Schwarzwild - Heimat

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Kleinigkeiten mit großen Wirkungen

Der private Haushalt in Stadt und Land ist die kleinste Betriebsform in unserer Volkswirt­schaft. Wir haben heute irn Reich etwa 24 Mil­lionen solcher Kleinstbetriebe. Wenn also jeder einzelne Haushalt nur eine einzige Stecknadel be­nötigt, so muß die Nadelindustrie eben nicht mehr und nicht weniger als 24 Millionen Stecknadeln zur Verfügung stellen. Wenn in den 20 Millionen Haushalten, die an das Stromnetz angeschlossen sind, in der Woche nur 1 Kilowattstunde Strom gespart wird, so sind das im Jahr 1040 Millionen Kilwvattstunde»! Allein dadurch, daß wir in unseren häuslichen Oefcn und Herden in gewissen Zeitäbständen die Rnßschicht entfernen, sparen wir ini Jahr nicht weniger als 125 000 Wagenladun­gen Briketts und Kohlen. Das entspricht einem Eisenbahnzug von 1075 Kilometer Länge! Eine solche Kleinigkeit also, wie sie das Abkratzen und Abbürsten des Rußes in Ofen und Herd darstellt, vermag für unsere Kriegswirtschaft und damit für die Kriegsentscheidung eine gewaltige Wir­kung zu erzielen. Es kann also niemand sagen, es käme auf das bißchen Ruß nicht an. Eine Rußschicht vgn nur einem Millimeter Dicke ver­schlingt die Wärmewirkung von 5 v. H. der ver­heizten Kohlen. In 24 Millionen Haushalten er­gibt das im Jahr den genannten Kohlenzug von 1075 Kilometer Länge. Es hat also schon seinen praktischen Wert, wenn alle Haushalte aufgcru- fen werden, regelmäßig das Innere der. Oefen und Herde von Ruß und Asche zu säubern, da­mit die Heizwirkung der Kohle voll zur Geltung kommen kann.

Die Kentheimer Pestbahre

Der kürzlich in unserer Zeitung veröffentlichte ArtikelDie Männer mit der Tragbahre" ent­hielt auch interessante Angaben über die.Pest­bahre, die viele Jahrhunderte lang in dem ehr­würdigen Kentheimer Kirchlein pietätvoll auf­bewahrt wurde. Dieser Pcstbahre ist nun, wie uns Meßner Julius Walz mittcilt, im Jahre 1890 dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Als bei der, im genannten Jahre vorgenonNenen Er­neuerung der Bühne der Kirche die Pestbahre vorübergehend an einen anderen Platz gestellt werden mußte, zerfiel sie. Auch die größte Sorg­falt konnte das Znsammenbrcchen der Jahrhun­derte alten Bahre, die wie das ganze Kirchlein als Altertumswert geschätzt und sorgsam gehütet wurde, nicht verhindern. Nur ein hohes Verständ­nis für die Wichtigkeit dieses uns aus früheren Jahrhunderten erhaltenen Zeugen und ihre niit seltenem Pflichteifer durchgeführte Betreuung konnten die Kentheimer Pestbahre wenigstens bis züiii Jahre" 1890 vor der Vernichtung bewahren.

Billiger Kalender für 1S44

Wer noch einen unbenutzten Notizkalender aus dem Jahre 1939 besitzt, kann diesen mit Vorteil für 1944 verwenden. Er braucht lediglich die Tagcszahlen für Januar und Februar um 1 zu erhöhen. Ab 1. März stimmt nämlich der Kalen­der für 1939 mit dem für 1944 genau überein. Dies trifft merkwürdigerweise sogar für die Feier­tage von Ostern und Pfingsten zu, die auf die glei­chen Tage fallen wie 1939.

Aus den Nachbargemeinden

Leonberg. Zwischen den Haltestellen Schiitzen­haus Weil im Dorf und Freizeitheim stießen am Heiligen Abend vormittags zwei Straßenbahn- züge zusammen. Elf Fahrgäste erlitten Verletzun­gen. Unter den Verunglückten befinden sich drei Schwerverletzte. Der Zusammenstoß erfolgte bei dichtem Nebel.

Deckenpsronn. Mit dem EK. 2. Klasse aus­gezeichnet wurde Uffz. Gottl. Schneider. 'Neuenbürg. Witwe Friedrike Rothfuß voll­endete ihr 80. Lebensjahr.

Neuenbürg. Am zweiten Weihnachtsfeiertag siel der 82jährige Altersrentner Frist Haist bei einer häuslichen ' Besorgung so unglücklich von der Treppe, daß er schwere innere Verletzungen da­vontrug und an deren Folgen er wenige Stunden daranf verschied. Er war Sensenschmied und ar­beitete bis zu seiner Jnvalidierung im hiesigen Seusenwcrk.

Magstadt. Sechzig Jahre sind vergangen, seit im Jahre 1883 Jakob Kindler, Schlosser, mit Gottfried Kienle, Hirschwirt, die erste Dampf­dreschmaschine in Betrieb nahmen. Es fehlte da­mals am Geld, obwohl die Stunde bei Gestellung von zwei Mann (Heizer und Einleger) auch die Kohlen mußten die Bauer» stellen nur 2 Mark kostete. Es waren sehr wenig, die mit der Dreschmaschine dreschen konnten, und so kam es, daß die Maschine, damit sie rentabel wurde, in der ganzen Umgebung herumwandcrn mußte.

Pforzheim. Bor den Schranken der Strafkam­mer stand der 70 Jahre alte geschiedene Joses Reinhardt in Pforzheini. Seine dicken Vorstrafen zeichnen das reich bewegte Leben des Angeklagten. Swon in der Jugend fing er als Erbstück des Vaters das Trinken an und wurde bereits mit 14 Jahren straffällig. Von da ab fiel er immer wieder in seine asozialen Verhältnisse zurück. Seine 43 Vorstrafen kennzeichnen ihn als Bettler und Landstreicher, als Raufbold und Einbrecher, der auch vor schwerem Raub nicht znrückschreckte und deshalb viele Jahre hinter Gefängnis- rttrd Zuchthausmaucrn zubringcn mußte. Bei den Ein­bruchsdiebstählen handelte er meistens nicht allein, sondern unter Zuhilfenahme von Kumpa­nen, doch war er es, derfreundlicherweise^ die Fensterscheiben einschlug und als Anführer die Läden räumte. Bei einem Landwirt in der Nähe von Pforzheim hat er sogar einmal ein Kalb ge­stohlen und verkauft. Wegen Trunksucht ist R. ent­mündigt worden, doch wurde nach einer gewissen Zeit diese Verfügung auf seinen Antrag hin wie­der aufgehoben. Am 22. Oktober d. I. erhielt Reinhardt von einem Bauern 1 Flasche Zwetsch­genwasser geschenkt. Das war für ihn ein Fest­tag, denn er goß dasFeuer" in einem Zrigc durch die Gurgel. Daß er dabei nicht mehr ganz nüchtern blieb, ist verständlich. Am Nachmittag setzte er sich auf die Bank eines Spielplatzes an der Enzstraße und lockte spielende Mädchen an sich, mit denen er ein unsauberes Wesen trieb. Deshalb war er angeklagt. I» der Hanptverhand- lnng wollte sich der alte Sünder an gär nichts mehr erinnern, doch die Beweisaufnahme ergab

seine volle Schuld. Der Vertreter der Anklage forderte den Kopf des Gewohnheitsverbrechers, fürsorglich für ihn acht Jahre Zuchthaus und die Rebenstrafen. Die Strafkammer war dicht daran, zum Todesurteil zu kommen, sie erkannte aber, weil die Tat Reinhardts aus, seinem bisherigen Strafrahmen herausfiel und unter der Einwir­kung des Alkohols begangen war, auf acht Jahre Zuchthaus, fünf Jahre Ehrverlust undSicherungs-- Verwahrung.

Pforzheim. Das Amtsgericht verurteilte die ge­schiedene Maria Licner in Pforzheim wegen fort­gesetzten, teilweise schweren Diebstahls und wegen Arbeitsvertragsbruchs zu sechs Monaten Gefäng­nis. Die wiederholt vorbestrafte Angeklagte ent­wendete als Angestellte in ejner Gastwirtschaft aus einem teils verschlossenen, teils offenen Schub des Büfetts Fleischmarkcn in erheblichen Mengen, ferner aus dem Weinkeller des Wirtes zwej Fla« scheu Wein und eichlich aus einem Briefe der Be­dienung, den sic rechtswidrig öffnete, eine Klei­derkarte mit 10 Punkten. Aber auch des Ver­tragsbruchs hatte sic sich dadurch schuldig ge­macht, daß sie pflichtwidrig von der Arbeit fern­blieb, sich kurzfristigen Urlaub geben ließ, angeb­lich um an einer Trauerfeier für den Schwager, der gefallen sein sollte, teilzuuehmeu. Das war natürlich Schwindel. EinAnsglcichsdicb- stahl", wie man ihn noch selten erlebt haben dürfte, trug sich dieser Tage in Brötzingen zu. Der Dieb holte sich aus einem verschlossenen Ha­senstall fünf fette Hasen undentschädigte" den Besitzer mit jungen Hasen in gleicher Zahl, die er in den Stall setzte. Der Weihnachtsbraten ist dem Eigentümer der Hasen stark versalzen wor­den trotz des"Ersatzes", während der oder die Diebe sicherlich in gehobener Stimmung um den Brattopf saßen. Bisher hat MM den oder die Täter nicht ermitteln können.

Freudenstadt. In diesen Tagen kann Sparkas sendirektor W ü n s ch auf eine 40jährige Dienstzeit zurückblicken. Seit 25 Jahren steht er im Dienst bei seiner Heimatsparkasse, davon fast 20 Jahre als Sparkassenlciter. In einer kurzen Feier wur-^ den seine großen Verdienste und seine kamerad­schaftliche Haltung unter Ucberreichung einer Ehrengabe namens des Verwaltnugsrates durch dessen Vorsitzenden, Landrat Dr. Lauffcr, und für die Gefolgschaft von Sparkassenvberinspcktor Schmelzte gewürdigt.

Oberwaldach. Am letzten Sonntagnachmittag beobachtete ein Urlauber vom Hinterhof seiner Wohnung in der .Waldach einen sonderbaren Ge­genstand. Nach genauer Sicht wurde eine männ­liche Leiche entdeckt, die schon einige Tage im Wasser gelegen sein muß. Nach erfolgter poli­zeilicher Untersuchung handelt es sich um den ledigen 40 Jahre alten Anton Steimle aus Salzstetten, der vermutlich in der Dunkelheit vom Wege ab in die tiefgehende Waldach geraten sein muß.

Gestorbene: Fritz Ho ist, 82 I., fr. Senscn- schmicd, Neuenbürg (Unfall); 'Joh. Ob recht, Ortsbauernführcr, 73.1., Rotensol; Wilhelmine Dittus, SO I., Gräfenhausen; Karoline W ö r- ner, geb. Hgpg, 83 I., Frendenstadt; Albert Düppel, 34 I., Rutesheim; Pauline H'ö - schele, geb. Hirner, Reichsbahninspektors-Witwc, Leonberg; Otto Binder, Telegraphen Bau- handkverker, 42 I, Rutesheim

Unser Heimatgebiet im Wandel der Zeit

Offizier in der Luftwaffe. Unter diesem Stich­wort veröffentlicht im amtlichen Teil der vor­liegenden Ausgabe der Reichsminister der Luft­fahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe einen Aufruf an die Junges der Gebnrtsjahrgänge 1927 und 1928. Bewerber für die. aktive Offi­zierlaufbahn sowohl als Jungen, die Kriegs­offizier (nicht Berufsoffiziere!) in der Luftwaffe werden wollen, sollen jetzt ihre Gesuche einreichen. Die Bekanntmachung erläutert die offenstehenden Waffengattungen und nennt die Meldestellen.

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Eiirc Bekanntmachung des Leiters -er Landes­versicherungsanstalt Württemberg im Anzeigen­teil der heutigen Zeitung enthält wichtige Mit­teilungen über die Entgeltbeschcinigung in Quit- tungskarten sowie über die Ausstellung und den Umtausch der Ouittungskarten. Wir empfehlen die Bekanntmachung besonderer Beachtung.

Wir sehen im Nim:

Liebe, Leidenschaft und Leid" im Tonsilmtheater Nagold

Dieser Film versetzt den Zuschauer in eine Atmosphäre unverhüllter Leidenschaften, die.nur aus der dunklen Melodie einer östlichen Land­schaft verstanden werden kann. Wie sich Natur, Menschen und Schicksale zu einer Spieleinheit verbinden, so bemüht sich auch der Komponist, das Bildgcscheheu nicht nur tonlich zu unter­malen, sondern die Melodie zu einer mitwirken­den Kraft zu gestalten. Diese starke Betonung des Musikalischen beeindruckt besonders in den szenischen Höhepunkten, die gerne in einem infer­nalischen Toben der Elemente auch die mensch­lichen Leidenschaft entfesseln nnd dabei auf das gesprochene Wort fast gänzlich verzichten: eine Regicführung, die der unkomplizierten Handlung vom Lieben und Leiden einfacher bäuerlicher Menschen entspricht. Das Schicksal des stolzen Mädchens Anna, das eine Lwbcsenttäuschuug in die Stadt treibt, verzerrt in'seiner naiven Kom­promisslosigkeit das Lebensbild der jungen froh- scknigen Tochter, die an der strengen Forderung der sterbenden Mutter auf völlige Enthaltsam kei von jeglichen Liebcsgefühlen beinahe zerbricht.

Vor 75 Jahren (Dezember 1868)

Die Gemeinde Bösingen erhielt die Ermäch­tigung, inr April, Juli und Oktober je einen Krämer- nnd Viehmarkt abzuhalten.

Für die zu erstellende Schwarz Waldbahn wurde unterhalb des Kengels die Nagoldbrücke gegründet".

Nachdem im Sommer 1868 die Markungen Al- teusteig, Berneck, Ebershardt, Monhardt, Wart und Wenden von schwerem Hagelschlag ge­troffen waren uitd mehrfach schon Hilfsaktionen für die Betroffenen stattgefunden hatten, stellte sich nun heraus, daß die Not so groß war, daß Kollekten von Haus zu Haus abgehalten werden mußten.

Vor 50 Jahren (Dezember 1893)

In Nagold fand eine G e m c i u d c r a t s - Wahl statt. Von 421 Wahlberechtigten stimmten 265 ab. Gewählt wurden: Stiftungspflcger Im­manuel Holzapfel, Schönfärber H. Mayer, Kom­merzienrat K. Sannwald und Fabrikant K. Reichert.

In Calw wurde ein Oratorium von Händel unter Teilnahme sehr zahlreicher Musikfreunde aus Wildbcrg, Nagold, Altcnsteig nsw. glanzvoll aufgcführt.

An den drei letzten Sonntagen vor Weih­nachten waren die Läden acht Stunden geöffnet.

Die Wasserquellen bei der Agenbacher Sägmüh le sollten gefaßt nnd der größten Wasserversorgungsgruppe in Württemberg dienst­bar gemacht werden.

Auf das Umgeldkommissariat Calw wurde der Umgcldkommissär Hnbcr von Oberndorf versetzt.

In Dennjächt (ber Unterreichenbach) brann­ten Wohnhaus, Scheuer und Holzhütte des Schrei­ners Joh. Nolle ab.

In Nagold wies der Viehbestand 29 Kälber, 39 Jungtiere, 259 Stück sonstiges Rindvieh, fer­ner 193 Schweine auf.

Bei der Gemcinderatswahl in Obcr- jetti ngen stimmten von 178 Wahlberechtigten 166 ab. Gewählt wurden die Gcmcindcratsmit- glicdcr Boß, Frasch und Saier.

In Nagold winde ein tiefe Eindrücke hinter- Insscndcs Weibnachtskonzcrt abgehaltcn.

Ter heiße Sommer mit seiner 'furchtbaren

Futternot hatte einen starken Rückgang der Viehbestände zur Folge. Am 1. Dezember gab es im Oberamtsbezirk Nagold 7602 Stück Rindvieh gegenüber 10 833 im Jahre vorher. Die Zahl der Schweine war von 5487_^auf 4747 ge­sunken.

Beim Tannenzapfenbrechen siel der 28 Jahre alte verheiratete Schuhmacher Walz von Walddorf von einer Tanne und war augenblicklich tot. Bei Salzst eilen stürzten drei Männer von einer Tanne, von denen zwei tot blieben, während der andere lebensgefährlich verletzt wurde. Auch in Obertalheim er­eignete sich ein schweres Unglück dieser Art.

Bei der Gemcinderatswahl in Haiterbach stimmten von 302 Wahlberechtigten nur 178 ab. Gewählt wurden die Gcmeindcratsmitgliedcr Satt­ler I. Gnteknnst, Schneider Kummer und Wag- meistcr Georg Gnteknnst. Letzterer gehörte seit 1858 ununterbrochen dem Gcmeinderat an.

Die Bezirkskran kcnkasse Nagold hielt ihre Generalversammlung ab. Die Ein­nahmen betrugen 1892 9015 und die Ausgaben 9512 RM. Das Defizit deckte die Amtskörper­schaft. Wollwarenfabrikant Stefan Schaible, Re­dakteur Steinüxmdel und Tuchmacher Spathelf wurden wieder in den Vorstand gewählt.

In Altensteig starb der bekannte Karten­zeichner Schullehrer Bau scr. Er hafte sich durch die Herstellung zahlreicher Oberamtskarten sehr verdient gemacht.

In Ebhauscn wurde die Kirchenhei­zung eingerichtet.

Am Hl. Abend begaben sich 200 Jungen mit mächtigen Fackeln auf den Herdberg bei Alten- st e i g. Die Fackeln wurden oberhalb der Stadt im Kreise geschwenkt. Dazu wurden Wcihnachts- lieder gesungen. Schließlich wurden zwei riesige Feuer gebildet, worauf in der Stadt die Christ­bescherung stattfand.

Am Weihnachtsabend ergoß sich der erste Was­serstrahl der neu erbauten Wasserleitung in Effringcn in das Wasserreservoir. Damit war die langersehnte Trinkwasserversorgung vollendet. Auch in Bösingen wurde die neue Wasser­leitung ihrer Bestimmung übergeben. Weniger erfreulich war, daß in Bösingcn der Scharlach epidemisch anltrat.

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<30. Fortsetzung >

Ich war etwas' erstaunt, nenn es war man Enkes Gewohnheit, mich zur Arbeit zu drängen. Aber ich bin dann doch auf.mein Tnrmzimmerchen gegangen.

Sofort fiel mir in de n aufgeschlogenen Heft Enkes steile, bescheidene Handschrift ins Auge. Im Stehen habe ich gelesen, was sie am Vormittag geschrieben hatte.

Nein, ich bin nicht kopfüber die Treppe hinab- gestürzt, sondern habe langsam und vorsichtig die Stufen genommen, als wäre die Freude zerbrech­lich wie Glas.

Nun wußte kch, warum Enke das Helle Kleid truo.

S> laß mit Noje vor dem Fenster nnd lachte mir jpUzbübifch entgegen.

Siehst du, Noje» daß ich recht hatte?"

Ich verstand nicht.Wie denn recht?"

Ah, nichts von Bedeutung. Ich habe nur zu Noje gesagt, daß du es oben wohl nicht länger als fünf Minuten aushalten würdest. Gerade sind sie verstrichen, wir haben nach der Uhr gesehen. Aber nun kommt, der Maientag wartet draußen!"

Unter der verhutzelten Eiche am Rand des Fichten- und Birkenwäldchens haben wir wohl eine Stunde gelegen. Noje spielte mit ihrer Lieb­lingspuppe Susi, und Enke hatte ihre Hand in die meine gelegt. Deutlich nürte ich ihren ruhigen Pulsschlag. Ganz windstill war es geworden.

Das-Schilf ist seit aestern scheu wieder ein Stück gewachsen, Vater!"

Ja, Kind, man spürt förmlich das große Werden."

Enke dankte mir mit einem Händedruck

Noje wurde allmäblich die Zeit lang. Sie fing an, von dem vorjühriqen Gras, das no<h in Menge vorhanden war. für re Puppe eine Liege­statt zu rupfen.

Susi soll wohl eine Wi-ge haben?" fragte Litt«.

irik-.SQSILLSLLHch

Das war das Stichwort. Eifria haben Enke und ich uns am Grasrupfen und am Bau der Wiege beteiligt: im Umsehen war sie fertig.

Zur Not kann auch ein kleines Menschenkind drin schlafen", sagte Enke versonnen. Sie saß regungslos, die Hände um die angezogenen Knie geschlagen.

Storms Verse fielen mir ein, ich mußte sie laut sagen:

Klingt im Wind ein Wiegenlied,

Sonne warm herniederfieht,

Seine Aehren senkt das Korn,

Rote Beere schwillt am Dorn,

Schwer von Segen ist die Flur

Junge Frau, was sinnst du nur?"

'"'Enke hatte den Atem angehalten, die Lider zuckten. Weihe und Andacht waren um uns. Erst allmählich ebbte die Erregung zurück.

Nachher sind wir langsam um den See gegan­gen, Enke in der Mitte. In der Nordostecke unter schlanken italienischen Pappeln haben wir uns aus einer Bank niedergelassen.. Lange haben wir still gesessen und den Eichelhähern zugeschaut, die in den- Büschen ihr mutwilliges Spiel trieben.

Plötzlich sang Enke. Ganz leise. Das Wiegen­lied von der jungen Jägersfrau.

Die erste Dämmerung ließ die Farben ver­blassen.

Hab' auf keine Außenwelt mehr geachtet. Mur gehorcht. Das Leben verschenkt Stunden von un­begreiflicher Schönheit. Die schlichte Art griff mir ans Herz; wie Enke sang von dem Jungen, der mit seinem Vater zum erstenmal in den Wald geht.

Das war gestern.

Heute mittag zeigte mir Enke eine neue Ge­schichte von Noje. Sie mußte sie gestern abend, bevor sie zu Bett gegangen ist. heimlich geschrie­ben haben. Die Ueberschrift heißt:Als die Mut­ter sang." In Anlehnung an das Märchen von Dornröschen erzählt Noje, daß alles ganz still g.wesen wäre und gehorcht hätte auf das Lied von dem kleinen Iägerbuben: der Eichelhäher hätte seine Kunststücke vergessen und regungslos auf einem Zweig dicht neben der Mutter gesessen: die Wellen des Sees wären auf den Strand ge­laufen und zu Füßen der Mutter erstarrt: dir Grashälmchen hätten sich nicht mehr bewegt, son­dern nur noch die Ohren gespitzt: ein Sonnen­käfer mit sieben schwarzen Punkten sei vom Him»- mel gefallen und auf der Hand der Mutter sitzen geblieben.

Noje, was wird einmal aus dir?

Enke streichelte das Büchelchen und sagte:Ich freue mich auf die erste Geschichte, die sie von unserm Buben schreiben wird."

Ja, und ich soll nun wieder von Wredenbeck erzählen. Mnß ich das wirklich? Es kommt aus einen Taa nicht an. Ich will zu Ente und Noje.

Che ich mich heute auf das Turmzimmer begab, habe ich noch eine Weile vor dem Bücherschrank gestanden, habe die Titel auf dem Rücken gelesen und auch dies und jenes Buch zur Hand genom­men. Aber seltsam fremd bin ich mir vorgekom­men. Keine Jahreszahl, kein schweinslederner Ein­band machten rechten Eindruck auf mich. An An­gelas mutige Tat, von der ich nun zu schreiben haben werde, habe ich gedacht, und die Bände wieder in Reih und Glied gestellt. Nein, von dem ehemaligen Büchernarren ist nicht viel übrig geblieben, als ihn in Wredenbeck das Leben mit beiden Fäusten packte und ihn schüttelte, daß ihm Hören und Sehen verging. Aus dem Blauen Brook packte ihn wieder das Leben, nur von einer ande­ren. Seite. Für verstaubte und seltene Drucke ist kein Raum mehr.

Ich habe zurückgeschlagen, um bei meinem wei­teren Schreiben den rechten Anschluß zu finden. An Enke habe ich mich anzuschließen. Dieser Satz, der mir eben in die Feder gesprungen ist, soll mir eine Richtschnur sein.

Spätabends erst habe ich die Fischerkate ver­lassen: wir hatten einander viel zu erzählen, weil doch alles von Grund aus anders geworden war.

(Fortsetzung sotgt.)