- 364

-bat heute die Anweisung erhalten, die hiesige Ne-

sivenz und deren Umgebung im Umkreise von 2 Meilen binnen 24 Slunven bei Vermeidung der Verhaftung zu

verlassen. Ließ wird ihm behufs seiner Reise nach-

hierdurch bescheinigt. Königl. Polizeipräsidium."

Wie die Steuerverweigerung von den unteren Bolks- klassen ausgenommen wird, zeigen die Ercesse in der P o- senschen Stadt Meseritz. Am 2st. November ertrotz­ten die Arbeiter vom Magistrat die Aufhebung der Mehl- und Schlackisteuer. Als diese gewährt war, begannen sie dieselbe zu feiern, und zogen dann Abends betrunken in starken Trupps von Laden zu Laden, forderten Schnaps, Brod und Würste ohne Geld, und wo diese Forderungen verweigert wurden, gab es zerbrochene Fenster. Zuletzt mußte die Bürgerwehr mit dem Bajonnet die Haufen aus­einander treiben.

In Wien ist das große Tagesereignis, wie natür­lich, die Abdankung des Kaisers Ferdinand. Sein lez- ter Regierungsakt war die Volljährigkeits-Erklärung seines Nachfolgers, einer der ersten des neuen Kaisers war die Ernennung des Barons Culmer, vertrauten Freundes des Banus Jellach ich und früheren Vermittlers zwischen demselben und dem Kriegsminister Latour, zum Mini­ster ohne Portefeuille mit Sitz und Stimme im Mim- sterrathe eine Koncession an die slavische Partei. Un­ter den vielen Vermuthungen, welche sich an die Abdan­kung des Kaisers Ferdinand knüpfen, schein» die wahr­scheinlichste die, daß der Enschluß des Kaisers hauptsäch­lich wegen der Verwicklungen mit Ungarn beschleunigt wurde. Er konnte, so heißt es, sich nicht dazu verstehen, seine zu Gewährleistung der ungarischen Freiheiten gelei­steten Eide zu brechen. Andererseits wird bemerkt, baß schon seit den Märztagen eine gewaltige Partei, an deren Spitze die Erzherzogin S o p hie (die Mutter deö jetzigen Kaisers) auf die Abdankung Ferdinands hingewirkl habe. Die Eltern des Kaisers, Erzherzog Franz Karl und die Erzherzogin Sophie, werden sich sammt ihrer Familie nach München begeben. Man versichert, daß hierdurch dem bestimmt ausgesprochenen Wunswe des jungen Kaisers will­fahrt werde, da er frei von allen Einflüssen beim Antritt seiner Regierung seyn wolle.

In Wien erwartet man die Ankunft des neuen Kai­sers auf den 7. Dezember. Ern Manifest an die Un­garn, worin Kranz Joseph !. seine Thronbesteigung verkündigt und sie auffordert, auf die Bahn der Gesetz­lichkeit zurückzukehren, wird unmittelbar erwartet. Die mi­litärischen Operationen gegen Ungarn wurden deßhalb vor­läufig eingestellt. Viele nehmen es als eine gute Vor­bedeutung, daß der Kaiser sich Franz Joseph nenni und nicht Franz >1. Einige der öffentlichen Meinung längst mißliebige Hofbeamte haben bereits ihre Entlassung er­halten.

Die Wiener haben auch unter der militärischen Gewallderrschafk ibren guten Humor nicht verloren. So schreibt ein Korresp. der D- Z.:An öffentlichen Orten bemerkt man jezt viele Leute uni einem weißen Kreide­strich auf dem Rücken es ist dieß eine schweigende Ue- vereinkunst, um die Polizeispionen zu bezeichnen, ohne daß man das bekannte:Naderer da!" auszusprechen braucht' Wer ein solches Individuum zuerst bemerkt, applicirt idm aus christlicher Fürsorge für das Leben und die Freiheit seiner Mitbürger einen Kreidestrich als Ausrufungs­teichen !"

Am 2. d. fand zwischen den kaiserlichen Truppen und den Ungarn ein ziemlich lebhaftes Gefecht bei Angern statt. Es endigte mir dem Rückzug der Ungarn, nach­dem sie von den Auen der March abgeschnitten und im Rücken angegriffen worden waren. Sie sollen auf diesem Rückzug in der Verwirrung unter sich selbst geschossen, und bedeutenden Verlust erlitten haben. Der Verlust der Kaiserlichen wird von der Wiener Zeitung auf 40 Ver­wundete angegeben.

Die Zahl der bombardirten Städte bat sich abermals um eine vermehrt; es ist Klausendurg, die Haupt­stadt der Ungarn in Siebenbürgen, welche am 20. d.M. vom General Wardener beschossen und mittelst Kapitula­tion eingenommen wurde. In der ersten Nacht sollte sie von den Ungarn überrumpelt werden, allein die Besatzung war auf der Hut und schlug den Angriff des Feindes zu­rück, den sie auch verfolgte und ihm einen bedeutenden Verlust an Todten und Verwundeten deibrachte. Klausen­burg soll arg mitgenommen worden seyn und hat viel durch Feuer und Schwert gelitten. Ein Reisender berich­tete, daß es einem Schutthaufen gleiche.

Ueber das Entkommen des Papstes schreibt man aus Rom: Der baierische Gesandte, Graf Spaur, welchen der bedrängte Kirchenfürst in Len Tagen der Krisis ins Ver­trauen gezogen hatte, war bereits am Morgen des 24. von hier abgereist und hielt in Gallora, einem einsamen Jesuitenkonvent zwischen Albano und Ariccia, Postpferde zur Weiterreise nach der neapolitanischen Gränze bereit. Abends spät hüllte sich der Papst in einen Kardinalsman­tel ein und setzte sich in einen der bereitstehenden Wagen, welcher ihn nach Giarkino Colonna brachte, von wo er zu der Wohnung des französischen Botschafters Hinabstieg. Nach kurzem Aufenthalt stieg er in einen Wagen, welcher ihn nach Gallora brachte, wo der baierische Gesandte sei­ner harrte, sich selbst in einen Pelz gehüllt auf den Bock setzte und den heiligen Vater wohlbehalten über Terracina nach Gaeta brachte.

In Nom sind etwa acht Kardinäle zurückgeblieben, was ihnen vom Volke hoch angerechnet wiro; sie haben Demonstrationen erhalten. Heftig getadelt wird das Be­tragen der römischen Fürsten, die den Papst im Stich ge­lassen haben und bis auf wenige flüchtig geworden sind. Der Papst soll in Gaeta ein Breve erlassen haben, wo­durch Alles seit dem 16. November in Rom Geschehene für null und nichtig erklärt wird.

Briefe aus Neapel berichten, daß der Papst Gaeta verlassen und sich nach dem Monte Cassino begeben bai, wo sich nun auch die Kardinäle versammeln. Dieselben Briefe erwähnen als Gerücht, das baierische Gesandtschafls- baus in Rom sei von dem Pöbel geplünverc uno ver­brannt worden, weil der baierische Gesandte nebst dem französischen der eifrigste Beförderer der Flacht des Pap­stes gewesen sey.

Paris, den 5. Dezember. Es bestätigt sich voll­kommen, daß der Papst sich nach Malta, nicht nach Frank­reich begibt. Der beiligc Varer bat sogar wr den Fall, daß ibn ein unerwarteter Tod treffen sollte, d,e Weisnug ertheill, das nächste Konclave auf der Jniel Malta adzn- I halten. Unsere Regierung wird durch oas Ausbleiben i des Papstes in nicht geringe Verlegenbeit gesetzt; die Kan- ^ didatur des Generals Cavaignac dürfte um so mebr va- , runter leiden, als nebst dem Marschall Bugeaud nun auch > der gewesene Kriegügefährte Cavaignacs, der Oberbefehls-