der Gewerbesrelheit aneignen werde. So lange die Ge- werbe im Entstehen begaffen waren und die Erwerbung des Rechtes zum Betriebe eines Gewerbes große Opfer erforderte, wirkte der Zunftzwang wohlchätig; nachdem überfremde Concurrenz zngelassen wurde, Fabriken und Manufakturen entstanden, der Handel mit nicht selbst gefertigten Fabrikaten erlaubt, die Freizügigkeit erleichtert wurde und die Erwerbung des Rechtes zur 'Ausübung eines selbstständigen Gewerbebetriebs nicht mehr mit so bedeutenden Opfern verbunden ist; seit vollends die erstaunlichen Fortschritte auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, der Technik und Mechanik eine gänzliche Umgestaltung dcS seitherigen gewerblichen Betriebs in Aussicht stellen und auch die veranstalteten Industrieausstellungen gezeigt haben, daß wir ohne diese Umgestaltung die fremde Concurrenz nicht bestehen können; nachdem endlich Orstreich, ans das man sich bei Erhaltung des mittelalterlichen Zunftwesens immer noch mit einigem Rechte berufen konnte, völlige Gewerdefreiheit gewähren soll (s. Gewerbeblatt anS Württemberg Nr. 51) und andere deutsche Staaten mit Ertheilnng derselben theils schon vorangegangen sind, theils nachzufolgen im Begriffe stehen: wird auch Württemberg, das in dieser Hinsicht indessen allen billigen Anforderungen Rechnung getragen hat, nicht stehen bleiben und eö ist mehr als wahrscheinlich, daß das althergebrachte Zunftwesen und der Zunftzwang uutergeheu und vollkommener Gewerbesrelheit weichen werden. Welche Folgen wird aber die Einführung völliger Gewerbe reiheit haben? Manche versprechen sich davon die Rückkehr des goldenen Zeitalters, Andere sehen den gänzlichen Untergang des noch übrigen Wohlstandes voraus. Beide Ansichten sind einander geradezu entgegengesetzt und die Wahrheit dürfte auch hier in der Mitte liegen. Wird bei der Revision der fraglichen Gefttze nur der Grundsatz festgehalren: „Ein Jeder darf treiben, was er kann", ohne daß fernerhin der Nachweis des Könnens und eine bestimmte Reife zum selbstständigen Geschäftsbetrieb gefordert würde, so hätten wir bald eine noch bedeutendere Menge von Meistern und Fabrikanten jeher Art, von welchen Viele Alles zu können glaubten, obwohl sie nichts gelernt hätten, eben deßhalb baldigem 'Ruin entgegen gingen und endlich das Proletariat vermehrten. Aus diesem Grunde schon dürste es etwas bedenklich sein, die gewerbliche Betriebsberechtigung an keinen Nachweis deS Könnens und an kein bestimmtes Alter zu knüpfen, wenn gleichwohl eine solche Bedingung dem Begriff von Gewc.befreiheit etwas zuwider läuft. Dieser Zeitpunkt in der Entwicklung der voraussichtlichen Folgen der unbedingten Gewerbesrelheit würde jedoch den unausbleiblichen Durchgangspuukl zum Bessern bilden. Noch lernt beten, sagt das Sprüchwort, aber auch denken und arbeiten. Hie Talente und das Capital werden sich einigen und sich alleewäns des gewerblichen Betriebs bemächtigen, die Kleingewerbe werden fast überall aufhörcn müssen und an ihre Stelle wird mehr Fabrikbetrieh treten, was am bäldcsten dadurch ungebahnt wird, daß tüchtige und unternehmende Männer mehrere zusammenhängende, einander unterstützende Gewerbe betreiben werden; allerdings war diese Einigung bei dem noch jetzt bestehenden Zunftzwang bisher nicht möglich. DerMetzger, um in einem Beispiele zu
sprechen, wird seine Häute selbst gerben, sein Fett selbst zu Lichtern und Seife, das erzeugte Leder vielleicht selbst ver- arbeiicn lassen und sich Absatzwege suchen; der Landwirt!) wird die der Erde abgervonnenen Produkte weniger mehr als Rohprodukt, sondern häufiger als Fabrikate venverthen u. s. w. Ans diese Weise werden die Nachtheile dcS Zwi- sch mhandelö immer mehr verschwinden. Endlich, wenn man durch Schaden klug geworden ist, wird mau einftheu lernen, daß nur das Capital und die Intelligenz beenfen sein können, technische Uutecneh iiungen zu gniwen und zu leiten; wir werden dann weniger selbstständige Meister, aber desto mehr fleißige und tüchtige Arbeiter haben und das Sprnchwon: „Den Geschickten hält man wcrih, den llnge- schickien Niemand begehet" wird zur nmsasseudsten Geltung kommen. Der gut und solide Arbeiter wird fein nugesorg- teres, wenn auch mehr durch Arbeit gewürztes Brod ha- ben, während ein anderer Theil der Arbeitskräfte, der sich weniger- zum gewerblichen Betriebe eignet, der Laiidwirth- schast erhalten bliebe. Nur auf diese Weise regenerirt und gekrästigt, halten wir unseni Gewerbestand für fähig, fernerhin die Concurrenz von Außen und noch Aussen zu bewältigen Will mau auf dce einmal bet.ctcuen, Bahn des Fortschritts auf gewerblichem Gebiete verharren, so muß die Haupisoege der Staatsorgane, denen die Erziehung und der Unterricht dieser Classen von Staatsbürgern anvcrtraut ist, dahin gerichtet sein, eine zweckmäßige Durchbildung derselben air;ubahucu. Zwar war die hohe Regierung iiuseres allerguädigsteu Königs immer bemüht, Wohlstand und Aufklärung unter den Staatsangehörigen, nameutlip aber' unter dem Gewerbcstandc zu fördern, wovon die Errichtring einer eigenen Eeutralstelle für Gewerbe und Handel, der Handels- und Gcweebekammer, die Gründung einer Er» portgeselkschaft, sowie die in neuerer und neuester Zeit errichteten Rea!- und gewerblichen Fortbildungsschulen zeugen; allein diese Institute, mit Ausnahme der K. Centralstellc, bedürfen theils einer kräftigeren materiellen Unterstützung, theils der Vermehrung der Lehrkräfte und auch einer mchr ihr.r Bestimmung entsprechenden Leitung. Aendernngen zu genannten Zwecken würden vielleicht auch einen erhöhten Aufwand verursachen, doch auch dieser könnte nach Einführung der Gewerbesrelheit und Aufhebung der Zünfte wohl aufgebracht werden. Bereits hör: mm da und dort die Frage erörtern: „Was soll mit dem in den Znnstladeu befindlichen Gclde geschehen?" Ein Th ul der Gewerbetreibenden will es unter sich vertheilt wissen, ein anderer Theil glaubt, die Staatskasse könnte es an sich ziehen wollen und Viele meinen, man könnte diese Gelder theils zu einem Untcrstützungssond für hülfsbedürstige, namentlich kranke Arbeiter, lheilS aber auch für oben genannte gewerbliche Institute verwenden. In wie weit sich die Gesetzgebung mit den berührten Fragen beschäftigen wird, ist unS ganz unbekannt, wir haben uns nur bemüht, den auf dem Lande sich kundgebenden Ansichten einen getreuen Ausdruck zu geben..
Auslösung der Charade in Nr. 20 t Pantoffel.