jenes Band. Darum halte unerschütterlich fest und treu an keinem Manne, liebe ihn, ehre ihn als deinen Herrn und sey ihm gehorsam in allen Stücken. Deinen alten Sck viegervater, jenen ehrwürdigen Greis, pflege mit kind­lichem Herzen, thue Alles, was du ihm an den Augen ansehcn kannst, auf daß es dir wohl gehe auf Erden. Mit Fleiß und Redlichkeit gehe an deine Geschäfte, Halle Ordnung rm Hause, Thätigkeit ist Segen, Unordnung aber und Müßiggang erwirbt Fluch. Vor allen Dingen jedoch halte fest an der Religion. Beginne deine Arbeit mit einem frommen Spruch, endige dein Tagewerk mit Gebet, dann wirst du stets glücklich und zufrieden seyn, wie dein Vater.

So sprach der alte Timm, und Eestna, durch die guten Lehren des VaierS zu Thränen gerührt, gelobte, pünktlich zu gehorchen. Da schlug es acht Uhr. Die Leitern führten die Tochter nach dem Miltenberg'schen Hause, wo die Trauung vollzogen werden sollte. Ohne große innere Rührung ging die heilige Handlung an Ge- sina vorüber. Ihr ganzes Herz hing an den prächtigen Geschenken, die ihr nun nach der Einsegnung von Nah und Fern, von Freunden und Bekannten gemacht wurden. Die Freigebigkeit des Gatten, die Verschwendung des Schwie­gervaters und selbst die reichen Gaben der Aeltern über- rrafen alle ihre Wünsche. Das Fest dauerte bis nach Mit ernacht.

Die junge Frau Miltenberg fand sich gar bald in das neue Hauswesen. Von ihren Aeltern zur Ordnung eben so sehr, als zur Arbeitsamkeit gewöhnt, führte sie auch am neuen Herd die wohlrhuendsten Veränderungen ein. Vater Miltenberg gewahrte dieß mit großem Ver­gnügen. Er nannte d>e Schwiegertochter einen guten En­gel, der vom Himmel herniedergestiegen sey, um seine alten Tage mit ParadieSkreuden zu bekränzen. Er überhäufte sic fortwährend mit Geschenken aller Art und kein Tag verging, ohne daß Gesina nickt einen neuen Beweis seiner Gunst empfangen hatte. Diese warme Anhänglichkeit deS alten Mannes war aber auch um so nöthiger, da Mil­tenberg bald nach den Flmerwocken wieder in seine frü­here Lebensweise verfiel. Auf Gesina machte dieser Um­stand nur einen vorübergehenden Eindruck. Als sie sah, daß ihr Gatte ihren Armen enreilte und bloß den lärmen­den Vergnügungen i» Wein - und Spielhäusern nachzog, glaubte jie sich auch nicht länger an die engen Fesseln der Arbeit im Hause gebunden. Sie nahm sich daher vor, in Zukunft blos die vornehme Dame im Hause zu spielen, mochte es dann in der Haushaltung gehen, wie es wollte.

Vor der Besitznahme Bremens durch die welkerobern­den Franzosen waren seine Bürger militairisch in Kom- pagnren eingetheilt. Von Zeit zu Zeit pflegten diese mit Sang und Klang, so wie mit fliegenden Fahnen auszu­rücken. welche Feierlickkeil dann immer mit einem Schmause beschlossen wurde. Man nannte ein solches Fest die Kor­porals-Mahlzeit, welche bisweilen unter lautem Jubel der ganzen Stadt bei Spiel und Tanz mehrere Tage fort- währtc. Auch Gesina nahm an einem solchen Feste in Gemeinschaft ihres Mannes und ihrer Aeltern Theil. Zu­fälligerweise kam bei Tische ein junger Reisender, Namens Gottfried, neben Frau Miltenberg zu sitzen. Er hatte schon vor einigen Tagen die Bekanntschaft ihres Mannes gemacht und freute sich jezt außerordentlich, auch dessen liebenswürdige Gattin kennen zu lernen. Gesina, welcher der junge Fremde gefiel, bor alle Künste auf, um densel­

ben an sich zu fesseln. Gottfried bemerkte nicht sobald das Bestreben seiner Nachbarin, als er auch schon ihr auf halbem Wege entgegen kam. Miltenberg bekümmerte sich bei dergleichen Gelegenheiten nichts um seine Frau; er lebte blos seinem eigenen Vergnügen. Gesina und Gott­fried hatten daher Spielraum genug für ihre Wünsche. Von Wein und Tanz erhizt, feierten die beiden, vor ewi­gen Stunden noch wildfremden Menschen schon das Schä­ferstündchen. Vater Timm, der eine solche Sträflichkeit seiner Tochter nicht für möglich hielt, dem aber doch ihr freies Wesen mit dem Unbekannten nicht gefallen wollte, machte ihr ernstliche Vorstellungen deßhalb. Gesina ver­sprach Gehorsam und dankte dem Vater für seine zärtliche Warnung; in der That aber gab sie dem Geliebten bloß einen Wink, um ihr Verhältniß nicht mehr so öffentlich fortzusetzen. Der kommende Tag wurde, wie der vergan­gene, mit Spielen, Tanzen, Schmausen und Lieben zu, gebracht. Miltenberg, der selbst etwas von dem Verhält­nisse zwischen Gottfried und seiner Frau ahnen mochte, war indessen weit entfernt, dasselbe zu stören, im Gegen- theil, er forderte den jungen Mann noch selbst auf, recht oft bei ihnen einzusprechen, ja, er erwiederte auch häufig dessen Besucke. Gottfried war ein Weinhändler, und als solcher besaß er das unwiderstehliche Zaubermittel für Miltenbergs Wohlwollen. Beide Männer schloßen einen Freundschaftsbund mit einander, der von Seiten Gott­frieds mit einer Menge Weinflaschen, von Seiten Milten­bergs aber mit dem Verlust seiner häuslichen Ehre bezahlt wurde.

Gesina, welche sich bald weit heftiger zu dem feuri­gen Liebhaber, als zu dem kalten Gemahl hingezogen fühlte, richtete nun ihre ganze Aufmerksamkeit dahin, den Lieb­ling ihres Herzens immer fester zu umstricken. Stunden lang brachte sie vor dem Spiegel zu, um diesen oder jenen Anzug zu prüfen; keiner war ihr schön, kemer verführe­risch genug. Da sie von Natur aus sehr blaß war, so gerieth sie auf den Einiall, sich der künstlichen Röthe zu bedienen, und legte von nun an täglich Schminke auf. Dadurch vernichtete sie den lezten Rest der Scham und bedeckte der Wahrheit reinen Himmelsspiegel mit dem gif­tigen Gewände des Truges und der Lüge.

Trotz GesinaS unverdrossenem Streben glaubte sie dennoch eine Abnahme m Gottfrieds Zärtlichkeit zu keiner, ken Dieß wurde für sie die Ursache eines gränzenlosen Kummers, denn sie liebte den schönen gefälligen Mann über alle Maßen. Sie konnte ihre Thranen nicht mehr zurückhalten, wenn sie sich die Möglichkeit seines Verlu­stes dachte; unverkennbar grub der Schmer; seine Züge in ihr reizendes Angesicht. Von Freunden und Bekannten über die Ursache ihres Kummers befragt, gab sie zur Ant­wort: daß sie jezt schon über ein Haides Jahr vermählt sey und noch keine Hoffnung an Mutterfreuden habe. Ließ bewog den Schwiegervater und ihre Aeltern, die liebe Tochter auf jede Art zu zerstreuen und aufzuheitern. Neue Geschenke flößen reichlich ihr zu, aber keines ver­mochte ihren Trübsinn zu verscheuchen, denn Gottfried- Liede schien gänzlich eingeschlafen. Bald nack dem neuen Jahr 1807 entdeckte sie auf einem Spaziergange ihrem Manne: daß sie guter Hoffnung zu seyn glaube. In der ganzen Familie erregte dieses Ereigniß große Fröhlichkeit: auch Gesina schien wieder neu aufzuleben: denn Gottfried behandelte sie seit einiger Zeit mit weit mehr Auszeichnung. (Fortsetzung folgt.)