mußte er schon im Nachen wegschaffm, das Wasser stand in seinem zweiten Geschoß. Er selbst blieb noch in dem gefährlichen Bau, wie ein Schiffskapitän, der sein Wrack nicht verlassen mag, so lange nicht untersiickt. Es ge­lang ihm sogar, unter dem Schutze der eingeschlagenen Tannenbäumc, die vortrefflich widerhielten, ein großes star­kes Scheuncnthor an diese seine Verschanzung heranzubng- siren und zur Verstärkung derselben vor dem Weidcuge- flechte zu befestigen. Dadurch bekam das Haus noch mehr Schutz. Zwar wie die Strudel heranschoffcn, bogen sich die Tannen und krachten, aber weil sie nachgaben, richte­ten sie sich auch allemal wieder auf. Wenn jetzt die Fluch nicht mehr wuchs, wie sie denn wirklich siillzustehen schien, dann war daS HanS gerettet.

An einem Abende verdunkelte sich der Himmel. Der Wind sprang spitz nach Westen nm und jagte die bänmen- den Wellen gerade auf daS Dorf zu. Ein Platzregen wie ein Wolkenbrnch fiel nieder, die Fluch wuchs in jeder Stunde zwei Fuß, und kleckerte nun auch schon an Sebu- lons Hause empor.

Dieser legte sich in Kleidern auf's Bett in der Obcr- ftube. Weil sein Haus sonst immer verschollt blieb, war er nicht geflüchtet und hatte nicht einmal für einen Nachen gesorgt; dem Bruder aber, der auch in seiner Festung blokirt war und einen Nachen da hatte, mochte er darum jetzt kein gut Wort geben. Auch ängstigte er sich nicht sonderlich, weil er sich auf die Festigkeit des Hauses ver­lassen konnte. Die Lampe hatte er brennend neben sich stehen und las in der Postille.

Auf einmal aber sah er das Wasser durch den Fuß­boden Heraufquellen wie ein klares Waldbrünnlein im Frühjahre. Seine Haare sträubten sich: siehe da kam es auch schon lustig über die Thürschwelle gerieselt. Er sprang empor und riß die Thür auf: ein voller Schwall brach ihm entgegen, und kaum war er auf den Schneidertisch geflüchtet, da stand das Wasser den Fenstern gleich. Da trat ihm der entsetzlichste Tod vor die Augen; wenn es jetzt noch stieg bis es das Fenster gefüllt hatte, so wurde er unter der Decke erdrückt oder mußte ersticken. Er lief an's Fenster, das nach dem Dorfe ging und schrie um Hülfe, aber das Rauschen der Fluch und der scharfe Pfiff teS Windes schnitt ihm den Ton lautlos von den Ln Pen weg; die Fluch spielte innen und außen bis an seine Brust. Nach dieser Seite war keine Rettung, aber nach dem Flusse zu blieb eine kleine Hoffnung. Dprt stand dicht vor dem Fensterladen eine der Pappeln, welche er aus Haß hin- gepflanzt hatte. Er watete zun, Bette, schlug eine wollene Decke, die noch trocken war, eng zusammen und band sie sich an den Hals. Dann kletterte ec vorsichtig in den Fensterrahmen: richtig, die Pappel stand noch und regle seiner Hand einen staiken Ast entgegen, dicht hinter ihr schien auch das Darb vom Hause seines Bruders noch aus der Fluch hervor. Ec sah den Kaspar mit einer Laterne aus dem obersten Stockwerk in den Nachen steigen-; er schrie ihn an, aber hören war unmöglich. Kaspar zwang den Kabn mit aller Mühe ans die Taunenbäume oben bei der Krippe zu; Sebulon aber kletterte auf seiner Pappel so hoch hirrauf als er starke Aeste fand, setzte sich oben zu­

recht und erwartete, daß der Tag und die Hülfe kommen sollten. Bald überzeugte er sich, daß das Wasser eben so rasch fiel als cs gewachsen war: schon wich cs von dem Fenster, auS dem er sich geflüchtet haue, und schon dachte er dorthin zurückzukehren.

Da, eS war eben der Morgen am Grauen, erbob sich noch einmal mit kurzen, starken Stößen der Wind. Die Flnth rauschte wilder, die Pappe! schwankle stark. Eben wollte Sebulon seinen Rückzug antreten, da hörte cr oben an der Krippe einen entsetzlichen Krach, das HauS- dach vor ihm sank mit furchtbarem Rauschen in die Flntb, und in den Strudel, der dadurch entstand, senkte sich der Papprlbaum mit hinein. Krampfhaft hieck cr sich fest: der mächtige Stamm wurde von den Wellen im Kreise gedreht, unter und über gestürzt, in d Sebulon mußte den Tanz mithalten; bald war er ein paar Klafter unter dem Wasserspiegel, bald darüber. Plötzlich empfand er einen Stoß, der Ast, den er hielt, schleuderte ihn unsanft ans etwas hartes hi». Der Verstand verging ihm, er fühlte, daß ihm das Blut aus der Nase strömte und daß er mit dem, worauf er lag, rasch stromabwäris trieb. Langsam sammelte er seine fünf Sinne; als cr sein Lager befühlt« und besah, war's ein großes Lchenneutyvr, und am an­dern Ende desselben saß ein Mann und der Mann war sein Bruder Kaspar.

Der Kaspar Halle am Wanken seines Hauses gemerkt, daß eS drinnen nicht mehr geheuer sei. Deßwegen bestieg er den Nachen, wagte aber nicht nach dem Dorfe zu fah­ren, wo cr in der schwarzen Nacht und bei dem wilden Wellenschläge leicht an einen Banmwipsel stoßen und Um­schlagen konnte, sondern arbeitete sich durch daö stillere Fahrwasser zu seinem Bollwerke hin, dessen Baumstämme am Abend vorher noch prächtig gehalten hatten. Dort lag er vor Sturm und Strömung geschützr vor Anker und merkte ebenso vergnügt wie Sebulon ans das Abnehmen der Fluth. Aber jene Windstöße gegen Morgen trieben ihm die Wellen gerade gegen die Schutzwand, vier Tan­nenstämme wichen endlich auS dem zerwühlten Boten und die andern brachen in demselben Augenblicke in Lpliuer. Das schwere Scheuuenthoe stürzte dem Kaspar beinahe aus den Kopf und schlug ihm die Spitze deS NacheuS glatt weg. So blieb ihm nichts übrig, als von dem verlinken­den Fahrzeug auf das Scheuuenth.'r selbst zu springen. Tie losgeketteten Fluchen heulten nun aus sein HauS zu, er sah znsammcubrechen wie Sebulon, und Thor und Pappel schossen in denselben Stendel hinein, der sich dicht an einander wirbelle und den Lebulou gleichfalls aus tzaö bessere Rettungsboot absetzle. Als Kaspar einen Menschen aus das Thor geschleudert sah, war seine erste Meinung, ihn herabznwerfen, damit die Last nicht zu groß würde, aber sein gutes Gemülh verwarf den Gedanken. Beim schwachen Morgengrauen erkannte cr den verhaßten Bru­der , begnügte sich aber, soweit als möglich von ihm fort- zurücken. So saßen sich denn die Brüter gegenüber, jeder auf einer Ecke des Thors, das reissend schnell mit ihnen abwärts trieb. (Schluß folgt.)