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Glänzendste begangen und von seiner Partei nur gerügt worden ist, daß sich weder die königlichen Behörden, noch die Geistlichkeit oder die Besatzung dabei berheiligt haben, erscheint gestern ein Frauenzimmer aus Wien, welcher an Madame Blum einen mit Bleistift geschriebenen Zettel überbringt, worauf die Worte stehen: An diesem Zeichen werdet ihr erkennen, daß ich noch lebe. Robert Blum. Es erzählt zugleich: Während alle Verurtheilten im Stadt­graben erschossen worden sind, habe man Robert Blum ganz allein in die jezt einsame Brigittenau geführt, dort sey aber an einem ganz Anderen das Todesurtheil voll­streckt worden, und seltsamer Weise treffen auch die Per­sonenbeschreibungen , welche die wenigen dabei anwesend gewesenen Civilpersonen von dem Hingerichteten geben, mit dem Aeußeren Robert Blums gar nicht überein. Diesem soll, wie die Berichterstattern: fortfährk, eineKapuhe über den Kopf gestülpt, und er in ein Kloster gebracht worden seyn, um dort seine deutsch-katholischen .Ketzereien abzu- bußen. Wie handgreiflich auch die Unwahrheit dieses Be­richts ist, so findet er dennoch im Bolke Glauben, welches seine Meinung besonders darauf stützt, daß die Ausliefe­rung von Blums Leiche in Wien verweigert worden ist.

In Brandenburg kam am 1. Dezember wirklich eine beschlußfähige Versammlung zu Stande, deren Ausgang jedoch nichts weniger als befriedigend war, sondern mit Vergrößerung des Bruches zwischen den verschiedenen Frak­tionen der Versammlung endigte. Die Sitzung wurde un­ter dem Vorsitz des Alterspräsidenten um 1!^ Uhr er­öffnet. Protokollverlesung und einiges Geschäftliche bil­dete den Uebergang zum Namensaufruf der Anwesenden. Der Mimstertisch war leer. Während desselben kam ein langer, nicht enden wollender Zug Abgeordneter in den Sltzungsraum. Ihr Eintritt war tbeüweise sehr gravi­tätisch. Der Namensaufruf ergab 260 Anwesende; 11 waren zu erscheinen verhindert. Der Präsident machte alsbald den Vorschlag zur Konstiruirunz des Bureaus. Schneider meldet sich zu einer persönlichen Bemerkung, deren Inhalt der erste Erisapfel werden sollte. Sofort wird die Versammlung sichtbar unruhig. Der Präsident: Es sind Anträge aus Vertagung elngegangen. Ich bin aber der Meinung, daß die Versammlung beschlußfähig ist, und er bittet, das noch nicht bekannt gemachte Resul­tat des Namensaufrufs abzuwarten. Schneider besteht aus seinem Rechte zu einer persönlichen Bemerkung, und er­bittet sich darüber den Beschluß der Versammlung. Par- risius bestreitet die Konstituirung des Bureaus und be­zieht sich deshalb gleichfalls auf einen Beschluß der Ver­sammlung. Nachdem kurze Bemerkungen gemacht sind, ertheilt der Präsident dem Abgeordneten Schneider das Wort, welcher in seinem und seiner politischen Freunde Namen eine Erklärung abgeben will uno diese also lau­tend vorliesr:Wir Unterzeichnete erklären biemit, daß wir -estdalken bei dem Beschlüsse der Nationalversammlung vom 9. Nov., daß der Krone nicht die Befugniß zustehe, die Nationalversammlung wider ihren Willen zu verlegen, zu vertagen oder auszulösen. Nachdem die Nationalver­sammlung zu Berlin durch Militärgewalt ihre Berathungen fortzusetzen verhindert ist, und wir in Erfahrung gebracht haben, daß die Minorität den Beschluß fassen will, die Stellvertreter der Majorität einzuberusen, erscheinen wir ,n Brandenburg, alle andern Rücksichten dem Wohle des Vaterlandes zum Opfer bringend. Schneider fährt fort: Er habe zu bemerken, daß er im Auftrag von Unruh und

Anderen mitzutheilen habe, daß sie nicht haben erscheinen können, weil sie mit Einberufung der Mitglieder nach Brandenburg beschäftigt sepen. Sie, die Anwesenden, seycn diesem Rufe (v. Unruhs) bereits gefolgt. Parri- sius trägt aus Vertagung der Sitzung bis Montag an. Dieser Antrag wird mit 145 gegen 113 Stimmen ver­worfen. Schneider: Er habe darauf aufmerksam gemacht, daß das Präsidium damit beschäftigt sep, für mehrere Mitglieder die Stellvertreter einzuberusen. Die Einladung nach Brandenburg sey aber mehreren hundert Mitgliedern noch nicht zugekommen. Und derselbe Mann, der vor Kurzem die Einberufung der Stellvertreter durch die Mi­norität als einen Eingriff in die Rechte der Majorität bezeichnet hatte, erklärt jezt, da man sich auf Vertagung nicht entlassen wolle, so sähen sie sich genörhigt, den Saal zu verlassen. Sie verlassen den Saal wirklich in langer Reihe, wie sie gekommen. Baumstark: Wenn man hier von einem Präsidenten v. Unruv gesprochen habe, so müsse er erklären, daß man hier keinen Präsidenten v. Un­ruh kenne. Er könne vjelmebr in seinem und seiner Freunde Namen erklären, daß es sich hier nur um einen Alters­präsidenten handle. Unterdeß hat bereits ein großer Theil der Versammlung den Saal verlassen. Parrisius bedauert, daß er seinen Antrag nicht motiviren könne. Man würde daraus erseben haben, daß er nur vermitteln und jeden Prlnclpienftrelt von vorn herein abschneiden wollte. Jezt aber, da der Antrag von der Mehrheit verworfen wor­den, fürchte er, daß die Versöhnung erschwert sey. Bor­nemann sagt, ob ec legal oder illegal zum Vicepräsiben- ten erwählt sey, gelte lhm gleich. Er habe ausdrücklich verzichtet, Bicepräsident zu seyn; er sey indeß der Mei­nung, daß sich dies mit seinem Eintritt in den Saal von selbst verstanden. Grebel ersucht den Alterspräsidenten, da seine (Grebels) Freunde den Saal verlassen Hallen, den Namensaufruf vorzunehmen, um zu ersadren, ob die Ver­sammlung noch beschlußfähig sey? Der Namensaufruf wird hieraus, mittelst Abgabe der Stimmzettel unter großer Un­ruhe der Versammlung vorgenommen; es ergibt sich, daß die Versammlung nicht mehr beschlußfähig ist; es beginnt die namentliche Abstimmung über den Simonsschen Antrag, die Einberufung der Stellvertreter betreffend, und das Re­sultat derselben ist: 82 haben sich der Abstimmung enthal­ten , 73 mit Ja, 1 mit Nein gestimmt. Der Antrag ist sonach angenommen. Hierauf stellt Baumstark den Antrag, die Sitzung bis Donnerstag 11 Uhr zu vertagen. Dies wird angenommen. Die Vertagung bis Donnerstag ge­schah wobl, um den ausgetretenen Mitgliedern Zeit zur Ueberlegung zu geben und eine Lösung dieser neuen Ver­wicklung versuchen zu können. Die Mitglieder der ent­schiedenen Linken halten sich konsequent ihrem Vorsatze überhaupt nicht nach Brandenburg begeben und sollen ment m die Heimath gereist seyn, wo sie ihre Mandate nieder- legen wollen. So d'Efter, Jakoby und Andere.

In Koblenz fielen am 30. Nov. Abends unruhige Auf­tritte vor. Eine Anzahl Kriegsreservisten und Landwebr- männcr Hanen mit Beobachtung aller gesetzlichen Vorschrif­ten in dem geschlossenen Saale von Costing eine Versamm­lung ausgeschrieben. Zar Zeit der Eröffnung aber fand sich eine große Anzahl Soldaten des 26. Jnfan.erieregi- ments vor demselben mir Seitgewebren versammelt und fingen an, die Eintretenben ohne Veranlassung mit ihren Waffen zu mißhandeln. Es entspann sich dadurch ein Streit, in welchem mehrere Personen, Soldaten und an-