kommen," sagte Kurt, „weil ich bei der gebannten Leiche fünf Jahre gesessen habe und noch nicht gereinigt bin von diesem Market. Mag cs sein. Ist mein Herr im Bann gestorben, werde ich auch sterben können ohne Priester, denn der Herr der Welt ist ja ein liebender Pater, wie die Schrift sagt, und wird einen treuen Knecht nicht verstoßen, der in Gottesfurcht gewandelt hat auf Erden." Der Arzt seufzte und sprach: „wann wird das Licht kommen in diese Fin- stcrniß?" „Ja, in daS Licht werde ich kommen," sagte der Kranke, nicht wahr, Meister? Ihr seid ja auch ein gelehrter Mann, und kennt die Schrift." Ta kniete Meister Corvinuö nieder am Lager, faltete die Hände und begann zu beten mit dem Kranken, wie die Kirche es vorschreibt. Kurl aber hörte ruhig zu, sein Blick wurde Heller, während sein Herz immer matter schlug. Und der Arzt sprach die Worte: „Herr, siehe gnädig herab auf Deinen treuen Knecht, den Du väterlich geleitet durch schweres Trübsal in seinen alten Tagen. Siehe gnädig auf ihn herab und stärke ihn in seiner Todesstunde, daß Deine Verheißung erfüllt werde, und laß ihn Platz finden unter den Gerechten an der rechten Seite Deines Sohnes unsers Herrn Jesu Christi." Plötzlich richtete sich der Kranke auf, seine Augen leuchteten hell und er rief: „da bin ich, mein kaiserlicher Herr," und sank todt zurück. — Der Arzt schaute ihn eine Weile an, drückte ihm die Augen zu und trat an das Fenster, seine RührnnF-zu bekämpfen. Da tönte ein dumpfer mächtiger Klang in sein Ohr, daß er verwundert aufhorchte. Es war die große Kaiserglecke, die nur geläutet wurde, wenn der Kaiser starb. Und der Arzt gieng eilig aus dem Hause, um nach dem kaiserlichen Palast zu gelangen, denn er fürchtete für des Kaisers Leben. Von allen Thürmcn tönten die Glocken und stimmten ein in das ernste Geläute. Tie Lerne liefen zusammen und fragten: „ist der Kaiser gestorben ? Wann ist er gestorben?"
Als sie aber an den Tom kamen, war Niemand, der die Glocke zog, und sie läutete allein, wie von unsichtbarer Hand gezogen, die andern Glocken aller Thürme mit ihr, und weithin schallten die mächtigen Töne in das Land. Die Leute schauten sich verwundert an, der Arzt aber gieng vorüber und eine Thräne glänzte in seinem Auge.
7 .
Heinrich der Fünfte.
Im Palast des Kaisers herrschte Todtenstille. Die Diener giengen geräuschlos au einander vorüber, mit Winken und Mucken sich fragend und berichtend — doch jedes laute Wort vermeidend. In einem der obern Gemächer lag der Kaiser in schwerer Krankheit. Seine Umgebung war prächtig, sein Lager von seidenen Stoffen — aufmerksam lauschten die Diener jedes Winkes, feine Wünsche zu erfüllen. Der Kaiser aber röchelte tief und schwer, sein Auge war matt, er vermochte nicht mehr seine Hand zu erheben. Und er verlange, daß Meister Corvinus, der an scinein Bette saß, die Andern entfernen sollte, und allein bei ihm bleiben. Es geschah, wie er wollte. Der Arzt sprach dem Kaiser zu und beruhigte ihn, daß er sich still verhielte. Der Kaiser aber stierte auf einen Fleck im Winkel und murmelte: „siehe das ist der Stab, an dem er
mühsam sich sortschleppte — Meister, seht Ihr — dort Ue dunkle Gestalt — der Kaiser kann Euch nicht vergeben, denn er ist todt — seine Schuhe schützten die wunden Füße nicht vor Dornen und Nesseln — ich muß Verzeihung haben — der Kaiser gedachte nicht seiner Söhne, als er starb — o, ich habe ja gebüßt — ich habe Deinen Staub bestattet, wie es ziemte für Heinrich IV. — hu, wie der
Wind durch die Locken des alten ManneS weht — nehmt
ihn auf, um Gottes Barmherzigkeit willen — seht sein graues Haar, es ist gebleicht vor Kummer über den Undank seiner Söhne — Vater, Vater ich muß Vergebung haben — ha, was fällt da von der Wand — der Kittel, der Bettlerkittel." Der Kranke richtete sich auf und stierte mit mattem Auge um sich her — den Arzt überlief es siedend heiß, er wollte nach Hülfe rufen, aber ihm war die Brust wie zugcschnürt. Der Kaiser begann zu lachen und sagte: „haha, hat er unterschrieben, der alte Trotzkopf — hier ist daS Blatt, nun bin ich Kaiser und Herr, — o wie könntx ich glücklich sein — wenn nur der alle Kurt nicht rväre — der weiß eS, wie sie mich plagen — sieh dort —
das ist Lüttich — der alle Mann, er ist mein Vater —
er dreht sich um — Vergebung, Vergebung — was sagt er? — Fluch, Fluch dem undankbaren Vatermörder." Der Kaiser stürzte zurück, der Arzt wollte ihn unterstützen, aber der Kranke wehrte sich wüthend — der Todesschweiß brach ihm aus. Meister Corvinus öffnete die Thüre und ließ die Priester herein, dem Sterbenden die letzten Sakramente zu reichen. Als er wieder hinzu trat, nachdem die Gebete geendigt waren, lag der Kaiser in den letzten Zügen. Noch wenige Minuten, und er hatte vollendet. Ruhig standen Alle im Zimmer und murmelten leise Gebete, da drang plötzlich der Helle Ton einer kleinen Glocke in ihre Ohren. Verwundert, entsetzt schauten sie einander an — der Arzt verließ das Gemach und den Palast, von Grausen ergriffen.
Auf den Straßen aber traten die Menschen zusammen und fragten: „was bedeutet die Armesünderglocke? Wer wird denn heute gerichtet?" Und als sie aufschauten zum Thurme, siehe, da war Niemand zu sehen, der die Glocke bewegt hätte, und sie löme immer und immer fort, von unsichtbarer Macht geläutet, daß die Leute ein Grauen ergriff und sie nicht wußten, was sie denken sollten. Der Arzt aber gieng vorüber und sprach ein Gebet für die Seele des gestorbenen Kaisers.
Logogryph.
In den Hallen der Natur,
In den Eb'uen, wie auf Höh'n,
In der weiten grünen Flur Siehst du mich in Menge steh'n.
Nimmst zwei Zeichen du von mir, Dann gebrauchst du mich im Krieg, Dien' als gute Waffe dir Und verhelfe oft zum Sieg.
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