die man fast nur in den höher» Ständen findet und mit deren Erschaffung selbst die Natur so sparsam zu sein pflegt, daß man s.-lche Wesen füglich Wunder nennen könnte. Zhr schlanker Körper, ihre marmorne Blässe, die nur hie und da ein Affekt mit lebhaft ren Tinten überzog, der leichte, sylphenartige Gang, vor Allem aber die wunderbare Milde und Schö..seit ihres Gesichts, das von einer jener Madonnen der mittelalterlichen deutschen Meister entlehnt schien, und daö im sa,ften Feuer deS Genius und der Liebe leuchtende Auge — dieß alles zusammen trug dazu bei, Lud- millcn nicht nur als ein Wunder ihres Geschlechts darzu- stellcn, sondern ihr auch beim ersten Anblick jedes Herz zu gewinnen. Eine sorgfältige Erziehung unter den Augen einer tugendhaften, liebevollen Mutter, und eine gründliche, umfangreiche Bildung erhöhten die geistigen Fähigkeiten zu einem noch mächtigeren Reize, als den die körperlichen Borzüge ausübt. n, und eS konnte nicht fehlen, daß sich unter dem reichen Adel der Umgebung gar Mancher um Ludmillens Haud bewarb oder doch wenigstens Hoffnungen hegte, welche den Wünschen der beiden Neffen sehr zuwi- verlauten mochten. Allein mehr noch als die Machinationen dieser Beiden, welche cisersnchtigt über die Ehelosigkeit Ludmillens wachten, störte die Scheu Ludmillens vor der Ehe gar manches Jünglings Berechnungen; die Ansprüche, welche sie an einen zukünftigen Gatten inachte, waren freilich etwas hoch gespannt, weil sie nicht weniger als alle physischen und geistigen Vorzüge mit allen Tugenden in dem Gemahl vereinigt wissen wollte; allein man weiß ja hinlänglich, was diese Grille bei den jungen Damen zu bedeuten hat: alle jene Prätensionen verschwinden, wenn daS Herz spricht, wenn wahre, ungechcilte Liebe jm Busen erwacht. Da aber solches noch nicht zu Lud- niillen gesprochen, blieb sie lieber nnvermählt, wies alle Bewerbungen ab, und lebte nach wie vor einsam auf ihrem Gute, unter ihren Dienstlcutcn, Pächtern und Bauern, und insbesondere in Gesellschaft eines jungen Mädchens, das sie selbst erzogen und dem sie Tauspnthin gewesen war, Elisens, die um den Zeitpunkt, wo wir unsere Geschichte beginnen, etwa sechzehn Lenze zählte. Ludmille zählte acht- unvzwanzig Jahre, und das Hebel, von welchem Jstvan Teleki ihren Neffen erzählt hatte, war keineswegs eine Unwahrheft: eine schleichende Zehtkrankheil nagte an ihrem Leben , unh darum sagte man sich allgemein, die reiche Guts- Herrin werde hinfort an keine andere Vermählung mehr denken können, als an die ihrer Pflegetochter, zu welcher sie ein fast mütterliches Gefühl hinzuziehen schien. Seit einem Jahre etwa hatte sich in der Thal der Gesundheitszustand Ludmillens so verschlimmert, daß sie selbst sich die Gefahr desselben nicht länger verhehlen konnte; sie hatte daher auf die Freuden der Gesellschaft verzichten gelernt, und verließ nur höchst selten und in de» dringendsten Fällen das Gut, wo aller Feste Lärm verstummt war und nur noch wenige genau Bekannte und AuSerwählie Zutritt fanden.
Unter diese gehörte seit Kurzem- auch der Baron K irch- born, noch ein junger, liebenswürdiger Edelmann, der vor Kurzem erst eine g änzente Stelle im Staatsdienste verlassen hatte, um seinen Neigungen und Studien aus
einem seiner Güter in der Nachbarschaft zu leben. Hochgebildet, wie er war, ward ec nicht nur für Ludmillen e n gar willkommener Gast, sondern er selbst fand auch in ihrem Umgang so viel Anziehendes, daß gar bald kaum Ein Tag verging, ohne daß Hr. v. Kirchboc» w'cht einige Standen im Helieahause zu S. verbrachte. Polle lieber- einst mmung in Ansichten und Bedürfniß führte eine Art Wahlverwandtschaft und mittelst dieser eine Vertraulichkeit herbei, welche für Ludmillen die Wirkung hatte, daß sie Kirchborus Nahen stets nur mit Ungeduld uid Sehnsucht erwartete und ihn nur mit Bedauern wieder scheiden sah. Ihre Gesundhe tSumstäude schienen sich aufzubessecn in Folge der neuen Zerstreuung und d s erhebenden vertraulichen U ngangS: Eßlnst und Schlaf kehrten zurück, ihr Auge belebte sich und ein leichtes Roth überflog wieder ihre schönen Züge, ja das Wachen selbst erschöpfte Ludm llen nicht mehr so s hr, weil sie an Moritz dachte Zum ersten Mal in ihrem Leben liebte sie, und diese Leidenschaft, welche dem ganzen Wesen einen neuen Aufschwung gibt, schien den Krankheitsstoff zerstören zu wollen. Moritz v. Kirchborn dagegen fü.lte sich auf ganz ungewöhnliche Weise zu seiner kranken Nachbarin hingezogen; erst war es Mit- leid niit der schönen Dulderin, was ihn zu ihren Gunsten gestimmt hatte, dann, als er auch ihre geistigen Vorzüge kennen gelernt und den Sitz ihrer Leiden erfahren, hatte ec den Entschluß gefaßt, ihr durch Zerstreuung diese vergessen zn machen, und endlich überredete er sich und Ludmillen gar, eure Hcirath und der dadurch hervorgerufenc Wechsel in ihrer Lebensweise werde die zwar angegriffene, aber nicht gänzlich untergrabene Gesundheit wieder herstel- len. Lu.mi.le Halle zwar anfangs über den wunderbaren Effekt gelacht, w lchrn die Vermählung auf ihre Gesundheit hcrvorbringeu sollte, allein sie liebte einmal den Rath- geber, und wo ist eine liebende Jungfrau, die einem Rach aus solchem Mnnke mißtraute? Zudem fühlte sir, daß ei>e Liebe, welche nickt das Band der Pflicht noch heiligt, der Weihe und Bürgschaft für die Dauer entbehrt, und war überzeugt, daß eine mögliche Trennung von ihm ihr Tod werde. Als endlich gar die Aerzte die Meinung ihres Moritz bestätigten, willigte sie gerne und von ganzem He.- zen in Kirchborus Vorschlag und die Verlobung ward feierlich vollzogen. —-
Die Kunde dieses für die Neffen so nachtheiligen Entschlusses gelangte endlich auch zu Dieser Ohren, und ver- urs -chle i.ftien kein geringes Erstaunen Jswaa Teleki war es gewesen, der ihnen mit beißender Ironie und sichtl chrr Schadenfreude die Meldung gethan und ihnen Vo.würfe gemacht hafte über ihren Mangel an Wachsamkeit. „Der verdammte „Schwab" (so nennt nämlich der Magyar alle Deutsche ohne Ausnahme) hat einen guten Fang gemacht. Petros," lachte er, „die süße zuckerzarte Braut kann unmöglich das erste Wochenbette überleben, und der Bursche nimmt dann das schöne Vermögen von einer halben Million Kaisergulden Euch beiden Schlasmützen vor dem Munde weg!"
(Fortsetzung folgt.)