Ein Wort AgathenS gab Anlaß zu einer im Grunde unbedeutenden, aber kränkenden Scene.
„Sie haben wohl heute gar einmal wieder Ihre ernsthafte Miene angenommen, mein Herr," sagte sie mit sanftem Ausdrücke, der halb ironisch klingen sollte. „Sie schlimmer Trotzkopf, kommen Sie schnell und sehen Sie einmal den schönen Kragen an, den ich sticke."
Ich trat näher.
„Nicht wahr, die Stickerei ist reich?..."
Und leise im vertraulichem Tone fügte sie hinzu: „Ich werde darin mit Ihnen unserer Braut Visiten machen."
„DaS ist recht allerliebst," antwortete ich trocken; „aber Sie werden doch mit diesem Zeug nicht ausgehen wollen, den ich mir höchstens für einen Morgenanzug gefallen las- sen will?"
Nun verloren sich meine Worte in die allergrößten Uebertreibungen; ich sagte ihr die grausamsten Albernheiten, mit Bitterkeit spottete ich des einfachen Geschmacks des jungen Mädchens, mit einem verächtlichen Blick stürzte ich das ganze Gebäude ihrer Hoffnungen zusammen; ich zeigte ihr das Elend und die Verachtung, die unser warten würde; ich wagte selbst, was ihr am heiligsten war, die Liebe zu ihrer Mutter mit Ironie zu höhnen. Zum erstenmal in ihrem Leben gewahrte sie, zu welchem Abgrunde sich das Männerherz aushöhlen kann; mit stummem Mitleiden sah sie mich an, was mich noch mehr empörte; dann verbarg sie ihr Gesicht in ihre Hände und zerfloß in Thräncn.
Alle diese Beleidigungen hatte ich ihr in Gegenwart Genoveva's, einer Fremden gesagt...
In der größten Verzweiflung stürzte ich jetzt in mein Zimmer, die Wuth preßte mir Thräncn aus.
Ach, wie fühle ich mich so unglücklich, wie viel muß ich leiden! rief ich aus, „bei dem Wblick jener Menschen, denen das Schicksal Alles gewährt hat; Glück, Reichthum, Ehre, heitern Lebensgenuß!... die jeden Tag, jede Siunde nach Laune und Willknhr mit Vergnügungen zubnngen können. Und ich, ich bin hier eia lebendig Todter, bcgra- den unter der Scholle der Betäubung, mit Anbruch des Tages eine Albernheit beginnend, mit desselben den Abend beschließend. Langweilig, in mich selbst verschlossen und mechanisch, wie eine Schildwache vor einem Znchthause, gehe ich auf und ab vor jener großen eisernen Pforte, welche man Moralität nennt Ach, so kann, so darf es nicht fortgchcn!... die Zeit vergeht und ich genieße das Leben nicht; ich will genießen, will leben.'... Doch woher Vermögen nehmen? Ich muß es zur Stunde haben... Soll ichbis zum Greisenalter warten?... wie jene Thoren, bei welchen der Reichthnm erst mit dem Podagra einkehrl; die es nur für die Aerzte Msammengescharrt baden und deren Rentcnverzeichniß Apothekersrechnungen sind?... Und diese Agathe, welche sich cinbldet, ich liebe siel... ES ist unausstehlich!.-. Wie, konnte ich mich denn nicht von dieser Heirath losmachen?... Soll ich mir im zwanzigsten Jahr meines Lebens schon solche Fesseln anlegen?... Ich bin jung, mir lächelt die schönste Zukunft, und es kann leicht sein, ich finde vcrmögliche Gönner; gefitzt aber, ich verheirathe mich, dann adieu Freunde, Gönner! Wer wird
sich noch um einen Ehemann bekümmern? Ist ein Familienvater , von kleinen Rackern umringt, nicht eine höchst lächerliche Figur? Kann man unter solchen Mühseligkeiten des Lebens ein gewandter Advokat, ein großer Redner werden?... Habe ich aber einmal einen Ruf erlangt, dann werden sich reiche Heirathsmitgiste von selbst finden und bc- sprengt von den Wogen der Beredtsamkeit blühen gar bald jene gelben Blumen empor, die mau im gewöhnlichen Leben Reichthum nennt... Ja, Thor, verfolge nur deine Träume, häufe Hoffnung auf Hoffnung, blähe dich mit deinem Hirngespinnst, um in der Straße der Orangerie zwischen zwei oder drei KretinS aufzuwachen, die sich vom hohen Wasserstand unterhalten, während deine Braut die Sterne betrachtet!... Jetzt ist der Augenblick, diese Hei, rath zu brechen! O! wenn wir doch noch im Mittelalter lebten!... Könnte man doch jetzt noch, wie zuvor, seine Seele dem Teufel verschreiben!... dann ginge Alles nach Herzenslust... In einer Nacht baute euch der Meister Satan mit seinen unterirdischen Gesellen Schlösser, da konnte man vergnügt und lustig leben. Denn wenn der Beutel auch noch so leer war, füllte er sich auf der Stelle wieder! Diesen Schritt würde ich gleich gethan haben!... Daß ich hienieden lebe, weiß ich gewiß!... wer bürgt mir für ein Jenseits?
Als ich diese ruchlosen Worte ausgesprochen hatte, ertönte hinter mir ein furchtbares Gelächter.
Bestürzt schaute ich mich um, in der Meinung, eS sei Jemand hereingetreten; allein ich erblickte nichts als die Hauskatze, ein hübsches weißes Thier, das mit seinem Schwänze spielte.
Ich öffnete die Thür: — Niemand war draußen.
Das ist doch wirklich seltsam, sagte ich zu mir selbst, Hab ich doch ganz deutlich ein lauies Lachen gehört, d.s wie ein teuflisches Hohngelächier klarrg. (Forts, folgt.)
Räthsel.
Ein kleines Wörtlein, bedeutend doch viel,
Geb' ich dir, Hab' acht, nun zum Rätaselspiel.
Das Siebengestirn ist doch groß, mein Freund, Doch was ich bezeichne, noch größer erscheint,
Und wenn hunderttausend Soldaten da wären,
Ich könnte sie vorn auf der Stelle vermehren.
Ans einem Tag mach' ich alsogleich Eine ganze Woche mit einem Streich,
So viele Tauben, als ich besage,
Muß der Bauer haben im Taubenschlage,
Will ec haben, daß keine man weg ihm trage;
Wenn mich einer hat, bringt er's eh' als durch Geld Dahin, daß er schnell etwas lernt, in der Welt, Und doch war ich einst in der finstern Zeit DaS Schrecklichste: dem ich war angedränt,
Der war auch von Jedem dein Tode geweiht. — '
Auflösung der Charade in Nro. 92: Zapfenstreich.
te!
br
A
Al
lit
UI
de
r»
IN
I
F
Si
E
r>
NI
hl
I
tc
E
hl
L
L
di
8