz, den ich fast eine halbe Stunde lang hielt, und dann die Kränkung erlebte, daß ihm meine Abwesenheit nicht einmal ausgefallen war. Aber zeigen wollte ich ihm setzt, daß ich eine Hausfrau war, und waS für Eine!
Der Sylvesterabeud kam und August hatte lange schon von einem Weinpunsch gesprochen, der das Delikateste sei, waS man trinken könne. Wir hatten eben unser» ersten Gast, einen Universiläiöfreuad meines Mannes, auch eine Begebenheit in einer jungen Haushaltung! der sollte mit diesem Göttertrank bewirthel neiden. 'Nun hatte man mich zwar, sobald ich Bram geworden, das Kochen im besten Gasthof lernen lassen, aber Punsch hatte ich noch nie gemacht, daheim Halle man eben Essenz gekauft. Der Löfflerin Kochbuch oder die Marianne Strüf mußte da schon aushelsen. Arak ließ ich aus der Stadt bringen, guten weißen Wein hatte mir die Mama, nebst allerlei andern Flüssigkeiten in Flaschen, mitgegcben. Die Herren waren noch am Abend ausgegangen. Diese Zeit wollt' ich benützen, um den Punsch heimlich zu bereiten. Meine junge Köchin zündete mir Feuer an und hing die Pfanne darüber. Ich löste nach Vorschrift den Zucker mit etwas Wasser und Citronensaft auf. Nun Helle- ich die Flasche, „Ricßling von der Weiuverbessernngsgcsellschaf." stand aus der Etikette und goß sie darein. „Aber der Wein pstumpft recht/s bemerkte die Magd, die eben die Küche verließ, um Wasser zu holen. „Er ist vielleicht ein wenig schwer; das verliert sich beim Kochen," belehrte ich sie. Ein verdächtiger Geruch jedoch, der von der Flüssigkeit aufstieg, machte mich stutzig. Ich nahm den Löffel und versuchte: o pfui! Jetzt untersuchte ich die Flasche. Ach, meine Schwester Clara, das Unglückskiud hatte Salatöl in die leere Ricßlingflasche gegossen und die alte Etikette daran gelassen.
Rasch schüttete ich das entsetzliche Gebräu in einen
Krug. Die Magd durste nicht ahnen, daß ihre Herrin Oel für Wein genommen; das würde meinem Ansehen einen Stoß geben. Wohin damit? In der Eile der Ver- legenhcit stellte ich ihn auf das Fenstersims im Wohnzimmer , hinter den Vorhang, und reinigte die Pfanne. Zum Glück war der Arak noch gerettet, Wein gab's ja, auch noch etwas Citronen: so ließ sich der Schaden noch ersetzen. Der Magd sagte ich würdevoll: „Kach'rine, der Wein war wirklich ein wenig schwer, ich werde andern nehmen müssen." In dem Augenblick läutete cs, die Herren kamen nach Hause. Wie gern wollte ich fix dießmal in die Sm- dierstube gehen lassen, denn mein Mann durfte den Mißgriff auch nicht wissen; der gar nicht! Aber August ließ den Freund dahin vocangchen und ging mit mir inS Wohnzimmer. „Willst du noch Etwas?" fragte ich in ziemlicher Verlegenheit. „Bei dir will ich noch fein," sagte er lächelnd. „Aber was hast du, Kind? Ist dir nicht wohl?" „O mir ist ganz wohl, lächelte ich erzwungen. August zog mich sanft ans Fenster. Es war ein Sylvesterabeud gewesen, an dem wir uns verlobt hatten; nun war in der Erinnerung daran eine jener innigen Stimmungen über ihn gekommen, nach denen ich mich in der letzten Zeit oft so schmerzlich gesehnt hatte, und in die ich mich jetzt so gar nicht versetzen konnte. „Denkst du an jenen Abend, Lina?" fragte er. Ach, ich dachle nur an meinen Oelpnnschl „Welch' herrliche Lternennacht!" und er öffnete das Fenster. „Um Gotteöwillen!" ries ich, aber der verhehlte Krug stürzte und zerbrach. Ter Oelpnnsch, zum Glück abgekühlt, floß in Llrömen über meinen schönen neuen Teppich, an mein bübsches blaneS Winterkleid, über August's Beinkleider. — Freund und Magd eilten zu Hülfe und das ganze Unheil kam zu Tage. Ich war so beschämt, daß ich den ganzen Abens nimmer zu guter Laune kam, obgleich August so freundlich war, mich noch zu trösten und der Freund selbst einen guten Nachpnnjch braute.
Der Schaden von der Geschichte war nicht klein gewesen; aber auch der Nutzen nicht, denn das blieb daS erste und letzte Mal, daß ich vor meinem Mann etwas verheimlicht habe."
„Dann war's kein zu theures Lehrgeld, liebe Frau," sagte sie Mama; „eine Frau, die lautern und ausrichiige» Herzens ist, ist lauteres Gold im Hausstande, das keine Säure angreifen kann. Ein Geheimniß zwischen Eheleuten ist ein fressender Krebsschaden."
„Gewiß," sagte Fräulein Karoline, die den ganzen Abend still gewesen war, „für eine Freundin von mir wäre es ein Segen gewesen, wenn so ein Oclguß ihre erste Unwahrheit zu Tag gebracht halte."
„So, das ist schön, daß Sie auch Etwas zu erzählen haben!" rief Frau Marie, „nur heraus damit."
„Ich habe cs nicht selbst erlebt und kann es nicht so anschaulich erzählen," sprach erröihend Karoline, „ich kann nur eillfach sagen, wie Alles gekommen."
(Fortsetzung folgt.)
Auslösung der Logogryphs in Nr. 51: Merkur.