Der Fuchs und das Perl-ühnche«.

Bo» Hermann Leihe.

(Forssetzuug.)

Für Bertha war dieser Abend der verhängnißvollstc ihres LebenS. Als sie. von, mancherlei Gefüblen besinn' t, den Inhalt ihres Koffers musterte, um chaS Unentbehrlichste in ein Bündel zu packen. fiel ihr Auge auf eine» zu un­terst liegenden Brief. Ihre vor zwei Jahren verstorbene Amme hatte ihr denselben auf dem Sterbebette unter der Bedingung überreicht, das Sigel nicht eher zu lösen, als bis sie mündig sein oder mit einem Manne den Bund sür'S Leben schließen würde. Bertha glaubte sich sinn die» seS Versprechens quitt; zitternd öffnete sie den Brief und las folgende Worte:

Meine Tage gehen zu Ende. Nur wenige Stun­den noch sind mir vergönnt. Ich will sie benutzen, dir ein Gehei'mniß anzuvertraucn, das . ich nicht mit in'S Grab nehmen mag. Dies Geheimnis betrifft dick, mein Kiitd.

So wisse denn, daß nicht der brave Mann, den du dafür hältst und der dich nie eines Andern belehrt haben würde dein Vater ist. Deine arme, unglückliche Mutter war in ihrem sieben; hüten Jahre, und eine fromme, sittsame Jungfrau von seltener Schönheit, als ein junger italienischer Sprachmeister, der sich damals zu Paris aufhielt und sie unterrichtete, ihr Ruhe und Lebeusglück raubte. Deinen braven Onkel, der im offenen Duell den Schimpf der Familie rächen wollte, hat er hinterlistig ermordet. Ter Name deines VaterS denn ach! Du bist die Frucht je­ner Sünde ist Bcrnardo . . . ."

Bertha schluchzte laut auf ES bedurfte längerer Zeit, che sie sich fassen konnte. Endlich gewann sie eS über sich, weiter zu lesen.

Deine Mutter hat schwer gebüßt. Herr Willi­bald, der sie wenige Wochen vor deiner Geburt, ih» rer bedeutenden Erbschaft wegen, heirathete und sich gleich darauf in Petersburg niederstes, hat übrigens als braver Gatte an ihr gehandelt. Er bot Alles auf, ihren Kummer zu lindern und ihr Herz für sich zu gewinnen; aber der Grani"hatte schon zu tief Wur­zel geschlagen, sie konnte nimmer ihre erste'Liebe ver­gessen. In deinem dritten Jahre wurdest du Waise,

Nun ist es ausgesprochen, waS mir so lange die Brust beengte. Ich fühl« mich erleichtert und sterbe ruhig.

Fällt dein Auge einmal auf das Bild deiner Mut­ter, die dich so innig geliebt hat, so widme ihrem Anden­ken eine stille Thräne. Deinem Vater verzeihe, wie ihm Gott verzeihen möge! Und vergiß nie, was du deinem braven Pflegevater schuldig bist.

Mag mich null der Allmächtige bald von meinem Leiden erlösen! Bete auch du bisweilen für das Heil meiner Seele, und gedenke in Liebe

Deiner treuen Amme Nan nette."

Das Blatt entfiel ihren Händen. Erschöpft warf sich die Arme auf das Sopha. Es war ihr, als müsse sie

ihren Schmerz laut auöwciuen, aber sie konnte nicht. Sie wollte beten, und konnte nicht. Sie fühlte sich frei von Schuld. An der Wand, ihr gegenüber, hing daS Brnst- bilo ihrer Mutter. Wehmülhig, mit thränenschwrren Au- gen schien sie auf ihre Tochter herabzulächeln. In dem ^ Scheine deS flackernden Lichts, das die Züge der längst Ver­blichenen bald Heller bald master erlenchlete, schienen sie et­was Geisterartiges, ja Gespensterhaflcs zu gewinnen. Ein unerklärliches Grauen bemächtigte sich des armen Mädchens; düstere »Ahnungen stiegen in ihrer Seele auf. Endlich ver- ! fiel sie in jenen fabelhaften Zustand zwischen Wachen und Schlaf. Bunte wirre Bilder zogen an ihrer Phantasie vor­über. Sie sah ihre Mutter in der ersten Blüthe der In- gend, wie sie heiter unter Blumen und Früchten einhcr- wandelte, und gar hold lächelte, und noch Jungfrau war. Und siehe, eine bunte Schlange spielte nicht fern von ihr im Grase. Aber die Schlange war ein schöner Jüngling, ' der sprach mit der Mutter und koste mit ihr; er biß ihr eine tiefe Wunde in den Busen, und schlürfte mit gierigen Zügen ihr Herzblut. Als aber der Jüngling verschwun- den war, da stand die Mutter leichenblaß und weinte, und > hielt ein Kindlein auf de» Armen, daS sie mit ihren Thräne» überschwemmte. Sie preßte an die Brust und konnte nicht reden vor Betrüblich und innigrm Herzeleid. Und daS Kindlein war Bertha. Tie Mutter setzte es nieder in'« grüne Gras, und es pflückte sich Blüinlein, weiße und blaue, und spielte holdselig mit den Binmlein. Aber die Mutter stand vor ihr und weinte, und wurde blässer und blässer, und daS Herzblut rann so purpurn aus d^r Wunde. j Allmählig ward ihr Kleid zum Leichentuch, und daS rothe ^ Blut drang durch das Leichentuch; sic sah es fließen und ihre Thränen flößen mit dem Blut am Gewände hinunter. Aber ein dichter Nebel senkte sich vom Himmel herab auf ihr Haupt, und der Nebel wurde zur Glorie; sie lächelte dem Kinde einen Abscbiedsgruß und zerfloß in Luft. Die kleine Bertha aber spielte vergnügt mit Veilchen und Maricn- blnmchen, und wand sich manches Kränzchen. Wie sic so da saß und sich freute, kam ein schwarzgelockter Jüngling daher; der setzte sich zu ihr, und sie freute sich ob seiner Schönheit. Aber plötzlich ward sie gewahr, daß seine Hände bluteten; in der einen hielt er einen Dolch sie wollte fliehen, aber Fernando stieß ihr den Dolch in'S Herz und schlürfte ihr Blut. Auf einmal schwärzte sich der Himmel, es blitzte und donnerte, und mitten im Ge­witter stand plötzlich der gräßliche Mann vor ihr, der ih­rer Mutter Herzblut getrunken, und wollte mit dem Blut­sauger die Beute theilen; aber Fernando durchbohrte ihn mit seinem Dolche auch Fernando stürzte dumpf grollten die Donner sie fühlte, wie der Wunde daS Blut entrieselte, das Leben dem Körper ....

Bertha war fest eingcschlafen.

(Fortsetzung folgt.)

Auflösung der Charade in Nr. 33: Regenschirm.